Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Mit einem ihrer neun Beine schlug sie auf den Namenlosen ein. Als dieser den Schlag mit seiner Axt abwehren wollte, bemerkte er, dass die Beine dieser Kreatur mühelos dem Zauberstrahl seiner Axt standhielten.

Der Namenlose konnte nichts weiter tun, als im letzten Moment auszuweichen.

Eine Aura eisiger Kälte umgab dieses monströse Geschöpf.

Der Namenlose ging nun zur verzweifelten Offensive über und versuchte mit seiner Axt nach dem Bein des Untiers zu schlagen.

Aber er traf es nicht.

Die Kreatur war geschickt und mit überraschender Schnelligkeit ausgewichen.

Der Namenlose fluchte lauthals.

Doch noch ehe er seine Kräfte zu einem erneuten Angriff sammeln konnte, hatten ihn zwei Beine der Eisspinne gepackt und hochgehoben.

Noch ehe der Namenlose etwas tun konnte, landete er mit einem Schrei im Wasser. Die Wellen schlugen über seinem Metallkopf zusammen.




4. GEFANGEN IN DER EISFESTUNG


Kryll erwachte.

Er zitterte vor Kälte und zog sich fröstelnd den Umhang enger um die Schultern. Dann tastete er nach seinem Schwert, aber es war nicht mehr da. Und auch der Spiegel von Uz, den er hinter dem Gürtel getragen hatte, war ihm abgenommen worden. Der Ring allerdings befand sich nach wie vor an seiner Hand, was Kryll etwas aufatmen ließ.

Es kam ihm so vor, als ströme etwas Wärme von dem Ring durch seinen linken Arm und seinen ganzen Körper.

Langsam entsann er sich wieder dessen, was geschehen war.

Er war ein Gefangener der Eismenschen!

Kryll erhob sich.

Er befand sich in einem Raum, dessen Wände aus grauem Eis bestanden. Kryll bemerkte eine Tür und als er sie zu öffnen versuchte, stellte er fest, dass sie nicht verschlossen war. So trat er hinaus ins Freie und befand sich einen Augenblick später an Deck eines Eisschiffes.

Kryll blickte über das Meer, aber von GEEDRA war nichts mehr zu sehen.

"Nun, wie geht es euch, Fremder?", fragte jetzt eine Stimme in praganischer Sprache.

Kryll drehte sich herum und sah einen der Eisleute. Das konturenlose Gesicht wirkte wie tot. Eine eisige Kälte ging von der Gestalt aus.

"Ich friere!", gab Kryll knapp zurück.

Der Eismensch zuckte mit den Schultern.

"Ich denke, dass wird sich kaum vermeiden lassen! Wie ist Euer Name?"

"Tharson!", gab Kryll zur Antwort. Er hielt es für besser, nicht seinen wirklichen Namen zu benutzen.

"Ich bin Na-Kleng, der Kommandant dieser Flotte."

"Weshalb wurde mein Schiff überfallen?"

"Dazu kommen wir später, Tharson."

"Und was wird mit mir geschehen?"

"Ihr werdet nach Ghrangor gebracht."

Kryll hatte schon von Ghrangor gehört. Es sollte eine Festung an der Küste des südlichen Eislandes sein. Mehr wusste er nicht.

"Wo befinden wir uns?", fragte Kryll.

Na-Kleng hob ein wenig den Kopf, aber in seinem ausdruckslosen Gesicht war keinerlei Regung zu sehen.

"Südlich von Sköldhaven."

Kryll erschrak.

War er tatsächlich so lange ohne Bewusstsein gewesen? Oder waren die Eisschiffe von derart unglaublicher Schnelligkeit?

Der König der Praganier wandte sich ab und betrat wieder die eisige Kajüte.

Er ob nachdenklich die Hand und betrachtete den Ring von Kuldan.

"Warum haben die Eismenschen mich entführt?", fragte er.

"Ich weiß es nicht!", gab der Ring zurück.

"Aber..."

"Du vergisst, dass ich nur Macht, aber nicht Wissen besitze. Das Wissen gehört dem Spiegel.."

"Du weißt also nichts über diese Dinge?"

"So ist es."

Kryll nickte resigniert.

Er musste den Spiegel zurückgewinnen - aber wer konnte wissen, was die Eisleute mit ihm gemacht hatten? Vielleicht hatten sie ihn aus Unwissenheit am Ende gar einfach ins Meer hinaus geschleudert oder in Scherben geschlagen.

*


In den nächsten Tagen wurde es für Kryll zur Gewissheit, dass er nicht von Na-Klengs Eisschiff würde fliehen können.

Sie mussten jetzt schon sehr weit im Süden sein - vermutlich hatten sie bereits Dalara, die Insel der Koroi, passiert.

Die Eisleute gaben Kryll kalten Fisch zu essen, den sie frisch aus dem eisigen Meer fingen. Wovon sie sich die Eisleute selbst ernährten, erfuhr Kryll nicht.

Jetzt konnte man oft die wandernden Eisberge bewundern, die von den riesenhaften Gletschern des Eislandes herunterbrachen und auf ihrem Weg nach Norden langsam zerschmolzen.

Die meisten dieser Eisberge erreichten nicht einmal die Küste von Zaroun. Nur in besonders kalten Jahren sah man sie manchmal vor Wuloss oder Zargon.

*


Kryll stand am Bug des Eisschiffes und starrte in die Ferne. Am Horizont zeichnete sich grau eine Küste ab. Sie war noch zu weit entfernt, als das man Einzelheiten hätte erkennen können, aber daran, dass es sich um die Küste des südlichen Eislandes handeln musste, konnte wohl kaum irgendein Zweifel bestehen.

Und das bedeutete, dass Na-Klengs Flotte ihr Ziel bald erreicht haben musste.

Kryll hatte noch immer keine Ahnung, was die Eisleute eigentlich von ihm wollten. Und der Ring an seiner Hand konnte ihm auch nicht weiterhelfen. Er antwortete ihm nur mit einem Funkeln seines Juwels.

Aber die Dämonen, die Ring zu rufen vermochte, waren ziemlich machtlos gegen die Eismenschen. Das hatte sich bei dem Überfall auf die GEEDRA ziemlich deutlich gezeigt.

Einen zweiten Versuch zu starten, schien sinnlos.

Kryll nahm sich vor, erst einmal abzuwarten, bis er mehr wusste. Irgendwann würde sich vielleicht auch eine Chance ergeben, um zu entkommen, auch wenn es im Augenblick überhaupt nicht danach aussah.

Sie kamen näher an die Küste heran, doch stellte sich bald heraus, dass dies noch nicht das Festland war, sondern eine unbewohnte, dem Eisland vorgelagerte Insel. Die Eisschiffe fuhren an der unwirtlichen Küste dieser Insel entlang und dann wurde bald auch das Festland sichtbar.

Die Silhouette einer Burg tauchte auf.

Das muss Ghrangor sein, dachte Kryll. Die legendäre Eisfestung...

Je näher die Flotte an die Eisfestung herankam, desto mehr Einzelheiten wurden für Kryll erkennbar.

Jene Burg war ebenso wie die Schiffe gänzlich aus Eis. Man hatte sie auf einer Anhöhe errichtet, zu deren Fuß ein kleiner Hafen lag, in den die Eisflotte jetzt einlief. Im Hintergrund erstreckte sich eine weißgraue Einöde, soweit das Auge reichte; ein Land, dass nicht für Menschen geschaffen schien.

Wenig später wurde Kryll von zwei Eiskriegern an Land geführt.

Dann ging es die Anhöhe hinauf und schließlich durch das eisige Tor der Festung. Es war furchtbar kalt und Kryll zog sich den Umhang eng um die Schultern. Aber gegen diese alles durchdringende Kälte konnte das kaum ein ausreichender Schutz sein.

Krylls Blick ging über den Burghof.

Eismenschen mit konturlosen Gesichtern liefen über den Platz. Wachposten patrouillierten auf den Wehrgängen umher.

"Was geschieht nun?", fragte Kryll seine beiden Bewacher.

"Warte ab", kam es lakonisch zurück. "Du wirst es sehen..."

*


Kryll wurde in einen riesenhaften Thronsaal geführt. Ein Eismensch saß auf einem Thron. Sein Gesicht war nicht so konturlos wie das der anderen Eisleute, die Kryll bisher gesehen hatte.

Die Wachen, die den jungen König hereingeführt hatten, traten etwas zurück.

"Du nennst dich also Tharson", sagte der Eismensch auf dem Thron.

Kryll nickte.

"So ist es."

"Ich bin Ragmul Khyesson, der König von Ghrangor! Du möchtest sicher wissen, weshalb du hier her gebracht wurdest, nicht wahr, Tharson?"

"Ja, allerdings."

"Tritt näher!"

Kryll gehorchte zögernd. Er stand schließlich nur noch wenige Schritt von dem Eisthron entfernt. Ragmul streckte den Arm aus und deutete auf sein Gegenüber.

"An deiner Hand befindet sich der Ring von Kuldan, nicht wahr?"

"Ja."

"Ich möchte diesen Ring gerne haben", erklärte Ragmul dann.

Kryll zuckte mit den Schultern.

"Warum haben ihn sich deine Krieger nicht einfach genommen? Es wäre doch ein Leichtes für sie gewesen!"

 

Ragmul Khyessson donnerte die Faust seiner Rechten auf die Armlehne des Throns.

"Ich stelle hier die Fragen. Du bist hier nur ein Gefangener, Tharson!" Der Eiskönig fluchte leise vor sich hin und gab dann noch einige unartikulierte Laute von sich.

Dann fuhr Ragmul fort: "Der Ring ist ein Zauberring, mit dem man Illusionen erzeugen kann. Aber wie du gesehen hast, kann ich die Dämonen des Ringes gefrieren lassen, wenn ich will. Dein Ring nützt dir also nichts, wenn du gegen Eismenschen kämpfst!" Er machte eine unbestimmte Geste mit der Linken. "Du hattest recht, Tharson! Wir hätten uns den Ring auch nehmen können, aber wir wollten uns nicht so unzivilisiert benehmen, wie man es von den Barbaren deines Volkes gewohnt ist! Das Eisvolk ist zivilisiert, und so haben wir Euch den Ring gelassen. Es ist eine Geste."

Kryll hob die Augenbrauen.

"Und nun?"

"Jetzt möchte ich dich dazu auffordern, mir den Ring auszuhändigen. Denke daran, dass wir dich hätten zwingen können. Wir könnten es auch jetzt."

Er lügt, dachte Kryll. Warum hat er mir den Spiegel und mein Schwert abnehmen lassen - nicht aber den Ring?

Darauf konnte es eigentlich nur eine mögliche Antwort geben.

Irgendetwas hinderte sie daran, dies zu tun!

"Ich werde den Ring niemandem geben", erklärte Kryll.

Der Eiskönig schien ärgerlich zu sein. Aber er gab sich alle Mühe, um sich in der Gewalt zu halten.

"Ich werde dir Bedenkzeit gewähren", zischte er. "Wenn du dich dann allerdings immer noch weigerst, wirst du die Konsequenzen selbst zu tragen haben!"

Auf eine Bewegung seiner Hand hin, ergriffen die Schergen des Eiskönigs Kryll und führten ihn ab.

Er wurde in einen kahlen, eisgrauen Raum gesperrt und alleingelassen.

Vor der Tür hörte er die schweren, klirrenden Schritte der Wächter.

Kryll blickte auf den Ring, der hell funkelte.

"In wie weit kann mich der Eiskönig zwingen, dich ihm auszuhändigen?", fragte der Praganier.

"Ich wusste, dass du diese Frage stellen würdest, Kryll!", antwortete der Ring in gewohnter Weise.

"Kann Ragmul Khyesson seine Drohung wahrmachen?"

"Nein, Kryll. Niemand könnte mich noch von deinem Finger lösen - selbst du selbst nicht!"

"Aber - es muss doch eine Möglichkeit geben! Schließlich bin ich ja nicht der erste Träger des Ringes!"

"Dein Tod ist die einzige Möglichkeit!"

"Und warum haben mich die Eisleute dann nicht umgebracht?"

"Weil sich im Falle deines Todes ein Teil meiner magischen Fähigkeiten auf die Umgebung entladen würde. Für Ghrangor würde das das völlige Chaos, vielleicht sogar den Untergang bedeuten. Die Eisleute wissen dies. Sie können nicht an den Ring, ohne sich selbst in höchste Gefahr zu bringen."

"Sie wollten mir also etwas vormachen!"

"So ist es, Kryll.

Kryll lächelte.

Er hatte von Anfang an geahnt, dass der Eiskönig ihn belogen hatte.




5. DER KATZENGESICHTIGE MAGIER


Schatten waren zählebig - und der Namenlose war ein Schatten...

Wenn die Eisleute geglaubt hatten, der Namenlose sei in den wogenden Fluten des Golfes von Lukkare ertrunken, so hatten sie sich getäuscht. Der Mann aus dem Schattenland kletterte mit seiner monströsen, rötlich schimmernden Streitaxt hinter dem Gürtel die Wandung der führerlos dahintreibenden GEEDRA hinauf.

An Bord des Langschiffes war kein Leben mehr. Das Deck war übersät mit den Leichen der Besatzung, die Planken rot von Blut. Nicht eine eine einzige Menschenseele hatte den furchtbaren Überfall der Eisleute überlebt.

Dem Namenlosen war nicht die leiseste Spur von Betroffenheit darüber anzumerken. Stumm inspizierte er das Schiff und blieb schließlich am Heck stehen. Er blickte nachdenklich auf das Meer hinaus.

Die Eisschiffe werden bereits einen beträchtlichen Vorsprung haben, ging es ihm durch den Kopf.

Dann wandte sich der Namenlose einer der Leichen zu und beugte sich nieder.

Es war Norjans Körper.

Die Kapuze des Namenlosen glitt zurück und sein dunkler Metallkopf kam zum Vorschein. Am Kopf öffnete sich eine Klappe und etwas Grünes, Funkelndes kam zum Vorschein.

Diese körperlos wirkende Lichterscheinung schwebte nun auf den toten Norjan zu, um sich schließlich auf ihm niederzulassen.

Als die Erscheinung Norjan erreicht hatte, begannen die starren, toten Augen des alten Ritters auf einmal grünlich zu leuchten. Eine unheimliche Art von Leben erfüllte den toten Körper dann und ließ ihn sich langsam und unsicher erheben. Das Gesicht blieb ausdruckslos und blass. Nur die Augen schimmerten grün.

"Wer bist du?", fragte der Namenlose den Toten.

"Ich weiß es nicht", kam es dumpf zurück.

"Du bist Norjan!"

"Ja. Ich bin Norjan."

Norjans Stimme klang unbeteiligt und lethargisch. Indessen wandte sich die Lichterscheinung, die den alten Ritter wiedererweckt hatte, dem nächsten Toten zu.

Einer nach dem anderen wurden die Toten dazu veranlasst, sich von den blutigen Planken der GEEDRA zu erheben. Sie standen da, mit grünem Feuer in den Augen, erfüllt von einer unheimlichen Kraft, die nicht die ihre sein konnte.

Nachdem die gesamte Besatzung auf diese Weise auferstanden war, kehrte die grüne Lichterscheinung in den Metallkopf des Namenlosen zurück.

Die Klappe schloß sich sofort wieder und der Namenlose legte die Kapuze darüber, so dass sein gesichtsloser Metallkopf wieder in einem undurchdringlichen Schatten lag.

Die GEEDRA hatte wieder eine Mannschaft!

Und ihre Odyssee war noch lange nicht zu Ende!

*


Rasch wurden die zerfetzten Segel wieder gesetzt und die GEEDRA nahm Fahrt auf.

Der Namenlose hatte keine besondere Eile, denn er glaubte zu wissen, wo die Eisschiffe ihr Ziel hatten.

"Wenn die GEEDRA nach Ghrangor, der eisigen Festung kommt, wird dort kein Eisstück mehr auf dem anderen bleiben!", rief der Namenlose grimmig in den Wind.

Aber weder der Wind, noch die Untoten an Bord des praganischen Langschiffes, die nur auf Befehle des Namenlosen reagierten, hörten ihm zu.

Der Namenlose verfluchte lauthals die Eisleute. Kryll hatten sie, so schien es, mit sich genommen.

Mochten die Götter wissen, was sie in der Zwischenzeit mit dem König von Pragan angestellt hatten! Aber wenn er noch lebte, dann würde der Namenlose alles daransetzen, ihn zu befreien.

Nein!, durchfuhr es ihn. Den Eisleuten würde es nicht gelingen, Taraks Pläne zu durchkreuzen!

*


Stunde um Stunde, Tag um Tag vergingen. Sehr schnell kam die GEEDRA nicht vorwärts, was vor allem an dem nur mäßigen Wind lag.

Der Namenlose saß meistens zusammengekauert an den Mast gelehnt und harrte dort schweigend aus.

Unterdessen war am Horizont bereits hin und wieder die Küste von Zaroun zu sehen. Nach ein paar weiteren Tage, begegneten der GEEDRA die ersten Eisberge auf ihrem langen Weg nach Norden.

Südlich der geheimnisumwitterten Insel Dalara wurde es dann merklich kälter, aber das schien den Untoten nichts weiter auszumachen.

Die Untoten schienen die Kälte nicht zu spüren, so wie sie auch keinen Hunger oder Durst zu haben schienen. Sie waren völlig bedürfnislos.

Nach weiteren Tagen tauchte schließlich die Küste des südlichen Eislandes auf. Wenig später erreichte die GEEDRA Ghrangor, die Eisfestung.

"Jetzt haben die letzten Stunden des Eisvolkes begonnen!", rief der Namenlose in grimmiger Wut der Burg aus klirrendem, grauweißem Eis entgegen.

Bis auf die Zähne bewaffnet standen die Untoten an Bord der GEEDRA. Das grüne Feuer in ihren Augen brannte gefährlich und kalt.

Als das Langschiff näher herangekommen war, hörte man, wie die ersten Eismenschen Alarm schlugen. Entsetztes Rufen drang zur GEEDRA herüber.

*


Die GEEDRA legte im unweit von Ghrangor gelegenen Hafen an. Die Untoten sprangen an Land und stürmten mit klirrenden Waffen vorwärts.

Der Namenlose hatte die monströse Streitaxt gezogen, deren rötliches Schimmern jetzt um einiges stärker geworden zu sein schien.

Er führte diese gespenstische Armee an.

Ein Trupp von Eiskriegern trat ihnen entgegen, aber schon nach kurzer Zeit breitete sich unter diesen das nackte Entsetzen aus.

Unter den Schlägen der Zauberaxt des Namenlosen zerronnen viele der Eisleute zu Wasser, das sogleich wieder gefror und sich mit dem Eis und dem hartgetretenen Schnee vermischte, der zu ihren Füßen lag.

Aber auch einige der Untoten starben ein zweites Mal...

Wie ein Teufel wütete der Namenlose unter der völlig unvorbereiteten Hafenwache. Es dauerte nicht lange und die Verteidiger waren niedergemacht.

Dann stürmte der Namenlose mit den Untoten auf das Tor der Eisfestung zu, das inzwischen geschlossen worden war und jetzt als schier unüberwindliches Hindernis vor ihnen stand.

Von den Zinnen wurden den Angreifern Eislanzen entgegengeschleudert.

Der Namenlose wartete keinen Moment. Mit wütenden Schlägen seiner Axt hieb er auf das Eistor ein. Ein Klirren war zu hören.

Das Tor ächzte und splitterte schließlich unter den wuchtigen Hieben der Axt zusammen. Die Streitmacht der Untoten stürmte bald darauf in den Burghof der Eisfestung.

*


Kryll schreckte auf.

Einige der Eiskrieger stürzten in sein Gefängnis. Ihrem Verhalten merkte der Praganier sofort an, wie aufgeregt sie waren. Sie schienen in größter Eile zu sein.

"Mitkommen!", krächzte einer von ihnen.

"Was ist geschehen?", erkundigte sich Kryll, ohne ernsthaft zu erwarten, darauf auch eine Antwort zu bekommen.

Schnell wurde er durch die kalten Gänge geführt. Schließlich gelangten sie durch irgendeinen Nebenausgang der Eisfestung ins Freie.

Eine Gruppe von Eismenschen erwartete ihn dort. Unter ihnen war auch Ragmul Khyesson, der Herr über Ghrangor.

"Was hat das alles zu bedeuten?", rief Kryll an Ragmul gewandt.

"Das wirst du noch früh genug begreifen!", kam es mürrisch zurück.

Einige seltsame Pferde wurden nun herbeigeführt. Sie waren - ebenso wie die Eismenschen - zur Gänze aus grauweißem Eis. Kryll wurde gefesselt und auf eines dieser Reittiere gesetzt.

Auch die Eisleute bestiegen nun ihre fremdartigen Pferde. Wenig später preschten mehrere Dutzend Reiter über den Burghof in Richtung eines hinteren Nebentors von Ghrangor.

Kryll sah eine wilde Horde von Kriegern über den Burghof stürmen und auf die Eismenschen einschlagen. Er glaubte, seinen Augen kaum zu trauen!

Er kannte jeden Einzelnen dieser Angreifer! Kryll sah den Namenlosen, der seine blutrot schimmernde Streitaxt kreisen ließ, er sah Kraynar, den Steuermann der GEEDRA, neben ihm Norjan und Olkyr...

Aber in den Gesichtern dieser Männer brannte ein unheimliches Feuer. Grün leuchtete es aus ihren Augen heraus und Kryll erschrak.

 

Was war nur mit ihnen geschehen?

Doch er hatte nicht genügend Zeit, weiter darüber nachzudenken. Ein Tor öffnete sich vor der Reitergruppe und Ragmul Khyesson ritt mit dem Rest seiner Leute und seinem Gefangenen hinaus in die endlose Eiswüste.

Für einen Moment hatte Kryll die Gelegenheit, zurück zu blicken.

Er sah eine Gruppe von Gestalten, die über das Eis rannten. An ihrer Spitze war der Namenlose. Das rötliche Leuchten seiner Streitaxt hob sich gut sichtbar gegen das monotone Grauweiß der Umgebung ab.

Aber die Verfolger hatten kaum eine Chance, die schnellen Eispferde jemals einzuholen.

*


Ein schneidend kalter Wind pfiff über die endlosen Weiten des Eislandes. Es war nicht von Bedeutung, in welche Richtung man den Blick richtete: Der Horizont sah überall gleich aus.

Aber die Eisleute schienen die bemerkenswerte Fähigkeit zu besitzen, sich in dieser Ödlandschaft orientieren zu können.

Kryll fragte sich mehr als einmal, ob Ragmul Khyesson überhaupt ein Ziel besaß, oder ob er ohne große Überlegungen wahllos seinen Weg gewählt hatte, um den Angreifern zu entkommen.

Schneefall hatte eingesetzt.

Der eisige Wind trieb indessen die Flocken in hohen Wirbeln vor sich her.

In der Ferne konnte Kryll jetzt etwas Dunkles erkennen - einem Turm nicht unähnlich.

Als die Reitergruppe sich weiter näherte, sah Kryll, dass es sich tatsächlich um einen Turm handelte. Er war pechschwarz und hob sich daher gut gegen seine Umgebung ab.

Nach einer Weile hatten sie das einsam in der Ödnis stehende Gebäude schließlich erreicht. Ragmul Khyesson gab das Zeichen zum Absitzen und wenig später wurde Kryll von seinem Reittier heruntergeholt.

Zwei der Eiskrieger nahmen den Praganier in die Mitte und folgten Ragmul mit ihrem Gefangen, der inzwischen den Eingang des verwitterte Turmes erreicht hatte.

Ragmul drückte gegen die Tür, die sich daraufhin öffnete.

Der Eiskönig trat ein und die beiden Wächter packten Kryll an den Oberarmen und folgten ihm.

Hinter ihnen fiel die Tür wie von selbst zurück ins Schloss.

Finsternis erfüllte den Raum und das einzige, was Kryll in diesem Moment wahrnahm, war der Griff der beiden Eismenschen rechts und links von ihm. Eine unnatürliche Kälte ging von diesen Händen aus und ließ den König von Pragan frösteln.

Dann wurde es plötzlich heller.

Kryll sah eine Gestalt, in dessen Hand sich brennende Fackel befand.

Der Körper dieses Wesens war der eines Menschen, aber der Kopf ähnelte stark dem einer Katze. Gelbe, gefährlich leuchtende Augen starrten Kryll unablässig an.

"Was willst du von mir?", fragte die Gestalt mit fast flüsternder Stimme. "Brauchst du wieder die Dienste eines Magiers?"

"Ich habe ein Problem, Yogaz", erklärte Ragmul Khyesson.

Yogaz entblößte seine Raubtierzähne.

"Bin ich dazu da, deine Probleme zu lösen, Eiskönig?", zischte er. Yogaz' Stimme war kalt und berechnend.

"Ich brauche deine Hilfe!"

"Um was geht es?"

Ragmul packte Kryll bei den Schultern und zerrte ihn vor den katzengesichtigen Mann. Schnell hatte er die Fesseln des Praganiers gelöst. Dann packte er Kryll am linken Handgelenk und deutete auf den Ring von Kuldan.

Kryll wusste sofort, dass dieser Ring gleich im ersten Moment das Interesse des Magiers geweckt hatte.

"Kannst du ihm diesen Ring abnehmen, Yogaz?", fragte Ragmul.

"Warum tust du dies nicht selbst?"

"Es ist nicht so einfach, wie du vielleicht denkst!"

Yogaz trat näher an Kryll heran und blickte dabei wie gebannt auf das im Schein der Fackel leuchtende Juwel des Ringes.

"Dies ist kein gewöhnlicher Ring, nicht wahr? Es muss etwas besonderes an ihm sein, eine Gefahr vielleicht... Sonst würdest du ihn selbst von der Hand dieses Mannes nehmen!"

Ragmul nickte.

"Was ist nun?", forderte er dann.

"Was bekomme ich dafür, wenn ich dir diesen Gefallen tue?", kam es von dem katzengesichtigen Magier flüsternd zurück.

"Nimm dir etwas von meinem Besitz! Brauchst du ein paar Eispferde?"

"In deiner Festung gibt es..."

"Über meine Festung bin ich nicht mehr Herr!"

"Nein?"

"Eine Kriegsmeute unter Führung eines düsteren, gesichtslosen Mannes, der mich an die legendären Wesen des Schattenlandes erinnerte, griff uns an. Wir mussten fliehen und alles zurücklassen."

"So scheinst du nichts mehr zu besitzen, was für mich von Interesse sein könnte", meinte Yogaz kalt.

Der Blick des Magiers ging noch einmal zu dem Ring an Krylls Hand.

"Es ist ein besonderes Stück, das dieser Mann da an seinem Finger trägt", murmelte er.

"Ja, ein Schmuckstück", setzte Ragmul hinzu.

Yogaz schüttelte den Kopf.

"Nein, das meine ich nicht. Seine Besonderheit liegt auf einem ganz anderen Gebiet..." Der Tonfall des Magiers verriet Neugier.

Einen Augenblick später hob der Katzengesichtige dann plötzlich den Kopf. "Wenn du mir nichts geben kannst, was für mich von Interesse ist, werden wir uns wohl kaum einigen können", meinte der Zauberer mit schlecht geheucheltem Bedauern.

Er zuckte mit den Schultern und bewegte spielerisch die Ohren.

Yogaz wandte sich ab und stieg eine schmale Treppe hinauf. Die Fackel zitterte ein wenig in seiner Hand.

"Bleib stehen, Yogaz!", rief der Eiskönig. In seiner Hand hielt er drohend sein Eisschwert.

Langsam und bedächtig drehte Yogaz sich wieder zu Ragmul Khyesson herum.

Die gelben Katzenaugen des Magiers funkelten drohend.

"Was erwartest du von mir, Ragmul? Biete mir etwas, das für mich einen Wert besitzt, dann stehe dich dir zu Diensten!"

Ragmul gab den beiden Eiskriegern, die mit ihm in den Turm des Magiers gekommen waren, ein Zeichen, woraufhin sie nach vorne schnellten und Yogaz ziemlich unsanft bei den Armen packten.

Die beiden Krieger zerrten Yogaz vor den Eiskönig.

"Du wirst diesem Mann jetzt den Ring abnehmen, Yogaz!", zischte Ragmul zornig.

In den gelben Augen des Magiers war vielleicht ein Wut zu lesen, aber kaum Furcht.

"Warum sollte ich?", zischte Yogaz zurück.

"Weil ich es dir befehle!" Ragmul trat nahe an Yogaz heran. "Wenn du es nicht freiwillig tust, werde ich Mittel und Wege haben, dich zu zwingen!"

Einen Augenblick lang geschah gar nichts. Der Magier schien wie erstarrt. Dann nickte er schließlich.

"Du hast gewonnen, Ragmul! Diesmal werde ich mich deinem Willen beugen!"

Ragmul nickte den beiden Kriegern zu, woraufhin sie Yogaz losließen.

Der Magier atmete hörbar auf.

"Aber du wirst deine Tat eines Tages bereuen, Eiskönig!", zischte er einen Moment später grimmig.

Aber Ragmul machte nur eine wegwerfende Bewegung.

"Lass deine nutzlosen Verwünschungen und leeren Drohungen, Yogaz! Die werden dir nicht helfen! Es ist besser, wenn wir auch weiterhin zusammenarbeiten!"

Yogaz antwortete nicht.

Stattdessen wandte er sich Krylls Hand zu.

Vorsichtig berührte er das weiße, leuchtende Juwel des Ringes. Dann packte er mit seinen langen, behaarten Fingern den Ring und versuchte, ihn Kryll vom Finger zu ziehen. Aber Yogaz schien es nicht zu schaffen.

"Es geht nicht!", stellte er sachlich fest.

"Du willst mir nicht helfen, Yogaz", hielt Ragmul schroff dagegen.

Yogaz fasste noch einmal den Ring und zog daran. Ein Stöhnen kam aus dem magischen Werkzeug und dann ein Schrei.

Kryll spürte einen stechenden Schmerz, der von seiner Hand ausging und von dort aus seinen gesamten Körper zu durchfluten begann.

Alles begann um ihn herum zu verschwimmen.

Er fühlte Schwindel und hatte das Gefühl zu fallen.

Das alles dauerte nicht länger als einen Augenaufschlag lang. Dann war das Schwindelgefühl verflogen und auch der Schmerz war wie weggeblasen.

Kryll blickte mit Entsetzen auf seine linke Hand.

Der Ring war fort.

Er blickte zur Seite und bemerkte, wie Ragmul Khyesson ihn triumphierend in der Hand hielt. Fasziniert betrachtete er ihn und beobachtete das Funkeln des Juwels.

"Der Ring bedeutet Macht und diese Macht ist jetzt mein!", rief der Eiskönig mit einem befremdlichen Entzücken aus.

Die Augen des katzengesichtigen Magiers blitzten im selben Moment drohend. Er wirkte in diesem Augenblick stark an ein Raubtier, das jeden Moment dazu bereit war, sich auf seine Beute zu stürzen... Jeder Muskel, jede Sehne seines Körpers schien unter Anspannung zu sein.

"Du siehst, Tharson, dass du trotz des Ringes nicht unbesiegbar warst!", rief Ragmul Khyesson höhnisch an Kryll gewandt aus.

Kryll erwiderte nichts.

Er beobachtete nur, wie Ragmul versuchte, sich selbst den Ring an die Hand zu stecken.

Aber aus irgendeinem Grund vermochte er es nicht. Nach einigen gescheiterten Versuchen ging er drohend auf Yogaz zu.

"Du hast diesen Ring verhext, nicht wahr?"

Yogaz schien ungerührt.

"Die kennst die Legenden über den Ring, Eiskönig. Es heißt darin, dass nicht jeder ihn tragen kann. Nur ganz bestimmte Personen sind in der Lage..."

"Aus welchem Grund sollte ich den Ring nicht tragen können?", unterbrach Ragmul.

"Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, was die Legenden sagen."

Die Ruhe des Magiers verwirrte Ragmul fast noch mehr, als die Tatsache, dass sich der Ring von Kuldan gegen ihn zu wehren schien.

Er wandte sich an Kryll.

"Warum kannst du diesen Ring tragen, Tharson?", wandte er sich an den Praganier. Ohne eine Antwort abzuwarten, sprach er weiter. "Was unterscheidet diesen Mann von mir? Ist er nicht ein ganz gewöhnlicher Praganier?"

"Er ist wirklich sehr gewöhnlich, aber der Ring hebt ihn aus seiner Durchschnittlichkeit heraus!", warf Yogaz ein.

Ragmul fuhr zu dem Magier herum.

"Ich habe dich nicht gefragt!", bellte er wütend.

Er warf den Ring von Kuldan wütend zu Boden.

Kryll wollte sich nach ihm bücken, aber Ragmul Khyesson trat herbei und hielt ihn mit seinen eisigen Pranken zurück.

"Wenn ich den Ring nicht haben soll, dann sollst du es auch nicht!", zischte der Eiskönig.

Mit einer schnellen Bewegung stieß er die Tür des Turmes auf und ging hinaus. Ein eisiger Windstoß wehte in den Turm hinein und Yogaz schützte sein Katzengesicht mit dem Arm, als eine Schneewehe hereinkam. Sie ließ die Fackel des Magiers verlöschen. Nur durch die offene Tür kam jetzt etwas Licht ins Innere des Turms.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?