Harry in love

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Harry in love
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Inhalt

Impressum 3

Zitat 4

Prolog 5

Kapitel 1 26

Kapitel 2 40

Kapitel 3 54

Kapitel 4 74

Kapitel 5 89

Kapitel 6 108

Kapitel 7 129

Kapitel 8 155

Kapitel 9 176

Kapitel 10 193

Kapitel 11 221

Kapitel 12 237

Kapitel 13 277

Kapitel 14 289

Kapitel 15 316

Kapitel 16 339

Kapitel 17 362

Kapitel 18 383

Epilog 420

Danksagung 432

Quellenverzeichnis 433

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99130-061-8

ISBN e-book: 978-3-99130-062-5

Lektorat: Mag. Eva Reisinger

Umschlagfoto: Ekaterina Pichukova, Votsis Panagiotis, Swevil, Designprintck | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Zitat

Die Liebe

„Die Liebe ist etwas Wunderbares,

manchmal auch etwas Sonderbares,

aber stets rein und grundehrlich.

– Glaube an sie und an Dich! –“

C. M.

Prolog

„William? Bist Du nun bald endlich so weit? Ich wollte bereits vor zwanzig Minuten los!“, rief Jane erbost.

„Ja, sorry. Ich wusste nicht, dass Du es so eilig hast, in den Club zu kommen. Gibt es denn da heute etwas Besonderes, dass Du solch einen Aufstand machst?“, fragte William, sich keiner Schuld bewusst.

„Oh! Ich habe Dir bereits schon neulich gesagt, dass dort heute ein Band-Battle stattfindet und ich eines der Jurymitglieder bin!“

„Ach Mann! Bitte entschuldige, Jane, das habe ich irgendwie in dem ganzen Termindurcheinander vergessen. Na, dann lass uns endlich los; ich bin fertig!“

Eine halbe Stunde später trafen William und Jane noch rechtzeitig vor Beginn des Band-Wettstreits im Club Five ein. Bereits zehn Minuten später sollte dann das Spektakel auch schon losgehen. Mike, der Clubinhaber, begrüßte alle Gäste und erklärte noch einmal die Spielregeln: Jede Band, die heute hier antrat, musste drei Lieder aus ihrem Repertoire vortragen. Im Anschluss daran vergab die Jury, bestehend aus einem Musikproduzenten, Prinzessin Jane und Toni, einem der DJs des Club Five, Punkte. Die fünf Bands, die die meisten Punkte erhielten, traten im Anschluss daran noch einmal in einem direkten Vergleich gegeneinander an und das Publikum stimmte ab. Die Band, die am Ende als Sieger hervorging, bekam einen Ein-Jahres-Plattenvertrag für die Aufnahme und Vermarktung eines Albums.

Anhand einer Lostrommel wurde ausgewählt, welche Band wann aufzutreten hatte und kein geringerer als Prinz William sollte als Los-Fee fungieren. William, der von seinem Glück noch gar nichts gewusst hatte, ließ sich jedoch nichts anmerken und machte den Spaß einfach mit. Seine Frau hatte es da schon etwas schwerer, denn alle fünfundzwanzig Bands waren gut, wenn nicht sogar sehr gut!

Es spielte gerade die Band mit der Nummer 18, die Bax’ Toys. Bestehend aus vier jungen Männern: Einer am Schlagzeug, einer am Keyboard, einer an der Bassgitarre und ein Saxophonist, und einer sehr zierlichen Frau, die den Gesang übernahm. Als die Band anfing zu spielen, wurden sie leicht belächelt, denn die Stimme des jungen Mädchens war nicht viel mehr als das Piepsen einer Maus. Jane tat das Mädchen schon fast leid. Mitten im Lied brach sie ab und ließ sich das Mikro von einem der anderen Bandmitglieder geben. Anschließend begannen sie noch einmal von vorn und prompt stand vielen der Mund weit auf und sie staunten nicht schlecht: Denn trotz des zierlichen Körpers hatte sie eine sehr ausdrucksstarke und sehr eindringliche Stimme. Jane gefiel auf Anhieb, was die Bax’ Toys vortrugen und auch die anderen zwei Jurymitglieder waren sich einig: Sie vergaben die Höchstpunktzahl.

Nachdem auch die restlichen Bands gespielt hatten, wurden die fünf besten Bands gekürt und nach einer kleinen Pause sollte das Spektakel in die zweite Runde gehen. Jane musste einmal zur Toilette.

Sie war die Nächste in der Schlange. Als sie wieder aus der Toilette kam, übernahm die Sängerin von der Band Nummer 18 das WC. Beide schauten sich einen Moment kurz in die Augen und gingen dann wieder ihres Wegs. Als die junge Frau von den Bax’ Toys zu den Waschbecken ging und sich ein wenig frisch machte, sah sie im Spiegel Prinzessin Jane hinter sich stehen. Sogleich entglitten ihr die Gesichtszüge. Jane dagegen lächelte gewinnend. „Habe ich mich also doch nicht verguckt!“

„Guten Abend, Euer Hoheit“, sagte keine geringere als Isabel geknickt, die gehofft hatte, dass Jane sie nicht wiedererkennen würde. Als Isabel nämlich Jane das erste Mal entdeckte, war ihr sogleich die Stimme weggeblieben, was sich mitten in einem Band-Battle mehr als schlecht machte. Dank des Tricks von Alexander Baxtor, dem Bruder von Anabel, der auch der Bandgründer war, wechselte sie spontan mit ihm das Mikrophon, obwohl ihres voll funktionstüchtig gewesen war, und schon dachte jeder, dass Mikro sei an ihrem kläglichen Singsang schuld gewesen.

„Singst Du schon immer in dieser Band?“, war Janes erste unverfängliche Frage, um Isabel etwas Zeit zum Sammeln zu geben.

„Nein, ich bin nur die Vertretung. Anabel, meine beste Freundin, ist die eigentliche Sängerin. Doch sie liegt derzeit mit einer Lungenentzündung im Bett. So bin ich für sie eingesprungen, da ich alle Lieder aus dem Effeff kenne und so ähnlich klinge wie sie. Ich bin quasi die Zweitbesetzung; ich hoffe, Du verpfeifst uns nicht?!“ Isabel wurde umgehend panisch, denn sie hatte mehr preisgegeben als sie gedurft hätte.

Jane lächelte allerdings zuversichtlich. „Warum sollte ich, ich fand Euch beeindruckend; ich möchte lieber erst gar nicht wissen, wie sich Anabel anhört, wenn Du sagst, dass sie noch besser ist als Du. Was ich mir kaum vorstellen kann: Du singst wunderschön!“

„Danke“, sagte Isabel mit hochrotem Kopf. „Ist Harry auch da?“

„Nein, der befindet sich im Moment auf einem Auslandseinsatz des Militärs.“

„Sag mir jetzt aber bitte nicht, dass er in Afghanistan ist!“

Jane war überrascht, dass Isabel ausgerechnet Afghanistan erwähnte, antwortete dann aber trotzdem: „Doch, dort ist er und das schon ganze drei Wochen lang.“ Isabel wurde umgehend kreidebleich. „Was ist mit Dir?! Ist alles okay?“, fragte Jane sogleich besorgt und unterfasste Isabel, bevor sie umkippen konnte.

Isabel atmete tief durch und fragte: „Und wann kommt er zurück?“

„William hat gestern mit ihm telefoniert. Ich glaube, er wollte noch weitere drei Wochen bleiben“, erzählte Jane wahrheitsgemäß.

„Oh nein!“, rief Isabel verzweifelt.

Fragend sah Jane Isabel ins Gesicht. „Du liebst ihn noch immer, habe ich Recht? Und jetzt machst Du Dir Sorgen, dass ihm dort etwas zustoßen könnte?!“ Isabel errötete und wich Janes Blicken aus. Jane strahlte prompt über das ganze Gesicht. „Wenn ich das Harry erzähle, dann kommt er bestimmt schon nächste Woche wieder heim und verlängert seinen Auslandsaufenthalt nicht!“

„Oh Jane, bitte nicht! Sag Harry bitte nichts davon!“, bat Isabel.

„Und warum nicht?“ Jane verstand nur Bahnhof.

„Weil es so, wie es jetzt ist, besser ist.“

„Glaubst Du das wirklich? Schau Dich doch nur einmal im Spiegel an; Du siehst furchtbar aus! Isst Du überhaupt noch etwas? Ich hätte Dich beinahe nicht erkannt, nur Deine dunkelgrünen Augen haben Dich eben verraten“, erklärte Jane. Isabel sah betreten zu Boden. Jane seufzte. „Gib Harry wenigstens noch einmal die Chance sich Dir zu erklären, es würde Euch beiden sicher sehr helfen. Wenn Du ihm anschließend dann den Laufpass gibst, kann er, glaube ich, damit wenigstens leben. Im Moment läuft er nämlich im Grunde nur vor allem weg und lässt sich nicht anmerken, wie sehr es ihn mitnimmt, dass es bei Eurem letzten Aufeinandertreffen zur Katastrophe kam“, sagte Jane weiter.

 

Isabel verdrehte prompt die Augen. „Erinnere mich bloß nicht daran! Nicht nur, dass Harry an dem Abend meinen Vater zu Boden gestreckt hat. Nein, auch meine Mum bekam in der Nacht noch einen Herzinfarkt! Wahrscheinlich durch den ganzen Stress, der anschließend folgte? Ich musste ganz schöne Überredungskunst aufbieten, um meinen Vater davon abzubringen eine Strafanzeige gegen Harry zu stellen.“

„Und wie geht es Deiner Mutter jetzt?“

„Sie liegt noch immer im Krankenhaus, aber sie ist schon fast wieder die Alte. Gott sei Dank!“

„Das freut mich zu hören und ich wünsche weiterhin gute Besserung.“

Isabel nickte.

„So, ich glaube, es geht weiter“, sagte Jane mit Blick auf die Uhr. „Meinst Du, Du kannst weitersingen oder habe ich Dich jetzt gänzlich aus dem Konzept gebracht?“

Isabel atmete noch einmal tief durch. „Ich denke, es geht schon. Ich habe ja auch noch einen kleinen Moment, um mich zu sammeln.“

Jane nickte und ging voran. Isabel folgte ihr die Treppe hinunter und schon begann der Contest von Neuem: Die fünf besten Bands traten gegeneinander an; jeder mit einem Lied, das diesmal jedoch die Jury bestimmte. Die Bax’ Toys waren die Letzten, da sie als einzige 30 Punkte erhalten hatten. Das Lied, welches sie vortragen sollten, war der Song ‚Mad World‘.

Isabel sprach sich kurz mit den Bandmitgliedern ab. Daraufhin holten der Schlagzeuger und der Bassist zwei Barstühle auf die Bühne. Anschließend verließen sie gemeinsam mit dem Saxophonisten die Bühne. Nur noch der Keyboarder, Anabels Bruder, der nunmehr selbst zur Gitarre griff, und Isabel waren dort, setzten sich auf die zwei Barhocker und stellten sich ihre Mikrophone ein: Der junge Mann seines auf seine E-Gitarre gerichtet, das Mädchen stellte sich ihres direkt vor ihre Lippen. Mit einem fragenden Blick vergewisserte sie sich, dass der Gitarrist bereit war, was er mit einem Nicken bestätigte und schon griff sie nach dem Mikrophonständer. „Dieses Lied wird eine Unplugged-Version und ich widme es unseren Leuten dort draußen an der Front, ob in Afghanistan, auf hoher See oder wo ihr sonst noch in der Welt verstreut Euren Dienst macht: Jungs, ihr leistet einen tollen Job, aber passt ja schön auf Eure Hintern auf! Die brauchen wir nämlich noch; hier im eigenen Land. In Gedanken sind wir bei Euch …“ Sofort erhielt Isabel lauten Beifall und Bestätigungsrufe.

„Auf unsere Jungs! Also legt los“, beendete Jane den aufgekommenen Lärmpegel und sofort beruhigten sich alle wieder. Jane und Isabel hielten dabei direkten Augenkontakt. Isabel schloss daraufhin die Augen, um sich zu sammeln.

Es war mucksmäuschenstill, als Isabel dann begann, sinnlich zu singen; nur ihre Stimme und sonst nichts. Erst zum Ende der ersten Strophe setzte dann auch der junge Mann leise mit der E-Gitarre ein. Jane war perplex, denn ihr war nicht bewusst gewesen, dass man sogar auf solch einem ausdrucksstarken Instrument so zart und leise spielen konnte. Sie bekam eine Gänsehaut und sie war nicht die Einzige. Denn plötzlich tauchte William hinter ihr auf, der die ganze Zeit zuvor an der Bar herumgelungert hatte und legte ihr seine Hände auf die Schultern. Eine davon ergriff Jane. „Ich liebe Dich“, flüsterte er. Jane nickte und drückte zur Bestätigung fest seine Hand. Anschließend blickte sie wieder aufmerksam zur Bühne. Sie musste unweigerlich schlucken, als sie sah, dass Isabel eine einzelne Träne über die Wange lief. Jane war sofort klar, wem der salzige Tropfen galt: Harry! – Und Isabel konnte behaupten, was sie wollte, Jane wusste es ganz genau: Isabel war noch lange nicht über die Trennung von Harry hinweg! Das gab ihr die Hoffnung, dass die beiden doch noch wieder zueinanderfanden …

Mit einem begeisterten Beifall endete Isabels Lied und jeder im Raum wusste gleich, welche Band gewonnen hatte.

Nach der Siegerehrung ließen sich die Jungs von den Bax’ Toys feiern. Isabel allerdings hatte nur noch einen Wunsch, sie wollte nach Hause. Oben an der Treppe traf sie erneut auf Jane.

„Willst Du nach Hause?“, fragte Jane ahnend.

„Ja, ich nehme mir ein Taxi. Alex und die Jungs wollen noch ein wenig feiern und es ist auch ihr gutes Recht“, erklärte Isabel.

„Du nimmst Dir aber kein Taxi, Daniel wird Dich fahren. Und keine Widerrede! Gute Nacht, Isabel.“

Als Isabel zu Hause ankam, saß zu ihrer Überraschung ihr Vater in der Küche und trank einen großen Pott Milch. „Du bist schon zurück?“, fragte er auch sogleich.

Isabel warf einen Blick auf die große Küchenuhr, es war gerade erst ein Uhr in der Nacht.

„Sieht ganz so aus“, kam es matt von Isabel. Im Grunde wollte sie nur noch in ihr Bett.

„Und wie war es? Konntet ihr einen guten Platz belegen?“, fragte ihr Vater weiter.

Isabel lächelte prompt. „Wir haben sogar gewonnen!“

„Oh! Na, da wird sich Anabel aber freuen.“

„Ja, das wird sie! Und warum bist Du noch auf, kannst Du nicht schlafen?“, fragte nunmehr Isabel ihren Vater. Keith Canningham seufzte tief und anhaltend. „Was ist los, Dad? Ist etwas mit Mum?!“, kam es sogleich besorgt von ihr.

„Nein, mit Deiner Mum ist alles in Ordnung. Die Ärzte sagen, wenn sie weiter solche Fortschritte macht, kann sie in vierzehn Tagen wieder nach Hause.“

„Na, das ist doch toll! Warum machst Du dann aber solch ein miesepetriges Gesicht?“

Abermals seufzte Isabels Vater, ehe er antwortete: „Ich soll morgen für drei Wochen eine Tour nach Frankreich übernehmen.“

„Na, das ist doch schön! Freu Dich doch, dass Du wieder Geld verdienen kannst. Wir werden es sicherlich gut gebrauchen können, wenn Mum zurückkommt?!“, sagte Isabel.

„Aber ich kann Dich und Deine Mutter doch jetzt nicht alleine lassen!“, kam es aufgebracht von Keith Canningham.

„Und warum das nicht?“ Irritiert davon, dass Isabel anscheinend nicht verstand, schaute Keith ihr ernst ins Gesicht. „Ach Dad, ich werde siebenundzwanzig! Meinst Du nicht auch, ich bin langsam alt genug, um allein auf mich aufpassen zu können? Und Mum ist in der Klinik und wird rund um die Uhr versorgt. Wir kommen schon die paar Tage ohne Dich zurecht.“

„Aber Lindsay wird vor meiner Rückkehr entlassen!“, rief Mister Canningham aufgebracht.

„Du sagtest doch aber eben selbst, dass mit Mama alles wieder in Ordnung ist?! Vorher ist sie auch ohne Dich klargekommen, warum sollte sie es denn dann jetzt nicht mehr können? Außerdem bin ich doch auch noch da! Zur Not mache ich für eine Woche den Kindergarten zu, das ist überhaupt kein Problem! Also höre bitte auf, uns immer wie zweijährige und unselbstständige Kinder zu behandeln!“, brach es einfach so aus Isabel heraus; ihre Nerven lagen schlicht und ergreifend blank. Sofort schaute ihr Vater erbost zu ihr auf. Isabel ging automatisch gleich drei Schritte rückwärts. „Verzeihung, das war nicht so gemeint!“, wisperte Isabel.

Zu ihrer Überraschung blieb ihr Vater am Tisch sitzen und sah wieder betrübt in seine Tasse. „Schon gut, Du hast ja Recht. Und wenn sich jemand entschuldigen muss, dann bin ich das. Isabel, Kind, sag: Bin ich wirklich solch ein furchteinflößender Kerl, dass meine eigene Tochter vor mir Angst hat?!“

Isabel fiel prompt die Kinnlade herunter. Sie glaubte, sich verhört zu haben. „Ehm …“, war alles, was sie daraufhin herausbrachte.

„Es tut mir so leid, ich wollte das doch alles nicht!!!“, kam es unter Tränen von Keith Canningham.

Isabel lief zu ihrem Vater herüber und legte ihm vorsichtig ihre Arme um den Hals. „Ich weiß und Mutti weiß das auch.“ Isabel erkannte, dass ihr Vater nunmehr auch noch die Schuld an Lindsays Herzinfarkt auf sich nahm. Sie schloss die Augen und bettete zu Gott, dass ihre Nerven stark genug waren, sogleich dagegen aufzubegehren.

Zu ihrer Überraschung erwiderte Keith Canningham die Umarmung seiner Tochter und küsste sie anschließend sogar auf die Stirn. „Kannst Du mir verzeihen, dass ich Dir all die Jahre Unrecht angetan habe?“

Isabels Herz machte einen gewaltigen Satz: Sollte dies wirklich ein Neuanfang und eine Wende in der Beziehung zwischen Vater und Tochter werden? Isabel konnte es noch gar nicht glauben. Unter Tränen warf sie sich nun direkt an den Hals ihres Vaters und wisperte: „Ich hab Dich lieb, Dad.“

„Oh, Sternchen! Ich Dich doch auch, und wie lieb ich Dich hab!!! Du bist doch meine Tochter, mein kleiner Goldschatz!“, rief Keith, ebenfalls von Tränen übermannt, zu seiner Tochter und drückte sie fest an sich.

„Und ich kann Dich wirklich für drei Wochen alleine lassen?“, fragte Keith, nachdem beide wieder über ihre Tränen Herr geworden waren.

Isabel kicherte. „Dad, ja, das kannst Du! Am Tage bin ich eh auf Arbeit und an den freien Wochenenden werde ich mit Anabel etwas unternehmen oder Mum im Krankenhaus so lange auf der Tasche liegen, bis sie mich zum Teufel schickt. Außerdem bin ich nicht das erste Mal allein. Ich komme schon klar. Und so wie ich Dich kenne, ist der Kühlschrank übervoll und in der Haushaltskasse liegt für den Notfall – den es aber nicht geben wird – mehr Kleingeld als nötig ist!“

Keith musste unweigerlich lächeln, denn seine Tochter kannte ihn nur zu genau.

„Und was ist mir Dir? Hast Du schon Deine Tasche gepackt?“, fragte Isabel auf einmal. Prompt wurde ihr Vater rot. Isabel lachte laut auf, was ihr einen irritierten Blick ihres Vaters einbrachte. Nun war es Isabel, die errötete: „Na los, Dad, lass uns nach oben gehen und ich werde Dir beim Packen helfen. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht auch ohne Mums Hilfe hinkriegen …“ Isabel nahm ihren Vater bei der Hand und gemeinsam gingen sie in die obere Etage ins Schlafzimmer ihrer Eltern. Dort setzte Isabel ihren Vater aufs Bett und stellte sich selbst vor dessen Kleiderschrank. Mit den Händen in die Hüften gestemmt, drehte sie sich zu ihrem Vater um und fragte nach seiner Reisetasche. Keith zog diese unter dem Bett hervor.

„Okay, und was packt Dir Mum so immer alles ein?“, fragte Isabel.

Keith zählte anschließend alle Kleidungsstücke auf, die Lindsay ihm immer in die Tasche packte und Isabel zog diese Kleidungsstücke in entsprechender Anzahl aus dem Kleiderschrank und legte sie fein säuberlich auf dem Ehebett in übersichtliche Stapel. Anschließend reichte sie ihrem Vater die einzelnen Stapel, damit er diese in seiner Reisetasche verstaute. Zum Schluss ging Isabel ins große Badezimmer und packte die Waschtasche mit Duschbad, Kamm, Rasierer und Zahnbürste für ihren Vater. Als sie damit wieder ins Schlafzimmer trat, stand Keith Canningham plötzlich vor ihr. Isabel bekam sogleich einen Mordsschrecken, denn sie wusste nicht, ob sie etwas falsch gemacht oder gar ihren Vater in irgendeiner Form erzürnt hatte. Unsicher sah sie zu ihm auf.

„Danke!“, war jedoch alles, was ihr Vater zu ihr sagte, ehe er sie einfach in seine Arme und an seine Brust zog.

Isabel erwiderte die Umarmung. „Es sind doch nur drei Wochen und keine drei Jahre …“

„Aber es wird mir so vorkommen, wenn ich weiß, dass mein kleines Mädchen ganz alleine zu Hause ist“, erwiderte Keith.

„Dad!“, beschwerte sich sogleich Isabel empört.

Doch plötzlich vernahm sie heiseres Kichern von ihrem Vater, welches sie seit neun Jahren nicht mehr vernommen hatte. Isabel standen prompt die Tränen in den Augen. Sie wusste, dass jetzt alles wieder gut werden würde und ihr fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen, der schon viel zu viele Jahre dieses überwältigende Gefühl von Familienzusammenhalt lahmgelegt hatte. Isabel dankte Gott im Stillen, dass sie ihren Vater wieder zurück hatte. Und diesen steckte sie sodann auch prompt ins Bett, denn in genau drei Stunden war für ihn die Nacht wieder zu Ende. Isabel ging anschließend zurück in die Küche und schmierte ihrem Vater für die große Fahrt noch ein paar Brote und brühte frischen Kaffee für seine Thermoskanne auf. Danach wusch sie ab und ging auf leisen Sohlen wieder nach oben.

Nachdem auch sie sich bettfertig gemacht hatte, saß Isabel mit angewinkelten Beinen in ihrem drehbaren Korbsessel und starrte auf die Elfe auf ihrem Seerosenblatt. Was sollte sie nur tun?!

Isabel war hin- und hergerissen: Sie liebte Harry und dass er erneut in Afghanistan war, schmeckte ihr überhaupt nicht. Sie hatte schlicht und ergreifend Angst um ihn! Unweigerlich standen ihr wieder einmal Tränen in den Augen. Aber ihm erneut eine Chance geben? Ihr liefen die Tränen über die Wangen, als sie sich fragte, wo das Ganze nur hinführen sollte? Vor allem, was dachte inzwischen seine Familie von ihr; sie war doch viel zu wankelmütig, eingeschüchtert und verunsichert. Etwas, was für Isabel völlig untypisch war! Und somit blieb sie bei ihrem Entschluss, Harry langsam wieder aus ihren Gedanken und aus ihrem Leben zu verbannen; auch wenn es noch so sehr schmerzte. Denn seit sie mit ihm zusammengekommen war, war ihr Leben in ein heilloses Durcheinander geraten. Doch Isabel brauchte Ordnung und feste Regeln, sonst geriet sie in Schieflage. Und das hasste sie nicht nur, sondern das machte sie auch verletzlich wie ein kleines Kind und dies war sie definitiv nicht mehr! Sie war eine junge, erwachsene Frau, die ihr eigenes Leben in die richtige Bahn lenken musste! Doch das konnte sie nur, wenn sie Harry vergas …

 

Am 12. November 2011, einem Samstag, hatte Anabel Baxtor Geburtstag und ihr Bruder Alexander hatte eine kleine Feier im Club Five organisiert. Als Überraschung wollten er und Isabel mehrere Lieder der Band zum Besten geben. Und das taten sie dann auch. Sehr zur Freude von Anabel und den anderen anwesenden Diskotheksbesuchern. Unter ihnen waren auch Prinz William und Prinzessin Jane. Doch weder das Prinzenpaar noch Isabel und ihre Freunde wussten voneinander. Jane saß mit dem Rücken zu Isabel an der Bar und schlürfte gerade an ihrem Cocktail, als plötzlich Isabels Stimme aus den Lautsprechern ertönte und sie das Lied ‚Mad World‘ vortrug – wieder in dieser Unplugged-Version. Sofort bekam Jane eine Gänsehaut und sie drehte sich abrupt auf ihrem Barhocker um. „Was ist los?“, fragte William sofort.

„Weißt Du, wer das da drüben ist?“ William schüttelte den Kopf. „Das ist keine geringere als Isabel Canningham!“

„Was? Ach komm, die sieht doch ganz anders aus!“, entgegnete William, der nur eine abgemagerte junge Frau mit schulterlangen, bräunlich schimmernden Haaren sah.

„Ich weiß, dass Isabel anders ausschaut als Du sie in Erinnerung hast. Aber das ist sie, glaub mir! Kannst Du Dich rein zufällig noch an den Band-Contest vor einiger Zeit erinnern? Und auch an den Siegersong?“

Sofort blickte William noch einmal genauer hin und dann erkannte er die Sängerin vom Band-Wettbewerb wieder. „Mann, ist die dünn geworden! Isst das Mädel auch mal was?“, kam es ihm auch sogleich in den Sinn.

Jane musste unweigerlich schmunzeln. „Das waren auch meine ersten Gedanken, als ich sie zufällig beim Contest in der Damentoilette traf. Ich hatte sie nämlich zuvor selbst nicht erkannt. Sie meinte, es sei die Sorge um ihre Mutter. Die hatte nämlich einen Herzinfarkt erlitten. Zwischenzeitlich müsste sie aber wieder genesen sein …“

„Na, da wird Harry ja Augen machen!“, meinte William spontan.

Sofort entglitten Jane die Gesichtszüge und entsetzt fragte sie ihren Mann: „Wieso Harry? Du hast doch wohl nicht vor, ihm zu sagen, dass Isabel hier ist?! Nicht, dass er sich falsche Hoffnungen macht und herkommt!“

„Das brauche ich gar nicht, denn Harry ist bereits auf den Weg hierher. Er hatte selbst den Vorschlag gemacht, dass wir heute zu dritt ausgehen. Ich konnte ja nicht wissen, dass der Club keine so gute Idee sein würde!“, erwähnte William.

„Oh nein! Gib mir mal bitte Dein Handy, vielleicht kann ich Harry noch zu Hause erreichen und ihn zum Daheimbleiben überreden …“

„Das glaubst Du doch wohl selber nicht; außerdem ist es bereits zu spät: Schau mal, wer da gerade die Treppe heruntergestiefelt kommt!“ William zeigte mit dem Finger in Richtung Treppe und da stand er: Harry, in eine enganliegende, hellblaue Jeans und ein schwarzes Shirt gekleidet. Er verschaffte sich gerade einen Überblick über die tanzwütige Meute im Kellergeschoss des Club Five. Als er William an der Bar entdeckte, steuerte er geradewegs auf seinen Bruder und seine Schwägerin zu. „Du sagst keinen Ton!“, warnte Jane ihren Mann. „Wenn, dann sollen die beiden rein zufällig aufeinandertreffen!“

„Okay“, versprach William hoch und heilig, denn er kannte diesen gewissen Gesichtsausdruck von Jane. Wenn er es verzapfte, würde es mal wieder zu einem gewaltigen Ehestreit kommen und darauf konnte er herzlich verzichten. Ihm waren sein Seelenfrieden und eine glückliche Ehefrau heilig. Außerdem bevorzugte er sein eigenes Bett, als die Übernachtung auf der Couch oder in einem der Gästezimmer …

„Na, ihr zwei! Seid ihr schon lange da?“, fragte Harry zur Begrüßung.

„Nein, wir sind auch gerade erst gekommen. Magst Du was trinken?“, erwiderte Jane.

„Ja, ein Gin-Tonic bitte.“ Prompt schnellten Williams und Janes Augenbrauen skeptisch nach oben. Harry lachte auf. „Ich hab ein wenig Kopfweh und muss es ja nicht gleich zu einer Migräne ausarten lassen.“

„Du hast wohl noch nicht zu Abend gegessen, was?“, schlussfolgerte Jane.

Harry grinste. „So ist es! Ich glaube, ich werde mich deshalb jetzt mal kurz ins Restaurant verabschieden und etwas später wieder zu Euch stoßen. Also, bis dann“, sagte Harry und schon verschwand er mit seinem Tonic-Glas in der Hand in die oberste Etage.

Nachdem er sich ein Steak hatte schmecken lassen, lief er durch das Erdgeschoss und ließ sich an der dortigen Bar nieder, wo er sich ein Bier bestellte. Von hier aus konnte man durch einen Boden aus Plexiglas in das Kellergeschoss schauen und die dortigen Discobesucher beim Tanzen und Plauschen an der Bar beobachten. Harrys Augenmerk fiel dabei auf eine junge Frau, die sich gerade angeregt mit Toni, dem DJ, unterhielt. Als sie sich dann von ihm eine Gitarre geben ließ, zog es Harry aus unerfindlichen Gründen schleunigst in den Keller des Club Five zurück. Dort am unteren Treppensims angelangt, blieb er stehen und lauschte den Gitarrenklängen der jungen Frau und dem neben ihr sitzenden Mann. Sie spielten und sangen ‚Wild World‘ nach. Anschließend setzte sich der Gitarrist an ein Keyboard und die Frau legte ihre Gitarre beiseite und griff erneut zum Mikro. Auf Wunsch des Geburtstagskindes, welches Harry als Anabel Baxtor wiedererkannte, begann die junge Frau das Lied ‚Promise Me‘ zu singen. Harry kippte sogleich sein komplettes Bier herunter. Denn er glaubte seinen Augen kaum zu trauen: Isabel!

Er stand da und war unfähig wieder den Blick von ihr abzuwenden. Tausend Gedanken schossen ihm gleichzeitig durch den Kopf: Was er sagen könnte, was er machen könnte. Doch nichts passierte. Er stand einfach nur da und beobachtete sie.

Isabel übergab Toni gerade wieder ihre Gitarre, als Alex hinter ihr stand und sich von ihr verabschieden wollte. „Isa, ich muss jetzt los. Ich muss morgen wieder früh raus. Aber ihr zwei Weibsen feiert noch schön und macht die Nacht zum Tag! Man hat schließlich nur einmal im Jahr Geburtstag und darf sich hochleben lassen. Und Anabel scheint das Flirten noch nicht müde geworden zu sein?!“

Beide kicherten.

„Na, dann grüß mir Lucy ganz lieb. Ich finde Deine kleine Freundin echt zuckersüß! Schade, dass sie heute nicht mit dabei sein konnte“, erwiderte Isabel.

„Tja, es haben halt nicht alle das Wochenende frei, es gibt auch Leute, die dann arbeiten müssen.“

„So wie ich!“, mischte sich Toni mit in das Gespräch.

„Du willst mir doch nicht weismachen, dass das hier Arbeit für Dich ist?! Für Dich ist das doch alles nur Fun!“, warf Isabel in den Raum und wandte sich erneut Toni zu.

„Ertappt!“, gestand Toni schelmisch grinsend.

„Isa? Sagst Du mir nun noch Tschüss?“, erinnerte Alexander Anabels Freundin.

„Ja, natürlich! Bitte entschuldige“, sagte Isabel und drehte sich zurück zu Alexander, um ihn zu umarmen und ihm einen freundschaftlichen Kuss zu geben. Harry, der das ganze Spektakel mit angesehen hatte, knirschte mit den Zähnen, denn ihm gefiel überhaupt nicht, was er dort sah. Er stutzte jedoch, als sich der große schlaksige Kerl plötzlich wieder von Isabel abwandte, zu Anabel herüberlief und ihr ebenfalls einen Kuss gab und dann direkt an ihm vorbei nach oben ging. Harry folgte ihm unweigerlich mit den Augen. Als er ihn nicht mehr sah, wandte er sich zurück zu Isabel um. Sie stand noch immer bei Toni und schien sich köstlich zu amüsieren, denn sie lachte immer mal wieder, während Toni ihr irgendetwas erzählte. Harry sah sich das Ganze noch eine Weile mit an, bis es ihm dann doch zu bunt wurde. Langsam, aber zielstrebig, ging er zum DJ-Bereich herüber.

Toni reichte derweil Isabel bereits den fünften Stift, damit sie ihm irgendetwas auf einen Zettel notieren konnte. Doch irgendwie schienen die Stifte allesamt nicht zu schreiben. Vom Bleistift, den sie gerade in der Hand hielt, fiel soeben die Miene heraus. Harry musste schon fast darüber lachen. Er stieg die zwei Stufen zu Toni herauf; immer darauf bedacht, im Rücken von Isabel zu bleiben.

„Also Toni, Deine Stiftesammlung ist echt eine Zumutung!“, ereiferte sich Isabel gerade scherzhaft.

Toni wurde sogar anstandshalber rot. „Sorry, tut mir echt leid! Wahrscheinlich habe ich deshalb so viele hier herumliegen; weil nie einer schreibt …“, kam es Toni in den Sinn.

Isabel fing prompt wieder an herzlich zu lachen. Es traf Harry wie Nadelstiche mitten ins Herz. Wie er doch ihr fröhliches Lachen vermisst hatte! Mit tiefer Stimme mischte er sich in das Geplänkel von Toni und Isabel mit ein: „Vielleicht kann ich weiterhelfen?“, sagte er und zückte einen goldenen Kugelschreiber, den ihm sein Großvater vor kurzem geschenkt hatte, und reichte ihn Isabel, ohne dabei wirklich in ihr Sichtfeld zu treten.