Buch lesen: «Flupp!», Seite 3

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Die Flupppuppe und der Torwart nickten.

„So aus der Ferne kann ich natürlich nicht sagen, wie man das Baby wieder zum Essen kriegt“, sagte Betrüger-Schorschi. „Ich müsste es mir schon mal aus der Nähe ansehen.“

„Das ist nicht möglich“, sagte der Torwart. „Wenn das Baby so schlecht gelaunt ist wie zur Zeit, ist es lebensgefährlich, in seine Nähe zu kommen.“

„Ach was!“ sagte die Flupppuppe. „Wenn Betrüger-Schorschi Lust auf ein kleines Abenteuer hat, können wir dem Baby ruhig einen Besuch abstatten. Ohne den Ballonkorb an den Beinen fliege ich zehnmal höher und schneller. Selbst wenn Betrüger-Schorschi auf meinem Rücken sitzt.“

Betrüger-Schorschi schluckte.

Auf dem Rücken der Flupppuppe einem gigantischen Baby entgegenzufliegen, das mit riesigen Felsbrocken um sich schmiss, war sicher nicht ungefährlich!

Aber hatte er nicht gefährliche Abenteuer gesucht, als er mit der Flupppuppe seine Reise begonnen hatte?

Das Baby war vor diesem Hintergrund ein Abenteuer, das er sich nicht entgehen lassen durfte! Und wenn er damit vielleicht auch nicht die Flupppuppe würde beeindrucken können, so dann sicher doch den Torwart und vielleicht noch manch andere Leute hier im Blauen Gebirge.

Tante Pims Auftrag musste warten. Das umso mehr, als Entenhausen wahrscheinlich gar nicht die Stadt der Kinder und der junge Hubel sowieso nicht hier war. Denn da der Torwart den jungen Hubel nicht kannte, war er offensichtlich auch nicht auf diese Seite des Blauen Gebirges gelangt.

Überhaupt, wenn er es richtig bedachte: Was ging ihn der junge Hubel an? War es nicht viel spannender und wahrscheinlich auch einträglicher, die Bewohner des Blauen Gebirges von diesem monströsen Baby zu befreien? Und konnte es ihm persönlich nicht ganz egal sein, ob ihm die Bewohner hier oder auf der anderen Seite der Berge wegen seiner heldenhaften Taten zujubelten?

„Wann fliegen wir los?“ fragte er voller Tatendrang.

„Du fliegst ihn also wirklich zum Baby?“ fragte der Torwart erstaunt.

„Bist du einmal in Not / ich bring es dir ins Lot“ erinnerte die Flupppuppe den Torwart an ihre Pflichten.

„Ich hätte es wissen müssen, als ich dich gestern auf mich zufliegen sah!“ rief der Torwart erfreut. „Auf die Flupppuppe ist immer Verlass!“

Eine halbe Stunde später standen alle drei auf dem Felsvorsprung und verabschiedeten sich voneinander.

„Kann ich den Korb hier lassen, bis wir wieder kommen?“ fragte Betrüger-Schorschi.

„Aber gerne“, sagte der Torwart und dachte an die Schokolade, die er vorhin im Korb gesehen hatte.

„Nichts für ungut“, sagte die Puppe ins Blaue hinein. „Lasst uns jetzt losfliegen. Meine Beine brauchen Bewegung.“

Sie flog einen Meter in die Höhe, drehte sich in Bauchlage und forderte Betrüger-Schorschi auf, sich auf ihren Rücken zu schwingen.

„Haltet die Ohren steif!“ sagte der Torwart.

„Wird schon schief gehen“, sagte Betrüger-Schorschi.

„Alle Mann an Bord?“ fragte die Flupppuppe.

„Alle Mann an Bord!“ bestätigte Betrüger-Schorschi.

Er hielt die Hand zum Gruß und der Torwart winkte zurück.

„Festhalten!“ rief die Puppe. „Es geht los!“

Betrüger-Schorschi hielt sich an den Schultern fest und die Puppe schraubte sich in die Höhe.

Wow!

Das war weitaus besser als unter den Ballonbeinen im Korb zu sitzen! Jetzt war er mitten im Himmel! Wolkenfetzen kitzelten seine Nase, der Wind riss an seinen Haaren und jede Abwärtsbewegung fuhr ihm in den Bauch.

Er bekam die kleinsten Bewegungen der Flupppuppe mit, und so bildete er sich bald ein, selbst fliegen zu können.

„Wo ist denn der Kesselberg?“ rief Betrüger-Schorschi.

„Ungefähr 50 Meilen südlich von hier“, antwortete die Flupppuppe. „Siehst du den einzeln stehenden, grauen Berg am Horizont?“

„Ja“, sagte Betrüger-Schorschi. „Ist er das?“

Die Flupppuppe nickte und Betrüger-Schorschi kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können: Der Berg war beinahe so breit wie hoch und hatte eine kegelförmige Spitze.

Das Baby konnte Betrüger-Schorschi allerdings noch nicht erkennen. Aber er würde es ja noch früh genug zu Gesicht bekommen! Bis dahin wollte er die Zeit mit der Flupppuppe genießen:

Zick, zack, zong. Das Leben ist schön. Mit und ohne Gong. Hahahaha. Flupppuppe. Du und ich. Wir bringen es ins Lot. Hahaha.

Hast du den blauen Fels gesehen? Bestimmt eine Billion wert!

Hahaha. Flupppuppe. Das ist Glück!

Hui, das ging aber nach unten.

Hahahaha. Zick, zack, zong.

Oh, das ist aber ein schönes grünes Tal unter uns, sieht sehr saftig aus. Und da eine Stadt, wie mit Aquarellfarben gemalt.

Zack, fuhr das gerade in den Bauch.

Vorsicht, Flupppuppe, vor dir fliegt so eine merkwürdige Suppentasse!

Wo sind denn jetzt die Berge?

Ich sehe nur noch eine riesige Steppe unter uns.

Und da hinten steht plötzlich so ein merkwürdiges Schloss aus dem ein eklige, braune Masse rauswabert.

Zum Glück sind wir hier oben, was Flupppuppe?!

Auf deinen tollen Pranken fühlt sich das Leben gleich grenzenlos an!

Hahaha!

Ein lautes Krachen riss Betrüger-Schorschi aus seinen Betrachtungen.

Verblüfft schaute er sich um. Aber er konnte nur kleine, unschuldige weiße Wölkchen entdecken. Keine Spur von einem aufkommendem Sturm.

Wieder krachte es.

„Warum donnert es denn?“ fragte Betrüger-Schorschi.

„Das ist kein Donner“, sagte die Flupppuppe. „Das sind Felsbrocken.“

Es krachte zwei Mal hintereinander.

Das mussten aber riesige Felsbrocken sein!

„Zum Glück sind wir hier oben“, meinte Betrüger-Schorschi.

Die Flupppuppe lachte.

Das Krachen und Poltern wurde lauter und Betrüger-Schorschi konnte inzwischen hören, wie die Brocken den Berg hinabkollerten und hüpften.

KROLL, KRANG, KRAWUMM.

“Ist das ein Erdbeben?” fragte Betrüger-Schorschi begriffsstutzig.

Die Flupppuppe lachte wieder und sagte: „Erdbeben? Nein! Das ist das Baby!“

Betrüger-Schorschi wäre vor Schreck beinahe vom Rücken der Puppe gefallen!

Mit solch riesigen Felsbrocken schmiss das Baby um sich?

Sicher, er hatte gewusst, was auf ihn zukommen würde. Aber irgendwie hatte er sich die Felsbrocken doch eher wie große Kiesel vorgestellt.

„Wir haben Glück“, sagte die Flupppuppe nach einer Weile. „Das Baby hat eine Pause eingelegt!“

Tatsächlich, jetzt war es still!

Die Flupppuppe legte einen Zahn zu und bald konnten sie die Umrisse des Babys erkennen.

Betrüger-Schorschi schauderte:

Das, was er vorhin für die kegelförmige Kuppe des grauen Bergs gehalten hatte, war in Wirklichkeit das Baby! Wie auf einem Topf saß es auf dem Berg und nuckelte an den Fingern!

„Es nuckelt an den Fingern!“ sagte die Flupppuppe erfreut.

Betrüger-Schorschi nickte mit aufgerissenen Augen, zeigte mit dem Finger auf den Berg und sagte: „Baby!“

Baby

Das Baby war riesengroß, fett und hässlich.

Betrüger-Schorschi war es unbegreiflich, wie man so groß, so fett und so hässlich sein konnte. Und bevor er sich das Baby genauer angesehen hatte, hatte er bereits sein ärztliches Urteil gefällt: Das Baby war ein Ding der Unmöglichkeit! Es sprengte die Vorstellungskraft jedes Menschen. Und deshalb musste es so schnell wie möglich verschwinden!

Die Flupppuppe flog einmal in einem großen Bogen um das Baby herum, wie um Betrüger-Schorschi zu zeigen, dass es auch seine schönen Seiten hatte.

Aber Betrüger-Schorschi dachte gar nicht daran, sich von den weichen Baby-Augen, die verträumt über die Berge sahen, oder den süßen Grübchen auf den Wangen betören zu lassen.

Warum auch?

Das Baby war ein Bedrohung für die Öffentlichkeit. Er hatte den Auftrag bekommen, das Baby unschädlich zu machen. Und er wäre verrückt, wenn er die einmalige Gelegenheit, sich hier Ruhm zu verschaffen, nicht nutzen würde. Da konnte ihm eine persönliche Abneigung gegen das Baby nur helfen.

Im Moment war das Baby glücklicherweise so mit Nuckeln beschäftigt, dass es die Flupppuppe und ihren Begleiter nicht bemerkte.

„Kommt Zeit, kommt Rat“, sagte die Flupppuppe.

Betrüger-Schorschi nickte und sagte: „Und mit dem Rat die Tat.“

Die Flupppuppe flog einen kleinen Bogen um die fleischigen Speckarme des Babys und Betrüger-Schorschi sagte: „Eins ist sicher: Das Baby muss weg!“

Die Flupppuppe nickte und flog hinter den Rücken des Babys.

Das Baby hörte mit Nuckeln auf und lauschte angestrengt.

Hinter seinem Rücken hörte es ein leises Summen.

Was war das?

Es drehte seinen Kopf und quietschte erfreut auf.

Das Summen kam von einem fliegenden Wurm! Oder nein: Von zwei Würmern, die aneinandergeklebt waren!

„Ai!“ lachte das Baby und griff mit seiner großen, plumpem Hand nach der Flupppuppe.

„Vorsicht!“ schrie Betrüger-Schorschi. „Das Baby hat uns entdeckt!“

Die Flupppuppe schraubte sich blitzartig in die Höhe.

Betrüger-Schorschi war auf diese Steilvorlage nicht gefasst und fiel kopfüber nach unten!

Direkt in die warme Patschhand des Babys!

„Ai!“ lachte das Baby. „Ai, ai!“

Betrüger-Schorschi schrie.

Die Flupppuppe bremste ab, flog aber nicht zu Betrüger-Schorschi, sondern blieb lieber aus der Reichweite des Babys.

„Flupppuppe“, rief Betrüger-Schorschi voller Angst. „Hilf mir!“

„Hast du Suppe?“ fragte die Flupppuppe.

„???“

„Nichts für ungut“, sagte die Puppe.

Das Baby stupste mit dem Finger in Betrüger-Schorschis Bauch. Betrüger-Schorschi fiel um und rappelte sich wieder auf.

Das gefiel dem Baby.

Nochmals stupste es Betrüger-Schorschi um und nochmals stand er auf.

Das Baby lachte und stupste Betrüger-Schorschi immer wieder um. Und immer wieder stand Betrüger-Schorschi auf.

„Bleib doch liegen!“ rief ihm die Flupppuppe zu.

„Damit es mich wie einen kaputten Käfer wegschleudert?“ keuchte er. „Nein, danke!“

Nach zwanzig weiteren Stupsen war es dann aber trotzdem so weit: Betrüger-Schorschi war schlapp und konnte keinen Finger mehr rühren!

Doch das Baby dachte glücklicherweise nicht daran, ihn wegzuschleudern: Es war lange her, dass es ein so lustiges Spielzeug gefunden hatte. Nachdem der Wurm nicht mehr aufstand, hielt es seinen Handteller nahe ans Gesicht, um ihn sich besser ansehen zu können. Der Wurm hatte Kleider an! Und er hatte einen weichen Pelz am Kopf! Das Baby kreischte: Der fliegende Wurm war ein Mensch!

Und da fiel dem Baby wieder ein, dass die Menschen ihm immer nur Schokoladenpudding und Leberpastete zum Essen brachten. Dass es aber keine Lust mehr auf Schokopudding und Leberpastete hatte und dass es endlich einmal etwas anderes essen wollte!

Das Baby verzog seinen Mund zu einer schrecklichen Grimasse und schrie von einer Sekunde auf die andere aus Leibeskräften. Es formte seine Hände zu Fäusten und zerquetschte Betrüger-Schorschi dabei um ein Haar.

Soweit Betrüger-Schorschi zwischen den dicken Fingern des Babys hindurch sehen konnte, machte die Flupppuppe offenbar keinerlei Anstalten, ihm zu helfen. Sie flog in sicherer Entfernung vom Baby und hielt sich die Ohren zu. Zu mehr war sie anscheinend nicht in der Lage.

Doch Betrüger-Schorschi wusste nicht, dass auch die Flupppuppe in Gefahr schwebte! Das Geschrei des Babys versetzte ihre Beine nämlich in so starke Schwingungen, dass sie kurz vor dem Platzen waren! Wenn das Baby noch eine Minute länger schrie, würde es um ihre Beine geschehen sein!

In ihrer Not wusste sich die Flupppuppe nicht anders zu helfen, als auf Ohrhöhe des Babys zu fliegen und ihm beruhigende Worte zuzurufen. Aber das Baby kümmerte sich nicht darum und schrie einfach weiter.

Die Flupppuppe kitzelte an einem Ohrläppchen des Babys. Aber das Baby schrie weiter.

Die Flupppuppe streichelte mit ihrer kleinen Hand die Wange des Babys. Aber das Baby schrie weiter.

„Dann eben so“, sagte die Flupppuppe verzweifelt und stieß ihre hochhackigen Schuhe mit voller Kraft in die Wange des Babys.

Das Baby schrie weiter, fasste sich aber mit der einen Hand an die Backe. Dabei erwischte es den Schuh der Flupppuppe und ... hörte endlich auf zu schreien!

„Ai“, seufzte das Baby. „Ai, ai!“

Es erinnerte sich wieder an Betrüger-Schorschi und versuchte ihm jetzt den Schuh anzuziehen.

„Au!“ sagte Betrüger-Schorschi. „Lass das!“

Die Flupppuppe machte ihm aufgeregte Zeichen. Sie wollte offensichtlich ihren Schuh wieder haben. Aber, so dachte Betrüger-Schorschi, die Flupppuppe half ihm nicht, weshalb sollte er dann ihr helfen?

Das Baby drückte ungeduldig an dem Schuh und nach einigem Rütteln und Quetschen hatte es Betrüger-Schorschi endlich den Flupppuppenschuh angezogen.

Oh, sah der Mensch jetzt schön aus!

Vorsichtig nahm das Baby ihn zwischen zwei Finger und hob ihn auf Augenhöhe.

„Fei!“ rief es, „fei, fei!“

Betrüger-Schorschi kam eine Idee. Vielleicht verstand das Baby mehr, als es sprechen konnte?! Dann konnte er sich vielleicht mit Worten freikaufen? Er dachte an die zehn Tafeln Schokolade in seinem Korb.

„Baby!“ rief Betrüger-Schorschi so laut er konnte. „Baby, hörst du mich?“

Das Baby schaute ihn interessiert an.

„Baby!“ fuhr Betrüger-Schorschi fort. „Du hast doch bestimmt Hunger?“

Betrüger-Schorschi rieb sich mit kreisenden Bewegungen den Bauch.

Das Baby nickte und verzog gefährlich die Mundwinkel nach unten.

„Halt!“ schrie Betrüger-Schorschi. „Nicht weinen! Ich bin Schorschi! Der liebe Onkel Schorschi! Und ich werde dir Schokolade bringen!“

Er lächelte sein unschuldigstes Lächeln und wiederholte: „Schokolade, leckere Schokolade!“

Das Baby schrie. Es wollte keine Schokolade!

Betrüger-Schorschi begriff schnell. Offensichtlich wollte das Baby keine Schokolade. Wahrscheinlich hatte man ihm schon zuviel Schokolade gefüttert.

Deshalb rief er hastig: „Baby, ich habe mich versprochen. Ich bringe dir keine Schokolade, sondern koche dir einen leckeren Brei! Hörst du? Onkel Schorschi kocht dem Baby einen leckeren Brei!“

Das Baby verstand offensichtlich, was er sagte, denn es hörte auf zu Schreien und lächelte. Es quietschte: „Schoschi. Ontel Schoschi!“

„Ja, genau“, sagte Betrüger-Schorschi einschmeichelnd. „Ich bin Schorschi. Der liebe Onkel Schorschi. Und der liebe Onkel Schorschi will dir ganz viel Brei kochen! Brei nur für dich! Das geht aber nur, wenn du Onkel Schorschi jetzt weg lässt!“

„Schoschi Bei“, sagte das Baby und nickte.

„Genau!“ sagte Betrüger-Schorschi. „Baby lässt Onkel Schorschi gehen. Schorschi holt Brei, und dann kommt er wieder zum Baby.“

„Schoschi nicht gehen!“ sagte das Baby. „Schoschi Baby bleiben!“

„Hat das Baby keinen Hunger?“ fragte Betrüger-Schorschi.

Das Baby nickte.

„Dann muss Onkel Schorschi Brei holen!“

Das Baby nickte, ließ ihn aber nicht frei.

Nach einigem Überlegen sagte es: „Ontel Schoschi Bei holen, dann wieder kommen?“

Betrüger-Schorschi nickte und sagte: „Onkel Schorschi kommt wieder. Onkel Schorschi kommt mit Brei wieder.“

„Ontel Schoschi wieder kommen?“

„Ja, Schorschi kommt wirklich wieder!“ bestätigte Betrüger-Schorschi. „Was Onkel Schorschi verspricht, hält er auch.“

Das Baby setzte Betrüger-Schorschi auf die Hand, sagte „Schoschi wieder kommen. Ontel Schoschi spicht, hält er auch!“

Betrüger-Schorschi nickte.

Und da gab das Baby Betrüger-Schorschi tatsächlich frei!

Es setzte ihn vorsichtig auf seinen Handteller und blies ihn mit seinem Schokopuddingatem kräftig in die Luft. Er war fliegend gekommen, dann musste es ihm auch leicht fallen, fliegend wieder zu gehen!

Und Recht hatte das Baby.

Denn die Flupppuppe, die vom Babyohr aus alles genau beobachtet hatte, flog in Windeseile zu Betrüger-Schorschi und fing ihn auf, bevor er in die Tiefe stürzte.

„Auf die Flupppuppe ist immer Verlass!“ sagte Betrüger-Schorschi erleichtert. Er war so froh, dass er wieder auf ihrem Rücken saß, dass er nicht mehr wütend auf sie war.

„Gut gemacht!“ sagte die Flupppuppe.

„Nicht der Rede wert!“ sagte Betrüger-Schorschi. „War ein Kinderspiel!“

„Aha!“ sagte die Flupppuppe. „Kann ich meinen Schuh wieder haben?“

„Aber immer doch!“ sagte Betrüger-Schorschi übermütig und steckte den Schuh mit einer galanten Bewegung der Puppe an den Fuß.

„Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“, gab die Flupppuppe zu Bedenken. „Womit willst du denn den vielen Brei kochen? Du selbst hast keine Milch mitgebracht und die Bewohner haben fast keine mehr!“

„Ich habe da schon einen Plan!“ sagte Betrüger-Schorschi und lächelte listig. „Wenn er klappt, sind wir das Baby schon so gut wie los!“

Betrug

Als die Flupppuppe den Felsvorsprung der Höhle ansteuerte, bemerkte Betrüger-Schorschi drei fremde Personen, die sich an seinem Ballonkorb zu schaffen machten. Der Torwart war nicht zu sehen.

„Wer sind die denn?“ fragte Betrüger-Schorschi beunruhigt.

Es gefiel ihm nicht, dass jemand seine Sachen durchwühlte.

„Das blasse Mädchen ist Emily und der schwarzhaarige Mann mit dem Nussknackergesicht Dr. Slump“, erklärte die Flupppuppe. Sie setzte zur Landung an und sagte: „Ich habe allerdings keine Ahnung, wer der kleine Mann mit dem roten Hut ist.“

Die Puppe machte eine letzte Drehung, forderte Betrüger-Schorschi auf, abzuspringen und schwuppte dann mit ihren langen Beinen auf den Boden.

Dem Mann mit dem Nussknackergesicht, Dr. Slump, fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als die Flupppuppe plötzlich neben ihm stand. Sein Mund klappte nach unten und seine Knie fingen an zu zittern.

„Wurde auch langsam Zeit, dass du kommst, Flupppuppe!“ sagte das blasse Mädchen. „Langweilige Versammlung hier!“

Emily war ein ungefähr dreizehnjähriges Mädchen mit langen schwarzen Haaren, einem kurzen schwarzen Kleid, schwarzen Strümpfen und viel zu großen weißen Schuhen. Betrüger-Schorschi wusste nicht, was er von ihr halten sollte.

Dr. Slump hatte sich wieder berappelt, zeigte auf Betrüger-Schorschi und fragte die Flupppuppe: „Was macht denn der Typ hier? Warum darf der auf deinem Rücken fliegen und ich nicht?“

„Das ist Betrüger-Schorschi“, sagte die Flupppuppe. „Und wo hast du deine Familie gelassen?“

Dr. Slump machte ein zerknirschtes Gesicht und sagte: „Arale ist weg! Keine Ahnung wohin! Deshalb bin ich hier. Wollte den Torwart fragen, ob er sie gesehen hat.“

„Gestatten?“ sagte der kleine Mann mit rotem Trenchcoat und rotem Hut unvermittelt: „Rossi! Vorne mit einem ‚R’!“

„Ist noch Schokolade übrig?“ rief der Torwart und schaute aus dem Höhleneingang.

Er sah Betrüger-Schorschi, zuckte zusammen, kam dann aber trotzdem aus der Höhle gelaufen.

„Schön, dass Sie wieder da sind!“ sagte er gedehnt. „Und so gesund! Wir haben in der Zwischenzeit ein bisschen von Ihrer Schokolade gegessen!“

„Sozusagen alles!“ sagte Dr. Slump.

Emily lächelte schmal: „Die Nüsse waren auch nicht schlecht!“

„Und die Gurken haben mich an zu Hause erinnert!“ sagte der Mann, der sich als Rossi vorgestellt hatte.

„Wie kommen Sie dazu, meinen Proviant aufzuessen?“ sagte Betrüger-Schorschi wütend. „Ich hasse es, wenn man sich an meinen Sachen vergreift!“

Emily feixte. Endlich war etwas los!

„Wir hatten großen Hunger“, verteidigte sich der Torwart. „Wie Sie wissen, isst das Baby uns alles weg!“

„Das Baby ist an allem schuld!“ nickte Dr. Slump. „Arale ist sicher nur von zu Hause abgehauen, weil sie das Baby sehen wollte!“

„Ich brauche die Schokolade aber!“ sagte Betrüger-Schorschi.

„Für was denn?“ fragte der Torwart. „Was ist wichtiger, als sie ein paar ausgehungerten Menschen zu geben?“

Betrüger-Schorschi überlegte. Es stimmte. Die vier dünnen Leute hatten die Schokolade sicher nötiger als er. Aber es störte ihn trotzdem gewaltig, dass sie die Schokolade genommen hatten ohne ihn zu fragen.

„Ich brauche sie für das Baby“, behauptete er deshalb. „Ich habe sie dem Baby versprochen!“

Er versuchte, nicht in die Richtung der Flupppuppe zu sehen. Er wollte sich nicht ihrem erstaunten oder spöttischen Blick aussetzen.

„Sie haben dem Baby wirklich die Schokolade versprochen?“ fragte der Torwart. Er war blass geworden.

„Ja, das habe ich!“ sagte Betrüger-Schorschi und tat sehr aufgeregt. „Und was man verspricht, sollte man bekanntlich auch halten. Wahrscheinlich wird das Baby jetzt sehr, sehr wütend, wenn es seine Schokolade nicht bekommt!“

Dr. Slump und der Torwart zitterten.

„Was ist denn, wenn das Baby wütend wird?“ fragte Herr Rossi interessiert.

„Dann gibt es ein Erdbeben!“ übertrieb Betrüger-Schorschi. „Mindestens!“

„Ein Jammer, dass ich mein Pfeifchen verloren habe“, sagte Rossi. „Ich glaube, es wäre an der Zeit, hier zu verschwinden!“

Emily schaute Betrüger-Schorschi scheel an. Diesem Typ machte es offensichtlich Spaß, den anderen Angst einzujagen. Vielleicht sollte sie sich an ihn halten? Das war sicher spannender als mit Dr. Slump nach dem schwachsinnigen Automatenmädchen Arale zu suchen oder Rossis Gejammer über seine verschwundene Pfeife anzuhören.

Betrüger-Schorschi seinerseits verschwendete keinen Gedanken an Emily. Er legte seine ganze Kraft vielmehr da rein, seinen Sieg über das Baby effektvoll vorzubereiten: Je mehr Angst alle vor dem Baby hatten, umso Aufsehen erregender war dessen Vertreibung! Ein Baby, das seine versprochene Schokolade nicht bekam, wurde sicher sehr wütend. Und ein wütendes Baby machte mehr Angst als ein friedliches.

Dass er dem Baby gar keine Schokolade, sondern Brei versprochen hatte, spielte dabei keine Rolle. Denn natürlich hatte er nie vorgehabt, dem Baby tatsächlich Brei zu kochen. Er war doch kein Babysitter! Er hatte dem Baby das Versprechen nur gegeben, weil es ihn sonst nie losgelassen hätte.

Außerdem wäre es glatter Wahnsinn, das maßlos fette Baby weiter zu füttern. Das Baby musste nicht gemästet, sondern ausgehungert werden! Eine Diät tat Not, keine Fütterung.

Und plötzlich fiel Betrüger-Schorschi auf, dass es ihm vor diesem Hintergrund nur Recht sein konnte, dass die anderen seinen Proviant aufgegessen hatten. So konnte er sie viel eher von seinem Plan mit der Diät überzeugen. Denn wo keine Schokolade war, konnte auch keine verteilt werden. Und falls sein Plan wider Erwarten misslang, konnte er ihnen sogar die Schuld dafür geben!

Betrüger-Schorschi grinste: Er liebte es, wenn das Risiko nur auf der Seite der anderen lag.

„Nachdem ihr alle Schokolade aufgegessen habt, müssen wir uns jetzt leider etwas anderes überlegen!“ sagte er. „Doch zum Glück ist mir gerade etwas Glänzendes eingefallen!“

Emily horchte auf.

„Schokoladendiät!“, sagte Betrüger-Schorschi.

„Aber wir haben doch keine Schokolade mehr!“ wimmerte der Torwart.

„Brauchen wir auch nicht!“ sagte Betrüger-Schorschi. „Diese Diät ist keine Diät mit Schokolade, sondern von Schokolade!“

„Perfekt!“ sagte Emily, die gleich verstand, worum es ging: „Bevor es verhungert, wird es euch den Kopf abreißen!“

„Nicht noch einen Kopf weniger!“ rief Dr. Slump. „Mir reicht es schon, dass Arale ihren Kopf immer verliert!“

„Das Baby braucht Schokolade“, sagte der Torwart unbeirrbar. „Das war schon immer so!“

„Dann wird es jetzt eben anders!“ sagte Betrüger-Schorschi.

„Sie können nicht einfach zu uns kommen und die Welt auf den Kopf stellen“, sagte der Torwart. „Sie kennen sich hier viel zu wenig aus. Wenn das Baby keine Schokolade mehr bekommt, zerschmettert es uns mit Felsbrocken!“

„Wir müssen das Baby entkräften!“ sagte Betrüger-Schorschi unbeirrt. „Das Baby wird nur am Anfang etwas toben!“

„Sie sind ja verrückt!“ sagte der Torwart. „Das ist kein Plan, sondern Blödsinn! Bis das Baby entkräftet ist, hat es auf Meilen um sich herum alles kurz und klein geschlagen!“

„Wenn ein Baby Hunger hat, muss man ihm zu essen geben!“, pflichtete Dr. Slump ihm bei und dachte an sein kleines Turbo-Baby, das er zu Hause gelassen hatte.

„Haben Sie dem Baby nicht die Schokolade versprochen?“ mischte sich Rossi ein. „Was man verspricht, sollte man halten!“

„Ach richtig!“ sagte Betrüger-Schorschi listig. „Dann geben Sie mir am besten gleich meine Schokolade wieder! Ich werde sie ihm sofort bringen!“

„Mein Replikator ist leider kaputt!“ sagte Dr. Slump zerknirscht. „Sonst hätte ich die Schokolade verdoppelt, bevor wir sie gegessen haben!“

„Hunger kommt von hungern!“ stellte Emily fest. „Wenn das Baby Hunger hat, sollten wir es also hungern lassen!“

Betrüger-Schorschi sah anerkennend in ihre Richtung. Vielleicht steckte in dem blassen Mädchen mehr, als er auf den ersten Blick gedacht hatte?

„Wohin ist es mit den Ärzten gekommen, wenn sie ihre Patienten verhungern lassen?“ knirschte der Torwart.

„Im Moment ist nicht das Baby mein Patient“, sagte Betrüger-Schorschi großspurig. „Sondern Sie alle hier! Das Baby ist die Krankheit, von dem die Bevölkerung des Blauen Gebirges befreit werden muss.“

Der Torwart schüttelte sich angeekelt.

Dr. Slump ließ den Kopf hängen und sagte: „Wenn ich nicht Arale suchen müsste, könnte ich einen Slumpomator bauen und das Baby klein schrumpfen!“

„Au ja!“ sagte Emily. „Dann würde es prima auf meinen Operationstisch passen! Ein Baby würde meine Sammlung von zusammengenähten Monstern eindeutig aufwerten!“

„Wenn ich meine Pfeife hätte“, sagte Rossi, „wäre das Problem sofort gelöst. Ein Pfiff und das Baby wäre im Irgendwo!“

„Und wenn ich die Sache in die Hand nehme“, sagte Betrüger-Schorschi, „werde ich euch von dem Baby befreien! Meine Schokoladendiät hat hundertprozentigen Erfolg!“

Der Torwart, Dr. Slump und Rossi sahen sich betroffen an:

Sicher, das Baby war eine Gefahr für die Bevölkerung. Es aß alles weg, zerstörte ihre Häuser mit Felsbrocken und hatte vielleicht auch noch Arale auf dem Gewissen. Aber es war immerhin ein Baby!

„Wer die Wahl hat, hat die Qual!“ sagte die Flupppuppe gelassen und flog eine Runde über ihren Köpfen.

Dr. Slump warf ihr einen begehrlichen Blick zu.

„Ich bin für die Diät“, sagte Emily mit einem schiefen Grinsen.

„Wir sollten unser Glück auf jeden Fall versuchen!“ sagte Rossi.

„Es scheint so, als ob uns nichts anderes übrig bleibt“, sagte der Torwart.

„Bleibt die Puppe so lange hier?“ fragte Dr. Slump und für einen kurzen Moment fiel ihm die Zunge aus dem Mund.

„Finger weg von der Puppe!“ sagte Betrüger-Schorschi. „Ich befreie euch von dem Baby!“

Dr. Slump ging ihm auf die Nerven. Wofür hielt der sich? Für ein Genie, der kurz mal so die Puppe abstauben konnte? Von wegen! Er, Betrüger-Schorschi würde allen zeigen, was für ein toller Kerl er war! Und wenn er das Blaue Gebirge vom Baby befreit hatte, war ihm nicht nur der Ruhm der ganzen Bevölkerung, sondern auch die Ergebenheit der Puppe sicher.

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