Buch lesen: «Reform oder Blockade», Seite 8

Schriftart:

UNO-Gründer USA – zwischen Altruismus und Eigeninteressen

Angesichts der vier dunklen Jahre im Verhältnis zwischen den USA und der UNO ist es notwendig, an die Rolle und durchaus großen Verdienste der USA in der Gründungphase der Weltorganisation zu erinnern. Bereits im Januar 1918 – noch vor Ende des Ersten Weltkrieges – hatte der damalige US-Präsident Woodrow Wilson in einer Rede vor dem Kongress mit seinen vierzehn Punkten für eine Friedensordnung in Europa und weltweit den Anstoß für den UNO-Vorläufer Völkerbund gegeben, der dann 1919 gegründet wurde. Da der Kongress zur großen Enttäuschung Wilsons dann aber die Ratifizierung des Gründungsvertrags ablehnte, wurden die USA nicht Mitglied im Völkerbund. Die Abstinenz der USA – damals zwar noch keine Weltmacht, aber doch eine politisch, wirtschaftlich und militärisch zunehmend gewichtige und einflussreiche Großmacht – war neben dem Austritt und den völkerrechtswidrigen Kriegen Deutschlands, Japans und Italiens in den zwanziger und dreißiger Jahren der wesentliche Grund für das Scheitern des Völkerbundes. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges im September 1939 spielte der Völkerbund keine Rolle mehr.

Doch schon zwei Jahre vorher begann, erneut unter Initiative der USA, der zweite Anlauf zu einer internationalen Friedensorganisation. Am 5. Oktober 1937 rief US-Präsident Franklin D. Roosevelt in seiner »Quarantänerede« zu »gemeinsamen Anstrengungen der friedliebenden Nationen« gegen die zunehmend aggressivere Politik der drei Achsenmächte Deutschland, Japan und Italien auf.

Unter dem Eindruck der verheerenden Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges entwarf Roosevelt dann die »Atlantik-Charta«, die er zusammen mit dem britischen Premierminister Winston Churchill am 14. August 1941 veröffentlichte. Darin wurden erstmals konkrete Rahmenbedingungen für eine zukünftige internationale Politik und Maßnahmen zur Friedenssicherung festgelegt, unter anderem auch die Schaffung einer internationalen Organisation zur Friedenssicherung. Am 1. Januar 1942 unterzeichneten 26 mit den USA im Krieg gegen Deutschland und Japan alliierte Länder diese »Deklaration der Vereinten Nationen« und bekräftigten damit die in der »Atlantik-Charta« gesteckten Ziele.

Auf der Gründungskonferenz der United Nations Organization 1945 in San Francisco vereinbarten fünfzig Staaten mit der 111 Artikel umfassenden UNO-Charta die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen (siehe die Abschnitte »Der UNO-Vorgänger Völkerbund«, S. 324, und »1945 – der Neubeginn«, S. 328).

Globale Dominanz und Kontrolle der UNO

Spätestens mit dem Sieg über Nazideutschland und Japan waren die USA zur militärisch, wirtschaftlich und politisch führenden Weltmacht aufgestiegen. Dementsprechend konnten sie die achtwöchige Gründungskonferenz vollständig kontrollieren und ihre Vorstellungen von den Strukturen, Kompetenzen und politischen Zielen der künftigen Weltorganisation durchsetzen. Bereits die Auswahl des Konferenzortes San Francisco setzte die US-Regierung gegen diverse Alternativvorschläge europäischer Staaten durch. Die Delegationen der übrigen 49 Teilnehmerstaaten wurden bereits bei ihrer Anreise im Zug von New York nach San Francisco wie auch während des Aufenthaltes in ihren dortigen Hotels rund um die Uhr abgehört. So war die US-Delegation schon vor Beginn jedes Konferenztages immer bestens über die vorangegangenen internen Beratungen und die zu erwartenden Verhandlungspositionen der anderen Delegationen informiert.

Gegen die erheblichen Bedenken zahlreicher Teilnehmerstaaten setzte Washington für sich und dann auch für die drei anderen Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich, einen ständigen Sitz mit Vetorecht im künftigen UN-Sicherheitsrat durch. Auch die mit den USA verbündete »Republik China« (Taiwan) erhielt dieses Privileg. Im Gegenzug mussten sich die Regierungen der beiden europäischen Großmächte in London und Paris allerdings zur Aufgabe ihrer Kolonien verpflichten, und damit zu einer deutlichen Entmachtung in Relation zu den USA.

Täuschung über Trump sollte zu Vorsicht bei Prognosen über Biden führen

Gesicherte Voraussagen über die Politik der USA unter der Adminstration von Präsident Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris sind nicht möglich. Allein durch Ankündigungen und Worte erzeugte Erwartungen und Hoffnungen können enttäuscht werden. Erinnert sei an den ersten Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump 2016. Trotz seines Sexismus und Rassimus, die der New Yorker Immobilienhai schon damals unverblümt demonstrierte, und trotz seiner aggressiven Töne gegenüber China hielt so mancher Beobachter in Europa – auch in der Schweiz – den Republikaner damals aus friedenspolitischer Sicht für die bessere Option als seine demokratische Gegenkandidatin Hillary Clinton. Diese hatte in der Vergangenheit mehrfach Kriege und militärische Interventionen der USA befürwortet, darunter 2003 als Senatorin in Washington den völkerrechtswidrigen Irakkrieg von Präsident Bush und 2011 als Außenministerin von Obama die militärische Intervention in Libyien.

Trump hingegen, der 2016 erstmals überhaupt nach einem politischen Amt strebte, versprach im Wahlkampf, als künftiger Präsident auf weitere militärische Interventionen zu verzichten, die USA »aus den Händeln dieser Welt« herauszuhalten und die amerikanischen Truppen aus den Kriegen und Besatzungsmissionen in fernen Ländern nach Hause zu holen. Das kam auf beiden Seiten des Atlantiks sowohl bei Linken und Friedensbewegten gut an wie auch bei isolationistisch gestimmten Rechten innerhalb wie außerhalb der Republikanischen Partei der USA. Trumps seit Juli 2016 wiederholte Erklärungen, die NATO sei »obsolet«, die europäischen Verbündeten müssten selbst für ihre Sicherheit sorgen und könnten sich nicht mehr auf die (nukleare) Beistandsgarantie der USA verlassen, schürten bei manchen Gegnern und Kritikern der Militärallianz sogar die Hoffnung auf ihren baldigen Zerfall und auf den Abzug der US-Atombomben aus den europäischen Stationierungsländern Deutschland, Niederlande und Belgien.

Die Realität seit Trumps Amtsantritt am 21. Januar 2017 sah dann sehr anders aus. Der Präsident entpuppte sich als Wolf im Schafspelz (siehe Abschnitt »›America first‹ – vier Jahre erklärte Feindschaft gegen die UNO«, S. 84). Einzig der von Trump angekündigte Rückzug der in Auslandseinsätzen in Irak, Afghanistan und Syrien befindlichen US-Soldaten wurde zumindest teilweise erfüllt. Im Dezember 2020 stoppte eine parteiübergreifende Mehrheit im Kongress weitergehende Absichten des Präsidenten zur Rückholung von Soldaten auch aus Deutschland. Zugleich erhöhte die Trump-Administration allerdings die Zahl der in Saudi-Arabien und anderen sunnitischen, mit Iran verfeindeten Golfstaaten stationierten US-Soldaten – worüber das Pentagon ab 2017 keine öffentlichen Angaben mehr machte. Ansonsten betrieben die USA unter Präsident Trump auf fast allen Feldern ihrer internationalen Beziehungen, in der Außen-, Sicherheits-, Militär-, Rüstungs-, Handelsund Umweltpolitik, eine gefährliche Linie der Konfrontation und Konfliktverschärfung. Und dies unter massiver Verletzung und Missachtung von Völkerrecht, multilateralen Verträgen und Institutionen sowie von seit 1945 entstandenen Normen und Regeln internationaler Kooperation und Kommunikation.

Mögliche Veränderungen der US-Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik ab 2021

Der seit Januar 2021 amtierende US-Präsident Joe Biden unterscheidet sich zumindest in seinem Stil und Umgangston deutlich und wohltuend von seinem Vorgänger. Dasselbe gilt für seine Vizepräsidentin Kamala Harris im Vergleich zu ihrem Vorgänger Mike Pence, der der gefährlichste Ideologe in der Trump-Administration war. Dass Biden im Vorwahlkampf der demokratischen Präsidentschaftsbewerber 2008 seinen damaligen Rivalen Barack Obama in rassistischer, Trump durchaus ähnlicher Manier als »den ersten gewaschenen, artikulationsfähigen und im Kopf mal hellen Mainstream-Afroamerikaner« verhöhnte, scheint längst vergessen zu sein. Im Kontrast zu Trump wurde Biden seit seinem Wahlsieg am 3. November 2020 in vielen medialen Erzählungen unter Verweis auf seine Zeit als Senator in Washington (1973–2009) sowie als Vizepräsident von Barack Obama (2008–2016) als »kompromissfähig« beschrieben, als »Brückenbauer zwischen verschiedenen politischen Lagern« in Washington sowie als Befürworter multilateraler Kooperation mit anderen Staaten.

In diesem Bild des neuen US-Präsidenten fehlen allerdings wichtige Puzzleteile. Biden unterstützte – wie Hillary Clinton – den völkerrechtswidrigen Irakkrieg von 2003. Erst 2007 distanzierte er sich von dieser Position. Bidens damaliger Sicherheitsberater Antony Blinken, der von Biden zum Außenminister ernannt wurde, unterstützte den Irakkrieg und darüber hinaus auch die militärische Intervention in Libyen. Dasselbe gilt für Bidens nationalen Sicherheitsberater John Sullivan, der 2011 Chef des Planungsstabs von Außenministerin Clinton war. Und Ex-General Lloyd Austin, den Präsident Biden zum neuen Pentagonchef auserkoren hat, war als Kommandeur einer US-Truppeneinheit im Frühjahr 2003 sogar aktiv am völkerrechtswidrigen Irakkrieg beteiligt und in den folgenden Jahren Militärchef der ebenfalls völkerrechtswidrigen US-Besatzungsmacht im Irak. Linda Thomas-Greenfield, die designierte US-Botschafterin in der New Yorker UNO-Zentrale, ist im Unterschied zu ihren Vorgängern und Vorgängerinnen während der Trump-Administration eine Karrierediplomatin und bekennende Multilateralistin mit großer Auslandserfahrung in zahlreichen Ländern.

Die Vorgeschichte der genannten und weiterer Personen auf führenden Positionen der Biden/Harris-Administration bieten eine gewisse Basis für Prognosen, wie sich die USA in den nächsten Jahren gegenüber dem »Rest der Welt« und damit auch in und gegenüber der UNO verhalten werden. Hinzu kommen die nur wenigen konkreten außenpolitischen Aussagen und Ankündigungen, die Biden im Wahlkampf oder seit seinem Sieg am 3. November 2020 gemacht hat. Gewissen Aufschluss über die künftige Politik bieten auch die Meinungen gewichtiger Politiker und Politikerinnen der Demokratischen Partei im Kongress.

Im Einzelnen
Die Weltgesundheitsorganisation und die Corona-Pandemie

Biden hat angekündigt, er werde den von Trump nach Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 angedrohten und im Juli dann vollzogenen Austritt der USA aus der WHO gleich nach seinem Amtsantritt wieder rückgängig machen. Dieses Versprechen setzte der neue US-Präsident bereits an seinem ersten Amtstag um. Zugleich erteilte er Anweisung, die 90 Millionen US-Dollar Beitragsgelder, die die Trump-Administration der WHO im laufenden Haushaltsjahr 2020 verweigert hatte, an die WHO-Kasse zu überweisen. Und die Kooperationsprojekte zwischen den USA und der WHO, die Trump durch den Abzug fast aller US-amerikanischen Gesundheitsexperten und -expertinnen sowie Ärzte und Ärztinnen zum Erliegen gebracht hatte, sollen wieder aufgenommen werden.

Für Biden ist die Mitgliedschaft in der WHO mit Blick auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie, die er zu seiner wichtigsten innenpolitischen Priorität erklärt hat, aktuell besonders wichtig. Diese Herausforderung dürfte zumindest sein erstes Amtsjahr im Weißen Haus wesentlich bestimmen. Offen ließ Biden allerdings, ob die USA auch der internationalen Impfstoffplattform COVAX beitreten. Sie wurde auf der Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Mai 2020 ins Leben gerufen. Ziel der COVAX ist die gemeinsame Entwicklung, Herstellung und global gerechte Verteilung eines COVID-19-Impfstoffs zu für alle Menschen erschwinglichen Preisen. An der gemeinsam von der WHO und der internationalen Impfallianz GAVI geführten COVAX sind über 110 Staaten beteiligt. Auf dem virtuellen G20-Gipfel am 21./22. November 2020 hatte Trump einen Beitritt der USA noch einmal ausdrücklich ausgeschlossen und bezüglich einer global gerechten Verteilung von Impfstoffen der beiden US-Pharmakonzerne Pfizer und Moderna noch einmal seine »America First«-Politik betont (siehe Kapitel «Corona und Klimawandel – größte Herausforderungen für die Weltgemeinschaft«, S. 47).

Globale Erwärmung, Pariser Klimaschutzabkommen

Auch ein zweites konkretes Wahlkampfversprechen machte Präsident Biden umgehend wahr. Noch am Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar 2021 teilte er der New Yorker UNO-Zentrale die sofortige Rückkehr der USA in das Pariser Klimaschutzabkommen mit, das sein Vorgänger Trump 2018 aufgekündigt hatte. In Washington wurde damit gerechnet, dass der Präsident diesen Schritt in den ersten Wochen seiner Amtszeit vollziehen wird. Auch die nationale Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency), die Trump durch die Bestellung eines Lobbyisten der Kohleindustrie zum Behördenchef sowie durch den Entzug von Kompetenzen, Personal und Finanzen entmachtet und zur Wirkungslosikeit verdammt hatte, will Biden wieder funktionstüchtig machen. Zudem hat er in Aussicht gestellt, die von Trump erteilten Genehmigungen für umwelt- und klimapolitisch besonders fragwürdige Pipelineprojekte (zum Beispiel die Alaska-Pipeline) wieder aufzuheben.

Hoffnung schaffende Personalpolitik

Ein Indiz dafür, dass der neue US-Präsident tatsächlich eine deutliche klima- und umweltpolitische Kurskorrektur der USA beabsichtigt, ist auch seine Personalpolitik für diesen Bereich seiner Administration. Auf die führenden, zum Teil neugeschaffenen Posten berief er ausnahmlos überzeugte Umwelt- und Klimaschutzpolitikerinnen.

Biden berief den während der Obama-Administration an der Aushandlung des Pariser Abkommens beteiligten damaligen Außenminister John Kerry zum Beauftragten für globale Klimafragen mit Sitz und Stimme im Nationalen Sicherheitsrat. Den ebenfalls neugeschaffenen Posten einer nationalen Klimaberaterin des Präsidenten besetzte Biden mit Gina McCarthy, die unter Obama die nationale Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency (EPA) geleitet hatte und dann von Trump entlassen wurde. Der neu ernannte Chef der EPA, Michael S. Regan, der erste Afroamerikaner auf diesem Posten, war seit 2018 Direktor der entsprechenden Behörde im Bundesstaat North Carolina und arbeitete zuvor bei der nichtstaatlichen Umweltschutzorganisation Environmental Defense Fund. Relevant für umwelt- und klimapolitische Fragen ist in den USA – anders als in Europa – auch das Innenministerium. Es entscheidet beispielsweise darüber, ob Naturschutzgebiete ausgewiesen werden oder ob Energiegewinnung wie Fracking erlaubt ist. Und es ist für die Verwaltung von bundeseigenem Land und für Bodenschätze verantwortlich. In den Zuständigkeitsbereich fallen auch die Indianerreservate. Die von Biden zur Innenministerin berufene Deb Haaland ist die erste indianischstämmige Ministerin in der fast 250-jährigen Geschichte der USA. Haaland gehört dem Pueblo-Stamm Laguna im Bundestaat New Mexico an, den sie seit 2018 im Abgeordnetenhaus in Washington vertrat. Hoffung auf eine umwelt- und klimapolitische Wende in der Verkehrs- und Mobilitätspolitik macht die Berufung von Bidens einstigem Konkurrenten im Vorwahlkampf um die demokratische Präsidentschaftskandidatur Pete Buttigieg zum Transportminister. In seiner früheren Funktion als Bürgermeister der Stadt South Bend im Bundesstaat Indiana setzte Buttigieg ein erfolgreiches Programm zur Sanierung maroder Stadtteile und zur Förderung des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs durch.

Bei der Vorstellung der genannten, für Umwelt-, Klima-, Energie- und Verkehrspolitik verantwortlichen Mitglieder seiner Administration schuf Präsident Biden mit der Ankündigung, »dieses brillante, erprobte, bahnbrechende Team« werde »am ersten Tag bereitstehen, um der existenziellen Bedrohung des Klimawandels mit einer einheitlichen nationalen Antwort zu begegnen, die auf Wissenschaft und Gerechtigkeit beruht«, hohe Erwartungen.

Entscheidend für die umweltpolitische Bilanz der Biden/Harris-Administration nach den nächsten vier oder auch acht Jahren dürfte aber sein, ob sie tatsächlich auch die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der für die USA verbindlichen Ziele des Pariser Klimaabkommens ergreift und ob sie vom Kongress die dafür erforderlichen finanziellen Mittel erhält. Die Herausforderung ist riesig. In allen für die Klimapolitik relevanten Vergleichsdaten liegen die USA weit hinter anderen kapitalistischen Industriestaaten zurück. So ist der Pro-Kopf-Verbrauch an fossilen Energien (Öl, Kohle, Gas) und entsprechend der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) in den USA Ende 2020 nach wie vor mehr als doppelt so hoch als in den EU-Staaten oder in Japan – wie 1994.

In jenem Jahr fand am UNO-Sitz in Genf die erste Konferenz über Maßnahmen zum Klimaschutz statt. Der damalige christdemokratische Bundesumweltminister aus Deutschland und spätere Direktor des UNO-Umweltprogramms (UNEP) Klaus Töpfer empfahl der US-amerikanischen Delegation dringend Maßnahmen zur Energieeinsparung sowie zur ökologischen Modernisierung von Industriebetrieben und Infrastruktur der USA, wie sie andere kapitalistische Industriestaaten in Europa und Asien damals bereits begonnen hatten. Töpfer wies die amerikanischen Freunde und Verbündeten auch darauf hin, dass ohne derartige Maßnahmen US-Unternehmen auf einem künftig entstehenden lukrativen globalen Markt für umwelt-und klimafreundliche Technologien keine Rolle spielen würden. Der deutsche Umweltminister wurde von den amerikanischen Verbündeten freundlich belächelt und sein Rat in den Wind geschlagen. Im Sommer 2004, zehn Jahre nach der Genfer Konferenz von 1994, lehnte US-Präsident Bush die Unterzeichnung des Klimaprotokolls von Kyoto – dem Vorgänger des Pariser Klimaabkommens – mit der Begründung ab, eine Umsetzung der in dem Protokoll vorgesehenen Maßnahmen würde »für die US-Wirtschaftsunternehmen viel zu teuer«. Dem Pariser Klimaabkommen traten die USA unter Präsident Obama im November 2016 bei. Doch schon wenige Monate später kündigte Obamas Nachfolger Trump den Ausstieg aus dem Abkommen an und begründete den Schritt mit angeblichen Nachteilen des Abkommens für Arbeiter, Unternehmen und Steuerzahler. Die vom Kongress in Auftrag gegebenen nationalen Klimaberichte der Jahre 2018 und 2019, in denen über 300 US-amerikanische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vor drastischen Folgen des Klimawandels auch für die wirtschaftliche Prosperität der USA warnten, tat Trump als »Unsinn« ab.

Die von den Präsidenten Bush 2004 und von Trump ab 2017 vorgebrachten Argumente gegen eine Beteiligung der USA an Klimaschutzverträgen im Rahmen der UNO sind äußerst kurzsichtig. Doch sie könnten in den nächsten Jahren erneut die Oberhand gewinnen, wenn es der Biden-Administration nicht gelingt, innenpolitisch die Einsicht durchzusetzen, dass die Schulterung hoher Kosten zur Umsetzung der Pariser Klimaschutzziele in den nächsten Jahren im langfristigen Eigeninteresse der USA und ihrer Wirtschaft liegt. Die Regierung in Washington sieht sich dabei viel stärker als Regierungen in anderen Ländern einer wohlorganisierten und finanziell gut ausgestatteten Kampagne gegenüber, die die Tatsache der globalen Erwärmung und ihre Auswirkungen entweder grundsätzlich leugnet oder zumindest ihre menschengemachten Ursachen bestreitet und auf ein gottgewolltes Schicksal verweist, das hinzunehmen sei. Diese Kampagne hat erheblichen Einfluss unter Wählerinnen, Mandats- und Amsträgern der Republikanischen Partei. Auch Trump bezeichnete den Klimawandel während seiner Amtszeit mehrfach als »Scherz« und als »Erfindung«.

Auf der anderen Seite bietet Anlass zu vorsichtigem Optimismus, dass es in den USA nicht nur eine breite Basisbewegung von Nichtregierungsorganisationen gibt, die sich für umwelt- und klimapolitische Maßnahmen engagieren, sondern auch viele Politiker und Politikerinnen auf der Ebene der Kommunen und Bundesstaaten, die derartige Maßnahmen umsetzen. Über 600 US-amerikanische Städte, Landkreise und Bundesstaaten traten dem Pariser Klimaabkommen bei, nachdem die Trump-Administration den Ausstieg der USA angekündigt hatte.

Der kostenlose Auszug ist beendet.

20,99 €