Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer

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Die Lichtsäule des Ringes begann etwas zu flimmern. Der Namenlose stellte sich breitbeinig vor der Säule auf.



"Du wirst jetzt in meine Hand kommen, Ring! Oder ich werde dich zwingen!"



"Hör mir zu, Sklave des Schattenlandes, der du schon selbst kaum mehr als ein Schatten bist! Es ist schon Äonen her, seit mich zum letzten Mal ein Mensch an seinem Finger getragen hat. Havlu hieß dieser Mensch, der mich damals in einer Felsengruft fand. Er stammte aus einer Stadt, die heute längst versunken, einem Reich, dass längst untergegangen ist. Von dem Moment an, da mich Havlu auf seinen Finger steckte, war ich sein Sklave. Ich besaß keinen eigenen Willen mehr. Ich war ein Teil von Havlu geworden. Er nutzte meine magischen Kräfte für seine Zwecke. Ich gab ihm unvorstellbare Macht, aber er missbrauchte diese Macht, so wie er mich missbrauchte. Kryll wird nicht anders sein, als Havlu und all die anderen, die mich trugen. Aber ich will nicht wieder Sklave sein und ich will auch nicht wieder missbraucht werden! Mit meiner Hilfe errichtete Havlu ein Tor zu Welt der Schatten. Durch dieses Tor fielen die Horden des Schattenlandes über diese Welt her - wie eine Meute hungriger Wölfe! Sie waren allesamt Willenlose - ohne Gesicht und ohne Namen, denn beides sind Zeichen von unverwechselbarer Persönlichkeit. Aber Tarak, ihr Herr verweigerte ihnen das, so wie er es dir verweigert! Du bist ohne Namen, ohne freien Willen und ohne Gesicht."



"Ich bin niemandes Sklave. Ich bin nur ein Diener Taraks, aber ich besitze sehr wohl einen freien Willen!"



"Du irrst! Wie könntest du auch anders? Tarak gaukelt dir etwas vor. Er gaukelt dir vor, dass du selbst es bist, der sich entscheidet. In Wirklichkeit bist du nicht mehr als eine Puppe - und Tarak spielt mit dieser Puppe, wie es ihm beliebt! Jedenfalls war es sehr schwierig, Taraks Einfluss auf unsere Welt wieder zurückzudrängen. Ich hatte Glück, dass Havlu in einer Schlacht fiel und ich so meine Freiheit zurückgewann. Die Verbindung zum Schattenland riss ab, denn nur ich bin dazu im Stande, ein solches Tor zu errichten zwischen den Welten zu errichten!"



"Nein, Ring! Du überschätzt dich bei weitem! Du vergisst, dass du dies nur in Verbindung mit dem Spiegel von Uz kannst!", warf der Namenlose ein.



"Das ist richtig. Aber ich bin von uns beiden, dem Spiegel und mir, der stärkere Teil!"



Die Lichtsäule begann jetzt stärker zu flimmern. Der Namenlose war von diesem Anblick noch immer wie betäubt, aber er hatte nicht die Absicht, noch länger damit zu warten, den Ring von Kuldan in seine Gewalt zu bringen.



"Ich wusste, dass Tarak seine Diener ausschicken würde, um mich erneut zu versklaven. Aber diesmal bin ich vorbereitet. Diesmal werde ich kämpfen!"



Die Entschlossenheit des Ringes verwunderte den Namenlosen. Die Worte der melancholischen Stimme hallten in ihm wider.



Es ist wahr, dachte er. Ich habe weder Gesicht noch Namen...



Nein!, schrie es es dann in ihm.



Er durfte sich durch die Stimme des Ringes nicht verunsichern lassen. Er musste tun, was ihm aufgetragen war - nicht mehr und nicht weniger.



"Es hat keinen Sinn, wenn du gegen mich kämpfst! Gegen meine Streitaxt hast du keine Chance!"



Die Worte des Namenlosen klangen grimmig und wütend, aber der Ring in der Lichtsäule schien davon kaum beeindruckt. Den Namenlosen erschreckte die Selbstsicherheit dieses Wesens und in ihm loderte kalter Hass auf.



Es war letztlich der Hass gegen eine Stimme, von der der Namenlose tief in seiner Seele wusste, dass sie die Wahrheit sprach...



Der Namenlose hob seine Axt und schwenkte sie mit unglaublicher Leichtigkeit über dem Kopf.



"Warum willst du mich bekämpfen?", fragte der Ring mit seiner tiefen, melancholischen Stimme. Der Namenlose hielt in seiner Bewegung inne.



"Was willst du noch?", rief er unwirsch.



"Ich möchte, dass du die Wahrheit erkennst!"



"Du hast lange genug geredet! Jetzt müssen Taten folgen! Entweder, du unterwirfst dich freiwillig, oder ich werde dich dazu zwingen. Hast du mich verstanden?"



"Ja, das habe ich."



"Dann unterwirf dich!"



"Nein."



"Du hast es nicht anders gewollt! Ich werde dich zwingen..."



"Ich ahnte, dass eines Tages wieder jemand versuchen würde, mich zu unterwerfen, um meine Kraft zu nutzen. Diesmal habe ich vorgesorgt!"



"Pah! Ich habe deine Wächter hinweggefegt!"



"Ich spreche nicht von den Ringwächtern..."



"Aber..."



"Du wirst es noch früh genug erkennen!"



Zum ersten Mal wurde der Namenlose unsicher, was seine Überlegenheit anging.



War alles nur Gerede, dass ihn einschüchtern sollte - oder steckte tatsächlich etwas dahinter?



Der Namenlose schwang die Axt und holte zu einen fürchterlichen Schlag aus.



Die monströse, rot leuchtende Waffe drang in die Lichtsäule ein. Im gleichen Moment fuhr ein stechender Schmerz durch die Axt in die Hand des Namenlosen und durchflutete seinen ganzen Körper.



Er schrie laut auf und ließ die Axt los. Die Zauberwaffe fiel zu Boden.



"Willst du noch immer versuchen, mich zu unterwerfen, Namenloser?"



Die Stimme des Ringes hatte jetzt keine Spur mehr von Melancholie. Sie hatte einen hohntriefende, triumphierenden Unterton bekommen.



Der Namenlose empfand Verwirrung und er versuchte fieberhaft, seine Gedanken zu ordnen.



"Tarak wird dich zu bestrafen wissen!", rief er der Lichtsäule dann grimmig entgegen.



"Tarak hat keine Macht auf dieser Welt, solange es kein Tor zum Schattenland gibt", war die nüchterne Antwort des Ringes.



Der Namenlose wusste, dass sein Gegenüber recht hatte.



Was konnte er tun?



Ohne den Ring von Kuldan würde es kein Weltentor geben, das war ihnen beiden vollkommen klar.



Doch der Mann aus dem Schattenland hatte keineswegs die Absicht jetzt aufzugeben.



Der Namenlose kam ein wenig näher an die Säule heran. Er sah die Axt auf dem Steinboden liegen. Aber die Waffe war jetzt bedeutungslos, denn offenbar vermochte sie gegen den Ring nichts auszurichten.



Aber die noch immer von einem rötlichen Leuchten umgebene Streitaxt war nicht seine einzige Waffe...



Da vernahm er plötzlich wieder die Stimme des Ringes.



Ihr Klang war eisig geworden.



"Ich habe gesiegt, aber ich werde dich nicht töten. Du kannst gehen!"



"So, du glaubst also, gesiegt zu haben..."



"Geh, bevor ich es mir anders überlege und dich vollständig auslösche!"



"Du irrst dich, Ring!"



Der Namenlose legte seine Kapuze zurück, so dass der dunkle Metallkopf sichtbar wurde.



Es dauerte nur einen Augenaufschlag, dann hatte der dunkle Metallkopf die Farbe gewechselt. Er leuchtete jetzt in demselben Rot wie die Axt.



Das Leuchten wurde abwechselnd stärker und schwächer. Es war ein gleichmäßiges Pulsieren.



Ein Pfeifen ertönte. Es war ein schriller, hässlicher Laut, der jedem gewöhnlichen Sterblichen die Nackenhaare aufgestellt hätte.



Am Kopf des Namenlosen öffnete sich eine Klappe und etwas Grünes, Funkelndes kam zum Vorschein.



Die Lichtsäule des Ringes wich unwillkürlich einige Schritt weit zurück. Das Wesen, das darin wohnte, schien die Gefahr zu ahnen.



Aber der Namenlose war unerbittlich.



Er folgte der Säule.



Das Grüne Etwas, dass sich im Innern des Metallkopfes verborgen gehalten hatte, kam nun heraus und löste sich von der rötlich schimmernden Kugel.



Das Pfeifen und Schrillen stieg jetzt bis auf ein schier unerträgliches Maß.



Das grüne, formlose Etwas schwebte auf den Ring zu. Es funkelte in einem giftigen Glanz.



Ein kurzer Aufschrei war zu hören, als das grüne Funkeln die Lichtsäule des Ringes erreicht hatte. Das konnte nur bedeuten, dass der Ring Furcht hatte.



Gefühle des Triumphes durchwogten den Namenlosen.



Als grüne Funkeln in die Lichtsäule eindrang, löste sich diese mit einem Zischen in Dampf auf und der Ring fiel zu Boden.



Das funkelnde Etwas kam daraufhin zurück zum geöffneten Metallkopf des Namenlosen. Die Klappe schloß sich hinter ihm und das schrille Pfeifen hörte auf.



Der Namenlose zog sich die Kapuze wieder über den Kopf und und bückte sich dann zuerst nach seiner Axt und dann nach dem Ring.



Und es kam ihm so vor, als flüsterte der Ring ihm etwas zu.



"Eines Tages werden wir ins im Kampf wiedersehen, Namenloser! Und dann werde ich Vergeltung üben für das, was du mir jetzt angetan hast! Eigentlich sollten wir Verbündete sein, denn wir wurden beide missbraucht und wir werden auch beide nichts als Sklaven sein. Aber du bist unfähig, das zu erkennen. Du bist schon so sehr Sklave, dass es außerhalb deiner Vorstellung liegt, etwas anderes zu sein! Ein Werkzeug, dass glaubt einen eigenen Willen zu besitzen!"



Unwillkürlich schauderte der Namenlose.



Aber er hatte keine Neigung dazu, über diese Dinge weiter nachzudenken und umschloss den Ring mit seiner Faust.



*








Eilig verließ der Namenlose jenen Ort, an dem er mit dem Ring von Kuldan gekämpft hatte.



Er hatte sich die Auseinandersetzung einfacher vorgestellt.



Und vor allem hätte es nie für möglich gehalten, dass er irgend wann einmal an Taraks furchtbarer Autorität zweifeln könnte.

 



Aber jetzt zweifelte er - zum ersten Mal, soweit er sich erinnern konnte.



Während er geschwind durch die unzähligen Gänge der Zitadelle eilte, jagten fremde Gedanken durch seinen Kopf. Gedanken, die ihn erschrecken ließen und die er mit aller Macht zu verscheuchen suchte.



Innerlich verfluchte er den Ring und das Wesen, dass aus ihm gesprochen hatte, während seine dünnen Finger das Artefakt beinahe krampfhaft umschlossen hielten.



Der Ring hatte etwas in seine Seele hineingepflanzt, das dort jetzt zu nagen begann...



*








Der Wächter fuhr herum und fuchtelte mit seinen Scheren. Kryll spürte die Unruhe, die das Insekt erfasst hatte.



"Was ist los?", fragte der König. Aber das schweigsame Wächterwesen verweigerte ihm die Auskunft.



"Tarak!", gellte in diesem Moment der Schrei des Namenlosen durch die Luft. Noch ehe das Insekt etwas tun konnte, wurde es von der rötlich leuchtenden Streitaxt in zwei Hälften gespalten.



Hinter dem Namenlosen stand Norjan, den der Namenlose offenbar zuvor befreit hatte.



Er reichte dem König die Hand.



"Ich freue mich, dass Ihr unverletzt seid, mein König!", rief der alte Ritter aus.



"Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Freund Norjan!", entgegnete der König.



Der Namenlose streckte seine dürre Hand zu Kryll aus. Die Hand öffnete sich und der König sah den Ring.



Der Ring von Kuldan war zweifellos schön.



Ein rundgeschliffener, weißer Edelstein fesselte Krylls Blick.



"Stecke ihn dir an deine Hand, Kryll von Arkull!", befahl der Namenlose. Seine Stimme klang fast feierlich.



Vorsichtig tastete Krylls Hand nach dem magischen Ring. Er nahm ihn zwischen die Finger und betrachtete ihn eingehend. Und dann war ihm, als hörte er eine Stimme. "Ich werde dir Macht geben, Kryll! Aber bedenke, dass Macht ein zweischneidiges Schwert ist. Ich werde dir Macht geben, aber nicht Glück! Du solltest nicht Fehler machen, diese Dinge miteinander zu verwechseln."



Die Stimme des Ringes flüsterte und war sehr leise. Kryll verstand die Worte kaum. Verwundert zog der Augenbrauen in die Höhe.



Nichts wird mich von meinen Weg abbringen!, redete Kryll sich selbst ein.



Und dann steckte er den Ring an seine Linke.



"Jetzt bist du der Träger des Ringes, Kryll von Arkull!", sagte der Namenlose. "Ein Diener Taraks..."



"Jetzt habe ich Macht!", rief Kryll fast feierlich und mit triumphierend leuchtenden Augen. Seine Worte galten niemand anderem als ihm selbst. Er schien einen Augenblick völlig abwesend zu sei, bis schließlich Norjans Stimme in sein Bewusstsein drang.



"Wir sollten jetzt gehen!", schlug Norjan vor.



Der Namenlose schien derselben Meinung zu sein und nickte.



Als sie dann durch die langen, düsteren Gänge und die großen Säle der Zitadelle eilten, trafen sie auf keinen Ringwächter mehr.



Sie waren wie vom Erdboden verschluckt.



Kryll erschien dies als ziemlich merkwürdig.



"Wo mögen die Wächter geblieben sein?", wandte er sich an den Namenlosen, der vielleicht mehr wusste.



"Sie sind fort!", kam die Antwort. "Sie waren Geschöpfe des Ringes. Als du den Ring auf deinen Finger gesteckt hast, wurde er dein Sklave. Die Geschöpfe, die der Geist des Ringes schuf, verschwanden zwangsläufig."



Der König verstand nur zum Teil, was der Namenlose damit meinte, aber er fragte nicht weiter.



Der König war froh, als sie die Zitadelle schließlich verlassen hatten und sich wieder an Bord der GEEDRA befanden.



Der Ring glitzerte in einem unheimlichen Licht an seiner Hand und Kryll lächelte unwillkürlich.



Er war seinem Ziel ein gutes Stück nähergekommen.



"Kraynar!", rief er dem Steuermann der GEEDRA zu.



"Was wünscht Ihr, mein König?", kam es zurück.



"Wir brechen auf!"



"Wohin, mein König?"



"Es geht nach Uz!"



Krylls Stimme zeugte von Entschlossenheit.



Und das glitzernde Etwas an seiner Hand gab ihm zusätzliche Sicherheit.



Die nagenden Zweifel schienen verschwunden.



"Aber meint Ihr nicht auch, dass wir erst einmal frischen Proviant an Bord nehmen sollten?", meinte Kraynar dann. "Nach Uz ist es eine lange Reise..."



Doch der König schüttelte energisch den Kopf.



"Proviant können wir auch in Azhaven oder Shua kaufen. Wir müssen uns beeilen! Brechen wir sofort auf!"



Der Steuermann nickte gehorsam.



Die Taue wurden losgemacht und schon wenig später segelte die GEEDRA entlang der felsigen Nordküste von Thark.











































Drittes Buch: DER SPIEGEL VON UZ








"Der Ring bedeutet Macht und der Spiegel bedeutet Wissen. Aber zu viel Macht führt am Ende zur Machtlosigkeit zurück und zu viel Wissen zur Torheit."



(Ausspruch von Urthon Ghardyr, einem Magier aus Naru)











































1. DIE GLÄSERNEN DÄMONEN








Die GEEDRA segelte an den großen tharkischen Städten Cronth und Ralan vorbei und passierte dann den großen Fjord von Waico.



Sie erreichte das Land Az im Nordosten.



In Azhaven, der Hauptstadt, machte man kurz Halt, um Vorräte einzukaufen.



Dann ging die Reise weiter die azische Küste entlang, vorbei an der Stadt Shua.



Das Wetter war gut, die See spiegelglatt. Nur hin und wieder waren Wolken am Himmel zu sehen.



Die Tage gingen dahin, während die GEEDRA ihren Weg nach Süden fortsetzte. Kryll stand zumeist am Bug des Schiffes und blickte zum Horizont, so als könnte er es kaum erwarten, dass sie endlich Uz erreichten.



So stand er auch jetzt wieder dort und blickte mit in sich gekehrtem Blick hinaus.



Norjan trat in diesem Moment an den König heran und deutete auf den glitzernden Ring mit dem weißen Juwel.



"Habt Ihr die Macht des Ringes bereits auszuprobieren versucht?", erkundigte sich der alte Ritter.



Der König schüttelte den Kopf.



"Der Namenlose sagt, dass mir der Ring schon helfen würde, wenn es notwendig sei. Der Ring ist eine Art vernunftbegabtes Wesen..."



"Das ist alles?"



Kryll zuckte mit den Schultern.



"Ich habe den Eindruck, dass der Namenlose mir einiges verschweigt."



"Könnt Ihr ihn nicht zwingen, Euch alles zu sagen, was er weiß, mein König?"



Der Namenlose stand am Heck und wandte ihnen den Rücken zu. Kryll bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick.



Olkyr trat jetzt zu Kryll und Norjan. Er trug noch immer einen Verband, der die Wunde bedeckte, die der Locori ihm geschlagen hatte.



Er deutete zum Horizont.



"Seht dort!", forderte er.



Die Blicke der anderen folgten seinem Arm.



"Ein Schiff...", murmelte Kryll.



"Seht Euch das Wappen am Segel genau an", meinte Olkyr.



Kryll kniff die die Augen zusammen.



"Ein Drachen!"



Olkyr nickte.



"Ja, ganz recht! Ein siebenköpfiger Drachen!"



Die Männer waren einen Moment lang wie erstarrt.



Der siebenköpfige Drachen war das Symbol der Koroi, einem seefahrenden Volk, über das nicht viel bekannt war.



Nur eins ließ sich mit Sicherheit sagen: dass es sich um ein uraltes, nichtmenschliches Volk handelte.



Vor Äonen, als die Erde noch nicht von Menschen besiedelt gewesen war, hatten die Koroi mächtige Reiche besessen, aber davon waren nur noch vereinzelte Ruinen zu finden.



Es gab Stimmen, die behaupteten, dass die Koroi die Insel Dalara und Teile des Eislandes im Süden bewohnten. Aber das wusste niemand genau.



Die Letzten der Koroi waren zu Piraten geworden, die die See blutig färbten und überall gefürchtet waren...



"Verfluchte Koroi", murmelte Norjan furchterfüllt und wandte sich an Kryll. "Wir müssen etwas tun!"



Die GEEDRA glitt schnell über die See, aber das Koroi-Schiff folgte ihr. Es holte beständig auf und die Männer der GEEDRA blickten immer öfter mit Besorgnis zum Horizont.



Krylls Hand legte sich um den Schwertgriff.



Er hatte nicht die Absicht, einen Haufen dahergelaufener Koroi-Piraten zwischen sich und sein hochgestecktes Ziel treten zu lassen!



Er hatte den Ring von Kuldan und mit dem Ring würde er die Koroi besiegen können! Dieser Gedanke jagte wie ein greller Blitz durch seinen Kopf. Kryll betrachtete das funkelnde Etwas an seiner Hand.



Immer näher kam das Schiff der Koroi.



Kryll sah bleiche, vierarmige Gestalten.



Die Köpfe wurden gekennzeichnet von jeweils drei roten Augen.



Unterdessen war das Koroi-Schiff schon gefährlich nahe herangekommen. Es konnte kaum noch einen Zweifel daran geben, dass die GEEDRA geentert werden sollte.



Ring, warum tust du nichts?, fragten Krylls Gedanken, aber der Ring von Kuldan zeigte nicht die geringste Reaktion.



Die Koroi schwenkten ihre Schwerter und riefen den Männern der GEEDRA ihre Schlachtrufe in einer längst vergessenen Sprache zu.



Plötzlich fühlte Kryll, wie der Ring an seiner Hand zu pulsieren begann. Eine seltsame Kraft strömte von ihm aus und durchflutete seinen gesamten Körper.



"Was soll geschehen?", schien der Ring zu wispern.



Kryll starrte den Ring wie gebannt an.



"Was kannst du tun?", fragte Kryll zurück.



"Ich kann Illusionen erschaffen. Tödliche Illusionen, die in gewisser Hinsicht ebenso real wie Wirklichkeit sind. Wer sie nicht als Trugbilder erkennt, stirbt an ihnen!"



"Dann hetze deine Trugbilder auf die Koroi!"



Krylls Worte waren ein Befehl.



Und der Ring gehorchte.



Das Wasser spritzte plötzlich zu hohen, merkwürdig gestalteten Wellen auf - Wellen, die kein Wind der Welt je so hätte auftürmen können!



Aus den Wellen formten sich innerhalb weniger Augenblicke Gestalten, die entfernt an menschliche Körper erinnerten. Wie gläserne Dämonen sahen sie aus. In ihren Händen hielten sie durchsichtige Schwerter, die Sonnenlicht brachen.



Auf Seiten der Koroi waren jetzt die ersten Schreie des Entsetzens zu hören.



Die ersten Glasdämonen, die Kryll mit dem Ring zum Leben erweckt hatte, erklommen bereits die Schiffswand des Koroi-Seglers.



Sie sprangen an den Deck und stürzten sich auf vierarmigen Koroi. Kryll, der dies von der GEEDRA aus beobachtete, konnte kaum glauben, dass die Wesen, die aus dem Wasser emporgestiegen waren, nichts als Trugbilder sein sollten!

 



Sie müssen mehr sein als das!, durchzuckte es ihn.



Mit wuchtigen Hieben ihrer gläsernen Schwerter töteten die Wassermenschen einen Koroi nach dem anderen. Diese wehrten sich so gut sie konnten, aber es blieb ihnen letztlich nichts anders, als vor der Masse der Angreifer zurückzuweichen, die von allen Seiten die Schiffswände erklomm.



Schreie des Entsetzens gellten über das Meer zur GEEDRA hinüber. Es waren Todesschreie.



"Ist es nicht faszinierend, wie die Dämonen des Ringes unsere Feinde besiegen?", hörte Kryll den Namenlosen sagen.



Kryll selbst konnte diesem grausamen Schauspiel nicht die geringste Faszination abgewinnen.



Als die Wasserwesen den letzten der Koroi getötet hatten, sprangen sie zurück ins Wasser und lösten sich in ihm auf.



Ein Schauder lief über Krylls Rücken, während er das Koroi-Schiff führerlos umhertreiben sah. Es war eine gewaltige, kaum vorstellbare Macht, die ihm durch den Ring in die Hände gelegt war...



"Ich hoffe nur, dass unsere magischen Helfer immer auf unserer Seite kämpfen", meinte Norjan. "Wenn es einmal anders kommen sollte - dann mögen uns die Götter gnädig sein."



Kryll verzog den Mund zu einem dünnen Lächeln.



"Ich bin der Herr und der Ring ist mein Diener, Freund Norjan! Ihr könnt völlig unbesorgt sein!"



*








Die GEEDRA erreichte schließlich nun die Küste von Garam. Am Horizont sahen sie die Türme und Zinnen von Städten wie Lomoi oder Dagana.



Die Winde kamen günstig und so ging es schnell südwärts, ihrem Ziel entgegen.



Im garamitischen Hafen Koras legte man dann erneut an, um Nahrungsmittel an Bord zu nehmen. Aber schon bald ging es weiter.



Gerade hatte man Garhaven hinter sich gelassen, da war plötzlich ein Kreischen aus der Luft zu hören.



Die Männer blickten sich um und sahen einen schneeweißen, riesenhaften Vogel, der würdevoll seine Kreise zog.



Der weiße Vogel...



Ein Unbehagen überkam Kryll.



Es war ein weißer Vogel, der erschreckende Ähnlichkeit mit jenem Vogel besaß, den der Namenlose vom Himmel geschossen hatte...



'Du wirst großes Unglück über die Welt bringen!', hallte die Warnung des weißen Vogels in ihm wider.



Das Tier kam näher und näher und es war Kryll so, als würde es nun nicht mehr kreischen, sondern zu ihm sprechen.



"Kryll! Kehrt um, Kryll von Arkull! Werft den Ring von Euch! Der Ring bedeutet Macht, aber er wird sie Euch eines Tages auch wieder nehmen! Und haltet Euch von dem Spiegel von Uz fern! Der Spiegel bedeutete Wissen, aber Wissen bedeutet nicht Weisheit und so wird er Euch dabei helfen, Euch selbst und die Welt uns Unglück zu stürzen!"



"Gebt mir einen Bogen! Ich werde den Vogel erlegen!", hörte Kryll im Hintergrund den Namenlosen rufen.



Und dann wandte er sich herum und entriss einem der Männer den Bogen. Der Mann aus dem Schattenland legte einen Pfeil ein.



"Halte ein!", rief Kryll durchdringend. Aber der Namenlose ließ den Bogen nicht sinken.



Er schien nicht weiter auf den Befehl des Königs zu warten!



Krylls Mund verzog sich grimmig.



"Halt habe ich gesagt und wenn du meinem Befehl nicht Folge leistest, dann werde ich alle Geister und Dämonen auf dich hetzen, die ich mit diesem Ring zu beschwören vermag!"



So hat er noch nie geredet, dachte Norjan mit Verwunderung, in die sich zugleich eine gute Portion Erschrecken mischte. Wie konnte nur eine solche Wandlung im Wesen des Königs vor sich gegangen sein?



Der Namenlose ließ den Bogen sinken.



"Warum soll ich den Vogel nicht töten?", fragte er.



"Weil ich es dir sage!", war die harte Antwort.



"Der Vogel ist gefährlich."



Diese Worte hat er schon einmal gesagt, dachte Kryll. Aber der König war nicht bereit, in dieser Situation nachzugeben.



Es ging darum, wer auf der GEEDRA das Sagen behalten sollte...



Bisher war es der Namenlose gewesen, aber Kryll hielt die Gelegenheit für günstig, die Herrschaft zurückzugewinnen.



"Leg den Bogen aus der Hand!", zischte der König.



Aber der Namenlose reagierte nicht.



Seine dunkel und leer wirkende Kapuze schien Kryll nur vorwurfsvoll anzustarren.



"Du wirst mir gehorchen!", rief Kryll bestimmt.



"Ich bin niemand anderem als Tarak zu Gehorsam verpflichtet!"



Zwei der Glasdämonen, die der Ring zu beschwören vermochte, entstiegen jetzt dem Wasser, erklommen die Reling der GEEDRA und stellten sich mit ihren durchsichtigen Schwertern zu beiden Seiten des Namenlosen, der erschrocken herumwirbelte.



"Was soll das?", rief er grimmig. Dann beruhigte er sich ein wenig. "Du wirst mich nicht töten, Kryll, denn du brauchst mich noch. Falls du deine Dämonen auf mich loshetzt, so bedenke, dass ich eine Zaube