Buch lesen: «Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten», Seite 2

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Grenzenloser Schall macht Stress

Lärm hört nicht an der Grenze zu einem Nationalpark auf. Da helfen auch keine Schallschutzmauern. Durch sie wäre vielmehr die Grenzmobilität, auf die viele Tiere angewiesen sind, eingeschränkt. Manche Frequenzen des menschengemachten Lärms – vor allem die tiefen – haben eine riesige Reichweite, Verkehrslärm ist zum Beispiel sehr tieffrequent. Windparks zur Stromerzeugung produzieren auch Infraschall, jene Schallanteile des Frequenzspektrums, die für uns Menschen zu tief sind, dass wir sie hören. Welche Tiere diesen tieffrequenten Störlärm wahrnehmen und ob es ihre Leben beeinflusst, wissen wir noch nicht mit Sicherheit.

Tiere gewöhnen sich natürlich an Lärm, genauso wie Menschen. Es sei denn, es handelt sich um eine Lautstärke, die schädigt oder stört, dann versuchen sie ihr Verhalten anzupassen oder wandern ab, wenn dies möglich ist. Aber selbst wenn „nur“ lärmende Menschen durch den Wald gehen, kann das sehr schädlich sein und Stress bei den Tieren erzeugen. Besonders im Winter, wenn die Tiere mit ihrem Energievorrat gut haushalten müssen oder in Winterruhe sind.

Tembo spüren und die Technik

Um solche Auswirkungen zu ermessen, hilft uns heute laufend weiterentwickeltes technisches Equipment. Die Mikrofone werden handlicher, die Computer leistungsfähiger. Wir arbeiten viel mit Elefanten, deren tiefste Frequenzanteile im Infraschallbereich unter zwanzig Hertz liegen, so tief, dass ich sie als Mensch nicht wahrnehmen kann. Diese Rumble-Laute haben aber auch Schallanteile im für uns Menschen hörbaren Bereich – man kann sie aber nur wahrnehmen, wenn man sich in unmittelbarer Nähe zum Elefanten befindet. Das liegt daran, dass diese höheren Frequenzen bei der Schallübertragung relativ schnell abgeschwächt werden. Stehe ich aber neben einem „rumbelnden“ Elefanten, kann ich sogar die tiefen Frequenzen wahrnehmen. Ich kann sie natürlich immer noch nicht hören, aber ich kann die Schwingungen mit meinem Körper fühlen.

Diese besondere Erfahrung durfte ich 2014 in Südafrika machen, bei Elefanten, die in menschlicher Obhut gehalten werden. Unter diesen Elefanten befand sich Tembo, ein vierunddreißigjähriger Bulle, 3,4 Meter Schulterhöhe, etwa sechstausend Kilogramm schwer – ein mächtiges Tier. Tembo war ein sogenannter Problemelefant, er war häufig aus dem Nationalpark ausgebrochen und hatte Bauern belästig, weil er eine Vorliebe für Zuckerrüben und Orangen entwickelt hatte. Um ihn vor einem Abschuss zu bewahren, hatte man begonnen, ihn zu trainieren. Heute ist er ein Botschafter seiner Art, um auf die Probleme im Zusammenleben zwischen Wildtieren und Menschen aufmerksam zu machen.

Zum Zeitpunkt meines damaligen Besuchs hatte ich mich schon einige Jahre mit Elefanten beschäftigt und war vor Ort, um Tonaufnahmen zu machen. Als ich mit Tembos Pfleger und meinem langjährigen Kollegen Anton Baotic am Gelände stand und wir das Projekt besprachen, beschloss Tembo, sich uns aus der Nähe anzusehen. Er kam auf uns zu, weil er seinen Pfleger erkannt hatte. Tembo blieb etwa einen Meter vor uns stehen – es war ein beeindruckendes Gefühl, diesem wunderschönen Elefanten so nahe zu sein, ohne Barriere zwischen uns. Der Pfleger tätschelte ihn zur Begrüßung am Bein und Tembo öffnete das Maul und antwortete mit einem mächtigen Rumble-Laut. Ich konnte den Laut spüren – ich konnte ihn auch hören, weil wir so nahe waren –, aber vor allem habe ich ihn gespürt. Berührt man einen Elefanten während der Lautäußerung, so spürt man die Vibrationen am ganzen Körper des Tieres. Der tiefe Schall geht durch seinen Körper und den eigenen hindurch.


Forschungsbesprechung im Nationalpark in Südafrika

Es sind Erlebnisse wie diese, die meine Faszination für die Welt der Laute immer wieder erneuern, weil mir die Bioakustik auf einzigartige Weise aufzeigt, wie viel der menschlichen Wahrnehmung normalerweise entgeht.

Wer nicht hören kann, muss hören wollen

Wenn auch nicht unbedingt Auge in Auge mit einem tonnenschweren Elefantenbullen: Wir müssen uns immer wieder konkret vor Augen führen, dass unser menschliches Wahrnehmungsspektrum bei Weitem nicht alles abdeckt. Diese Vorstellung fällt uns manchmal schwer, wir vergessen im alltäglichen Leben darauf. Irgendwann werde ich mit einem Ultraschall-Mikrofon in meinen Hasenstall gehen, um herauszufinden, wie viele Mäuse da drinnen leben. Ab und zu sehe ich natürlich eine vorbeihuschen, aber ich höre sie nicht. Dabei werden diese Mäuse selbstverständlich miteinander kommunizieren, quietschen, vielleicht singen die Männchen sogar den Weibchen einen Werbegesang. Das alles bleibt mir aber verborgen, weil ich es, zumindest akustisch, nicht wahrnehmen kann.

Einerseits bleiben uns Laute also aufgrund unserer Anatomie verborgen, aufgrund physikalischer Gegebenheiten, die unsere Wahrnehmung einschränken. Andererseits bleiben uns Laute verborgen – und nun sitzen wir wieder still im Wald und lauschen –, weil uns das Bewusstsein dafür fehlt oder weil wir ihnen keine Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir aber genau hinhören und uns bewusst sind, dass Kommunikation und Interaktion immer und überall stattfinden und dass dafür Intelligenz und Bewusstsein die Voraussetzung sind – können wir dann genau diese Eigenschaften vielen Tieren immer noch absprechen?

Primaten warnen einander vor speziellen Feinden. Der Laut eines Schweines in Panik hat die gleichen akustischen Merkmale wie der eines panischen Menschen. Die Mutterkuh ruft verzweifelt nach ihrem Kalb, wenn sie getrennt werden, manchmal stundenlang. Ich glaube, je mehr Menschen besser über das Leben der Tiere Bescheid wissen, desto eher sind sie bereit zu erkennen, dass wir auf dieser Welt vielleicht doch nicht alles tun und lassen sollten, wie es uns passt.

Unser Vermögen, die Tiere näher und umfassender zu verstehen, liegt also nicht nur an der Ausweitung unserer technischen Möglichkeiten, sondern auch an unserer Haltung ihnen gegenüber, an unserer Bereitschaft den Tieren zuzuhören. Wie uns dieses Zuhören gelingen und welche Welten es uns erschließen kann, darin tauchen wir in diesem Buch ein.

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SO ÄHNLICH, SO FREMD I
Von den vielen Bandbreiten innerhalb eines großen Spektrums

Es war im südlichen Teil des Addo Elephant National Park, der sich in Südafrika in der Nähe von Port Elizabeth befindet, in jenem Gebiet von Addo, in dem vorwiegend die Elefantenbullen zu finden sind. Ich war eigentlich schon auf dem Heimweg nach einem langen Arbeitstag im Park. Aber ich liebe diese besondere Strecke, den Ngulube-Rundweg mit seiner einzigartigen Vegetation, dem dichten „Spekboom“, einer sukkulenten Pflanze, die von den Elefanten besonders gerne gefressen wird. Die Route führt durch ein großes Tal mit Grasebenen, auf denen Antilopen weiden, und gegen Ende hat man einen tollen Fernblick auf die hellen Sanddünen der Algoa Bay, den marinen Teil des Addo-Nationalparks. In der Mitte liegt eine wunderschöne Wasserstelle, an die verschiedene Savannentiere zum Trinken kommen, an diesem Tag auch eine Gruppe von Elefanten.

Am Wasserloch

Ich stand in einiger Entfernung, um die Tiere zu beobachten. Es war eine ruhige Szene – bis auf einen kleinen Jungbullen, vielleicht eineinhalb Jahre alt. Er hatte es auf ein Warzenschwein abgesehen: Obwohl für beide genug Platz zum Trinken gewesen wäre, hatte er nichts Besseres zu tun, als das Schwein vom Ufer wegzuscheuchen. Er spreizte die Ohren ab, um sich groß zu machen, lief auf das Schwein zu, schleuderte den Rüssel nach ihm, um es zu erschrecken.

Doch auch das Warzenschwein ließ nicht locker, eine Viertelstunde lang versuchte es immer wieder, ans Wasser zu gelangen. Offenbar war es durstig nach dem warmen Tag. Bis der kleine Elefant dann tatsächlich Wasser in seinen Rüssel sog und das Schwein damit anspritzte – eine Szene wie aus einem Zeichentrickfilm inmitten dieser Idylle.

Elefanten setzen ihren Rüssel als universelles Greifinstrument ein. Aber bis einem Elefantenjungen so etwas gelingt, braucht es einiges an Übung. So ein Muskelschlauch muss erst einmal bedient werden! So wie Babys und Kinder das Greifen erlernen, müssen Elefantenkälber lernen, dieses Anhängsel in ihrem Gesicht zu koordinieren, es erst im Spiel, dann im Leben einzusetzen. Wenn sie ganz klein sind, versuchen sie vielleicht minutenlang eine Karotte zu greifen oder ein Büschel Gras abzurupfen. Als Erwachsene werden sie fähig sein, eine Münze oder Erdnuss mit der Rüsselspitze aufzuheben, oder Nahrung, die schwer zu greifen ist, aufzusaugen.

Die Entwicklung des Rüssels begann bei Elefanten früh in der Stammesgeschichte; sie scheint verbunden zu sein mit der zunehmenden Körpergröße, der Verkürzung des Nackens und der damit einhergehenden relativ hohen Lage des Schädels. Es könnte sein, dass der Rüssel ursprünglich zur Überbrückung der Distanz zwischen Kopf und Boden entstanden ist.

Zumindest für einen Tag hätte ich wahnsinnig gern auch so einen Elefantenrüssel, nur um zu erleben, was dieses Multifunktionsorgan alles kann. Wir Menschen haben zwar unsere Zunge, die ähnlich diesem Muskelschlauch funktioniert, aber der Rüssel – eine Verschmelzung von Oberlippe und Nase – ist schon sehr speziell: Rund 40.000 Muskeln befinden sich geschätzt in ihm, schraubenartige, längs und quer verlaufende Stränge, die eine stabile Struktur bilden und enorme Beweglichkeit ermöglichen. Zum Vergleich: Der gesamte menschliche Körper besteht aus gerade einmal rund 650 Muskeln.

Nicht nur in puncto Anatomie ist der Rüssel besonders. Auch in seiner Vielseitigkeit ist er ein Superorgan. Er ist – nach aktuellem Forschungsstand – das beste Geruchsorgan im ganzen Tierreich, besser als die Nase jedes Spürhundes. Elefanten nehmen damit Gerüche aus nah und fern auf, die Witterung aus der Luft. Sie trinken oder verteidigen sich damit. Sie reiben sich mit dem Rüssel die Augen, wenn sie müde sind oder Sand im Auge haben. Er ist ein fantastisches Organ, das viele Sinne in sich vereint.

Der Rüssel ist darüber hinaus ein mächtiger Greifarm, mit dem Elefanten im einen Moment Baumstämme aufheben können, in anderen Situationen tasten sie aber sehr feinfühlig damit. Elefantenmütter „lenken“ ihre Kinder sanft mit dem Rüssel und streicheln sie damit. Wenn die Riesen schlafen oder sich begrüßen, umarmen sie einander mit ihren Rüsseln – und das ist dann nicht nur ein taktiles Signal: Sie nehmen auf diese Weise auch Gerüche und Pheromone ihrer Artgenossen auf, etwa nahe der Schläfendrüsen, die bei Aufregung ein Sekret absondern.

Und natürlich wird der Rüssel auch eingesetzt, um Laute zu produzieren – auch wenn das, evolutionär gesehen, nicht seine vorrangige Funktion gewesen sein mag. Aber er eignet sich hervorragend dafür.

Der Kehlkopf und andere Instrumente: Wie entsteht ein Laut beim Säuger?

Der Laut, den jeder sofort mit Elefanten verbindet, ist natürlich das Trompeten. Nicht nur Elefanten, sondern Tiere neigen generell dazu, ihre Organe, ob Sinnes-organe oder Gliedmaßen, auch von ihrer eigentlichen Funktion abweichend zu nutzen. Es ergibt – auch entwicklungsgeschichtlich – durchaus Sinn, die vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Elefanten haben hier mit ihrem Rüssel besonderes Glück: Der Muskelschlauch bietet einen großen Resonanzraum, der sich hervorragend dafür eignet, sehr intensive, tiefe Laute zu erzeugen. Resonanzräume des Körpers sind die Lautsprecher der Stimme. Diese Hohlräume geben dem Geräusch, das von den Stimmbändern produziert wird, erst das Volumen und den Klang, den man dann schließlich wahrnimmt. Mund- und Nasenhöhlen, Rachenraum oder ein Rüssel – in diesen Bereichen des Körpers kann der Schall schwingen wie im Körper eines Instruments oder im Gewölbe einer Kirche.

Der für die Elefanten typische Trompeten-Laut ist ein Laut, der aus dem Rüssel kommt. Doch entsteht er dort auch? Folgen wir ihm hinein in den Elefantenrüssel, in die Nasenhöhlen und den Vokaltrakt hinunter bis zum Kehlkopf, in der Wissenschaft als Larynx bezeichnet. Mit den Stimmbändern im Kehlkopf erzeugen fast alle Säugetiere ihre Laute

Sehen wir uns einmal die Situation der Lautproduktion beim Menschen an: Auch wir bilden unsere Laute mit dem Kehlkopf. Wenn wir sprechen oder singen, heißt das einfach, dass unsere Stimmbänder, die sich im Inneren des Kehlkopfs befinden, vibrieren. Wenn Luft aus der Lunge strömt und ihren Weg durch den Kehlkopf findet, werden durch diese Luftströme die Stimmbänder in Schwingungen versetzt. Dazu braucht es keine Nervenzellen, die das Vibrieren anregen, und auch keine Muskeln.

Die Frequenz der Stimmbandvibration, also wie häufig die Stimmbänder in einer Sekunde hin- und herschwingen, ist verantwortlich für die Tonhöhe unserer Stimme; die Stärke des Luftstroms dagegen bestimmt die Lautstärke. Weiter geformt werden die Laute dann im Vokaltrakt mit seinen Resonanzräumen und den dort vorhandenen Strukturen wie Zunge, Zähne, Wangen oder auch durch die Lippen. Auf diese Weise wird das Geräusch zum „Miau“ der Katze, zum „Muhen“ der Kuh oder auch zu einem menschlichen Wort geformt.

Manche Anteile des Lautspektrums werden durch die Resonanzen verstärkt, andere abgeschwächt oder sogar ausgelöscht. Jene Anteile des Lautspektrums, die verstärkt und dadurch besser wahrgenommen werden, bezeichnet man als „Formanten“. Formanten sind wichtige Informationsträger bei uns Menschen, aber auch im Tierreich. Versuchen Sie einmal die Vokale – a, e, i, o, u – zu sprechen, und beobachten Sie Ihre Lippenbewegungen im Spiegel. Nehmen Sie bewusst wahr, wie sich die Position Ihrer Zunge oder Ihres Kiefers verändert. Wenn Sie ein „u“ formen, dann spitzen Sie die Lippen vorne zu. Durch diese Bewegungen, auch Artikulation genannt, verändert sich der Raum in der Mundhöhle. Es verändern sich daher auch die Resonanzen und damit jene Frequenzanteile des Spektrums, die verstärkt werden. Durch diese Unterschiede können wir die Laute verändern.

Alle Landsäugetiere verfügen über einen Kehlkopf mit Stimmbändern als primäres Lautorgan, den sie für viele ihrer Laute – wenngleich nicht für alle! – nutzen. Das trifft auch auf den Elefanten zu. Ein Rumble-Laut klingt ein bisschen wie entfernter Donner, daher stammt vermutlich auch die Bezeichnung: „to rumble“ bedeutet „grollen“ auf Englisch. Die tiefsten Frequenzanteile dieser Laute liegen bei etwa zehn Hertz, also wirklich deutlich unter der Hörschwelle des Menschen. Der menschliche Hörbereich umspannt zwanzig bis zwanzigtausend Hertz. Alles, was sich darunter befindet, bezeichnen wir als Infraschall. Schall über zwanzigtausend Hertz wird als Ultraschall bezeichnet – in diesem Frequenzspektrum vokalisieren zum Beispiel Fledermäuse und Mäuse.

Hörprobe

Der Begriff „Rumble“ kommt vom englischen Wort für „grollen“ – warum, das lässt sich in dieser Aufnahme gut nachvollziehen

https://www.brandstaetterverlag.com/wie_tiere_kommunizieren_elefant_rumble/

Aufgrund seiner enormen Körpergröße ist beim Elefanten natürlich auch das Lautorgan, der Kehlkopf, deutlich größer als bei uns: Unsere Stimmbänder sind zwei Zentimeter lang, die eines ausgewachsenen Elefantenweibchens etwa zehn Zentimeter. Bei einem noch einmal deutlich größeren Bullen sind es sogar fünfzehn Zentimeter. Das sind sehr massige Stimmbänder. Werden sie durch den Luftstrom der Lunge beim Vokalisieren in Vibrationen versetzt, vibrieren sie schon aufgrund ihrer Masse deutlich langsamer als kurze Stimmbänder. So kommt der tiefe Grundton des Rumbelns zustande – weil langsame Vibrationen Töne niedrigerer Frequenz erzeugen als schnelle Vibrationen. Aber abgesehen von der Länge der Stimmbänder und der Größe des Lautorgans produzieren Elefanten diese Infraschalllaute tatsächlich auf die gleiche Art und Weise, wie wir Menschen sprechen und singen.

Larynx Lab: Den Elefantenlauten auf der Spur

Herausgefunden haben wir das im Jahr 2012 mithilfe eines ungewöhnlichen Experiments: Als im Berliner Zoo ein Elefantenweibchen starb, ließen wir ihren Kehlkopf entnehmen und ins Larynx Lab von Professor Tecumseh Fitch, Leiter des Instituts für Verhaltens- und Kognitionsbiologie an der Universität Wien, bringen. In diesem Labor ist es möglich, zu untersuchen, wie Laute tatsächlich entstehen. Bei uns Menschen ermittelt man das mithilfe einer Sonde direkt beim Sprechen oder Singen. Eine Methode, die sich beim Tier – nachvollziehbarerweise – nur sehr schwer einsetzen lässt.

Anhand eines Modells haben wir daher die Funktion der Lunge imitiert: Wir ließen befeuchtete Luft mit genau definiertem Druck durch den präparierten Kehlkopf strömen. High-Speed-Kameras und Mikrofone zeichnen die so erzeugten Vibrationen der Stimmbänder und Töne auf. Mittels Elektroglottographie, die elektrische Impulse aus der Stimmbandregion ableitet, wird die Art und Weise der Stimmbandvibrationen – wie sie zusammentreffen, ob sie symmetrisch schwingen oder nicht – genau analysiert.

Elefanten rumbeln auf die gleiche Art und Weise, wie wir Menschen sprechen und singen! Das war eine bahnbrechende Entdeckung, die wir auch in Science, einem der renommiertesten wissenschaftlichen Journale, publizieren konnten. Bis zu diesem Zeitpunkt war noch darüber spekuliert worden, ob für die Produktion dieser Laute möglicherweise ein spezieller Mechanismus im Spiel ist. Wir aber konnten zeigen: Rumbles sind „nichts Besonderes“, Elefanten erzeugen sie, indem die Stimmbänder durch den Luftstrom zum Schwingen gebracht werden.

Das Elefantentrompeten hingegen ist immer noch mysteriös: Wie die Tiere die Frequenz von dreihundert bis fünfhundert Hertz zustande bringen, ist nach wie vor völlig unbekannt. Klar, der Rüssel spielt dabei eine wichtige Rolle. Aber der Ursprung des Lautes ist noch unbekannt: Sind es die Stimmbänder, die der Elefant doch stärker spannen kann als gedacht, um höhere Frequenzen zu erzeugen? Oder sind es andere Strukturen, die bei der Produktion helfen?

Unerwartete Laute I: Quietschende Elefanten

Es gibt unzählige Laute, über deren Entstehung wir noch wenig wissen. Der lange Muskelschlauch des Elefantenrüssels hat unzählige Möglichkeiten, sich zu verengen, sich zu erweitern, sich zu verschließen oder eine Struktur, ein Gewebe in Schwingungen zu versetzten, um damit einen Ton zu erzeugen. Theoretisch könnte auf diese Weise eine riesige Vielfalt von Lauten entstehen. Auch ein Trompeten-Laut hört sich jedes Mal anders an, je nachdem, ob der Elefant den Rüssel dabei nach unten streckt, nach vorne richtet oder ob das Tier dabei in Bewegung ist. Zudem spielen die Größe des Elefanten und die Größe seines Rüssels eine Rolle. Natürlich klingt das Trompeten eines zweihundert Kilogramm schweren Elefantenjungen anders als das Trompeten eines ausgewachsenen Sechstonners.

In unserer bisherigen Forschung konnten wir zeigen, dass die Trompeten-Laute Asiatischer Elefanten charakteristisch für ein Individuum sind. Andererseits konnten wir belegen, dass selbst die Trompeten-Laute eines einzelnen Individuums jedes Mal anders sind. Und dann haben wir herausgefunden, dass Elefanten auch ganz neue Laute erfinden können, beinahe so, wie wir pfeifen oder eine Melodie summen. Manchmal winden sie den Rüssel, verkürzen und drehen ihn, es erinnert fast an eine Konzertina, während sie Luft herausquetschen. So entstehen die verschiedensten Töne, die nicht der Kommunikation dienen, sondern vielmehr der Beschäftigung. Häufig tun Elefanten das nämlich, wenn es sonst gerade nichts anderes zu tun gibt, zum Beispiel wenn sie auf die anderen Gruppenmitglieder warten. Dieses Spielen mit der Stimme ist etwas Besonderes beim Elefanten und unterscheidet ihn von vielen anderen Tieren.

Immer wieder stoße ich auf ungewöhnlich lustige Laute, die nicht Teil der normalen akustischen Kommunikation zwischen Elefanten sind – ganz hochfrequente Quietschlaute zum Beispiel. Drei Afrikanische Elefanten, zwei in Botswana und einer in einem Zoo in Deutschland, haben dafür unabhängig voneinander einen ähnlichen Mechanismus entwickelt: Sie pressen eine Nasenöffnung zusammen, saugen Luft durch die andere ein und erzeugen auf diese Weise Quietschlaute mit Frequenzen von bis zu tausendachthundert Hertz – beachtlich hohe Laute für ein tonnenschweres Tier. Zum Vergleich: Kleinkinder haben eine Tonlage um vierhundertvierzig Hertz; die höchsten Laute eines Meerschweinchens haben eine Grundschwingung von tausendfünfhundert Hertz.

Quietschende Elefanten – das hätte wohl niemand erwartet. Die einen, vornehmlich Afrikanische Elefanten, erfinden solche Laute oder imitieren sie. Eine andere Elefantenart hat solche Laute dagegen in ihrem natürlichen Repertoire: Asiatische Elefanten verwenden einen hohen Quietschlaut, zwischen sechshundert und zweitausend Hertz, um Stress oder manchmal Aggression auszudrücken. Aufgrund der Frequenz ist auch hier klar, dass die Tiere diese Laute nicht mit ihren massiven Stimmbändern produzieren.

Hörprobe

Wie dieser hohe, quietschende Laut zustande kommt, den manche Elefanten äußern, konnten Angela Stöger und ihr Team erst vor Kurzem nachweisen

https://www.brandstaetterverlag.com/wie_tiere_kommunizieren_elefant_quietschen/

Erst vor Kurzem konnten wir nachweisen, wie die Laute tatsächlich produziert werden. Die Tiere pressen Luft durch die angespannten Lippen und versetzen sie damit in Schwingung. Diese Technik entspricht dem Lippensummen (englisch „Lip-Buzzing“), mit dem Trompetenspieler zunächst einen Ton erzeugen, dessen Obertöne dann das Blechblasinstrument verstärkt. Im Tierreich ist diese Technik bisher einzigartig.

Hörprobe

Der Elefant Mongu im Tiergarten Schönbrunn erzeugt eine Art Knattergeräusch

https://www.brandstaetterverlag.com/wie_tiere_kommunizieren_afrikanischer_elefant/

Andere Elefanten machen Geräusche, die wie ein Knattern klingen, indem sie Luft durchs Maul pressen. Es gibt Videos eines Asiatischen Elefanten in den USA, der auf eine Art und Weise trompetet, als ertönte ein Schiffshorn. Er produzierte diesen speziellen Laut immer dann, wenn er in seinem Gehege auf das Training mit den Pflegern wartete. Meine Nachforschungen haben ergeben, dass er davor in einem Zoo in Küstennähe untergebracht war, dort hätte er dieses Geräusch kennenlernen können. Es ist im Nachhinein häufig unklar, ob es sich bei solchen speziellen Lauten um die Imitation eines Geräusches oder eines anderen Tieres handelt – oder um eine Eigenkreation.

Diese Art von Kreativität kommt gerade in menschlicher Obhut sehr deutlich zum Ausdruck. Möglicherweise existiert sie aber auch in freier Wildbahn, wo sie freilich schwierig zu dokumentieren oder schlichtweg nicht auffällig ist. Heute versucht man, die Tiere in Zoos und anderen Elefantenhaltungseinrichtungen zu beschäftigen, sie in Familienverbänden oder in sozialen Gruppen zu halten. Dennoch haben die Tiere viel Zeit und wenig Stress, um ihr Futter zu finden. Es lässt sich schwerlich verhindern, dass intelligenten Lebewesen auch einmal langweilig ist. In genau diesen Situationen werden Elefanten dann aber manchmal kreativ und beginnen ihre Stimme zu erkunden, fast so wie kleine Kinder.

Klar abgrenzen lässt sich diese Angewohnheit aber von Verhaltensstörungen wie der Stereotypie, die bei Zootieren in schlechter Haltung vorkommen kann. Dabei handelt es sich um eine gleichförmige Wiederholung einer Verhaltensweise, etwa ein „Nicken“ bei Vögeln, oder das typische „Weben“ von Elefanten. Hierbei deutet der Elefant Schritte an, schaukelt dabei mit dem Körper und schwingt den Rüssel oder den ganzen Kopf. Bei den von uns beobachteten Lautäußerungen ist der Elefant jedoch offenkundig kreativ tätig, die Laute variieren und werden nicht monoton wiederholt.

Das Quietschen der Elefanten ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie Tiere aktiv ihr Lautspektrum erweitern, indem sie andere Strukturen als die Stimmbänder verwenden, um Töne zu erzeugen. Sie erweitern auf diese Weise auch ihren Frequenzbereich – und das kann in manchen Situationen für Tiere überaus nützlich sein.

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