Buch lesen: «Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern», Seite 6

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b) Vertragskonzern

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Deutlich häufiger als Eingliederungskonzerne sind hingegen Vertragskonzerne. Die Rechtssituation verglichen zur Eingliederung ist hier ähnlich, aber eben keinesfalls identisch.[20] Der Vertragskonzern wird durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 AktG herbeigeführt.[21] Im Unterschied zur Eingliederung ist hier zunächst der Verbleib von außenstehenden Aktionären möglich.[22] Im Rahmen eines Beherrschungsvertrages unterstellt ein Unternehmen seine Leitung auf vertraglicher Grundlage einem anderen Unternehmen.[23] Das herrschende Unternehmen erwirbt auch hier ein Weisungsrecht gegenüber dem beherrschten Unternehmen gem. § 308 Abs. 1 S. 1 AktG, das die eigenverantwortliche und weisungsunabhängige Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes i.S.d. § 76 Abs. 1 AktG verdrängt.[24] Das Weisungsrecht aufgrund eines Beherrschungsvertrages ist verglichen mit der Situation nach der Eingliederung jedoch eingeschränkt, sofern im Rahmen des § 308 Abs. 1 AktG verlangt wird, dass die Weisung wenn nicht dem reinen Interesse der beherrschten Gesellschaft, dann aber wenigstens einem Gesamtkonzerninteresse dient. Ist dies offensichtlich nicht der Fall, ist die Befolgung der Weisung gem. § 308 Abs. 1, 2 AktG zu verweigern.[25] Um Gläubiger und weitere Aktionäre der beherrschten Gesellschaft zu schützen, sehen §§ 300 bis 305 AktG verschiedene Schutzmechanismen wie die Verpflichtung zur Schaffung von Rücklagen (§ 300 AktG) oder die Begrenzung der Gewinnabführung zwischen beherrschter und herrschender Gesellschaft (§ 301 AktG) vor.[26] Größerer Bedeutung kommt dabei der Regelung des § 302 Abs. 1 AktG zu, wonach die herrschende Gesellschaft grundsätzlich die Verluste der beherrschten Gesellschaft auszugleichen hat.[27] Im Vergleich zur Eingliederung haftet die Obergesellschaft eines Vertragskonzerns jedoch nicht primär als Gesamtschuldnerin für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaften, eine dem § 322 AktG vergleichbare Regelung gibt es für den Vertragskonzern nicht.

c) Faktischer Konzern

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Jeder Konzern, der nicht aufgrund eines Beherrschungsvertrages oder durch Eingliederung entsteht, ist indes faktischer Konzern.[28] Dies gilt auch dann, wenn Unternehmen durch andere Unternehmensverträge i.S. der §§ 291 f. AktG verbunden sind.[29] Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AktG führt damit nicht zum Entstehen eines Vertragskonzerns. Regelmäßig werden dann aber eine Abhängigkeit und damit – aufgrund der Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG – ein faktischer Konzern entstehen.[30]

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Anders als beim Vertragskonzern besteht im Rahmen des faktischen Konzerns mangels ausdrücklichem Weisungsrecht keine Konzernleitungsmacht des herrschenden Unternehmens.[31] Für die Tochtergesellschaft bleibt es im Falle einer Aktiengesellschaft damit bei der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand gem. § 76 Abs. 1 AktG.[32] Dem Vorstand der Tochtergesellschaft ist es damit zwar unbenommen, den Vorstellungen des herrschenden Unternehmens zu folgen, eine Rechtspflicht hierzu besteht jedoch nicht.[33] Veranlasst die Obergesellschaft kraft ihrer Möglichkeiten zur mittelbaren Einflussnahme – bei der AG etwa über ihren Einfluss in Hauptversammlung und Aufsichtsrat – dennoch Nachteile für die Tochtergesellschaft, so hat sie diese gem. § 311 AktG auszugleichen.[34] Wird der Nachteil nicht ausgeglichen, tritt an die Stelle des Ausgleichanspruchs gem. § 317 Abs. 1 AktG ein Anspruch auf Schadensersatz der Tochtergesellschaft und unter Umständen ihrer Aktionäre gegen die Obergesellschaft und deren gesetzliche Vertreter.[35] Ist die Einflussnahme der herrschenden Gesellschaft indes derart groß, dass sich die auszugleichenden Nachteile nicht mehr isoliert bezeichnen lassen, so wird ein qualifiziert faktischer Konzern angenommen, bei dem die Verlustausgleichspflicht der §§ 302, 303 AktG auch außerhalb von Vertragskonzernen Anwendung finden soll.[36]

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Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfolgen durch die Begründung von Vertragskonzernen, wie vor allem den Regelungen zum Verlustausgleich, kommen faktische Konzerne in der Praxis weit häufiger vor.[37] Dies gilt insbesondere hinsichtlich Tochtergesellschaften, die als GmbH ausgestaltet sind.[38] Anders als bei der Aktiengesellschaft, wo allein das Weisungsrecht gem. §§ 308 Abs. 1, 323 Abs. 1 AktG die Unabhängigkeit des Vorstandes der Tochtergesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG verdrängen kann, bestehen bei einer GmbH auch ohne Beherrschungsverträge gem. § 37 Abs. 1 GmbHG weitgehende Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung.[39] Sofern dennoch auch im Bereich der GmbH Beherrschungsverträge abgeschlossen werden, dient dies vor allem der Umgehung der aufwendigen Einflussnahme durch die förmliche Gesellschafterversammlung sowie der Erreichung der körperschaftssteuerrechtlichen Privilegien aus der Organschaft gem. §§ 14, 17 KStG.[40] Die weitgehenden Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter im Rahmen einer GmbH auch ohne Beherrschungsvertrag führen jedoch zum Vorliegen anderer Grundvoraussetzungen im Vergleich zum faktischen Konzern betreffend eine beherrschte Aktiengesellschaft. Aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgangslagen scheidet damit auch die analoge Anwendung des § 311 AktG aus, der von einer grundsätzlichen Weisungsunabhängigkeit des Vorstandes ausgeht.[41] An die Stelle der Kodifizierungen betreffend den faktischen Aktienkonzern tritt insbesondere die allgemeine Treuepflicht der Gesellschafter einer GmbH gegenüber der Gesellschaft, bei deren Verletzung im Ergebnis ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.[42]

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Liegt ein Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung vor, ist die Konzernvermutung aus § 18 Abs. 1 S. 2 AktG unwiderlegbar. Die Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG für das Vorliegen eines faktischen Konzerns kann hingegen widerlegt werden. Erforderlich ist dann der Nachweis des Fehlens einer einheitlichen Leitung. Zu beachten ist aber, dass wesentliche Rechtsfolgen – wie etwa die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG – sich bereits aus dem Vorliegen der Abhängigkeit gem. § 17 Abs. 1 AktG ergeben, das Vorliegen eines faktischen Konzerns i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 1 AktG damit diesbezüglich ohnehin nicht erforderlich ist.[43]

2. Gleichordnungs- und Unterordnungskonzern

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Neben Vertragskonzernen, der Eingliederung und faktischen Konzernen kann zudem zwischen Gleichordnungs- und Unterordnungskonzernen unterschieden werden. Während es sich bei Unterordnungskonzernen um den Regelfall einer Unternehmensverbindung zwischen beherrschendem und beherrschtem Unternehmen handelt, existiert in einem Gleichordnungskonzern gem. § 18 Abs. 2 AktG zwar eine einheitliche Leitung, aber keine Abhängigkeit zwischen den Beteiligten.[44] So ist etwa denkbar, dass den beteiligten Unternehmen ein sofortiges Kündigungsrecht zusteht, um die Unterwerfung unter eine einheitliche Leitung jederzeit und kurzfristig lösen zu können.[45]

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Um eine Abgrenzung dieser eher seltenen Erscheinung zu gewöhnlichen Kooperationsverhältnissen zu ermöglichen, werden hierbei an die einheitliche Leitung besonders hohe Anforderungen gestellt.[46] So genügt auch den Vertretern eines weiten Konzernverständnisses anders als beim Unterordnungskonzern nicht lediglich die einheitliche Leitung in einzelnen, wesentlichen unternehmerischen Bereichen.[47] Erforderlich ist vielmehr auch nach dieser Ansicht hier eine einheitliche Leitung der gesamten Unternehmung. Anderenfalls wäre schnell jedes Kartell als Gleichordnungskonzern zu qualifizieren.[48]

Anmerkungen

[1]

Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 16, 22 ff; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 2; Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 51 Rn. 36; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 222.

[2]

Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 28; Koch in: Hüffer, § 18 AktG Rn. 8; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 1.

[3]

Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 28; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 3.

[4]

So etwa Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 939, 941; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 84.

[5]

Koch in: Hüffer, § 18 AktG Rn. 9; Vetter in: Schmidt/Lutter, § 18 AktG Rn. 9; Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 31. Sofern beide Ansichten das Vorliegen einer einheitlichen Finanzplanung ausreichen lassen, stehen sie insofern in Übereinstimmung mit der Auffassung des BGH vgl. BGH NJW 1989, 1800 (1803); BGH NJW 1991, 3142 (3143).

[6]

Ein weites Konzernverständnis wird etwa vertreten von Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 15; Vetter in: Schmidt/Lutter, § 18 AktG Rn. 11; Hirschmann in: Hölters, § 18 AktG Rn. 15; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 3; Schall in: Spindler/Stilz, § 18 AktG Rn. 14. Im Ergebnis auch Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 32 f., der zugleich auf die im Ergebnis geringe Bedeutung des Streits hinweist. Die kaum vorhandene Relevanz attestieren überdies auch Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 51 Rn. 34.

[7]

Vgl. nur Koch in: Hüffer, § 18 AktG Rn. 7; Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 27; Hirschmann in: Hölters, § 18 AktG Rn. 10; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 3; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 27.

[8]

So vor allem Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 19 ff.

[9]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 19a.

[10]

So Wilsing in: Henssler/Strohn, § 319 AktG Rn. 1; Veil in: Spindler/Stilz, § 319 AktG Rn. 2; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 878; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 956; Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 55 Rn. 1; Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 10 Rn. 1, 51: „Wirtschaftlich gesehen kommt die Eingliederung der Verschmelzung nahe. (…) Man kann deshalb die eingegliederte Gesellschaft geradezu als rechtlich selbstständige Betriebsabteilung bezeichnen.“ Insofern einschränkender Grunewald in: MK-AktG, Vorbemerkung vor § 319 AktG Rn. 3.

[11]

Während dabei die SE ebenfalls umfasst sein soll, gilt dies wohl nicht für die KGaA; vgl. zum Ganzen Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 10 Rn. 4, 17; Grunewald in: MK-AktG, § 319 AktG Rn. 5 f., 8 ff.; Koch in: Hüffer, § 319 AktG Rn. 4.

[12]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 10 Rn. 10; Grunewald in: MK-AktG, § 319 AktG Rn. 19; Koch in: Hüffer, § 319 AktG Rn. 6. Zu den Haftungsfolgen bei der Eingliederung siehe sogleich.

[13]

Vgl. hierzu auch Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 10 Rn. 31; Grunewald in: MK-AktG, § 320b AktG Rn. 4; Koch in: Hüffer, § 320b AktG Rn. 3.

[14]

Wilsing in: Henssler/Strohn, § 319 AktG Rn. 1; Drygala/Staake/Szalai Kapitalgesellschaftsrecht, § 32 Rn. 52.

[15]

Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 956. Soweit keine Weisungen erteilt werden, verbleibt es indes für den Vorstand der eingegliederten Aktiengesellschaft bei seinen Pflichten aus §§ 76, 93 AktG, vgl. Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 55 Rn. 10.

[16]

Wilsing in: Henssler/Strohn, § 323 AktG Rn. 2.

[17]

Wilsing in: Henssler/Strohn, § 323 AktG Rn. 2.

[18]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 10 Rn. 46; Grunewald in: MK-AktG, § 322 AktG Rn. 3; Koch in: Hüffer, § 322 AktG Rn. 5; Wilsing in: Henssler/Strohn, § 322 AktG Rn. 2.

[19]

Vgl. zur geringen praktischen Bedeutung Altmeppen in: MK-AktG, Einleitung zum dritten Buch vor § 291 AktG Rn. 8; Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 55 Rn. 1; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 Rn. 6.

[20]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 3.

[21]

Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 470.

[22]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 Rn. 3. Vielmehr noch ist für den Abschluss eines Beherrschungsvertrages überhaupt keine Kapitalbeteiligung und damit erst recht auch keine Mehrheitsbeteiligung i.S.d. § 16 Abs. 1 AktG erforderlich. In der Praxis wird der Entschluss, sich einem Beherrschungsvertrag zu unterwerfen, freilich oftmals von einem Mehrheitsgesellschafter ausgehen, der seine faktische Herrschaftsmacht durch eine Vertragskonzerngestaltung stärken möchte. Beherrschungsverträge werden daher regelmäßig nur zwischen Gesellschaften geschlossen, die auch kapitalverflochten sind, vgl. Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 469.

[23]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 Rn. 2; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 969.

[24]

Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 971; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 473.

[25]

Da im Falle der Eingliederung keine schutzwürdigen Minderheitsaktionäre existieren und die Gläubiger über die Schutzvorschriften der §§ 321 ff. AktG geschützt sind, geht das Weisungsrecht des § 323 Abs. 1 AktG für den Fall der Eingliederung nicht mit einer derartigen Einschränkung einher, vgl. Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 10 Rn. 52; Grunewald in: MK-AktG, § 323 AktG Rn. 1. Vgl. zur Leitungsmacht der Konzernobergesellschaft auch unten Rn. 76 ff.

[26]

Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 626 ff.

[27]

Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 974; Schmidt Gesellschaftsrecht, S. 953; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 636 ff.

[28]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 3; Hirschmann in: Hölters, § 18 AktG Rn. 5.

[29]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 3.

[30]

Vgl. dazu Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 Rn. 22.

[31]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 24 Rn. 17. Vgl. zur Leitungsmacht bei faktischen Konzernverbindungen auch unten Rn. 76 ff.

[32]

Bödeker in: Henssler/Strohn, § 311 AktG Rn. 1; Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 24 Rn. 17; Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 53 Rn. 10.

[33]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 24 Rn. 17.

[34]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 25 Rn. 2.

[35]

Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 952.

[36]

Mansdörfer/Timmerbeil WM 2004, 362 (363). Der qualifiziert faktische Konzern spielt vor allem im GmbH-Recht eine große Rolle. Auch hier waren die entsprechenden Haftungsgrundsätze lange anerkannt. Voraussetzung der analogen Anwendung der §§ 302, 303 AktG war dabei ein objektiver Missbrauch der beherrschenden Gesellschafterstellung, vgl. BGHZ 122, 123 (130). Für die Einpersonen-GmbH verabschiedete sich die Rechtsprechung jedoch zum Anfang des Jahrtausends von dieser Figur und etablierte stattdessen die Grundsätze der Existenzvernichtungshaftung, vgl. BGHZ 149, 10 (15 ff.). In der Folge wird in entsprechenden Fällen heute auf die Generalklausel des § 826 BGB abgestellt, um auch außerhalb von Konzernverbindungen dem unkontrollierten Vermögensabzug durch den Alleingesellschafter vorzubeugen, vgl. BGHZ 173, 246 (251); vgl. zu dieser Rechtsprechungsentwicklung Tröger/Dangelmayer ZGR 2011, 558 (563 ff.). Für den Aktienkonzern soll es ungeachtet dieses Rechtsprechungswandels aufgrund der bestehenden Unterschiede zwischen Einpersonen-GmbH und Aktiengesellschaft bei den ursprünglichen Haftungsgrundsätzen und damit bei einer analogen Anwendung der §§ 302, 303 AktG bleiben, vgl. zum Ganzen Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 28 Rn. 1 ff.; kritisch zur Anwendung bei der Aktiengesellschaft hingegen Altmeppen in: MK-AktG, Anhang zu § 317 AktG Rn. 13 ff. mit Hinweis auf das in der Praxis kaum notwendige Abweichen von den Regelungen der §§ 311 ff. AktG.

[37]

Theisen Der Konzern, S. 56; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 968; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 Rn. 6; a.A. wohl Kremer/Klahold ZGR 2010, 113 (122).

[38]

So Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 977; Liebscher GmbH-Konzernrecht, Rn. 304.

[39]

Vgl. hierzu auch Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 977. Vgl. zur Leitungsmacht bei faktischen GmbH-Konzernverbindungen auch unten Rn. 81 ff.

[40]

Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 977; Drygala/Staake/Szalai Kapitalgesellschaftsrecht, § 32 Rn. 61; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 Rn. 7.

[41]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 29 Rn. 7.

[42]

BGHZ 65, 15 (18 f.); Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 979; Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 29 Rn. 7; Drygala/Staake/Szalai Kapitalgesellschaftsrecht, § 31 Rn. 62.

[43]

Siehe hierzu bereits oben Rn. 50 ff.

[44]

Koch in: Hüffer, § 18 AktG Rn. 20; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 9; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 30; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 943.

[45]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 34.

[46]

Vgl. zur vergleichsweise geringen Bedeutung des Gleichordnungskonzerns Kerssenbrock in: Kessler/Kröner/Köhler, § 2 Rn. 90; Schücking in: MünchHdb GesR I, § 4 Rn. 92; Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 68 Rn. 79; einschränkend hingegen Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 49, der auf die in letzter Zeit veränderte Einschätzung der Bedeutung – gerade im Bereich der Versicherungswirtschaft – hinweist.

[47]

Vgl. etwa Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 9; Schall in: Spindler/Stilz, § 18 AktG Rn. 15; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 33.

[48]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 Rn. 33; ferner auch Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 18 AktG Rn. 9.

Teil 2 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen › B. Erscheinungsformen des verbundenen Unternehmens › V. Wechselseitig beteiligte Unternehmen gem. § 19 AktG

V. Wechselseitig beteiligte Unternehmen gem. § 19 AktG

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Geregelt werden schließlich in § 19 AktG noch die Beziehungen wechselseitig beteiligter Unternehmen. Gegenstand entsprechender Konstellationen können nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm lediglich Kapitalgesellschaften sein.[1] Gem. § 19 Abs. 1 S. 1 AktG handelt es sich dabei um Unternehmen, denen je mindestens 25 % der Anteile des anderen Unternehmens gehören. Sofern kein Unternehmen die Mehrheit der Anteile eines anderen Unternehmens hält und auch sonst kein Abhängigkeitsverhältnis besteht, so ist von einfachen wechselseitigen Beziehungen die Rede.[2] Folge ist die Anwendbarkeit des § 328 AktG, der den Zweck verfolgt, die Rechte aus dem 25 % der Anteile übersteigenden Anteilsbesitz und damit den Einfluss zu beschränken.[3] Ist jedoch eines der beteiligten Unternehmen abhängig von dem anderen Unternehmen (§ 19 Abs. 2 AktG) oder sind gar beide Unternehmen voneinander abhängig (§ 19 Abs. 3 AktG), so werden diese als qualifiziert wechselseitig beteiligte Unternehmen bezeichnet.[4] Anders als im Rahmen des § 17 Abs. 2 AktG führt das Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung hier zur unwiderlegbaren Vermutung der Abhängigkeit.[5] Folge für entsprechende Unternehmensverbindungen ist dann die Anwendbarkeit der für Abhängigkeitsverhältnisse üblichen Bestimmungen, die Regelung des § 328 AktG wird nach § 19 Abs. 4 AktG verdrängt.[6]

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Wechselseitige Beziehungen sind dabei keinesfalls auf Verbindungen zwischen zwei Unternehmen beschränkt.[7] Denkbar sind vielmehr auch ringförmige oder zirkuläre Beteiligungen, an denen mehrere Gesellschaften mitwirken.[8] Gleichwohl auch hier nur begrenzt auf valides statistisches Material zurückgegriffen werden kann, wird von einer relativ weiten Verbreitung entsprechender Beziehungen ausgegangen.[9]

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