Buch lesen: «Broken Bones», Seite 4

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Kapitel 4

Der Aufstand war schon niedergeschlagen bevor er überhaupt begonnen hatte und die Kreaturen hatten nicht einmal ihr Ziel erreicht.

Die Kadaver der Werwölfe lagen, in Einzelteilen, am Boden. Alles in diesem kleinen Zwischengang sah mehr nach einem Gemetzel aus und nicht als hätte man nur versucht Unschuldige zu beschützen.

Während dieser Anblick Angel nachdenklich machte, scherten sich die Anderen nicht weiter darum, sie lachten und redeten freundschaftlich miteinander.

Die Vampire kehrten den Geschehnissen einfach den Rücken zu. Aber Angel ließ per Augenscanner seine eisblauen Augen und den in seinen linken Arm, unter einem Strichcode-Tattoo befindlichen Mikrochip scannen. Er wollte die letzte Tür, die ihn vom Gefängnistrakt trennte, durchschreiten und schließlich in das eintreten, wo die Werwölfe unbedingt hinein wollten.

Er betrat einen weiteren langen Gang und kam schließlich zu einem Gittertor, welches er auch noch aufstoßen musste, um es zu durchqueren.

Der Junge war erst ein oder zweimal an diesem Ort gewesen, an denen er sich aber nicht getraute diesen Raum näher zu inspizieren. Er hatte sich aber vorgenommen, das dieses Mal nachzuholen und sich alles genau anzusehen.

Nur ein Licht brannte in diesem riesigen Zimmer, welches bis auf die Zellen, die links und rechts abgingen, alles erhellte.

Auf den ersten Blick konnte der Vampir durch das karge Neonlicht kaum etwas von den Bestien, die hier unten gefangen waren, erkennen.

Was er allerdings genau sehen konnte war, dass einige der Zellen nicht bewohnt zu sein schienen. Der Vampir wusste was das bedeutete, sie waren wieder von den Wissenschaftlern geholt worden, welche Experimente an ihnen durchführten.

Diese Forscher verfolgten verschiedene Ziele im Auftrag des Vatikan, aber das erste und oberste Ziel war es, ihre Schwächen weiter zu erproben. Das zweite war, neue Medikamente aus ihrem Blut zu entwickeln, die das Leben der Menschen erhalten und verlängern sollten.

Durch diese Experimente war es ihnen auch gelungen, die einzige noch verbliebene Schwäche der Vampire herauszufinden. Es ist nicht Silber, das sind Werwölfe und auch nicht Knoblauch oder der Zorn Gottes, es ist...

Einmal haben sie einen gefangenen Vampir auf „Diät“ gesetzt. So erfuhren sie auch, dass wenn Vampire kein Blut oder Blutersatz bekommen, sie zu mörderischen Bestien werden, die für Blut einfach alles tun. Besagter Vampir ist damals total ausgerastet, entkommen und hat 20 Menschen in seinem unendlichen Blutdurst ausgesaugt. Angel war bei diesem Ereignis nicht anwesend gewesen, Marik war es schließlich der den Vampir vernichten musste.

Der Vatikan hatte viele unterirdische Räume, die unabhängig von einander aufgebaut waren. Keine der einzelnen Sektionen konnte man von einer anderen aus erreichen.

Da sie auch sehr verzweigt waren, kannten nicht einmal die, die bereits Jahrzehnte, oder wie die Vampire Jahrhunderte dort arbeiteten alle.

Was die Professoren noch an ihren Versuchskaninchen forschten und was sie den Kreaturen, die den Menschen gar nicht so unähnlich waren, antaten, wollten nur die wenigsten wissen.

Viel konnte man in dem Durchgang nicht erkennen, dort waren einfach nur unzählige Zellen, die sich aneinanderreihten. Der Junge ließ seinen Blick schweifen und konnte nur katastrophale Zustände erkennen. Dreck und Extremente häuften sich, sodass der Vampir mit der empfindlich Nase versuchte, sich zusammenzureißen um nicht brechen zu müssen.

„Ich weiß sie sind unsere Gefangenen, aber sie so unwürdig zu behandeln, überall Essensreste und Kot. Das ist mir die letzten Male gar nicht so extrem aufgefallen.“

Plötzlich kam Angel ein unangenehmer Gedanke. Die Wesen sitzen bei uns keine Haftstrafen ab, im Gegenteil die Meisten sitzen nur hier unten ein, weil man sie nicht töten konnte oder wollte.

Während er so lief und vor sich hindachte, warf sich links neben ihm etwas gegen seine Gitterstäbe.

Angel sprang erschrocken und all seiner Gedanken beraubt zur Seite und richtete nun den Blick auf das Wesen, das ihn mit einem Hass verzehrten Gesicht anknurrte.

Diese Kreatur, welche sich als Werwolf entpuppte, erkannte ihn wohl als einen der Mörder seiner Artgenossen. Aber dieses Wesen, was sich immer wieder trotz seiner Ketten gegen die Gefängnistür warf, tat das bestimmt nicht, weil es nur seine Artgenossen waren, sondern weil sie ihm wohl etwas bedeutet hatten.

„Der halbwüchsige Wolf...“, so erinnerte sich der Junge, „... war vor einigen Tagen von Marik von einer Mission mitgebracht worden.“

Soweit Angel wusste, war er derzeit der einzige Werwolf der hier unten war, sie lassen sich nicht so einfach fangen, weil sie nie allein unterwegs sind.

Früher hatten sie einmal viele von ihnen in Gewahrsam, welche aber bei den grausamen Experimenten alle ihr Leben verloren hatten.

Laut den Aufzeichnungen eines der letzten Päpste hatte man ihnen zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges Teile des Gehirns entfernt, um sie ihrer Intelligenz zu berauben und es mit Silber ausgestopft, damit es nicht wieder nachwachsen konnte. Allerdings überlebten sie diese Prozedur nur einige Wochen.

Der kleine Wolf begann vor Wut und Trauer zu beben und herzzerreißend zu jaulen. Er stampfte mit den Pforten und versuchte sich loszureißen. Das war nun der Moment an dem sich auch die anderen Bewohner des Kerker sehen oder vielmehr hören ließen.

Sie versuchten sich ebenfalls loszureißen. Die Monster aller Arten begannen zu stampften und zu randalierten, sodass das Mauerwerk am äußersten Ende der Wand des Kerkers, die schon von den wütenden Wölfen etwas geborsten war und einige Verwitterungsrisse aufwies, jetzt noch weitere Risse bekam.

Angel, der den Spalt beim Bersten zusah, verspürte nun noch mehr Trauer, aber auch Angst. Jedoch waren es nicht die Wesen, vor denen er sich fürchtete, sondern vor dem was passieren würde, wenn sie frei kämen.

Er wusste, dass es nicht so weitergehen konnte, sie würden nur das ganze Mauerwerk zum brechen bringen, aber er wusste auch nicht wie er sie wieder zur Ruhe bringen konnte.

So etwas hatten sie noch nie getan, aber anscheinend hatten sie in der Zeit hier unten Sympathie füreinander entwickelt, sodass sie mit dem Werwolf mittrauerten.

Das ging allerdings nur solange bis ein Aufschrei endlich für Ruhe sorgte. Marik hatte den Gefängnistrakt betreten.

„Du weißt doch sehr genau, dass hier unten niemand allein hinein darf, wenn sie noch länger so getobt hätten, wären nicht nur Risse in der Wand entstanden. Sie hätten womöglich alles zum Einsturz gebracht. Ich bin enttäuscht, so ein rücksichtsloses Verhalten hätte ich von Mike erwartet, aber nicht von dir.“

Angel kümmerte sich nicht um die Worte und drehte sich wieder zu der geborstenen Wand um, nachdem er nach dem Aufschrei des älteren Vampirs den Blick auf ihn gerichtet hatte.

„Ihr habt nur einfach die Kreaturen getötet und das war es für euch. Aber mich interessiert wieso sie hier, in das Heiligtum, in dem sie nur den Tod finden konnten, eingedrungen sind. Ich musste einfach wissen was sie hier wollten!“

Marik, der sonst immer so besonnen war, packte Angel grob am Oberarm.

„Mir hat es auch keinen Spaß gemacht, die Werwölfe zu töten, schließlich sind wir alle genau solche Monster wie sie. Jedoch konnte ich meine Neugierde in Zaum halten. Was hilft es denn zu wissen, was sie hier wollten. Brauchst du etwa immer die Bestätigung, dass sie wirklich, wie du es immer nennst, böse waren. Sage mir bitte, hat dich das denn jetzt glücklich gemacht, zu sehen, dass sie wirklich nur ein Mitglied ihrer Familie retten wollten.“

Angel riss sich los, Marik hatte die Umstände anscheinend wohl schon vorher gewusst. Er hatte einfach eins und eins zusammengezählt. Angel wurde nun klar, dass er trotz seines hohen Alters, noch sehr viel lernen musste.

„Glaub mir, die Erkenntnis hat mich nicht glücklich gemacht. Ich sage immer, dass ich die Werwölfe hasse, weil sie den Großteil meiner Familie getötet haben, aber das ist nicht so. Bei dir ist es doch auch nicht anders, Menschen haben deine Familie vor deinen Augen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Du sagst doch auch immer, dass du sie hasst, aber wenn du das wirklich tun würdest, wärst du nicht hier. Dann würdest du auf der anderen Seite stehen und sie ausmerzen.“

Marik lächelte nur und sagte: „Verzeih, dass ich gerade so ungerecht zu dir war. Komm lass uns von hier verschwinden, in den Kerkern ist kein Platz für deine und auch meine Ideale.“

Angel drehte sich noch einmal um, um sich denn Riss in der Wand erneut anzusehen, diese Schlacht war nun wirklich beendet. Aber noch etwas anderes, weitaus Gefährlicheres regte sich in den dunklen Kerkern in denen allerlei Wesen gefangen waren.

Einen Tag, nach den Ereignisse worden die Zerstörungen, die die Werwölfe hinterlassen hatten behoben.

Die Titan- Türen waren ersetzt und auch die Kadaverreste und das Blut fortgewaschen worden. Leider wurde aber die zerstörte Wand im Kerker nicht repariert, da sich die Handwerker zu sehr vor den Kreaturen fürchteten, die immer wieder ausschlugen sobald sie Besuch bekamen.

Die Obersten des Vatikan, „Die Sechs Heiligen“, entschieden sich schließlich dazu, es so zu lassen wie es nun mal war, was sollte schon passieren. Die Wesen konnten doch von dort nicht nach draußen gelangen.

Durch diese Tatsache allein war für alle das Thema nicht nur vom Tisch, sondern auch schon vergessen. Man konnte nur hoffen, dass dieses sorglose Verhalten, keine negativen Auswirkungen mit sich bringen würde.

Kapitel 5

Einige Tage nach der Tragödie, der sechs Werwölfe und fünfundzwanzig Menschen zum Opfer gefallen waren, sollte die Feier zum einjährigen Jubiläum des neuen Papstes stattfinden.

Nachdem Tiberus, der Erste seines Namens, sehr große Anfangsschwierigkeiten gehabt hatte und „Die Sechs Heiligen“ schon damit gespielt hatten, den fünfunddreißigjährigen und somit den jüngsten Papst seit dem Mittelalter, wieder seines Amtes zu entheben, war es ihm doch gelungen, seinen Pflichten gerecht zu werden. Er sah aber trotz seines jungen Altes schon sehr verbraucht aus und wurde gerade von Angel immer als alter Mann bezeichnet. Man wusste über seine Vergangenheit, und wie er zu dieser Postion gekommen war, nicht viel. Alles, was bekannt war, war der Aspekt, dass er es früher ziemlich bunt mit harten Drogen und Alkohol getrieben hatte. Sein Gesicht hatte dadurch viele Falten und tiefe Furchen davon getragen. Seine Nase war riesig und seine Augen trüb geworden. Sogar seine Zähnen waren angegriffen und fast alle durch künstliche ersetzt wurden. Augenscheinlich wirkte er nicht wie Mitte dreißig, sondern eher wie Mitte fünfzig. So alt war er auch für die Menschen um ihn herum. Nur wenige wussten die Wahrheit.

Seine Haare, die er unter der Papsthaube versteckte, waren durch den Stress und die Aufregung mittlerweile auch schon grau geworden.

Ein Jahr war es also schon her, seitdem Tiberus durch das, was er erfahren hatte, einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte.

Angel, der vom allerersten Papst, unter dem er gedient hatte, zum Stellvertreter seiner Heiligkeit ernannt worden war, musste für einige Wochen seine Aufgaben übernehmen.

Dieser etwas nervenschwache Mann war mit der Welt, in die er eingeführt worden war, und dem, was sie mit sich brachte, nicht klargekommen.

Besonders die Andersartigkeit der Vampire und ihre Dickköpfigkeit machte es ihm auch nicht immer leicht. Aber nachdem sich die Heiligen intensiv mit ihm auseinandergesetzt hatten, kam er damit doch noch irgendwie zurecht. Doch seit diesen Momenten, die der Papst mit den Heiligen verbracht hatte, war er laut Angels Meinung nur noch zu ihrem Schoßhund degeneriert.

Auf der heutigen Feier waren alle versammelt, die da sein wollten und auch die, die es mussten. Nonnen, Priester, Soldaten und einiges an alltäglichem Personals waren anwesend, doch zwischen diesen menschlichen Männer und Frauen drängten sich auch ebenfalls einige Vampire.

Natürlich waren nicht alle Vampire gekommen, aber eine Anweisung vom Papst befahl, dass wenigstens einige von ihnen zu erscheinen hatten.

Wolf, der 1.82 Meter große Werwolfmischling, hatte die Geschehnisse der Vortage noch nicht ganz verdaut. Ihm machte es immer noch enorm zu schaffen, dass alle Werwölfe sich nur wie Monster verhielten und sie dafür verständlicherweise von allen gehasst wurden.

Der zahme Wolf wusste leider nicht, dass diese Wesen nur hier gewesen waren, um ein Mitglied ihre Familie zu befreien. Aber er selbst hatte eben auch schon zu viele negative Erfahrungen mit seiner eigenen Art gemacht.

Seine Artgenossen hassten ihn und wollten ihn nicht unter ihresgleichen haben, weil er halb Mensch war, aber auch die Menschen hassten ihn jeweils für seine andere Seite. Diese Missachtung ging sogar soweit, dass er sich selbst für ein Monster hielt.

Angel versuchte ihn zwar immer mit den Worten, „Egal wie man äußerlich aussieht, wenn man eine reine Seele wie du besitzt, ist man kein Monster, besonders wenn man Tränen vergießt, denn Monster weinen nicht.“, zu trösten, aber es half nur selten.

Was die Abwesenheit der anderen Vampire anging, so war Salomone nach Indien geschickt worden, um einen namhaften, vampirischen Diktator, der das Land schon seit einigen Jahren beherrschte und tyrannisierte, auszuschalten.

Sakuya wiederum war in seine alte Heimat aufgebrochen, um seinen eigentlichen Beruf als Spiritist und Exorzist nachzugehen. Seine derzeitige Aufgabe bestand darin, einen traditionellen Tempel von bösen Geistern zu befreien.

Die Übrigen hatten sich einfach nur weggeschlichen um sich in einer richtigen Vampirbar, die einige Kilometer vom Vatikanstaat, in einer größeren Stadt entfernt, war, noch ein bisschen zu amüsieren.

Aber zwei Vampire waren nun doch in der Menge aus Menschen auszumachen. Sie unterhielten sich über die hübschen und weniger hübschen Nonnen und Angestellten, die mit ihnen arbeiteten.

Angel, der als Stellvertreter erscheinen musste, hatte nämlich ausgerechnet den Miesepeter Mike dazu verdonnert, mit ihm dazubleiben. Er wollte unter den vielen Menschen nicht allein sein und da sein bester Freund erst in einigen Stunden wieder zurückkehren würde, musste nun mal Mike herhalten.

Während das alte Gesprächsthema abflaute, begann auch schon ein neues, in dem Mike fragte: „Was meinst du, liebt mich die Prinzessin oder spielt sie nur mit mir?“

Angel lachte süffisant: „Sag jetzt nicht, dass du dich ausgerechnet in DIE verliebt hast. Die hat doch einen echt schlimmen Charakter und als ich was mit ihr hatte, war ich froh als es vorbei war.“

Mike lief, etwas beleidigt und verlegen, rot wie eine Tomate an.

„Red doch keinen Quatsch, ich und mich in DIE verliebt? Niemals! Außerdem ist Liebe was für Idioten. Ich will nur nicht, dass sie so klammert wie bei dir damals.“

Angel seufzte. Er hatte seinen Freund längst durchschaut und wusste, dass er wirklich in sie verliebt war. Jedoch würde sie ihn niemals lieben, sie spielte nur mit ihm. Allerdings war es schon ewig her, dass er mit ihr zusammen gewesen war.

Und vielleicht geschehen doch noch Zeichen und Wunder, dachte er. So klar wollte er es allerdings seinem Freund auch nicht sagen.

„Wenn du das wissen willst, musst du sie schon selbst fragen. Es ist doch besser als hier Vermutungen anzustellen.“

Während sich nun beide über dieses ernste Thema anschwiegen, gesellte sich ein braunhaariges, junges Mädchen mit, kleinen Augen und einer mittelgroßen Nase zu ihnen, um die Situation etwas aufzulockern oder zu verschärfen.

Dieses Mädchen, was an die ein- oder zweiundzwanzig Jahre alt sein musste, versteckte ihre natürlichen Reize unter einer schwarzen Nonnenkluft. Allerdings konnten Beobachter sehen, dass sie eine sehr frauliche, vielleicht zu dünne Figur mit großen Brüsten hatte. Sie fragte die beiden jungen Männer: „Na Hallo, ihr Zwei, seid ihr auch angehende Würdenträger? Aber wartet mal... Wenn das so wäre, wo sind dann eure Uniformen oder die alltägliche Kluft?“

Mike, der jetzt seine Gelegenheit zum Verschwinden sah, tat so, als wäre er schon jetzt von der 1,75 Meter großen jungen Frau mit dem perfekten Gesicht und den angedeuteten Krähenfüßen genervt. Obwohl ihm das Gequatsche dieses Menschenmädchens mit den vollen Lippen schon etwas missfiel.

„Wir sind keine Diener Gottes, sondern seine Vollstrecker, merk dir das, du blöde Tussi. Ich weiß sowieso nicht, wie man so dumm sein kann, sich in deinem Alter auf ewig der Kirche zu verpflichten. So was find ich voll zum Kotzen.“

Die Frau, die sich in ihrer Ehre verletzt fühlte, wollte gegen diese Beleidigung etwas sagen, aber noch bevor sie ihren Mund zu einem Wort formen konnte, war Mike auch schon dabei zu verschwinden.

Während sie ihre Blicke auf den zurückgebliebenen Mann richtete, blickte Angel nur noch Mike hinterher, der ihm lediglich ein arrogantes Lächeln aus den Augenwinkeln zuwarf.

Der Junge, der seine Augen nun auf das Mädchen richtete, dachte bei sich: Mike, du Ratte, du wirst dafür bezahlen, dass du mich mit der Nervensäge allein gelassen hast!

Das Mädchen blähte beleidigt die Backen auf bemerkte aber binnen weniger Momente, dass sie jetzt mit dem attraktiven Jungen mit den schwarzen Haaren allein war.

„Ist der immer so dumm drauf. Ich hasse Männer, die so sind wie er. Der heißt bestimmt irgendwas mit M oder C. Kerle mit diesen Anfangsbuchstaben sind alle Idioten. Mein Ex-Freund zum Beispiel hieß Maik, der war ganz genauso. Schrecklich solche Männer.“

Angel erwiderte darauf erstmal nichts und lächelte nur skeptisch.

Die ist echt eigenartig. Sie beurteilt Menschen nach ihren Namen. Obwohl sie mit Mike eigentlich fast recht hat, irgendwie passt das zu ihm.

Er erwiderte lächelnd, nach einigen Momenten des Nachdenkens: „Was bist du denn für eine Nonne, so was habe ich noch nie erlebt. Du bist eine richtige kleine Zicke. Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass du dich entschieden hast, eine Nonne zu werden und wie bist du dann auf die Idee gekommen ausgerechnet in den Vatikan zu gehen?“

Das Mädchen grinste nun auch und spielte mit ihren grünen kugelförmigen Ohrringen.

„Naja, ich hatte eigentlich alles, was man sich nur wünschen konnte. Eine Arbeit, die mir großen Spaß machte und bei der ich auch gutes Geld verdiente. Eine gute Freundin, die immer für mich da war und der ich einfach alles erzählen konnte und einen Mann, der bereit war, alles für mich zu tun. Doch eines Tages änderte sich alles für mich, nur weil ich mich von irgendwelchen dummen Mädchen auf meiner Arbeit manipulieren ließ. Erst kehrte ich meiner besten Freundin und schließlich sogar meinem Geliebten den Rücken und danach ging alles den Bach hinunter. Ich dachte damals sie brauchen mich und die zwei kommen schon wieder zurück zu mir, aber da war ich so was von ignorant. Die Zwei sind ohne mich besser zurecht gekommen als mit mir. Anfangs hielt ich es ja noch für eine gute Idee, aber dann zeigten meine neuen Freunde ihr wahres Gesicht, erst dann erkannte ich meinen Fehler.“

Das Mädchen war kurz davor zu weinen, weil sie ihr Leben so gegen die Wand gefahren hatte, sprach aber mit zitternder Stimme weiter.

„Das ist ja so blöd. Wieso erkennt man seine Fehler immer erst dann, wenn es zu spät ist. Ich habe versucht, alles zu reparieren, aber mein Liebster ließ mich abblitzen. Nachdem ich mich vor ihm so gedemütigt hatte, wollte ich nicht auch noch zu meiner Freundin gehen, aus Stolz und auch aus Angst, sie könnte mich auch nur verhöhnen. Außerdem wollte ich nicht, dass sie mich auch hasst, ganz ehrlich da war mir die Ungewissheit schon lieber. Alles war zerstört und nachdem schließlich meine geliebte Mutter an einem plötzlichen und unerwarteten Herzinfarkt starb, war ich völlig auf mich gestellt und ganz allein auf der Welt. Geschwister hatte ich keine und meinen ganzen Freunden hatte ich, dank meiner schlechten Freunde, den Rücken zugekehrt. Ich hatte letztendlich also nur noch meine Arbeit, wo die Personen waren, die mir mein ganzes Leben ruiniert hatten. Außerdem war ich völlig von Marijuana abhängig geworden, ich hatte aus Angst und Stress damit angefangen, hatte aber nicht mehr die Kraft, allein davon loszukommen. Also entschloss ich mich, meinen Job sausen zu lassen und ein ganz neues und anderes Leben anzufangen. So begab es sich, dass ich von meiner Heimat, dem fernen Finnland, hier in Italien gelandet bin. Von dort aus war es dann eine eher fixe Idee, in die Kirche zu gehen um Nonne zu werden.“

Plötzlich schwieg sie und auch Angel erwiderte nichts, sondern dachte sich nur: Was die für Sorgen hat. Okay, es ist schon traurig, dass ihre Mutter tot ist und dass sie abhängig von Gras ist, aber der Rest ist doch nur Firlefanz. Die müsste mal unsere Probleme haben.

Es ist zwar schön, dass sie endlich den Mund hält, aber irgendwie ist sie so traurig, ich würde sie ja trösten, aber ich weiß nicht wie. Sie glaubt, dass sie alles verloren hat. Vielleicht stimmt das sogar. Eins muss man ihr aber zu gute halten: Sie hatte zwar Fehler gemacht, war aber mutig genug um sie sich einzugestehen. Allerdings leider zu stolz um sie zu bereinigen.

In diesem Saal voller Feiernder, auf dem der Papst mit einem Glas alkoholfreien Sekt mit einem seiner Berater anstieß, war die Stimmung ausgelassen. Die einzig dafür bestellten Musiker spielten einen fröhlichen Song der zum tanzen animieren sollte.

Auch wenn die Anderen die Musik genossen, war die Stille, die nun zwischen dem Mädchen und dem Vampir herrschte, so erdrückend, dass schließlich sie das von ihr hervorgerufene Schweigen selbst wieder brach.

„Wie heißt du eigentlich. Also ich bin Nicoletta und komme, wie ich schon gesagt habe, aus Finnland.“

Angel, der jetzt eigentlich Trauer und Tränen ihrerseits erwartete, antwortete schon leicht gelangweilt: „Ich bin Angel und komme aus Tokio. Ich schätze, wenn du jetzt hier bleibst, werden wir wohl Kollegen werden.“

Sie lächelte: „Das ist echt cool, du scheinst wirklich mal ein Kerl zu sein, der in Ordnung ist. Also ich gehe jetzt bald auf die Schwesternschule und mein Aufgabebereich nebenher ist noch das Waschen der Wäsche und Küchendienst und für was bist du eingeteilt, oder bist du wirklich ein Vollstrecker wie der Typ gesagt hat?“

Angel lächelte zurück: Sie will tatsächlich mit mir flirten, sie weiß noch nicht mal annähernd auf was sie sich bei mir einlässt.

„Ich bin Mitglied der Spezialeinheit und nebenbei bin ich noch beratend tätig.“

Nicoletta erschrak und ihre Nackenhaare sträubten sich.

„Ich habe schon von den anderen Nonnen gehört, dass es hier im Vatikan eine Spezialeinheit mit Vampiren und andere Monster gibt. Sag mir, du bist doch schon länger hier und du bist bestimmt auch in so einiges eingeweiht, ob es sie wirklich gibt? Die Vampire meine ich.“

Angel grinste und schüttelte mit dem Kopf.

„Ein paar Stunden erst hier und die Kleine will gleich alles wissen. Ja es stimmt, es gibt hier Vampire und andere Monster, wie du sie nennst, und ich bin einer davon.“

Das Mädchen staunte: „Du bist ein waschechter Vampir, aber du bist noch so verdammt jung.“

Der Junge wurde jetzt langsam flapsig.

„Was hat das Ganze denn damit zu tun wie alt ich aussehe. Wir sind ohnehin alle unsterblich, da spielt das Alter doch keine Rolle. Außerdem bin ich schon über hundert Jahre alt, also nicht mehr so jung.“

Das junge Mädchen, hörte gar nicht mehr richtig zu, denn seit dem Moment als Angel sich als das geoutet hatte was er war, musste sie unaufhörlich, an ihren größten Wunsch denken. Diesen teilte sie der begehrten Person auch gleich mit.

„Ich träumte schon lange davon, wie es wäre unsterblich zu sein und ewig zu leben, doch bis jetzt hielt ich das nur für den unerfüllbaren Traum eines kleinen Kindes. Doch er könnte noch heute wahr werden, wenn du ein hundertjähriger Vampir bist, ist es für dich doch kein Problem, Andere zu erschaffen, die so sind wie du. Erfülle mir meinen Wunsch und mach mich zu einer deinesgleichen.“

Sie kniete sich vorsichtig vor ihm hin, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen und begann zu flehen. „Bitte, bitte ich tue alles was du von mir verlangst. Verwandle mich!!“

Währenddessen hefteten sich nun alle Blicke der Anwesenden auf das eigenartige Schauspiel.

Der Vampir, dem das Geschehen anwiderte, sah sie jetzt nur noch mit einen abfälligen Blick von oben herab an und wurde wütend.

„Steh wieder auf und lass den Mist. Ich würde niemals jemanden verwandeln. Wieso sollte ich denn dann ausgerechnet dich verwandeln und wieso um Himmelswillen, willst du überhaupt ein Vampir werden? Gerade heulst du hier noch rum, dass dein Leben ein einziges Desaster ist und jetzt willst du, dass dieses auch noch ewig andauert!“

Sie kniete immer noch vor dem jungen Mann, ohne sich darum zu scheren, dass sie von allen unverhohlen angestarrt wurde.

„Du musst das auch nicht verstehen. Ja, ich hasse mein Leben, besonders weil ich mich so einsam und missverstanden fühle, aber ganz ehrlich. Ich habe mehr Angst vor dem mich zu erwartetenden Tod als vor der Einsamkeit. Glaube mir, ich würde alles tun um zu bekommen, was du hast.“

Der Junge setzte nun ein teuflisches Lächeln auf und kniete sich vor ihr auf den weißen Marmorboden. Er nahm ihr Kinn in seine linke behandschuhte Hand und zwang sie, in seine strahlenden blauen Augen zu blicken.

„Wenn du ein Monster werden willst, dann geh in irgendeine größere Stadt. Suche dann einen Club, der nach einem übernatürliches Wesen benannt wurde. An so einem Ort findest du andere Vampire, die dir das geben, was du hier von niemanden erhalten wirst. Dort hast du bestimmt auch das Glück, dass jemand auf dein Angebot eingeht. Du hast jetzt sowieso wieder genug Zeit, weil ich dich nämlich ganz eigenmächtig rauswerfe. So etwas wie dich, der nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist, hat im Dienst der Kirche nichts zu suchen.“

Sie stand auf und zog sich die Nonnenhaube vom Kopf: „Wenn ich dort unsterblich werden kann, ist es mir egal, ob ich hier arbeite oder nicht. Sobald ich einer von euch bin, kann ich doch ohnehin alles tun wonach mir ist. Zeit habe ich dann auch genug. Der Tod wird mich niemals ereilen und ich werde ewig jung sein.“

Angel erwiderte nichts mehr darauf, er schüttelte nur noch angewidert den Kopf und lief wortlos an ihr vorbei. Allerdings konnte er sich schließlich einen bestimmten Kommentar doch nicht verkneifen. „Du bist einfach nur erbärmlich.“

Der Vampir verließ nun endgültig die Feier, wo er nun nachdem Mike verschwunden war, der einzige Vampir war.

Der junge Mann ging einen fast endlosen Gang, der mit rotem Samtteppich bespannt war, entlang um auf sein Zimmer zu gelangen.

Dort angekommen entledigte er sich seines schwarzen Anzuges und des weißen Hemdes, welches er bis eben noch getragen hatte, um sich eine bequeme Jeans und ein weißes Shirt und eine graue Stoffweste anzuziehen.

Nachdem das erledigt war, begab er sich auf seinen Balkon und zog eine Zigarette aus der Schachtel, die er in der linken Tasche seiner Jeanshose trug, und steckte sie sich in den Mund.

Er knöpfte die Stoffweste zu und zog aus der selben Tasche der Jeans ein silbernes Sturmfeuerzeug mit dem eingravierten Wappen seiner Familien, einem dreiköpfigen Hund, welcher dem Höllenhund ähnelte, ließ es aufschnappen und zündete seine Zigarette an.

Während er sie in der linken Hand, zwischen Mittel- und Zeigefinger ruhen ließ, begann er zu lachen wie ein Geisteskranker.

„Ich würde alles darum geben, wieder ein Mensch zu sein und die, die will ein Vampir werden. Ich wollte niemals so werden, wie ich jetzt bin. Das ich jetzt ein Monster bin, ist nur die Schuld von Salomone. Ich hasse ihn dafür, was er mir angetan hat, irgendwann wird er dafür bezahlen, was er mir angetan hat, das schwöre ich.“

Er sah sich den dunkel geworden Nachthimmel und die darin hängenden leuchtenden Sterne an.

„Wenn ich nur an den Tag zurückdenke, an dem ich das geworden bin, was ich bin. Ich wollte nur in einem Club etwas trinken und vielleicht mit einem hübschen Mädchen etwas Spaß haben. Das hatte ich dann auch, aber dann entschied ich mich dummerweise in meinem angetrunkenen Zustand dafür, in einem vermeintlichen Hotel zu übernachten, weil ich mich für nicht mehr fähig hielt allein nach Hause zu kommen.“

Eine Träne lief langsam über seine Wangen und er musste mit weiteren kämpfen.

„Als Mensch ging ich hinein, um Tage später unter enormen Schmerzen und als Monster dieses Haus wieder zu verlassen. Meine geliebte Familie habe ich erst Jahre später wiedergesehen. Doch dieser Anblick hat mir fast das Herz gebrochen. Aber seitdem ich nur noch mit Vampiren zu tun habe, kommt mir manchmal der Gedanke, dass ich ihn zwar dafür hasse, was er mit mir gemacht hat, aber auch, dass ich nie wieder das elende Schicksal der Sterblichkeit erleben will.“

Nachdem Angel einige Male tief durchgeatmet hatte, hatte er sich wieder so weit beruhigt um endlich einen Zug von seiner halb abgebrannten Zigarette zu nehmen. Nur um sie dann wieder zwischen Mittel und Zeigefinger der linken Hand ruhen zu lassen.

Nachdem er nicht noch einmal seine Gedanken laut äußern wollte, dachte er jetzt in sich hinein an das Mädchen.

Sie ist den weiten Weg aus Finnland hierhergekommen, um nach noch nicht mal einen einzigen Tag alles wieder hinzuwerfen.

Mit großen Worten sagte sie mir, dass sie einen Neuanfang im Vatikan wollte. Anscheinend wollte sie zwar wirklich einen Neuanfang, ihr war aber egal auf welche Art und Weise das passierte.

Mist, eigentlich hätte ich ihr nichts von den Vampirclubs erzählen dürfen, wenn die anderen Vampire das wüssten, wäre das mein Ende.

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Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
630 S. 1 Illustration
ISBN:
9783742742629
Verleger:
Rechteinhaber:
Bookwire
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