Fight #1 - Deine Strafe ist der Tod

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Aus der Reihe: Keep-Fighting-Reihe #1
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Aidan - Von alten und neuen Feinden

»Ich tue es«, sagte mein Mund schneller, als mein Gehirn reagieren konnte. Die Endorphine schienen mich doch mehr zu beeinträchtigen als vermutet. Fuck, hatte ich gerade zugestimmt, für Pastrow zu kämpfen, weil mir seine Tochter ein Schäferstündchen angeboten hatte? Genaugenommen hatte sie mir ja auch keines angeboten, aber für mich hatte es sich dennoch so angehört, als würde sie, wenn nicht ...

Missmutig schüttelte ich meinen Kopf, um die Gedanken daraus zu vertreiben, und starrte die kleine zierliche Frau an, die jetzt zu mir herumwirbelte. Ihr Gesicht lächelte, aber es erreichte ihre Augen nicht. Sie griff betont lässig in ihre Hosentasche und zog ein kleines Etui heraus, aus dem sie ein Papier entnahm und es mir reichte. Ein kurzer Blick darauf zeigte mir, dass die Adresse von Juri Pastrows Boxhalle darauf stand.

»Gib mir deine Handynummer, damit dich einer unserer Trainer anrufen kann. Mein Vater wird dich kämpfen sehen wollen, ehe er sich überlegt, ob du wirklich für ihn kämpfen darfst.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«

Verblüfft sah sie mich an. »Wie ... nein?«

Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht. »Ich kenne den Club, und werde dort erscheinen, wenn ich es für richtig halte. Davon mal abgesehen, dass ich kein Handy besitze, würde ich auch dann meine Nummer nicht rausgeben. Ich bestimme gern selbst über meine Zeit.« Ich verschränkte meine Arme vor der Brust. »Wenn dein Vater mich kämpfen sehen will, dann wird er mich kämpfen sehen. Aber ich werde mich nicht dirigieren lassen!«

Ich hatte keine Ahnung, warum ich eine solche Spitze auf sie abschoss, aber irgendetwas an dieser Situation brachte mich dazu, gereizt zu sein. Ob es die Tatsache war, dass diese Göre mit zwei Leibwächtern durch die Gegend spazierte, oder mehr, dass ich nicht damit gerechnet hatte, so schnell meinem Ziel näher zu kommen, Pastrow zu begegnen – ich wusste es nicht. Meine Worte trafen ihr Ziel auf alle Fälle, denn ich konnte trotz des schummrigen Lichts erkennen, wie sie zusammenzuckte.

»Entweder bist du dümmer, als ich dachte und schaffst es nur, im Ring wie ein cleveres Kerlchen aufzutreten oder aber du hast wirklich keine Ahnung, was ich dir gerade angeboten habe!«, fauchte sie. Das kleine Bündel konnte ganz schön giftig werden, das musste ich ihr lassen. Natürlich wusste ich, welche Chance sie mir gerade geboten hatte!

Andere würden, im wahrsten Sinne des Wortes, morden für das Angebot, vor Juri Pastrow kämpfen zu dürfen. Aber wenn ich erfolgreich bestehen wollte, durfte ich keine Schwäche zeigen. Schwäche zu zeigen war tödlich in diesem Business. Und wenn ich mich nicht klar positionierte, würde Pastrow mich in kürzester Zeit zu einer seiner Marionetten gemacht haben.

»Du hast meinen Kampf gesehen?«, fragte ich daher, um Zeit zu gewinnen.

Jetzt war sie es, die mich ansah, als sei ich von allen guten Geistern verlassen. »Nein, ich rate gern wild drauf los und lade Männer dazu ein, für meinen Vater zu kämpfen«, murmelte sie und schüttelte den Kopf. »Natürlich habe ich deinen Kampf gesehen! Du magst nicht so kräftig sein wie die meisten hier, aber was dir an Masse fehlt, machst du mit Beweglichkeit und genauem Taxieren deines Gegners wett. Du arbeitest präzise und achtest darauf, deinem Gegner mit Schnelligkeit das Leben schwer zu machen. Außerdem verlängerst du deinen Kampf nicht künstlich. Wenn du eine Möglichkeit siehst, den Kampf zu beenden, ergreifst du sie. Du bist kein Spieler.«

Ich war offiziell beeindruckt. Das musste man mir auch deutlich ansehen, denn auf ihrem Gesicht breitete sich auf einmal ein Grinsen aus und sie kicherte leise. »Maul gestopft, würde ich sagen!« Sie hob die Hand, winkte mir zu und wandte sich um. »Bis demnächst. Ich hoffe, du weißt wirklich, welche Chance sich dir bietet.« Dann hub sie an, zu gehen.

Ehe ich mich versah, machte ich einen Satz auf sie zu und hielt sie am Arm fest. »Warte«, bat ich leise und sie wandte den Kopf in meine Richtung. Panik stand in ihren Augen und ich ließ sie sofort los. Sofort senkte sich ihr Blick gen Boden und sie machte einige Schritte von mir weg.

Verdammte Scheiße, was war das gewesen? Ich hatte sie nur am Arm festgehalten und sie sah aus, als würde sie mit einem Schlag von mir rechnen! »Es ... tut mir leid«, stammelte ich und fuhr mir völlig überfordert durch die verschwitzten Haare. »Ich wollte nur ... sag deinem Vater, dass ich morgen in seine Halle komme. Zwölf Uhr.«

Ein leichtes Nicken zeigte mir, dass sie mich verstanden hatte. Dann drehte sie sich um und war endgültig verschwunden, während ich da stand, den Zettel mit der Adresse in meiner Hand hielt und ihr nachstarrte.

Eine gute halbe Stunde später hämmerte ich mit den Fäusten gegen Dog’s Trailer. Mein Freund wohnte in diesem, seitdem er die Boxhalle samt Grundstück gekauft hatte, weil er sich nicht die Instandhaltung und eine Wohnung leisten konnte, schien aber mit diesem Arrangement ziemlich zufrieden zu sein. Es dauerte eine Weile, bis er ziemlich verschlafen die Tür aufmachte und mir klar wurde, dass es mitten in der Nacht war.

»Aidan, ich schwöre dir, wenn es nicht wichtig ist ...«, knurrte Dog mich an, während ich mich schon an ihm vorbei ins Innere drängte. Ohne auf sein Gemurre einzugehen, hielt ich ihm die Karte hin, die Pastrows Tochter mir gegeben hatte. Fast augenblicklich verstummte Dog und riss die Augen weit auf.

»Das ... das ist ...«, stammelte er.

»Ja, ich weiß. Eine Karte, auf der die Adresse von Pastrows Box-Schuppen steht«, half ich ihm auf die Sprünge.

»Nein, Mann!«, von Müdigkeit war bei Dog schlagartig nichts mehr zu spüren. »Das ist deine verdammte Fahrkarte in die Oberliga! Wer hat dir das gegeben?«

Ich rollte mit den Augen. »Janka Pastrowa.«

Dogs Kopf ruckte hoch. »Du verarschst mich! Die Janka Pastrowa? Alexej Antonowitschs Schnalle?«

Diesmal war es mein Kopf, der in die Höhe schnellte. Entsetzt starrte ich ihn an, der Name Antonowitsch war mir bekannt, der Kerl war immerhin einer der besten, wenn nicht der beste Kämpfer in New York. Dog griff nach meinem Arm und zog mich zu der kleinen Sitzgruppe im Wohnwagen. Seine Augen glänzten aufgeregt. »Du musst mir alles erzählen, Aidan. Alles, hörst du?« Amüsiert über seine Euphorie erzählte ich ihm, was sich ereignet hatte. Die blanke Panik in Jankas Gesicht ließ ich jedoch aus. Das hatte hier nichts zu suchen.

Als ich geendet hatte, strahlte Dog über beide Ohren. »Das ist der Wahnsinn, Aidan. Du bist erst seit sechs Wochen wieder im Geschäft und hast eine verfickte Einladung von Juri Pastrow bekommen!« Natürlich hatte er recht. Ich hatte selbst nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Zwar hatte ich seither nicht einen Kampf verloren und meine Quote bei den Buchmachern war auch nicht mehr die schlechteste, aber dennoch – es war noch nicht ein wirklich namhafter Gegner dabei gewesen.

»Du kommst mit mir«, sagte ich daher und sah Dog an. Dieser hob beide Hände und schüttelte vehement den Kopf.

»Kannst du vergessen, Mann. Ich wurde nicht eingeladen. Man geht nicht in den Schuppen von Juri und bringt einfach Freunde mit.«

Ich runzelte die Stirn. Noch ein Ding mehr, das mir nicht in den Kram passte. Als ich Janka sagte, dass ich mir nicht gern etwas vorschreiben ließ, hatte ich nicht gelogen. Ich hasste es, wenn jemand glaubte, das Recht zu besitzen, mir Vorschriften machen zu dürfen. Eines meiner Probleme bei der Polizei. Ich konnte mich einfach nicht gut genug unterordnen.

Gäbe es da nicht die leise Stimme in meinem Kopf, die mich ermahnte, dass genau das, was gerade passierte, mein Ziel war – ich hätte spätestens jetzt alle Pläne über den Haufen geworfen und Juri Pastrow einen guten Mann sein lassen. Aber ich musste die Zähne zusammenbeißen und mich dem Spiel fügen. Seufzend schüttelte ich den Kopf. »Ich werde morgen dort aufkreuzen und dann sehen wir weiter.«

Dog beugte sich zu mir und warf mir einen beschwörenden Blick zu. »Aidan, versau das nicht! Wenn du dir wirklich einen Namen machen willst in diesem Business, dann kommst du an Juri nicht vorbei. Er hat das Ding hier fest in der Hand. Er gibt keine zweiten Chancen. Niemals.«

Ich winkte ab und erhob mich. »Ja ja ...« Dog hielt mir die Karte entgegen, die ich wieder an mich nahm und sicher verstaute. »Schlaf jetzt, Mann. Wir sehen uns morgen!« Meine nächsten Schritte standen schon fest, denn ich musste zum ersten Mal Kontakt aufnehmen. Die Nummer hatte sich in mein Gehirn gebrannt und ich war gespannt, wie man dort reagieren würde.

***

Auf den ersten Blick sah der Club von Juri Pastrow aus wie jeder x-beliebige, absolut unspektakulär. ›sobaka krovi‹ stand in großen Lettern auf dem Schild, welches ansonsten nur zwei gekreuzte Boxhandschuhe zeigte. Ich weiß nicht, was genau ich erwartet hatte, aber ein Hauch von Enttäuschung machte sich in mir breit. Natürlich war ein Unterschied zu Dogs Laden zu sehen, aber alles in allem wirkte dieser Laden unscheinbar und das war mit Sicherheit auch so beabsichtigt. Nicht auffallen, lautete die Devise in diesen Kreisen.

Darum bemüht, mir die nun doch langsam aufsteigende Nervosität nicht anmerken zu lassen, ging ich auf die schwere Metalltür zu und öffnete sie. Der Geruch von Schweiß schlug mir entgegen und obwohl der Laden gut ausgeleuchtet war, musste ich zunächst blinzeln, ehe sich meine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.

Überrascht registrierte ich, dass im Inneren alles doch kleiner war, als es von außen den Anschein erweckte. Ich stand in einer Halle, in deren Mitte ein Boxring stand, der von einigen Sandsäcken zum Trainieren umgeben war. Diverse Türen, teils offen, teils geschlossen, führten offensichtlich in Büros für die Angestellten und ein Gang an der Seite vermutlich zu den Umkleiden. Einige Büros schienen besetzt und im Ring trainierten zwei junge Männer, angeleitet von einem muskulösen Mann mit einer Trillerpfeife zwischen den Zähnen. Dezente Musik ertönte aus den im Raum verteilten Boxen.

 

Das automatische Zuschlagen der Metalltür in meinem Rücken hallte wie ein Donnerschlag durch den Raum und abrupt besaß ich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden in diesem Raum. Das Muskelpaket aus dem Ring sprang überraschend schnell über die Seile desselben und kam auf mich zu. »Wer bist du und was willst du hier?«, fragte er mich mit deutlich russischem Akzent. Schweigend hielt ich ihm die Karte entgegen, die ich von Janka bekommen hatte.

Ein kurzer Blick genügte wohl, dann nickte der Typ und wandte sich um. »Mitkommen«, wies er mich knapp an. Ich folgte ihm, meinen Blick neugierig schweifen lassend. Vor einer geschlossenen Bürotür blieb er stehen und klopfte. Als von drinnen die Aufforderung erklang, einzutreten, öffnete er die Tür und warf einen Blick hinein.

»Boss, hier is einer mit deiner Karte!«, erklärte er und schob mich in das Büro hinein. Ehe ich mich versah, war die Tür hinter mir zu und ich blickte in die Mündung einer Waffe. Gehalten wurde sie von Juri Pastrow selbst, und direkt neben ihm standen Alexej Antonowitsch und – Janka. Langsam hob ich meine Hände an, drehte die Handinnenflächen nach außen und streckte ihm die Karte so entgegen, dass er sie sehen konnte.

»Du bist also Mir.« Pastrow umrundete mich, die Waffe weiterhin auf mich gerichtet und tastete mich gleichzeitig mit der anderen Hand ab. »Kleiner, als ich dachte – aber meine Tochter sagt, du bist ein guter Kämpfer.« Nachdem er auch meine Trainingstasche durchsucht hatte, ließ er die Waffe sinken und trat einige Schritte von mir zurück. Ich entspannte mich ein wenig, hielt seiner Musterung stand. »Warum sollte ich dich für mich kämpfen lassen?«

»Weil ich der Beste werden kann«, gab ich mit fester Stimme zurück. Hinter Juri hörte ich Alexej auflachen.

»Der Beste?« Antonowitsch schob Janka ziemlich unsanft zur Seite, glitt an Pastrow vorbei und baute sich vor mir auf. Ich war nicht klein, aber der Kerl überragte mich um eine Kopflänge. »So schmächtig wie du war ich selbst mit 14 nicht. Ganz schön große Fresse, meinst du nicht auch?« Ich hob langsam meinen Kopf und sah Alexej ins Gesicht.

»Draußen ist ein Ring, was hält dich ab?«, knurrte ich. Auf meine Statur reduziert zu werden hasste ich fast so sehr wie Vorschriften. Antonowitschs Augenbrauen schossen in die Höhe und er holte Luft, um etwas zu erwidern. Doch bevor es dazu kam, mischte sich Janka ein.

»Vater, lass ihn gegen Dimitrij kämpfen und mach dir selbst ein Bild«, sagte sie leise, sah dabei aber weiterhin zu Boden.

»Alexej, gib Ruhe. Führ dich nicht auf wie ein Gockel. Janka, begleite unseren Gast zur Umkleide. Ich möchte ihn kämpfen sehen. Sag Dimitrij, dass er sich bereithalten soll, in 30 Minuten will ich einen Boxkampf sehen.«

»Ja, Vater.« Janka trat an Antonowitschs Seite, worauf dieser besitzergreifend seinen Arm um ihre Schulter legte.

»Ja, Großmaul ... lass dir von meiner Verlobten zeigen, wo du dich vorbereiten kannst. Und dann werden wir sehen, ob du deinen Worten auch Taten folgen lässt«, zischte er, zog sie an sich und drückte ihr einen festen Kuss auf die Lippen. Dann griff er an ihr vorbei und riss die Tür auf. »Dimitrij, wärm dich auf, der Boss will einen neuen Kämpfer testen!«, brüllte er nach draußen, löste sich dann von Pastrows Tochter und bedeutete uns, dass wir gehen konnten.

Schweigend verließ Janka das Büro ihres Vaters und ich folgte ihr. Sie führte mich in den Gang, in dem ich schon vorhin die Umkleiden vermutet hatte und deutete auf einen der Räume. »Da kannst du dich umziehen und aufwärmen. Boxhandschuhe wirst du von Sergej bekommen, das ist der Große, der dich eben hereingeführt hat.«

Ich warf ihr einen Blick zu. »Hab ich mir wohl gleich nen Freund gemacht, was?«, grinste ich.

Sie schüttelte leicht den Kopf. Dann hob sie ihn und sah mich an. Ihre Augen strahlten schon wieder diese Traurigkeit aus, die ich schon gestern Abend an ihr beobachtet hatte.

»Ein guter Rat von mir, Mir ...« Ihr Mundwinkel zuckte kurz, als ihr das Wortspiel auffiel. »Wenn du hier kämpfen willst, solltest du dir gut überlegen, wen du dir zum Feind machst.« Mit diesen Worten wandte sie sich um und ließ mich allein. Ich sah ihr einen Moment lang nach, dann marschierte ich seufzend in die Umkleide, um mich vorzubereiten. Meinen Gegner hatte ich mir nicht einmal angeschaut, ihn zu kennen, würde nichts daran ändern, dass ich ihn auf jeden Fall besiegen musste.

Die Zeit, die man mir gelassen hatte, reichte gerade so, um mich einigermaßen aufzuwärmen, und meine Hände vernünftig zu tapen. Gerade hatte ich das Tape in meiner Tasche verstaut, als die Tür aufgestoßen wurde und der Kerl hereinmarschierte, der mich auch zu Pastrow gebracht hatte. Erneut musterte er mich von oben bis unten, ehe er mir schweigend dabei half, die Boxhandschuhe anzuziehen und sie vernünftig zu verschnüren. Dann trottete er in Richtung der Tür und bedeutete mir, ihm zu folgen.

Um den Boxring hatten sich mittlerweile einige Männer versammelt, die dem Kampf offensichtlich zusehen wollten. Allen voran standen Juri Pastrow und seine Tochter. Alexej konnte ich nirgends ausmachen, was mich ehrlich gesagt erleichterte. Im Ring selbst tänzelte ein Mann auf und ab. Mein Gegner, wie ich vermutete. Mein Herzschlag beschleunigte sich für den Bruchteil einer Sekunde und ich begann ebenfalls, leicht auf und ab zu wippen.

Bevor ich wieder zurück in den Ring gekehrt war, hatte ich nicht mal im Ansatz gewusst, wie sehr mir das alles gefehlt hatte. Klar, ich boxte noch und ich trainierte die Kids, aber das hier ... war etwas ganz anderes. Mit noch immer geschultem Blick taxierte ich diesen Dimitrij, der nun dazu übergegangen war, in die Luft zu boxen.

Sofort fiel mir auf, dass er seine Deckung links etwas niedriger hielt und sich ziemlich schwerfällig bewegte. Er war etwas kräftiger als ich, aber ich wusste um meine Schnelligkeit. Das hier würde einfacher werden, als ich erwartet hatte. Mit einem Grinsen stieg ich in den Ring und nickte dem Mann zu. Sergej kletterte ebenfalls hinein und erläuterte uns mit knappen Worten die Regeln, die ich noch immer im Schlaf herbeten konnte. Dann nickte er uns beiden zu und gab das Zeichen zum Kampf.

Sergej hatte die Mitte noch nicht ganz verlassen, als Dimitrij auch schon zum Angriff überging. Seine Schritte ließen den Boden des Rings vibrieren und mein Kopf machte dicht. Ich blendete die Umgebung völlig aus, konzentrierte mich ausschließlich auf mein Gegenüber. Dabei hörte ich nicht auf, mich zu bewegen, tänzelte leichtfüßig um ihn herum, erfasste jede seiner Bewegungen. Dimitrij stürmte auf mich zu, ich wich zur Seite hin aus oder duckte mich unter ihm weg – das Spielchen wiederholte ich ein paar Mal.

Immer und immer wieder stürmte er auf mich zu und ich wurde nicht müde, mich wegzuducken, bis mir das Spielchen zu dumm wurde. Ich wartete, bis er erneut auf mich zupreschte, fuhr herum und täuschte mit der Linken einen Schlag an. Wie ich es erwartet hatte, ließ er fast sofort die linke Deckung fallen und ich nutzte die Gelegenheit, holte rechts aus und verpasste ihm einen Kinnhaken, der sich gewaschen hatte und dessen Wucht man förmlich hören konnte.

Dimitrij gab einen dumpfen Laut von sich, seine Augen weiteten sich überrascht und dann – ging er zu Boden. Sofort trat ich einen Schritt zurück, während Sergej sich zu meinem Gegner hinunter beugte. Dimitrij war bewusstlos und würde gleich mindestens einen Zahn ausspucken, davon war ich überzeugt.

Stille hatte sich über die Halle gelegt, während ich seelenruhig aus dem Ring kletterte. Mein Blick begegnete dem von Janka und für einen Moment glaubte ich, so etwas wie Anerkennung in ihren Augen aufblitzen zu sehen. Dann erregte eine Bewegung aus dem Augenwinkel meine Aufmerksamkeit und ich drehte den Kopf.

Alexej stürmte aus dem Büro von Juri direkt auf Janka zu und sah nicht erfreut aus. Dicht vor ihr kam er zum Stehen und fasste sie grob am Kinn. »Wie bescheuert kannst du eigentlich sein, Janka?«, brüllte er. »Holst uns ‘nen Bullen ins Haus! Hat dir einer in dein verdammtes Hirn geschissen?« Es tat mir fast körperlich weh zu sehen, wie dieser Volltrottel ihr Kinn zwischen seinen Händen zusammen quetschte, doch ich wusste, dass ich mir endgültig Feinde machen würde, wenn ich jetzt dazwischen ging.

»Deine Informanten scheinen ja nicht gerade auf dem neuesten Stand zu sein, was?«, bemühte ich mich daher, so ruhig wie nur möglich zu fragen. Abrupt ließ Antonowitsch Janka los und fuhr zu mir herum. Seine Augen funkelten mich feindselig an. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust, so gut es mit den sperrigen Boxhandschuhen ging. »Ich war Bulle. Stimmt. Die Betonung liegt auf war. Bin geflogen, schon vor Monaten. Hab’n bisschen zu gern mit Schnee gespielt, wenn du verstehst, was ich meine? Wenn du schon nach mir googelst, solltest du vielleicht ein bisschen akribischer sein!«

Alexejs Nasenflügel blähten sich auf und er atmete tief ein, ehe er einen Schritt auf mich zu machte und mir die verschränkten Arme vor der Brust wegschlug. »Du hältst dich wohl für besonders schlau, du kleiner Prolet, was?« Er schubste mich, sodass ich mit dem Rücken gegen den Ring krachte. »Kommst hier hin, machst einen auf dicke Hose und bist nichts weiter als ein verschissener Bulle!«

»Ein ehemaliger Bulle!«, presste ich zwischen den Zähnen hervor und konnte mich nur mühsam davon abhalten, dem Wichser direkt eindrucksvoll zu zeigen, was ich von Kerlen hielt, die eine Frau so anfassten, wie er es eben mit Janka getan hatte. Ich konnte sogar von hier aus sehen, dass sich ihr Kinn bereits zu verfärben begann, obwohl sie erschrocken die Hand vor den Mund geschlagen hatte und uns mit großen Augen anstarrte.

»Alexej, Mir. Hört auf mit dem Kinderkram!«, donnerte in dem Moment die Stimme von Juri Pastrow durch die Halle. Augenblicklich wich Antonowitsch vor mir zurück, aber seine Augen starrten mich weiterhin nieder. Juri kam auf mich zu und maß mich mit ernstem Blick. Ich erwiderte seinen Blick trotzig.

Es vergingen einige Sekunden, bevor Pastrow sich vorbeugte, mir anerkennend auf die Schulter klopfte und sich dann mit einem verschmitzten Grinsen zu seinen Männern umdrehte, die uns allesamt mit Argusaugen betrachteten.

»Janka, sieh zu, dass du einen passenden Trainer für Mir findest. Ich will ihn in unserem Team.«

»Aber Pakhan, Boss ...«, wollte Alexej aufbegehren, aber noch ehe er seinen Satz zu Ende bringen konnte, hatte ihn Juri am Schlafittchen gepackt.

»Ich sagte, ich will ihn in unserem Team. Gibt es damit ein Problem?«, knurrte er und augenblicklich sackte Antonowitschs Selbstbewusstsein in sich zusammen.

»Nein, Pakhan«, knirschte er und Pastrow ließ ihn los.

»Ach, und Alexej?«, setzte Juri dann nach. Der Genannte zuckte sichtlich zusammen und wartete schweigend, was da noch kommen würde. »Leg noch ein einziges Mal in dieser Art und Weise Hand an meine Tochter und du wirst dir diese als Trophäe zu deinen Kampfpokalen stellen können.«

Ohne ihn auch nur noch eines Blickes zu würdigen, drehte sich Juri zu mir und winkte mich zu sich heran. »Ich bin hier der Boss. Und wenn ich sage, dass du Scheiße fressen sollst, dann wirst du Scheiße fressen. Hast du das kapiert?« Ich hatte verstanden. Und wie ich verstanden hatte. Auch wenn mir das, was er gesagt hatte, nicht passte, nickte ich.

»Beiß nicht die Hand, die dich füttert, Mir. Dann wirst du ein gutes Leben bei uns haben. Janka!« Er winkte seine Tochter heran. »Du wirst ihm die verborgenen Hallen zeigen und einen Trainer für ihn auswählen. Gib ihm die Verträge und erläutere ihm alles, was er wissen muss. Alexej, du kommst mit mir.«

Mit diesen Worten drehte sich Juri Pastrow herum und ging auf sein Büro zu, gefolgt von Antonowitsch, der mir einen letzten finsteren Blick zuwarf.

»Komm, du Geisteskranker«, hörte ich Janka neben mir leise sagen. »Ich zeige dir, was mein Vater mir aufgetragen hat.«