Buch lesen: «Alles, was Sie über Trading wissen müssen», Seite 5

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Ganz unten

Ein Trinker kann den Weg zur Genesung erst dann antreten, wenn er sich eingesteht, dass er Alkoholiker ist. Er muss erkennen, dass der Alkohol sein Leben im Griff hat und nicht umgekehrt. Die meisten Trinker können diese schmerzliche Wahrheit nicht akzeptieren. Sie können sich ihr erst dann stellen, wenn sie vollständig am Boden liegen.

Manche Alkoholiker kommen am Tiefpunkt an, indem sie eine lebensbedrohliche Krankheit bekommen. Andere erreichen ihn, wenn ihre Familie sie verstößt oder wenn sie ihren Job verlieren. Ein Alkoholiker muss so tief sinken – sozusagen bis in die Gosse –, dass sein Leiden derart unerträglich wird, dass es schließlich seine Verleugnung durchdringt.

Der Schmerz, ganz unten zu landen, lässt einen Alkoholiker erkennen, wie tief er gesunken ist. Er sieht eine einfache drastische Wahl vor sich – sein Leben ändern oder sterben. Erst dann ist ein Alkoholiker bereit, den Weg der Genesung anzutreten.

Gewinne verschaffen Tradern ein emotionales Hochgefühl und ein Gefühl der Macht. Dann versuchen sie, wieder „high“ zu werden, gehen leichtsinnige Trades ein und verlieren das Gewonnene wieder. Die meisten Trader halten das Leiden nicht aus, das schwere Verluste hervorrufen. Wenn sie den Tiefpunkt erreicht haben, „sterben“ sie als Trader und werden aus dem Markt gespült. Die wenigen Überlebenden begreifen, dass das Hauptproblem nicht in ihren Methoden liegt, sondern in ihrer Denkweise. Sie können sich ändern und zu erfolgreichen Tradern werden.

Der erste Schritt

Ein Alkoholiker, der gesund werden will, muss zwölf Schritte durchlaufen – zwölf Stufen der persönlichen Entwicklung. Er muss sein Denken und Fühlen sowie sein Verhältnis zu sich selbst und zu anderen ändern.

Der erste Schritt der Anonymen Alkoholiker ist der schwierigste: eingestehen, dass man gegenüber dem Alkohol machtlos ist. Ein Alkoholiker muss erkennen, dass sein Leben nicht mehr zu bewältigen ist, dass der Alkohol stärker ist als er. Die meisten schaffen diesen Schritt nicht, brechen ab und machen mit der Zerstörung ihres Lebens weiter.

Wenn der Alkohol stärker ist als man selbst, darf man ihn sein Leben lang nie wieder anrühren, nicht einmal ein Schlückchen. Man muss das Trinken für immer aufgeben. Die meisten Trunkenbolde wollen dieses Vergnügen nicht aufgeben. Lieber zerstören sie ihr Leben als den ersten Schritt der Anonymen Alkoholiker zu gehen. Nur der Schmerz, ganz unten zu landen, kann sie zu diesem ersten Schritt motivieren.

Einen Tag nach dem anderen

Vielleicht haben Sie auf Autos schon Aufkleber gesehen, auf denen steht „Einen Tag nach dem anderen“ oder „Sei vorsichtig!“ Das sind AA-Slogans und die Fahrer der betreffenden Autos sind wahrscheinlich Alkoholiker auf dem Weg der Besserung.

Ein Leben ohne Alkohol zu planen kann einen überfordern. Deshalb fordern die Anonymen Alkoholiker ihre Mitglieder auf, immer nur einen Tag abstinent zu bleiben.

Jedes AA-Mitglied setzt sich das Ziel, heute trocken zu bleiben und heute Abend nüchtern ins Bett zu gehen. Nach und nach werden aus den Tagen Wochen, Monate und schließlich Jahre. Die AA-Treffen und sonstigen Aktivitäten helfen den genesenden Alkoholikern, einen Tag nach dem anderen trocken zu bleiben.

Die genesenden Alkoholiker erhalten bei diesen Sitzungen von den anderen – und geben den anderen – unschätzbar wertvolle Unterstützung und ein Gemeinschaftsgefühl. Sie finden zu allen Tageszeiten und auf der ganzen Welt statt. Trader können aus diesen Versammlungen viel lernen.

Ein AA-Treffen

Der Besuch eines AA-Treffens gehört zu den besten Dingen, die ein Trader tun kann. Ganz besonders empfehle ich das jedem Trader, der eine Verluststrähne hat. Rufen Sie die Anonymen Alkoholiker an und fragen Sie nach dem nächsten „offenen“ Meeting oder dem nächsten „Meeting für Neulinge“ in Ihrer Region.

Ein Treffen dauert etwa eine Stunde. Man kann sich in eine hintere Reihe setzen und zuhören. Man wird nicht gedrängt, etwas zu sagen, und niemand fragt einen nach dem Nachnamen.

Jede Sitzung beginnt damit, dass ein langjähriges Mitglied aufsteht und über seinen persönlichen Kampf um die Heilung vom Alkohol spricht. Dann teilen mehrere andere Mitglieder ihre Erfahrungen mit. Schließlich wird Geld für die Deckung der Kosten gesammelt – wenn Sie wollen, spenden Sie einen Euro. Sie brauchen bloß aufmerksam zuzuhören und das Wort „Alkohol“ jedes Mal, wenn Sie es hören, durch „Verlust“ zu ersetzen. Es wird Ihnen vorkommen, als würden die Anwesenden über Ihr Trading sprechen!

9. Die Anonymen Verlierer

Wer in Gesellschaft trinkt, genießt ab und zu ein Gläschen oder eine Flasche, aber ein Alkoholiker sehnt sich nach Alkohol. Dabei leugnet er, dass der Alkohol sein Leben beherrscht und zerstört – bis er in eine persönliche Krise gerät. Das kann eine lebensbedrohliche Krankheit sein, Arbeitslosigkeit, dass ihn die Familie verlässt oder ein anderes unerträglich leidvolles Ereignis. Die AA sprechen davon, dass man „ganz unten landet“.

Der Schmerz beim Aufschlag auf dem Boden durchschlägt die Verleugnung des Alkoholikers. Nun sieht er eine glasklare Wahl – ertrinken oder auftauchen und nach Luft schnappen. Sein erster Schritt zur Genesung ist das Eingeständnis, dass er gegenüber dem Alkohol machtlos ist. Ein genesender Alkoholiker darf nie wieder trinken.

Ein Verlust ist für einen Verlierer das, was der Alkohol für einen Alkoholiker ist. Ein kleiner Verlust ist wie ein Drink. Ein großer Verlust ist wie ein Besäufnis. Eine Serie von Verlusten ist wie ein Saufgelage. Ein Verlierer wechselt zwischen verschiedenen Märkten, Gurus und Handelssystemen hin und her. Sein Kapital schrumpft, während er versucht, das lustvolle Gefühl des Gewinnens erneut zu erzeugen.

Trader, die Verluste erleiden, denken und handeln wie Alkoholiker, nur dass sie dabei nicht lallen. Diese beiden Gruppen sind einander derart ähnlich, dass man vorhersagen kann, was ein Verlierer tun wird, indem man sich dabei an Alkoholikern orientiert.

Alkoholismus ist eine heilbare Krankheit – Verlieren auch. Verlierer können sich ändern, indem sie die Grundsätze der Anonymen Alkoholiker anwenden.

Der Drang, zu traden

Erfolgreiche Trader gehen mit zwischenzeitlichen Verlusten – sogenannten Drawdowns – genauso um wie Gesellschaftstrinker mit Alkohol. Sie nehmen ein bisschen was und hören wieder auf. Wenn sie mehrere Verluste hintereinander einstecken, sehen sie das als Warnsignal, dass etwas nicht funktioniert: Vielleicht passt das System nicht zum derzeitigen Marktumfeld. Dann ist es Zeit für eine Pause und einen frischen Blick auf den Markt. Verlierer hingegen können nicht aufhören – sie traden weiter, weil sie nach dem aufregenden Spiel süchtig sind, und hoffen weiter auf einen großen Gewinn.

Ein prominenter Trading-Berater, der inzwischen aufgegeben hat, hat einmal geschrieben, für ihn sei die Lust am Trading größer als die beim Sex oder beim Steuern eines Düsenflugzeugs. Genauso wie Alkoholiker vom Trinken in Gesellschaft zur Trunkenheit übergehen, so gehen Verlierer immer größere Risiken ein. Sie überschreiten eine enorm wichtige Grenze: die Grenze zwischen dem Eingehen von Geschäftsrisiken und dem Glücksspiel. Viele Verlierer wissen nicht einmal, dass es diese Grenze gibt.

Verlierer verspüren den Drang zu traden, so, wie Alkoholiker den Drang verspüren zu trinken. Sie tätigen impulsive Trades, lassen sich auf Trading-Exzesse ein und versuchen, sich durch Trading wieder aus dem Loch zu ziehen.

Verlierer lassen ihr Depot gewissermaßen ausbluten. Die meisten geben es irgendwann auf, aber manche verlegen sich nach dem Verlust ihres gesamten eigenen Geldes darauf, das Geld anderer Leute zu verwalten. Wieder andere verkaufen Beratungsdienstleistungen – wie abgebrannte Trinker, die in einer Kneipe Gläser spülen.

Die meisten Verlierer verbergen ihre Verluste vor sich selbst und vor allen anderen. Sie führen keine Aufzeichnungen und werfen ihre Depotauszüge weg. Ein Verlierer ist wie ein Alkoholiker, der nicht wissen will, wie viele Schnäpse er getrunken hat.

Der Weg ins Loch

Ein Verlierer tradet im Nebel und weiß nicht, warum er ständig Verlust macht. Wüsste er es, dann hätte er etwas dagegen getan und wäre zum Gewinner geworden. Ein Verlierer versucht auf die gleiche Weise, sein Trading in den Griff zu bekommen, wie ein Alkoholiker versucht, seine Trinkerei in den Griff zu bekommen.

Die verzweifelten Hoffnungen von Verlierern auf magische Lösungen helfen Beratern, ihre Dienstleistungen unter die Leute zu bringen. Sie stellen auf neue Handelssysteme um, kaufen zusätzliche Software und suchen nach Tipps von neuen Gurus.

Wenn die Verluste größer werden und das Kapital schrumpft, gerät ein Verlierer in Verzweiflung und verwandelt direktionale Positionen in Spreads, stockt Verlustpositionen auf, wechselt die Richtung, um in die entgegengesetzte Richtung zu traden, und so weiter. All das bringt ihm genauso wenig, wie es einem Alkoholiker helfen kann, wenn er von harten Sachen auf Wein umstellt.

Einem Trader, der Verlust macht, entgleitet die Kontrolle und er versucht, das Unbeherrschbare zu beherrschen. Alkoholiker sterben vorzeitig und die meisten Trader lassen die Märkte hinter sich und kehren nie zurück. Neue Handelsmethoden, heiße Tipps und verbesserte Software werden jemandem, der sich selbst nicht im Griff hat, nicht helfen.

Ein Verlierer empfindet beim Traden weiterhin ein Hochgefühl, während sein Kapital schrumpft. Wenn man versucht, ihm zu erklären, dass er ein Verlierer ist, dann ist das so, als würde man versuchen, einem Trinker eine Flasche wegzunehmen. Ein Verlierer muss ganz unten landen, bevor er anfangen kann, sich zu erholen. Man muss seine Denkweise ändern, damit man aufhören kann, zu verlieren, und seine Genesung als Trader beginnen kann.

„Ganz unten“ bei Tradern

Am Tiefpunkt zu landen fühlt sich fürchterlich an. Es ist schmerzhaft und beschämend. Man langt dort an, wenn man Geld verliert, dessen Verlust man sich nicht leisten kann. Man langt dort an, wenn man seine Ersparnisse verspielt. Man langt dort an, nachdem man seinen Freunden erzählt hat, wie klug man sei, und dann muss man sie um ein Darlehen bitten. Man landet dann ganz unten, wenn der Markt auf einen zurauscht und einen anbrüllt: „Du Narr!“

Manche Menschen landen schon nach ein paar Wochen Trading am Boden. Andere schießen ihren Depots Geld zu, um die Stunde der Wahrheit aufzuschieben. Es schmerzt, wenn man im Spiegel einen Verlierer erblickt. Man verbringt sein Leben damit, Selbstwertgefühl aufzubauen. Die meisten Menschen haben eine hohe Meinung von sich. Der erste Impuls kann sein, sich zu verstecken, aber man darf nicht vergessen, dass man nicht allein ist. Fast jeder Trader hat das durchgemacht.

Viele Trader, die am Boden landen, verlassen den Markt und drehen sich nicht mehr um. Viele, die heute traden, werden in einem Jahr oder schon früher nicht mehr da sein. Sie werden nach ganz unten abrutschen, zerbröseln und gehen. Sie werden versuchen, das Trading zu vergessen wie einen bösen Traum.

Manche werden ihre Wunden lecken, warten, bis der Schmerz nachlässt, und dann zurückkehren, ohne viel gelernt zu haben. Sie werden ängstlich sein und ihre Angst wird ihr Trading noch mehr beeinträchtigen.

Zum Glück werden manche Trader vom Boden aufspringen und den Prozess der Veränderung und des Wachstums beginnen. Bei diesen Menschen durchbricht der Schmerz, am Boden zu landen, den Teufelskreis, beim Gewinnen ein Hochgefühl zu empfinden, dann alles zu verlieren und zusammenzubrechen. Wenn man sich eingesteht, dass ein persönliches Problem dazu führt, dass man verliert, kann man ein neues Leben als Trader aufbauen. Dann kann man anfangen, die Disziplin eines Gewinners zu entwickeln.

Der erste Schritt des Traders

Ebenso wie ein Alkoholiker eingestehen muss, dass er seine Trinkerei nicht im Griff hat, muss ein Trader zugeben, dass er seine Verluste nicht im Griff hat. Der erste Schritt eines AA-Mitglieds besteht darin, dass es sagt: „Ich bin Alkoholiker und gegen den Alkohol machtlos.“ Als Trader muss man sich im Zuge des ersten Schritts sagen: „Ich bin ein Verlierer und den Verlusten gegenüber machtlos.“

Alkoholiker auf dem Weg der Genesung kämpfen einen Tag um den anderen darum, abstinent zu bleiben. Als Trader kann man sich mithilfe der Grundsätze der AA wieder erholen. Man muss dann einen Tag um den anderen darum kämpfen, ohne Verluste zu traden.

Vielleicht sagen Sie jetzt, das sei unmöglich. Denn was ist, wenn man kauft und der Markt dann sofort fällt? Was, wenn man shortet und sich herausstellt, dass das die Talsohle war, sodass der Markt sofort steigt? Selbst die besten Trader verlieren an manchen Trades Geld.

Die Lösung ist, dass man eine Grenze zwischen unternehmerischem Risiko und Verlust zieht. Als Trader geht man ständig unternehmerische Risiken ein, erleidet aber niemals einen Verlust, der über dieses vorher festgelegte Risiko hinausgeht.

Beispielsweise geht ein Ladenbesitzer jedes Mal ein Risiko ein, wenn er neue Ware lagert. Wenn sie sich nicht verkauft, verliert er dadurch Geld. Ein intelligenter Geschäftsmann geht nur Risiken ein, die ihn auch dann nicht bankrott machen, wenn er mehrere Fehler hintereinander begeht. Zwei Kisten mit Waren zu lagern dürfte ein vernünftiges kaufmännisches Risiko sein, aber einen ganzen Hänger voll zu lagern ist wahrscheinlich ein Glücksspiel.

Als Trader treibt man Handel. Man muss sein kaufmännisches Risiko festlegen – den maximalen Geldbetrag, den man mit einem einzelnen Handelsgeschäft riskieren will. Dafür gibt es genauso wenig einen üblichen Dollarbetrag, wie es kein übliches Geschäft gibt. Welches Risiko für einen Geschäftsmann akzeptabel ist, hängt in erster Linie von der Größe des Trading-Depots ab. Zudem hängt es von der Trading-Methode und von der persönlichen Schmerztoleranz ab.

Das Konzept des unternehmerischen Risikos verändert die Art, wie man mit seinem Geld umgeht (siehe Kapitel 9, „Risikomanagement“). Das absolute Maximum, das ein Trader mit einem einzelnen Trade riskieren sollte, beträgt zwei Prozent des Kapitals in seinem Depot. Hat man beispielsweise 30.000 Dollar im Depot, sollte man höchstens 600 Dollar pro Trade riskieren, und wenn man 10.000 Dollar hat, sollte man höchstens 200 Dollar riskieren. Wenn Ihr Depot klein ist, beschränken Sie sich darauf, mit weniger Aktien, mit weniger teuren Futures oder mit Mini-Kontrakten zu handeln. Wenn Sie einen attraktiven Trade sehen, aber der Logik zufolge ein Stoppkurs so platziert werden müsste, dass mehr als zwei Prozent des Depotbestands auf dem Spiel stünden, dann lassen Sie diesen Trade bleiben. Man kann natürlich weniger riskieren, darf aber nie mehr riskieren. Man muss Risiken über zwei Prozent pro Trade genauso meiden, wie ein Alkoholiker Kneipen meidet.

Ein Trader, der die hohen Gebühren einem Broker und die Slippage einem Parketthändler in die Schuhe schiebt, gibt die Kontrolle über sein Trading-Leben ab. Versuchen Sie, beide gering zu halten, übernehmen Sie aber auch für beide die Verantwortung. Wenn man einschließlich Gebühren und Slippage auch nur einen Dollar mehr als sein unternehmerisches Risiko verliert, ist man ein Verlierer.

Führen Sie ordentliche Aufzeichnungen über Ihr Trading? Schlechte Aufzeichnungen sind ein sicheres Anzeichen für Glücksspiel. Ein guter Geschäftsmann führt gute Aufzeichnungen. Die Trading-Buchhaltung muss Datum und Preis jedes Einstiegs und Ausstiegs angeben, die Slippage, die Gebühren, die Stoppkurse, alle Anpassungen von Stoppkursen, Gründe für den Einstieg, Ziele für den Ausstieg, den maximalen Buchgewinn, den maximalen Buchverlust nach Erreichen eines Stoppkurses sowie alle etwaigen anderen Angaben, die notwendig sein können, um den Trade auch später, in der Zukunft, noch vollständig zu verstehen.

Es gehört zum üblichen Geschäftsgang, dass man aus einem Trade im Rahmen seines geschäftlichen Risikos aussteigt. Da feilscht man nicht, man wartet keinen weiteren Tick ab und hofft nicht, dass sich etwas ändert. Einen Dollar mehr zu verlieren als das festgelegte kaufmännische Risiko ist wie wenn man sich betrinkt, sich auf eine Prügelei einlässt, einem auf dem Heimweg schlecht wird und man morgens im Rinnstein aufwacht. Man würde ja nie wollen, dass einem das passiert.

Einsames Meeting

Wenn man ein AA-Meeting besucht, trifft man auf Menschen, die seit Jahren keinen Alkohol mehr getrunken haben, sich nun hinstellen und sagen: „Hallo, ich heiße Soundso und bin Alkoholiker.“ Warum bezeichnen sie sich nach Jahren der Abstinenz immer noch als Alkoholiker? Weil sie, wenn sie glauben würden, sie hätten den Alkoholismus besiegt, wieder trinken würden. Wenn jemand meint, er sei kein Alkoholiker mehr, darf er ja einen trinken, dann noch einen – und landet vielleicht wieder in der Gosse. Ein Mensch, der trocken bleiben will, muss bedenken, dass er sein restliches Leben lang Alkoholiker bleiben wird.

Es käme Tradern zugute, wenn sie ihre eigene Selbsthilfe-Organisation hätten – ich würde sie als Anonyme Verlierer bezeichnen. Warum nicht Anonyme Trader? Weil ein drastischer Name die Aufmerksamkeit auf die selbstzerstörerischen Neigungen lenkt. Die Anonymen Alkoholiker nennen sich ja auch nicht Anonyme Trinker. Wenn man sich als Verlierer bezeichnet, konzentriert man sich auf die Vermeidung von Verlusten.

Einige Trader argumentieren gegen das ihrer Meinung nach „negative Denken“ in „Anonyme Verlierer“. Eine Rentnerin aus Texas – eine höchst erfolgreiche Traderin – hat ihre Methode beschrieben. Sie ist sehr gläubig, betet jeden Morgen und fährt dann in ein Büro, in dem sie aktiv tradet. Jedes Mal, wenn die Märkte beginnen, gegen sie zu laufen, begrenzt sie sehr schnell ihre Verluste, weil es Gott nicht gefallen würde, wenn sie sein Geld verlieren würde. Ich fand unsere Methoden sehr ähnlich. Das Ziel ist es, Verluste anhand einer objektiven, externen Regel zu begrenzen.

Innerhalb des unternehmerischen Risikos zu traden ist, wie ohne Alkohol zu leben. Ein Trader muss genauso eingestehen, dass er ein Verlierer ist, wie ein Trinker eingestehen muss, dass er Alkoholiker ist. Erst dann kann er seine Reise zur Genesung antreten.

Deshalb schlage ich vor, sich jeden Morgen vor dem Trading zu sagen: „Guten Morgen, ich heiße Soundso und bin ein Verlierer. Es steckt in mir, dass ich meinem Depot schweren finanziellen Schaden zufüge.“ Das ist wie bei einer AA-Sitzung – der Verstand bleibt auf die Grundprinzipien konzentriert. Selbst wenn man am heutigen Tag an den Märkten Tausende Dollar verdient hat, sagt man morgen früh: „Guten Morgen, ich heiße Soundso und bin ein Verlierer.“

Ein Freund von mir hat einmal scherzhaft gesagt: „Wenn ich mich morgens vor den Bildschirm setze, sage ich: ‚Ich heiße John und ich werde euch die Kehle aufschlitzen.‘“ Dieses Denken erzeugt Anspannung. Das Denken nach dem Motto der „Anonymen Verlierer“ erzeugt hingegen Klarheit. Ein Trader, der sich abgeklärt und entspannt fühlt, kann sich auf die Suche nach den besten und sichersten Trades konzentrieren. Wenn ein Nüchterner und ein Betrunkener um die Wette laufen, weiß man, wer mit höherer Wahrscheinlichkeit gewinnt. Gelegentlich mag auch ein Betrunkener gewinnen, aber derjenige, auf den man wetten sollte, ist der Nüchterne. Man will in diesem Rennen der Nüchterne sein.

10. Gewinner und Verlierer

Menschen finden aus verschiedenen Lebenslagen und Gesellschaftsschichten zum Trading und bringen ihr jeweiliges geistiges Gepäck mit. Viele stellen fest, dass sie Geld verlieren, wenn sie am Markt genauso handeln wie im täglichen Leben. Vor allen Dingen hängen Erfolg und Misserfolg von der Fähigkeit ab, eher den Intellekt einzusetzen als emotional zu handeln. Ein Trader, der sich überschwänglich freut, wenn er gewinnt, und den es deprimiert, wenn er verliert, ist den Bewegungen des Marktes ausgeliefert und kann kein Kapital ansammeln.

Um an der Börse zu den Gewinnern zu gehören, muss man mit kühlem Kopf verantwortungsvoll handeln. Der Schmerz des Verlustes veranlasst die Menschen, nach Zaubermethoden zu suchen. Gleichzeitig verwerfen sie vieles, das in ihrem beruflichen oder geschäftlichen Umfeld von Nutzen ist.

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Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
550 S. 85 Illustrationen
ISBN:
9783864707131
Rechteinhaber:
Bookwire
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