Einfach Shakespeare

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Aus der Reihe: Literatur (Leinen)
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Ergib dich meiner glühenden Begier

Als Isabella das nächste Mal bei Angelo vorspricht, ist seine Begierde so groß, dass er ihr ein unmoralisches Angebot macht. Er bietet ihr an, ihren Bruder zu verschonen, wenn sie mit ihm schläft. Er tut zunächst so, als wäre sein Vorschlag nur hypothetisch. Doch selbst als er Klartext redet, versteht Isabella nicht, worauf er hinauswill. Mehrere Interpreten des Stücks haben jedoch angemerkt, dass ihre ablehnende Antwort auf Angelos Andeutungen unbewusst einen erotischen Unterton hat (»Der Geißel Striemen trüg’ ich als Rubinen,/Und zög’ mich aus zum Tode wie zum Schlaf,/Den ich mir längst ersehnt, eh ich den Leib/Der Schmach hingäbe«).

ANGELO

Was wählst du jetzt? Daß höchst gerechtem Spruch

Dein Bruder fällt; wo nicht, ihn zu erlösen

Du selbst den Leib so süßer Schmach dahingäbst,

Als sie, die er entehrt?

ISABELLA

Herr, glaubt es mir,

Eh geb’ ich meinen Leib hin als die Seele.

ANGELO

Nicht sprech’ ich von der Seel’. Erzwung’ne Sünden,

Sie werden nur gezählt, nicht angerechnet.

ISABELLA

Wie meint ihr, Herr?

ANGELO

Nun, nicht verbürg’ ich das; denn ich darf sprechen

Auch gegen meine Worte. Doch erwidre:

Ich, jetzt der Mund des anerkannten Rechts,

Fälle das Todesurteil deinem Bruder:

Wär’ etwa nicht Erbarmung in der Sünde,

Die ihn befreite?

ISABELLA

So begeht sie denn,

Ich nehm’ auf meine Seele die Gefahr.

Durchaus nicht Sünde wär’ es, nur Erbarmung!

ANGELO

Begingt ihr sie, und nähmt auf euch die Tat,

Gleich schwer dann wögen Sünde wie Erbarmung.

ISABELLA

Wenn ich sein Leben bitt’, ist Sünde das,

Die laß mich tragen. Gott! Gewährt ihr es,

Ist Sünde das – dann sei’s mein Frühgebet,

Daß sie zu meinem Unrecht sei gezählt,

Und ihr sie nicht vertretet.

ANGELO

Nein doch, hört mich:

Dein Sinn erfaßt mich nicht, sprichst du’s in Einfalt?

Stelltst du dich listig so? Das ist nicht gut!

ISABELLA

Sei ich einfältig dann, und gut in nichts,

Als daß ich fromm erkenn’, ich sei nicht besser.

ANGELO

So strebt die Weisheit nur nach hellstem Glanz,

Setzt sie sich selbst herab: wie schwarze Masken

Verdeckte Schönheit zehnmal mehr erheben,

Als Reiz, zur Schau getragen. Doch merkt auf;

Daß ihr mich ganz begreift, red’ ich bestimmter [...]

Nehmt an, kein Mittel gäb’s, ihn zu erretten –

Zwar nicht verbürg ich dieses, noch ein andres

Und setze nur den Fall – ihr, seine Schwester,

Würdet begehrt von einem Mächtigen,

Des hoher Rang und Einfluß auf den Richter

Den Bruder könnt’ erlösen aus den Fesseln

Allbindender Gesetze; und es gäbe

Den einz’gen Ausweg nur, ihn zu befrei’n,

Daß ihr den Reichtum eurer Schönheit schenktet

Dem Mächtigen – wo nicht – stürb’ euer Bruder:

Was tätet ihr?

ISABELLA

So viel für meinen Bruder als für mich;

Das heißt: wär’ über mich der Tod verhängt,

Der Geißel Striemen trüg’ ich als Rubinen,

Und zög’ mich aus zum Tode wie zum Schlaf,

Den ich mir längst ersehnt, eh ich den Leib

Der Schmach hingäbe. [...]

Viel lieber mag ein Bruder einmal sterben,

Als daß die Schwester, um ihn freizukaufen,

Auf ewig sterben sollte.

ANGELO

Wärt ihr dann nicht so grausam als der Spruch,

Auf den ihr so geschmäht?

ISABELLA

Die Schand’ im Loskauf, und ein frei Verzeih’n

Sind nicht Geschwister: des Gesetzes Gnade

War nie verwandt mit schmählichem Erkauf!

ANGELO

Noch eben schien das Recht euch ein Tyrann,

Und eures Bruders Fehltritt dünkt’ euch mehr

Ein Scherz als ein Verbrechen.

ISABELLA

O gnäd’ger Herr, verzeiht! Oft ist der Fall,

Zu haben, was man wünscht, spricht man nicht, wie man’s meint.

So mocht’ ich das Verhaßte wohl entschuld’gen

Zum Vorteil dessen, der mit teurer ist.

ANGELO

Schwach sind wir alle. [...]

ISABELLA

O wir sind alle der Versuchung Erben!

ANGELO

Nun, auch das Weib ist schwach!

ISABELLA

Ja, wie der Spiegel, drin sie sich beschaut,

So leicht zerbricht, als er Gestalten prägt.

Das Weib! Hilf Gott! Der Mann entweiht ihr Edles,

Wenn er’s mißbraucht. Nennt mich denn zehmal schwach;

Denn wir sind sanft, wie uns’re Bildung ist,

Nachgiebig falschem Eindruck.

ANGELO

Ja, so ist’s;

Und auf euer eig’nes Zeugnis eurer Schwäche,

Denn auch wir Männer, mein’ ich, sind nicht stärker

Als daß uns Fehler schütteln: dreist nun sprech ich.

Ich halte dich beim Wort: sei, was du bist,

Ein Weib; willst du mehr sein, so bist du keins;

Und bist du eins – wie all dein äußrer Reiz

So holde Bürgschaft gibt – so zeig es jetzt,

Und kleide dich in die bestimmte Farbe.

ISABELLA

Ich hab’ nur eine Zunge: teurer Herr,

Ich fleh’ euch an, sprecht eure vor’ge Sprache.

ANGELO

Ich sag’ es frei und klar, ich liebe dich. […]

ISABELLA

Ich weiß es, eurer Würde ward dies Vorrecht,

Sie scheint ein wenig schlimmer, als sie ist,

Und prüft uns and’re.

ANGELO

Glaub auf meine Ehre,

Mein Wort spricht meinen Vorsatz.

ISABELLA

O kleine Ehre, so viel ihr zu glauben!

Und Gott verhaßter Vorsatz! Schein, o Schein!

Ich werde dich verkünden, sieh dich vor:

Gleich unterzeichne mir des Bruders Gnade,

Sonst ruf ich’s aller Welt mit lautem Schrei,

Was für ein Mann du bist.

ANGELO

Wer glaubt dir’s, Isabella?

Mein unbefleckter Ruf, des Lebens Strenge,

Mein Zeugnis gegen dich, mein Rang im Staat,

Wird also dein Beschuld’gen überbieten,

Daß du ersticken wirst am eig’nen Wort,

Und nach Verleumdung schmecken. Ich begann;

Und nun, entzügelt, nehmt den Lauf, ihr Sinne;

Ergib dich meiner glühenden Begier,

Weg sprödes Weigern, zögerndes Erröten,

Das abweist, was es wünscht: kauf deinen Bruder,

Indem du meinem Willen dich ergibst,

Sonst muß er nicht allein des Todes sterben;

Ja, deine Härte soll den Tod ihm dehnen

Durch lange Martern. Antwort gib mir morgen:

Denn, bei der Leidenschaft, die mich beherrscht,

Ich werd’ ihm ein Tyrann! Und dir sei klar,

Sprich, was du kannst; mein Falsch besiegt dein Wahr. geht ab

ISABELLA

[…] Hin zum Bruder eil ich;

Und fiel er auch durch all zu heißes Blut,

Doch lebt in ihm so reger Geist der Ehre,

Daß hätt’ er zwanzig Häupter hinzustrecken

Auf zwanzig blut’ge Blöck, er böte sie,

Eh seine Schwester ihren Leib entheiligt

In so abscheulicher Entweihung.

Ja, Claudio, stirb, ich bleibe keusch und rein;

Mehr als ein Bruder muß mir Keuschheit sein:

Ich sag’ ihm noch, was Angelo beschieden,

Dann geh’ er durch das Tor zum ew’gen Frieden.

(II, 4)

Isabella irrt sich jedoch in der Einschätzung ihres Bruders. Zunächst stimmt Claudio ihr zu, doch dann überkommt ihn seine Angst vor dem Tod und er bittet sie, Angelos Drängen nachzugeben. Ohne auch nur eine Sekunde nachdenken zu müssen, weist Isabella die Idee heftig von sich – ihre Jungfräulichkeit und Ehre sind ihr mehr wert als das Leben ihres Bruders.

ISABELLA

O Claudio, ich fürchte dich und zittre,

Du möcht’st ein fiebernd Leben dehnen wollen;

Sechs oder sieben Winter teurer achten,

Als ew’ge Ehre. Hast du Mut zum Tode?

Des Todes Schmerz liegt in der Vorstellung;

Der arme Käfer, den der Fuß zertritt,

Fühlt körperlich ein Leiden ganz so groß,

Als wenn ein Riese stirbt.

CLAUDIO

Weshalb beschämst du mich?

Meinst du, ich suche mir entschloss’nen Mut

Aus zartem Blumenschmelz? Nein, muß ich sterben,

Grüß ich die Finsternis als meine Braut,

Und drücke sie ans Herz! […]

ISABELLA

Glaubst du wohl, Claudio,

Wenn ich ihm meine Unschuld opfern wollte,

Du würdest frei? […]

CLAUDIO

Das sollst du nie.

ISABELLA

O, wär’ es nur mein Leben,

Ich würf’ es leicht für deine Freiheit hin,

Wie eine Nadel!

CLAUDIO

Dank dir, teure Schwester. […]

Sterben ist entsetzlich.

ISABELLA

Und leben ohne Ehre hassenswert!

CLAUDIO

Ja! Aber sterben! Gehn, wer weiß wohin,

Da liegen, kalt, eng eingesperrt, und faulen;

Dies lebenswarme, fühlende Bewegen

 

Verschrumpft zum Kloß; und der entzückte Geist

Getaucht in Feuerfluten, oder schaudernd

Umstarrt von Wüsten ew’ger Eisesmassen;

Gekerkert sein in unsichtbare Stürme,

Und mit rastloser Wut gejagt rings um

Die schwebende Erde: oder Schlimm’res werden,

Als nur das Schlimmste,

Was Phantasie uns schwärmend, zügellos,

Heulend erfindet: das ist zu entsetzlich;

Das müd’ste, jammervollste, ird’sche Leben,

Das Alter, Meineid, Schmerz, Gefangenschaft

Dem Menschen auflegt – ist ein Paradies,

Gegen das, was wir vom Tode fürchten! […]

O Liebste, laß mich leben!

Was du auch tust, den Bruder dir zu retten,

Natur tilgt diese Sünde so hinweg,

Daß sie zur Tugend wird.

ISABELLA

O Tier!

O feige Memm’! O treulos Ehrvergess’ner! […]

Stirb! Fahre hin! Wenn auch mein Fußfall nur

Dein Schicksal wenden möcht’, ich ließ es walten:

Ich bete tausendmal für deinen Tod,

Kein Wort zur Rettung. […]

Dein Sünd’gen war kein Fall, war schon Gewerbe;

Und Gnade würd’ an dir zur Kupplerin:

Am besten stirbst du gleich.

(III, 1)

Was Hamlet angeht und sein Liebesgetändel

Ophelias Bruder Laertes und ihr Vater Polonius versuchen beide, Ophelia davon zu überzeugen, dass sie sich nicht auf Hamlets Liebe einlassen sollte. Ihrer Meinung nach spielt Hamlet nur mit ihr, versucht, sie zu verführen, wird sie jedoch letztlich wegen des Standesunterschieds und seiner Position als Königssohn doch nicht heiraten.

LAERTES

Was Hamlet angeht und sein Liebesgetändel,

So nimm’s als Laune, als ein Spiel des Bluts;

Ein Veilchen in der Jugend der Natur,

Frühzeitig, nicht beständig – süß, nicht dauernd,

Nur Duft und Labsal eines Augenblicks:

Nichts weiter.

OPHELIA

Weiter nichts?

LAERTES

Nur dafür halt es.

Denn die Natur, aufstrebend, nimmt nicht bloß

In Größ und Sehnen zu; wie dieser Tempel wächst,

So wird der inn’re Dienst von Seel und Geist

Auch weit mit ihm. Er liebt euch jetzt vielleicht;

Kein Arg und kein Betrug befleckt bis jetzt

Die Tugend seines Willens: doch befürchte,

Bei seinem Rang gehört sein Will ihm nicht.

Er selbst ist der Geburt ja untertan.

Er kann nicht, wie geringe Leute tun,

Für sich auslesen; denn an seiner Wahl

Hängt Sicherheit und Heil des ganzen Staats,

Deshalb muß seine Wahl beschränket sein

Vom Beifall und der Stimme jenes Körpers,

Von welchem er das Haupt. Wenn er nun sagt, er liebt dich,

Geziemt es deiner Klugheit ihm zu glauben,

So weit er nach besonderm Recht und Stand,

Tat geben kann dem Wort: das heißt, nicht weiter

Als Dänemarks gesamte Stimme geht.

Bedenk, was deine Ehre leiden kann,

Wenn du zu gläubig seinem Liede lauschest,

Dein Herz verlierst, und deinen keuschen Schatz

Vor seinem ungestümen Dringen öffnest.

Fürcht es, Ophelia; fürcht es, liebe Schwester,

Und halte dich im Hintergrund der Neigung,

Fern von dem Schuß und Anfall der Begier.

Das scheuste Mädchen ist verschwendrisch noch,

Wenn sie dem Monde ihren Reiz enthüllt.

Selbst Tugend nicht entgeht Verleumdertücken,

Es nagt der Wurm des Frühlings Kinder an,

Zu oft noch eh die Knospe sich erschließt,

Und in der Früh und frischem Tau der Jugend

Ist gift’ger Anhauch am gefährlichsten.

Sei denn behutsam! Furcht gibt Sicherheit,

Auch ohne Feind hat Jugend innern Streit.

OPHELIA

Ich will den Sinn so guter Lehr’ bewahren,

Als Wächter meiner Brust; doch, lieber Bruder,

Zeigt nicht, wie heilvergessne Pred’ger tun,

Den steilen Dornenweg zum Himmel Andern,

Derweil als frecher, lockrer Wollüstling

Er selbst den Blumenpfad der Lust betritt,

Und spottet seines Rats. […]

POLONIUS

Und was Prinz Hamlet angeht, traut ihm so:

Er sei noch jung, und habe freiern Spielraum,

Als euch vergönnt mag werden. Kurz, Ophelia,

Traut seinen Schwüren nicht: denn sie sind Kuppler,

Nicht von der Farbe ihrer äußern Tracht,

Fürsprecher sündlicher Gesuche bloß,

Gleich frommen, heiligen Gelübden atmend,

Um besser zu berücken.

(I, 3)

Ahndung ist Lust, doch im Genuss erstorben

Kressida weiß, dass Verführung Zeit braucht und dass es ein Fehler ist, dem Werben ihres Geliebten Troilus zu schnell nachzugeben:

KRESSIDA

Frau’n sind Engel stets, geworben:

Ahndung ist Lust, doch im Genuss erstorben.

Nichts weiß ein liebend Mädchen, bis sie weiß,

Allein das Unerreichte steht im Preis;

Daß nie, erhört, das Glück so groß im Minnen,

Als wenn Begier noch fleht, um zu gewinnen:

Drum folg’ ich diesem Spruch der Liebessitte,

Gewähren wird Befehl, Versagen Bitte:

Und mag mein Herz auch treue Lieb’ empfinden,

Nie soll ein Blick, ein Wort sie je verkünden.

(I, 2)

Und sie behält recht: Als ihr Vater Calchas, der im trojanischen Krieg zu den Griechen übergelaufen ist, veranlasst, dass seine Tochter gegen einen trojanischen Kriegsgefangenen eingetauscht wird, denkt Troilus nicht einmal daran, für ihren Verbleib in Troja zu kämpfen. Kressida führt seinen Mangel an Einsatz darauf zurück, dass sie gerade mit ihm geschlafen hat, er also am Ziel seiner Wünsche ist.

KRESSIDA

Was sprecht ihr von Mäßigung? Der Schmerz,

Den ich empfind’, ist geistig, tief erschöpfend,

Und ganz so groß und heftig wie die Ursach’

Die ihn erzeugt: wie kann ich ihn da mäßigen?

Wenn meine Liebe mit sich handeln ließe,

Daß sie dem kälter’n, schwächer’n Sinn genügte,

So könnt’ ich eben so den Schmerz auch kühlen:

Mein Sehnen duldet kein vermittelnd Lindern,

So großes Leid vermag nicht Trost zu mindern. […]

O Troilus, Troilus!

TROILUS

Ich liebe dich mit solcher selt’nen Reinheit,

Daß sel’ge Götter, meiner Liebe zürnend,

(Die heißer als Gebet von kalten Lippen

Der Gottheit dargebracht) – dich mir entreißen! […]

KRESSIDA

So muß ich zu den Griechen?

TROILUS

’S ist kein Mittel.

(IV, 4)

Der Mörder ihres Manns und Vaters

Richard, später Richard III im gleichnamigen Stück, hat König Heinrich VI sowie seinen Sohn Eduard, den Prinzen von Wales, getötet. Um auf den Thron zu gelangen, will er Anna, Eduards Witwe, heiraten. Als Meister der Verführung schafft er es, ihr am Sarg ihres ermordeten Ehemannes einen Antrag zu machen, den sie tatsächlich annimmt.

ANNA

Laß, Himmel, deinen Blitz den Mörder schlagen!

Gähn, Erde, weit, und schling ihn lebend ein,

Wie jetzo dieses guten Königs Blut,

Den sein der Höll’ ergebner Arm gewürgt!

RICHARD

Herrin, ihr kennt der Liebe Vorschrift nicht,

Mit Gutem Böses, Fluch mit Segen lohnen.

ANNA

Bube, du kennst kein göttlich, menschlich Recht;

Das wildste Tier kennt doch des Mitleids Regung.

RICHARD

Ich kenne keins, und bin daher kein Tier.

ANNA

O Wunder, wenn ein Teufel Wahrheit spricht!

RICHARD

Mehr Wunder, wenn ein Engel zornig ist!

Geruhe, göttlich Urbild eines Weibes,

Von der vermeinten Schuld mir zu erlauben

Gelegentlich bei dir mich zu befrein.

ANNA

Geruhe, gift’ger Abschaum eines Manns,

Für die bekannte Schuld mir zu erlauben

Gelegentlich zu fluchen dir Verfluchtem.

RICHARD

Du, schöner als ein Mund dich nennen kann!

Verleih geduld’ge Frist, mich zu entschuld’gen.

ANNA

Du, schnöder als ein Herz dich denken kann!

Für dich gilt kein Entschuld’gen als dich hängen.

RICHARD

Verzweifelnd so, verklagt ich ja mich selbst.

ANNA

Und im Verzweifeln wärest du entschuldigt,

Durch Übung würd’ger Rache an dir selbst,

Der du unwürd’gen Mord an andern übtest. […]

Hast du nicht diesen König umgebracht?

RICHARD

Ich geb es zu.

ANNA

Zugibst du’s, Igel? Nun, so geb auch Gott,

Daß du verdammt seist für die böse Tat!

O er war gütig, mild und tugendsam.

RICHARD

So taugt er, bei des Himmels Herrn zu wohnen. […]

Er danke mir, der ihm dahin verholfen;

Er taugte für den Ort, nicht für die Erde.

ANNA

Du taugst für keinen Ort als für die Hölle.

RICHARD

Ja, einen noch, wenn ich ihn nennen darf.

ANNA

Ein Kerker.

RICHARD

Euer Schlafzimmer.

ANNA

Verbannt sei Ruh vom Zimmer, wo du liegst.

RICHARD

Das ist sie, Herrin, bis ich bei euch liege.

ANNA

Ich hoff es.

RICHARD

Ich weiß es. – Doch, liebe Lady Anna,

Um aus dem raschen Anlauf unsers Witzes

In einen mehr gesetzten Ton zu fallen:

Ist, wer verursacht den zu frühen Tod

Der zwei Plantagenets, Heinrich und Eduard,

So tadelnswert als der Vollzieher nicht?

ANNA

Du warst die Ursach und verfluchte Wirkung.

RICHARD

Eu’r Reiz allein war die Ursach dieser Wirkung.

Eu’r Reiz, der heim mich sucht in meinem Schlaf,

Von aller Welt den Tod zu unternehmen

Für eine Stund an eurem süßen Busen.

ANNA

Dächt ich das, Mörder, diese Nägel sollten

Von meinen Wangen reißen diesen Reiz.

RICHARD

Dies Auge kann den Reiz nicht tilgen sehn:

Ihr tätet ihm kein Leid, ständ ich dabei.

Wie alle Welt sich an der Sonne labt,

So ich an ihm; er ist mein Tag, mein Leben.

ANNA

Nacht schwärze deinen Tag und Tod dein Leben.

RICHARD

Fluch, hold Geschöpf, dir selbst nicht: du bist beides.

ANNA

Ich wollt, ich wär’s, um mich an dir zu rächen.

RICHARD

Es ist ein Handel wider die Natur,

Dich rächen an dem Manne, der dich liebt.

ANNA

Es ist ein Handel nach Vernunft und Recht,

Mich rächen an dem Mörder meines Gatten.

RICHARD

Der dich beraubte, Herrin, deines Gatten,

Tat’s, dir zu schaffen einen bessern Gatten.

ANNA

Ein bessrer atmet auf der Erde nicht.

RICHARD

Es lebt wer, der euch besser liebt als er.

ANNA

Nenn’ ihn. [...] Wo ist er?

RICHARD

Hier. – Warum speist du mich an?

ANNA

Wär es doch tödlich Gift, um deinethalb! [...]

Aus meinen Augen fort! Du steckst sie an.

RICHARD

Dein Auge, Herrin, hat meins angesteckt.

ANNA

O wär’s ein Basilisk, dich tot zu blitzen!

RICHARD

Ich wollt’ es selbst, so stürb ich auf einmal,

Denn jetzo gibt es mir lebend’gen Tod.

Dein Aug erpreßte meine salze Tränen,

Beschämt ihr Licht mit kind’scher Tropfen Fülle,

Die Augen nie benetzt von Mitleids-Tränen [...]

Ich flehte niemals weder Freund noch Feind,

Nie lernte meine Zunge Schmeichel-Worte:

 

Doch nun dein Reiz mir ist gesetzt zum Preis,

Da fleht mein stolzes Herz, und lenkt die Zunge. [...]

Kann nicht verzeihn dein rachbegierig Herz,

So biet ich, sieh! dies scharfgespitzte Schwert;

Birg’s, wenn du willst, in dieser treuen Brust,

Und laß die Seel heraus, die dich vergöttert:

Ich lege sie dem Todesstreiche bloß,

Und bitt in Demut knieend, um den Tod.

Nein, zögre nicht: ich schlug ja König Heinrich,

Doch deine Schönheit reizte mich dazu.

Nur zu! Denn ich erstach den jungen Eduard:

Jedoch dein himmlisch Antlitz trieb mich an.

Nimm auf den Degen, oder nimm mich auf.

ANNA

Steh, Heuchler, auf! Wünsch ich schon deinen Tod,

So will ich doch nicht sein Vollstrecker sein.

RICHARD

So heiß mich selbst mich töten, und ich will’s.

ANNA

Ich tat es schon.

RICHARD

Das war in deiner Wut.

Sag’s noch einmal, und gleich soll diese Hand,

Die deine Lieb’ aus Lieb’ erschlug zu dir,

Weit treuere Liebe dir zu Lieb’ erschlagen;

Du wirst an beider Tod mitschuldig sein.

ANNA

Kennt’ ich doch nur dein Herz!

RICHARD

Auf meiner Zunge wohnt’s.

ANNA

Vielleicht sind beide falsch.

RICHARD

Dann meint’s niemand treu.

ANNA

Nun wohl, steckt ein das Schwert. [...]

RICHARD

Darf ich in Hoffnung leben?

ANNA

Ich hoffe, jeder tut’s.

RICHARD

Tragt diesen Ring von mir.

ANNA

Annehmen ist nicht geben.

RICHARD

Sieh, wie der Ring umfasset deinen Finger,

So schließt dein Busen ein mein armes Herz;

Trag beide, denn sie sind ja beide dein.

(I, 2)

Wieder allein kann Richard selbst kaum glauben, dass es ihm gelungen ist, Anna umzustimmen.

RICHARD

Ward je in dieser Laun’ ein Weib gefreit?

Ward je in dieser Laun’ ein Weib gewonnen?

Ich will sie haben, doch nicht lang behalten.

Wie? Ich, der Mörder ihres Manns und Vaters,

In ihres Herzens Abscheu sie zu fangen,

Im Munde Flüche, Tränen in den Augen,

Der Zeuge ihres Hasses blutend da;

Gott, ihr Gewissen, all dies wider mich,

Kein Freund, um mein Gesuch zu unterstützen,

Als Heuchler-Blicke und der bare Teufel,

Und doch sie zu gewinnen! Alles gegen nichts!

(I, 2)

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