Einfach Shakespeare

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Aus der Reihe: Literatur (Leinen)
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Wo zwei wüt’ge Feuer sich begegnen

In Der Widerspenstigen Zähmung sucht Petruchio eine Frau. Hauptsache, sie – beziehungsweise ihr Vater – ist reich und ihre Mitgift groß genug. Petruchio lässt sich daher nicht von Katharinas schlechtem Ruf als zänkische, widerspenstige Frau abschrecken. Er legt sich einen genauen Plan zurecht, wie er sich bei ihrer ersten Begegnung verhalten will.

PETRUCHIO

Ist sie unbändig, bin ich toll und wild:

Und wo zwei wüt’ge Feuer sich begegnen,

Vertilgen sie, was ihren Grimm genährt:

Wenn kleiner Wind die kleine Flamme facht,

So bläßt der Sturm Feuer und alles aus.

Das bin ich ihr, und so fügt sie sich mir,

Denn ich bin rauh und werbe nicht als Kind. [...]

Schmält sie, erwid’r ich ihr mit festem Ton,

Sie singe lieblich gleich der Nachtigall.

Blickt sie mit Wut, sag ich, sie schau so klar

Wie Morgenrosen, frisch vom Tau gewaschen.

Und bleibt sie stumm und spricht kein einzig Wort,

So rühm ich ihr behendes Sprechtalent,

Und sag, die Redekunst sei herzentzückend.

Sagt sie, ich soll mich packen, dank ich ihr,

Als bäte sie mich, Wochen da zu bleiben:

Schlägt sie mich aus, so frag ich nach dem Tag

Des Aufgebots, und wann die Hochzeit sei?

Da kommt sie schon! Und nun, Petruchio, sprich.

Guten Morgen, Käthchen, denn so heißt ihr, hör ich.

KATHARINA

Ihr hörtet recht, und seid doch hart geöhrt,

Wer von mir spricht, nennt sonst mich Katharina.

PETRUCHIO

Mein Seel, ihr lügt, man nennt euch schlechtweg Käthchen [...].

Erfahre denn, du Käthchen Herzenstrost:

Weil alle Welt mir deine Sanftmut preist,

Von deiner Tugend spricht, die reizend nennt,

Und doch so reizend nicht als dir gebührt:

Hat mich’s bewegt, zur Frau dich zu begehren.

KATHARINA

Bewegt? Ei seht! So bleibt nur in Bewegung

Und macht, daß ihr euch baldigst heimbewegt;

Ihr scheint beweglich.

PETRUCHIO

So! Was ist beweglich?

KATHARINA

Ein Feldstuhl.

PETRUCHIO

Brav getroffen! Sitzt auf mir.

(II, 1)

1Shakespeare zitiert diese Zeile aus Christopher Marlowes Gedicht Hero und Leander. Marlowe starb am 1. Juni 1593, Wie es euch gefällt hat Shakespeare aller Wahrscheinlichkeit nach 1599 verfasst.

WILLST DU SCHON GEHN?

Fort! Ist die Trennung schon ein ätzend Mittel, Sie dient für eine Wunde voller Tod.

Away! Though parting be a fretful corrosive, It is applied to a deathful wound.

(König Heinrich VI, Teil 2, III, 2)

O tödliche Verbannung!

Valentin, aus Die beiden Veroneser, ist in Silvia, die Tochter des Herzogs von Mailand, verliebt. Doch ihr Vater möchte, dass sie einen anderen heiratet. Valentins bester Freund Proteus ist ebenfalls in Silvia verliebt. Als Valentin und Silvia planen durchzubrennen, verrät Proteus sie an ihren Vater. Daraufhin verbannt der Herzog Valentin vom Hof. Die Zeilen, die Valentin als Reaktion darauf spricht, sind durch den Film Shakespeare in Love zu neuer Berühmtheit gelangt: In dem Film sucht sich die Adelige Viola, verkleidet als junger Mann, genau diese Zeilen aus, um für eine Rolle in Shakespeares Schauspieltruppe vorzusprechen. Shakespeare reagiert wie elektrisiert, weil alle anderen Bewerber um die Rolle beim Vorsprechen seinen Konkurrenten Christopher Marlowe rezitiert haben, der zu der Zeit noch viel berühmter war.

VALENTIN

Und warum Tod nicht eh’r als Qual des Lebens?

Zu sterben, ist von mir verbannt zu sein,

Und Silvia ist ich selbst: verbannt von ihr,

Ist selbst von selbst; o tödliche Verbannung!

Ist Licht noch Licht, wenn ich nicht Silvia sehe?

Ist Lust noch Lust, wo Silvia nicht zugegen?

Und war sie’s nicht, dacht’ ich sie mir zugegen,

Entzückt vom Schattenbild der Göttlichkeit.

Nur wenn ich in der Nacht bei Silvia bin,

Singt meinem Ohr Musik die Nachtigall:

Nur wenn ich Silvia kann am Tage sehn,

Nur dann strahlt meinem Auge Tag sein Licht:

Sie ist mein Lebenselement; ich sterbe,

Werd’ ich durch ihren Himmelseinfluß nicht

Erfrischt, verklärt, gehegt, bewahrt im Leben.

Tod folgt mir, flieh ich seinen Todesspruch;

Verweil ich hier, erwart ich nur den Tod:

Doch, flieh ich fort, entflieh ich jedem Leben.

(III, 1)

Die Hindin, die den Löwen wünscht zum Gatten

In Ende gut, alles gut ist Helena in Bertram, den Graf von Roussilon verliebt, aber wegen des Standesunterschieds traut sie sich nicht, ihre Liebe zu offenbaren. Als Bertram an den Hof des Königs von Frankreich geht, trauert Helena über seine Abwesenheit. Bertrams Mutter denkt, sie trauere um ihren kürzlich verstorbenen Vater, einen berühmten Arzt.

HELENA

Ach wär’s nur das! Des Vaters denk ich kaum;

Und jener Großen Träne ehrt ihn mehr,

Als seiner Tochter Gram. Wie sah er aus?

Vergessen hab ich ihn: kein andres Bild

Wohnt mehr in meiner Phantasie als Bertram.

Ich bin verloren! Alles Leben schwindet

Dahin, wenn Betram geht. Gleichviel ja wär’s,

Liebt’ ich am Himmel einen hellen Stern,

Und wünscht ihn zum Gemahl; er steht so hoch!

An seinem hellen Glanz und lichten Strahl

Darf ich mich freun; in seiner Sphäre nie!

So straft sich selbst der Ehrgeiz meiner Liebe:

Die Hindin, die den Löwen wünscht zum Gatten,

Muß liebend sterben. O der süßen Qual,

Ihn stündlich anzusehn! Ich saß, und malte

Die hohen Brau’n, sein Falkenaug, die Locken

In meines Herzens Tafel, allzu offen

Für jeden Zug des süßen Angesichts!

Nun ist er fort, und mein abgöttisch Lieben

Bewahrt und heiligt seine Spur.

(I, 1)

Helenas Liebe verleiht ihr jedoch die Kraft, einen Versuch zu wagen, wie sie Bertram trotz des Standesunterschiedes gewinnen kann. Ihr Vater hat ihr eine wertvolle Medizin hinterlassen, der König von Frankreich ist todkrank und seine Ärzte haben ihn aufgegeben. Helena folgt Betram nach Frankreich, bietet dem König die Medizin und bittet sich als Gegenleistung für seine Heilung Betram als Ehemann aus.

HELENA

Oft ist’s der eig’ne Geist, der Rettung schafft,

Die wir beim Himmel suchen. Unsrer Kraft

Verleiht er freien Raum, und nur dem Trägen,

Dem Willenlosen stellt er sich entgegen.

Mein Liebesmut die höchste Höh ersteigt,

Doch naht mir nicht, was sich dem Auge zeigt.

Des Glückes weitsten Raum vereint Natur,

Daß sich das Fernste küßt wie Gleiches nur.

Wer klügelnd abwägt, und dem Ziel entsagt,

Weil er vor dem, was nie geschehn, verzagt,

Erreicht das Größte nie. Wann rang nach Liebe

Ein volles Herz, und fand nicht Gegenliebe?

Des Königs Krankheit, täuscht mich nicht, Gedanken;

Ich halte fest, und folg euch ohne Wanken.

(I, 1)

Betram jedoch ist wenig begeistert von der Aussicht, Helena heiraten zu sollen.

HELENA

Ich sage nicht, ich nehm euch; doch ich gebe

Mich selbst und meine Pflicht, so lang ich lebe,

In eure edle Hand. Dies ist der Mann.

KÖNIG

Nimm sie denn, junger Bertram, als Gemahlin.

BERTRAM

Gemahlin, gnäd’ger Herr? Mein Fürst, vergönnt,

In solcherlei Geschäft laßt mich gebrauchen

Die eig’nen Augen.

KÖNIG

Bertram, weißt du nicht

Was sie für mich getan?

BERTRAM

Ja, teurer König;

Doch folgt daraus, daß ich mich ihr vermähle?

KÖNIG

Du weißt, sie half mir auf vom Krankenbett.

BERTRAM

Und soll ich deshalb selbst zum Tod erkranken,

Weil sie euch hergestellt? Ich kenne sie;

Mein Vater ließ als Waise sie erziehn:

Des armen Arztes Kind mein Weib!

Verachtung Verzehre mich vorher!

KÖNIG

Den Stand allein verachtest du, den ich

Erhöhn kann. Seltsam ist’s, daß unser Blut –

Vermischte man’s – an Farbe, Wärm und Schwere

Den Unterschied verneint und doch so mächtig

Sich trennt durch Vorurteil. Ist jene wirklich

Von reiner Tugend, und verschmähst du nur

Des armen Arztes Kind – so schmähst du Tugend

Um eines Namens willen. Das sei fern!

Wo Tugend wohnt, und sei’s am niedern Herd,

Wird ihre Heimat durch die Tat erklärt. [...]

BERTRAM

Sie lieb’ ich nicht, und streb auch nie danach.

HELENA

Mich freut, mein Fürst, daß ihr genesen seid;

Das andre laßt!

(II, 3)

Helena verzichtet auf Bertram, doch der König besteht auf der Heirat. Um vor dem Vollzug der Ehe zu fliehen, zieht Bertram in den Krieg. Auf dem Feldzug verliebt er sich in eine andere Frau, Diana. Helena überredet sie, so zu tun, als gäbe sie Bertrams Werben nach, und trifft sich an ihrer Stelle mit ihm. Im Dunkeln merkt Bertram nicht, dass Helena gar nicht Diana ist.

 

HELENA

O seltsame Männer!

So süß könnt ihr behandeln, was ihr haßt,

Wenn der betrognen Sinne lüstern Wähnen

Die schwarze Nacht beschämt. So spielt die Lust

Mit dem, was sie verabscheut, unbewußt.

(IV, 4)

Es war die Nachtigall und nicht die Lerche

Eine der berühmtesten Szenen aus Romeo und Julia ist ihr Abschied nach ihrer ersten Liebesnacht. Romeo wird aus Verona verbannt, weil er Tybalt, Julias Cousin, in einem Duell getötet hat, nachdem Tybalt seinen Freund Mercutio tödlich verwundet hat.

JULIA

Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.

Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,

Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang.

Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort.

Glaub’, Lieber, mir: es war die Nachtigall.

ROMEO

Die Lerche war’s, die Tagverkünderin,

Und keine Nachtigall; sieh den neid’schen Streif,

Der dort im Ost der Frühe Wolken säumt.

Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt,

Der muntre Tag erklimmt die dunst’gen Höhn;

Nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod.

JULIA

Trau mir, das Licht ist nicht des Tages Licht,

Die Sonne hauchte dieses Luftbild aus,

Dein Fackelträger diese Nacht zu sein,

Dir auf dem Weg nach Mantua zu leuchten;

Drum bleibe noch; zu gehn ist noch nicht Not.

ROMEO

Laß sie mich greifen, ja, laß sie mich töten!

Ich gebe gern mich drein, wenn du es willst.

Nein, jenes Grau ist nicht des Morgens Auge,

Der bleiche Abglanz nur von Cynthias Stirn.

Das ist auch nicht die Lerche, deren Schlag

Hoch über uns des Himmels Wölbung trifft.

Ich bleibe gern; zum Gehn bin ich verdrossen.

Willkommen, Tod! Hat Julia dich beschlossen. –

Nun, Herz? Noch tagt es nicht, noch plaudern wir.

JULIA

Es tagt, es tagt! Auf! Eile! Fort von hier!

Es ist die Lerche, die so heiter singt,

Und falsche Weisen, rauhen Mißton gurgelt.

Man sagt, der Lerche Harmonie sei süß;

Nicht diese: sie zerreißt die unsre ja.

Die Lerche, sagt man, wechselt mit der Kröte

Augen; möchte sie doch auch die Stimme!

Die Stimm’ ist’s ja, die Arm aus Arm uns schreckt,

Dich von mir jagt, da sie den Tag erweckt.

Stets hell und heller wird’s: wir müssen scheiden.

ROMEO

Hell und heller; dunkler stets und dunkler unsre Leiden!

(III, 5)

Arme, nehmt die letzte Umarmung!

Nur wenig später wird Julia von ihren Eltern gezwungen, Graf Paris zu heiraten. Ihre Eltern wissen nicht, dass sie heimlich Romeo geheiratet hat. Damit sie die Doppelheirat umgehen kann, gibt ein Mönch ihr ein Schlafmittel, das sie wie tot erscheinen lässt. Ihre Familie beerdigt sie, doch Romeo bekommt leider nur die Nachricht von ihrem Tod, nicht die Briefe des Mönchs, die ihm den geheimen Plan erklärt hätten. Als Romeo die betäubte Julia in der Gruft ihrer Familie findet, hält er sie für tot und bringt sich daraufhin um. Kurze Zeit später erwacht Julia, sieht den toten Romeo neben sich und tötet sich ebenfalls selbst.

ROMEO

Wie oft sind Menschen, schon des Todes Raub,

Noch fröhlich worden! Ihre Wärter nennen’s

Den letzten Lebensblitz. Wohl mag dann dies

Ein Blitz mir heißen. O, mein Herz! Mein Weib!

Der Tod, der deines Atems Balsam sog,

Hat über deine Schönheit nichts vermocht.

Noch bist du nicht besiegt. Der Schönheit Fahne

Weht purpurn noch auf Lipp’ und Wange dir.

Hier pflanzte nicht der Tod sein bleiches Banner. [...]

Warum bist du so schön noch? Soll ich glauben –

Ja, glauben will ich, komm lieg mir im Arm!

Der körperlose Tod entbrenn’ in Liebe,

Und der verhaßte, hag’re Unhold halte

Als deine Buhle hier im Dunkeln dich.

Aus Furcht davor will ich dich nie verlassen,

Und will aus diesem Palast dichter Nacht

Nie wieder weichen. Hier, hier will ich bleiben

Mit Würmern, so dir Dienerinnen sind.

O, hier bau ich die ew’ge Ruhstatt mir,

Und schüttle von dem lebensmüden Leibe

Das Joch feindseliger Gestirne. Augen,

Blickt euer Letztes! Arme, nehmt die letzte

Umarmung! Und, o Lippen, ihr, die Tore

Des Atems, siegelt mit rechtmäß’gem Kusse

Den ewigen Vertrag dem Wuch’rer Tod.

Komm, bittrer Führer! Widriger Gefährt!

Verzweifelter Pilot! Nun treib auf einmal

Dein sturmerkranktes Schiff in Felsenbrandung!

Dies auf dein Wohl, wo du auch stranden magst!

Dies meiner Lieben! Er trinkt. O wackrer Apotheker,

Dein Trank wirkt schnell. Und so im Kusse sterb ich.

(V, 3)

JULIA

Was ist das hier? Ein Becher, festgeklemmt

In meines Trauten Hand? Gift, seh ich, war

Sein Ende vor der Zeit. O Böser! Alles

Zu trinken, keinen güt’gen Tropfen mir

Zu gönnen, der mich zu dir brächt’! Ich will

Dir deine Lippen küssen. Ach, vielleicht

Hängt noch ein wenig Gift daran und läßt mich

An einer Labung sterben. Deine Lippen sind warm. [...]

Wie? Lärm? Dann schnell nur.

O willkomm’ner Dolch!

Dies werde deine Scheide. Sie ersticht sich. Roste da

Und laß mich sterben.

(V, 3)

Verrückt aus Liebe?

Ophelia ist in Hamlet verliebt, der ihr ebenfalls seine Liebe geschworen hat. Doch dann befiehlt Ophelias Vater Polonius ihr, sich von Hamlet fernzuhalten. Er fürchtet, dass Hamlet Ophelia nur verführen, sie aber nicht heiraten will – oder aufgrund seiner Position als möglicher Thronfolger gar nicht heiraten kann. Bei der darauffolgenden Begegnung zwischen Hamlet und Ophelia verhält Hamlet sich seltsam. Polonius denkt, seine Sehnsucht nach Ophelia habe ihn in den Wahnsinn getrieben.

OPHELIA

Als ich in meinem Zimmer näht’, auf einmal

Prinz Hamlet – mit ganz aufgerißnem Wams,

Kein Hut auf seinem Kopf, die Strümpfe schmutzig

Und losgebunden auf den Knöcheln hängend;

Bleich wie ein Hemde, schlotternd mit den Knien;

Mit einem Blick, von Jammer so erfüllt,

Als wär er aus der Hölle losgelassen,

Um Gräuel kundzutun – so tritt er vor mich.

POLONIUS

Verrückt aus Liebe?

OPHELIA

Herr, ich weiß es nicht,

Allein ich fürcht es wahrlich. [...]

Er griff mich bei der Hand und hielt mich fest,

Dann lehnt’ er sich zurück, so lang sein Arm;

Und mit der andern Hand so überm Auge,

Betrachtet er so prüfend mein Gesicht,

Als wollt er’s zeichnen. Lange stand er so;

Zuletzt ein wenig schüttelnd meine Hand,

Und dreimal hin und her den Kopf so wägend,

Holt er solch einen bangen tiefen Seufzer,

Als sollt’ er seinen ganzen Bau zertrümmern,

Und endigen sein Dasein. Dies getan,

Läßt er mich gehn: und über seine Schultern

Den Kopf zurückgedreht, schien er den Weg

Zu finden ohne seine Augen; denn

Er ging zur Tür hinaus ohn’ ihre Hülfe,

Und wandte bis zuletzt ihr Licht auf mich. [...]

POLONIUS

Dies ist die wahre Schwärmerei der Liebe,

Die, ungestüm von Art, sich selbst zerstört,

Und leitet zu verzweifelten Entschlüssen

So oft als irgend eine Leidenschaft,

Die unterm Mond uns quält.

(II, 1)

Als Polonius dem König davon berichtet, liest er ihm einen Liebesbrief von Hamlet an Ophelia vor, um seine Theorie zu untermauern, dass Hamlet aus Liebe verrückt geworden sei. Dieser Brief ist sicher der berühmteste in Shakespeares Werk.

POLONIUS

»An die himmlische und den Abgott meiner Seele, die reizerfüllteste Ophelia.« – Das ist eine schlechte Redensart, eine gemeine Redensart; reizerfüllteste ist eine gemeine Redensart. Aber hört nur weiter: »An ihren trefflichen zarten Busen diese Zeilen« und so fort. [...]

»Zweifle an der Sonne Klarheit,

Zweifle an der Sterne Licht,

Zweifl’, ob lügen kann die Wahrheit,

Nur an meiner Liebe nicht.

O liebe Ophelia, es gelingt mir schlecht mit dem Silbenmaße; ich besitze die Kunst nicht, meine Seufzer zu messen, aber daß ich dich bestens liebe, o Allerbeste, das glaube mir. Leb wohl.

Der Deinige auf ewig, teuerstes Fräulein, solange

Diese Maschine ihm zugehört.

Hamlet.«

(II, 2)

Am Ende des Stücks ist es jedoch genau umgekehrt: Hamlets Liebesentzug treibt Ophelia in den Wahnsinn, sie wird verrückt und ertrinkt, möglicherweise durch Selbstmord.

Mit fremdem Aug’ der Liebsten wählen

Lysander und Hermia aus Ein Sommernachtstraum sind ineinander verliebt. Doch Hermias Vater Egeus möchte, dass Hermia Demetrius heiratet. Weigert sie sich, droht ihr nach dem Gesetz Athens, wo das Stück spielt, die Todesstrafe.

LYSANDER

Weh mir! Nach allem, was ich jemals las,

Und jemals hört’ in Sagen und Geschichten,

Rann nie der Strom der treuen Liebe sanft;

Denn bald war sie verschieden an Geburt –

HERMIA

O Qual! Zu Hoch, vor Niedrigem zu knien!

LYSANDER

Bald waren sie in Jahren mißgepaart –

HERMIA

O Schmach! Zu alt, mit jung vereint zu sein!

LYSANDER

Bald hing sie ab von der Verwandten Wahl –

HERMIA

O Tod! Mit fremdem Aug’ der Liebsten wählen!

LYSANDER

Und war auch Sympathie in ihrer Wahl,

So stürmte Krieg, Tod, Krankheit auf sie ein

Und macht’ ihr Glück gleich einem Schalle flüchtig,

Wie Schatten wandelbar, wie Träume kurz

Schnell, wie der Blitz, der in geschwärzter Nacht

In einem Winke Himmel und Erd entfaltet,

Doch eh ein Mensch vermag zu sagen: schaut!

Schlingt gierig ihn die Finsternis hinab:

So schnell verdunkelt sich des Glückes Schein.

HERMIA

Wenn Leid denn immer treue Liebe traf,

So steht es fest im Rate des Geschicks.

Drum laßt Geduld uns durch die Prüfung lernen,

Weil Leid der Liebe so geeignet ist,

Wie Träume, Seufzer, stille Wünsche, Tränen,

Der armen, kranken Leidenschaft Gefolge.

(I, 1)

Hermias Freundin Helena ist in Demetrius verliebt, der wiederum seinerseits in Hermia verliebt ist. Helena verzehrt sich vor Sehnsucht nach Demetrius und grübelt verzweifelt, warum Demetrius Hermia ihr vorzieht. Im Laufe des Stücks wird recht klar, dass Verliebtsein viel mit Einbildung zu tun hat und hauptsächlich im Kopf stattfindet.

HELENA

Wär mein die Welt, ich ließ damit euch schalten,

Nur diesen Mann wollt ich mir vorbehalten.

O lehrt mich, wie ihr blickt! Durch welche Kunst

Hängt so Demetrius an eurer Gunst?

HERMIA

Er liebt mich stets, trotz meinen finstern Mienen.

HELENA

O lernte das mein Lächeln doch von ihnen!

HERMIA

Ich fluch ihm, doch das nährt sein Feuer nur.

HELENA

Ach, hegte solche Kraft mein Liebesschwur!

HERMIA

 

Je mehr gehaßt, je mehr verfolgt er mich.

HELENA

Je mehr geliebt, je ärger haßt er mich.

HERMIA

Soll ich denn Schuld an seiner Torheit sein?

HELENA

Nur eure Schönheit: wär die Schuld doch mein!

HERMIA

Getrost! Ich werd ihm mein Gesicht entziehen.

Lysander wird mit mir von hinnen fliehen.

Vor jener Zeit, als ich Lysandern sah,

Wie schien Athen ein Paradies mir da!

Nun denn, wofür sind Reize wohl zu achten,

Die einen Himmel mir zur Hölle machten? […]

HELENA, alleine

Wie kann das Glück so wunderlich doch schalten!

Ich werde für so schön als sie gehalten.

Was hilft es mir, so lang Demetrius

Nicht wissen will, was jeder wissen muß?

Wie Wahn ihn zwingt, an Hermias Blick zu hangen,

Vergöttr’ ich ihn, von gleichem Wahn befangen.

Dem schlecht’sten Ding an Art und an Gehalt

Leiht Liebe dennoch Ansehn und Gestalt.

Sie sieht mit dem Gemüt, nicht mit den Augen,

Und ihr Gemüt kann nie zum Urteil taugen.

Drum nennt man ja den Gott der Liebe blind. […]

Eh Hermia meinen Liebsten mußt’ entführen,

Ergoß er mir sein Herz in tausend Schwüren;

Doch, kaum erwärmt von jener neuen Glut,

Verrann, versiegte diese wilde Flut.

Jetzt geh ich, Hermias Flucht ihm mitzuteilen!

Er wird ihr nach zum Walde morgen eilen.

Zwar, wenn er Dank für den Bericht mir weiß,

So kauf ich ihn um einen teuren Preis.

Doch will ich, mich für meine Müh zu laben,

Hin und zurück des Holden Anblick haben.

(I, 1)