Cymbeline

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

William Shakespeare



Cymbeline





Dieses ebook wurde erstellt bei






Inhaltsverzeichnis





Titel







Cymbeline







Erster Aufzug







Zweiter Aufzug







Dritter Aufzug







Vierter Aufzug







Fünfter Aufzug







Impressum neobooks







Cymbeline




Erster Aufzug




Erste Szene



Britannien. Garten in Cymbelines Palast.




Zwei Edelleute treten auf.




ERSTER EDELMANN.




Ja, hier schaut jeder finster: unser Blut



Folgt minder nicht dem Himmel, als der Höfling



Stets wie der König scheinen will.



ZWEITER EDELMANN.



Der Grund?



ERSTER EDELMANN.



Die Erbin dieses Reiches, seine Tochter,



Bestimmt' er seiner Frauen einz'gem Sohn,



Die er als Witwe kürzlich sich vermählt.



Die Tochter wählte nun den Gatten selbst,



Der arm, doch edel ist: sie sind vermählt;



Der Mann verbannt, verhaftet sie: und alles



Ist äußrer Schmerz; obwohl der König, mein' ich,



Wahrhaft bekümmert ist.



ZWEITER EDELMANN.



Der König nur?



ERSTER EDELMANN.



Auch er, der sie verlor; die Kön'gin gleichfalls,



Die jenes Bündnis wünschte. Doch kein Höfling



(Wenn alle auch ihr Antlitz stimmen nach



Des Königs Blick), des Herz sich nicht erfreut



Ob dem, weshalb sie grollen.



ZWEITER EDELMANN.



Und warum?



ERSTER EDELMANN.



Der die Prinzeß verlor, ist ein Geschöpf,



Zu schlecht, ihn schlecht zu nennen; der sie hat



(Das heißt, dem sie vermählt, der Ärmste, ach!



Deshalb verbannt) ist solch vollendet Wesen,



Daß, wenn man auch den Erdkreis rings durchsuchte



Nach einem, so wie er, stets blieb' ein Mangel



Dem, der sich ihm vergleicht: denn ich vermeine,



Mit so viel innerm Wert und äußrer Schönheit



Sei niemand sonst begabt.



ZWEITER EDELMANN.



Ihr übertreibt.



ERSTER EDELMANN.



Ich mess' ihn nur weit unter seiner Größe,



Drück' ihn zusammen, statt ihn zu entfalten



In voller Macht.



ZWEITER EDELMANN.



Wie ist sein Nam' und Ursprung?



ERSTER EDELMANN.



Ich kenne seinen Stammbaum nicht. Sicilius,



So hieß sein Vater, kämpft' einst ruhmbekränzt



Gegen die Römer, mit Cassibelan;



Doch dem Tenantius dankt er seine Würden,



Dem er mit Glanz und seltnem Glück gedient;



So ward er Leonatus zubenannt.



Er hatte, außer jenem edlen Sohn,



Zwei andre noch, die, in dem Krieg der Zeit,



Das Schwert in Händen, fielen, was des Greises



Zu heft'ge Vaterliebe so erschüttert,



Daß er sich tot gehärmt; sein edles Weib,



Schwanger mit dem, von dem wir sprechen, starb



Bei der Geburt. Da nimmt das Kind der König



In seinen Schutz, und nennt ihn Posthumus Leonatus;



Läßt ihn erziehn, macht ihn zu seinem Pagen,



Zu jeder Wissenschaft ihm Zugang bahnend,



Für die sein Alter reif. Das sog er ein,



Wie wir die Luft, es augenblicks begreifend;




Sein Frühling ward schon Ernt'; er lebt' am Hofe



(Ein seltner Fall!) in Lieb' und Lob der Erste;



Dem Jüngsten Musterbild, dem Reiferen



Ein Spiegel für des Schmucks Vollendung, und



Ein Kind den Ernstern, die zu Toren wurden,



Umführen sich zu lassen; seiner Gattin,



Für die er jetzt verbannt, – ihr eigner Wert



Zeigt, wie sie ihn und seine Tugend schätzte:



In ihrer Wahl könnt Ihr am besten lesen,



Was für ein Mann er ist.



ZWEITER EDELMANN.



Ich her' ihn schon,



In Eurer Schild'rung. Doch, ich bitt' Euch, sagt mir,



Ist sie des Königs einz'ges Kind?



ERSTER EDELMANN.



Sein einz'ges.



Zwei Söhne hatt' er (dünkt's Euch merkenswert,



So hört mir zu): der älteste drei Jahr,



Der zweit' in Windeln, wurden sie gestohlen



Aus ihrer Ammenstub', und niemand ahnet



Bis diese Stunde, was aus ihnen ward.



ZWEITER EDELMANN.



Wann fiel das vor?



ERSTER EDELMANN.



Vor etwa zwanzig Jahren.



ZWEITER EDELMANN.



Daß Königskinder so entwendet wurden!



So schlecht bewacht! So schläfrig aufgesucht,



Daß keine Spur sich fand!



ERSTER EDELMANN.



Mag's seltsam sein,



Und fast zum Lachen solche Lässigkeit,



So ist es dennoch wahr.



ZWEITER EDELMANN.



Ich glaub' es Euch.



ERSTER EDELMANN.



Wir müssen uns zurückziehn, denn hier kommt



Der edle Herr, die Kön'gin und Prinzessin.




Sie gehn ab.






Zweite Szene



Ebendaselbst.




Es treten auf die Königin, Imogen und Posthumus.




KÖNIGIN.




Nein, Tochter, sei gewiß, nie find'st du mich,



Nach der Stiefmütter allgemeinem Ruf,



Scheeläugig gegen dich: zwar als Gefangne



Bewahr' ich dich; doch gibt dein Wächter selbst



Den Kerkerschlüssel dir. Und, Posthumus,



Sobald ich kann den grimmen König sänft'gen,



Sollt Ihr in mir den Anwalt sehn; doch jetzt



Entflammt ihn noch der Zorn: drum ist es besser,



Ihr neigt Euch seinem Spruch, und so geduldig,



Wie Euch die eigne Weisheit lehrt.



POSTHUMUS.



Ja, Hoheit,



Ich reise heut.



KÖNIGIN.



Wohl kennt ihr die Gefahr –



Nur durch den Garten geh' ich, denn mich jammert



Die Qual gehemmter Lieb'; obwohl der König



Befahl, ihr sollt nicht mit einander sprechen.




Sie geht ab.



IMOGEN.



O heuchlerische Güte! Schmeichelnd kitzelt



Die Schlange, wo sie sticht! – Geliebter Mann,



Wohl fürcht' ich etwas meines Vaters Zorn,



Doch nicht (mein heilig Bündnis ausgenommen),



Was seine Wut mir tun kann. Du mußt fort;



Ich bleibe hier zurück, ein stündlich Ziel



Erzürnten Blicks; nichts tröstet mich im Leben,



Als daß die Welt mein Kleinod noch bewahrt,



Damit ich's wiederseh'.



POSTHUMUS.



O meine Kön'gin,



Herrin, Geliebte, weint nicht mehr; daß mich



Verdacht nicht treffe weichrer Zärtlichkeit,



Als sie dem Manne ziemt! Ich bleib' auf ewig



Der treuste Gatte, der je Treu' gelobte.



In Rom nun wohn' ich, bei Philario dort,



Der meines Vaters Freund war, doch mit mir



Durch Briefe nur verbunden: dorthin schreibe,



Und mit den Augen trink' ich deine Worte,



Ist Galle gleich die Tinte.




Die Königin kommt zurück.




KÖNIGIN.



Eilt, ich bitte!



Denn wenn der König kommt, so fällt auf mich



Wer weiß wie viel von seinem Zorn.



Beiseit.




Doch führ' ich



Ihn dieses Weges; kränk' ich ihn auch stets,



Mein Unrecht kauft er ab, versöhnt zu sein,



Zahlt mein Versünd'gen schwer.




Geht ab.




POSTHUMUS.



Nähmen wir Abschied



So lange Zeit, als wir noch leben sollen,



Der Schmerz der Trennung wüchse stets. Leb wohl!



IMOGEN.



Oh, nicht so rasch:



Ritt'st du nur aus, um frische Luft zu schöpfen,



Zu kurz wär' solch ein Abschied. Sieh, Geliebter,



Der Demant ist von meiner Mutter: nimm ihn;



Bewahr' ihn, bis ein andres Weib du freist,




Ist Imogen gestorben.



POSTHUMUS.



Wie! Ein andres? –



Ihr Götter, laßt mir die nur, die ich habe,



Und wehrt mir die Umarmung einer andern



Mit Todesbanden! – Bleib', o bleibe hier,



Solang' hier Leben wohnt!




Er steckt den Ring an.



Und, Süße, Holde,



Wie ich mein armes Selbst für dich vertauschte,



Zu deinem schlimmsten Nachteil: so gewinn' ich



Sogar bei diesem Tand; dies trag' von mir,



's ist eine Liebesfessel, die ich um



Die holdeste Gefangne lege.




Er legt ihr ein Armband an.




IMOGEN.

 



Götter!



Ach! Wann sehn wir uns wieder?




Cymbeline tritt auf mit Gefolge.




POSTHUMUS.



Weh! Der König!



CYMBELINE.



Hinweg! Elender du, mir aus den Augen!



Belästigst du den Hof nach diesem Wort



Mit deinem Unwert noch, so stirbst du; fort! –



Gift bist du meinem Blut.



POSTHUMUS.



Die Götter schützen Euch!



Und segnen alle Guten, die hier bleiben!



Ich gehe.




Er geht ab.




IMOGEN.



Keine Marter hat der Tod



So scharf wie diese.



CYMBELINE.



Pflichtvergeßnes Ding,



Du sollt'st die Jugend mir erneun, und häufst



Mir nur der Jahre Last.



IMOGEN.



Ich bitt' Eu'r Hoheit,



Kränkt Euch nicht selbst mit Eurem Gram: ich bin



Gefühllos Eurem Zorn; ein tiefres Leid



Tilgt Furcht und Angst.



CYMBELINE.



So ohne Gnad' und Sitte?



IMOGEN.



Ja, ohne Hoffnung: so weit ohne Gnade.



CYMBELINE.



Den einz'gen Sohn der Kön'gin auszuschlagen!



IMOGEN.



Oh! Wohl mir, daß ich's tat! Den Adler wählt' ich,



Und jagt' den Raben fort.



CYMBELINE.



Den Bettler nahmst du, hättest meinen Thron



Zum Sitz der Niedrigkeit gemacht.



IMOGEN.



O nein;



Ich gab ihm neuen Glanz.



CYMBELINE.



Verworfne!



IMOGEN.



Vater,



Nur Ihr seid schuld, lieb' ich den Posthumus:



Ihr zogt ihn auf als meinen Spielgefährten;



Er ist ein Mann, wert jeder Frau; und der



Fast um den ganzen Preis mich überzahlt.



CYMBELINE.




Was! – bist du toll?



IMOGEN.



Beinah', der Himmel steh' mir bei! – Oh, wär' ich



Doch eines Schäfers Tochter! Mein Leonatus,



Des Nachbarhirten Sohn!




Die Königin tritt auf.




CYMBELINE.



Du töricht Mädchen! –



Beisammen waren wieder sie; Ihr tatet



Nicht, wie wir Euch befahlen. Fort mit ihr,



Und schließt sie ein!



KÖNIGIN.



Ich bitt' Euch, ruhig – still,



Prinzessin Tochter, still! – Geliebter Herr,



Laßt uns allein, und sucht Euch zu erheitern,



Wie Ihr's am besten könnt!



CYMBELINE.



Mag sie verschmachten



Täglich um einen Tropfen Bluts, und alt



An dieser Torheit sterben!




Er geht ab.




Pisanio tritt auf.




KÖNIGIN.



Pfui! – Gebt nach!



Hier ist Eu'r Diener. – Nun, was bringst du Neues?



PISANIO.



Der Prinz, Eu'r Sohn, zog gegen meinen Herrn.



KÖNIGIN.



Kein Leid ist doch geschehn?



PISANIO.



Es konnte treffen,



Nur spielte mehr mein Herr, anstatt zu fechten,



Und war durch Zorn nicht angereizt; es trennten



Sie ein'ge Herren in der Näh'.



KÖNIGIN.



Das freut mich.



IMOGEN.



Ja, meines Vaters Freund ist Euer Sohn;



Er nimmt sich seiner an. –



Auf den Verbannten ziehn! – O tapfrer Held! –



Ich wünschte sie in Afrika beisammen,



Und mich mit Nadeln dort, um den zu stechen,



Der rückwärts geht. – Was ließest du den Herrn?



PISANIO.



Weil er's befahl; zum Hafen ihn zu bringen,



Erlaubt' er nicht; er gab mir dies Verzeichnis



Von Diensten, die ich Euch zu leisten hätte,



Gefiel's Euch, mich zu brauchen.



KÖNIGIN.



Dieser war



Dein treuer Diener stets; mein Wort verpfänd' ich,



Daß er's auch bleiben wird.



PISANIO.



Ich dank' Eu'r Hoheit.



KÖNIGIN.



Komm, zum Spazierengehn!



IMOGEN.



Frag' bei mir an



In einer halben Stunde: – meinen Herrn



Mußt du an Bord noch sehn; – für jetzt verlaß mich!




Alle ab.






Dritte Szene



Freier Platz.




Cloten tritt auf mit zwei Edelleuten.





ERSTER EDELMANN. Prinz, ich möchte Euch doch raten, das Hemde zu wechseln; die Heftigkeit der Bewegung macht, daß Ihr wie ein Opfer raucht: wo Luft ausströmt, zieht auch Luft ein, und keine äußere Luft ist so gesund, als die Ihr ausströmt.



CLOTEN. Wenn mein Hemd blutig wäre, dann sollt's gewechselt – Hab' ich ihn verwundet?



ZWEITER EDELMANN für sich. Nein, wahrhaftig; nicht einmal seine Geduld.



ERSTER EDELMANN. Ihn verwundet? Sein Körper ist ein durchdringliches Beingerippe, wenn er nicht verwundet ist – er ist eine Durchfahrt für Stahl, wenn er nicht verwundet ist.



ZWEITER EDELMANM für sich. Sein Degen hatte Schulden, und versteckte sich hinterwärts.



CLOTEN. Der Schurke wollte mir nicht stehn.



ZWEITER EDELMANN für sich. Nein, er floh immer vorwärts, auf dein Gesicht zu.



ERSTER EDELMANN. Euch stehn! Ihr habt selbst schon Land genug, aber er vergrößerte Euern Besitz: er gab Euch noch etwas Boden zu.



ZWEITER EDELMANN für sich. Ja, so viel Zoll, als du Weltmeere hast; ihr Laffen!



CLOTEN. Ich wollte, sie wären nicht zwischen uns gekommen.



ZWEITER EDELMANN für sich. Das wollte ich auch, bis du gemessen hättest, wie lang ein Narr ist, wenn er auf der Erde liegt.



CLOTEN. Und daß sie diesen Kerl lieben muß, und mich abweisen!



ZWEITER EDELMANN für sich. Wenn es Sünde ist, eine richtige Wahl zu treffen, so ist sie verdammt.



ERSTER EDELMANN. Prinz, ich sagte es Euch immer, ihre Schönheit und ihr Verstand halten nicht gleichen Schritt; sie ist ein treffliches Gemälde, aber ich habe wenige Reflexe ihres Geistes gesehen.



ZWEITER EDELMANN für sich. Sie scheint nicht auf Narren, der Reflex möchte ihr schaden.



CLOTEN. Kommt auf mein Zimmer; ich wollte, es wäre irgendein Unglück geschehen.



ZWEITER EDELMANN für sich. Das wollte ich nicht; es wäre denn der Fall eines Esels, was kein großes Unglück ist.



CLOTEN. Wollt Ihr mit uns gehn?



ERSTER EDELMANN. Ich folge Euch, gnädiger Herr.



CLOTEN. Nein, kommt, gehn wir zusammen!



ZWEITER EDELMANN. Wohl, mein Prinz.




Alle ab.






Vierte Szene



Zimmer im Palast. Imogen und Pisanio tretenauf.




IMOGEN.




Ich wollt', am Hafen ständ'st du eingewurzelt



Und fragtest jedes Schiff. Wenn er mir schriebe,



Und ich bekäm's nicht, solch ein Brief verloren



Ist wie Verlust des Heils. Was war das Letzte,



Was er sprach?



PISANIO.



Es war: »O meine Königin!«



IMOGEN.



Dann winkt' er mit dem Tuch?



PISANIO.



Und küßt' es, Fürstin.



IMOGEN.



Fühllose Leinwand, glücklicher als ich! –



Und das war alles?



PISANIO.



Nein, Prinzessin; denn



Solang' er's machen konnte, daß ihn Auge



Und Ohr von andern unterschied, blieb er



Auf dem Verdeck, mit Handschuh, Tuch und Hut



Stets winkend, wie der Sturm und Drang der Seele



Ausdrücken konnt' am besten, wie so langsam



Sein Herz von hinnen zieh', wie schnell sein Schiff.



IMOGEN.



Er mußte klein wie eine Kräh' dir werden,



Und kleiner, eh' du aufgabst, nachzuschaun.



PISANIO.



Das tat ich, gnäd'ge Frau.



IMOGEN.



Zerrissen hätt' ich mir die Augennerven,



Nur um nach ihm zu sehn, bis die Verklein'rung



Des Raums ihn zugespitzt wie meine Nadel.



Ihm schaut' ich nach, bis er verschmolzen wäre



Von Kleinheit einer Mück' in Luft; und dann



Hätt' ich mich abgewendet und geweint. –



Pisanio, sprich, wann hören wir von ihm?



PISANIO.



Gewiß mit nächster Schiffsgelegenheit.



IMOGEN.



Wir nahmen Abschied nicht, und noch viel Liebes



Wollt' ich ihm sagen – zu erzählen wünscht' ich,



Wie ich sein dächt' in der und jener Stunde,



Gedenken dies und das; und schwören sollt' er,



Italiens Liebchen möchten nicht verlocken



Mein Recht und seine Her'; ich wollt' ihn nöt'gen,



Um sechs Uhr morgens, Mitternacht und Mittag



Mir betend zu begegnen, weil ich dann



Für ihn im Himmel bin; ich wollt' ihm geben



Den Abschiedskuß, den in zwei Zauberworte



Ich eingefaßt: da tritt mein Vater ein,



Und wie der grimme Hauch des Nordens schüttelt



Er unsre Knospen ab, eh' sie erblüht.




Eine Hofdame tritt auf.




HOFDAME.



Die Kön'gin wünscht Eu'r Hoheit Gegenwart.



IMOGEN.



Was ich dir aufgetragen, das besorge! –



Der Kön'gin wart' ich auf.



PISANIO.



Wie Ihr befehlt.




Alle ab.






Fünfte Szene



Rom, in Philarios Hause.




Es treten auf Philario, Jachimo, ein Franzose, ein Holländer und ein Spanier.





JACHIMO. Glaubt mir, Herr, ich kannte ihn in Britannien: sein Ansehn war damals im Wachsen, und man erwartete die Vortrefflichkeit von ihm, die ihm später auch dem Namen nach zugestanden wurde; aber ich hätte ihn damals ohne die Nachhülfe der Bewunderung ansehn können, wenn auch das Verzeichnis aller seiner Gaben neben ihm aufgestellt gewesen wäre und ich ihn so artikelweise durchgelesen hätte.



PHILARIO. Ihr sprecht von einer Zeit, da er noch weniger ausgestattet war, als er jetzt ist, mit allen den Gaben, die ihn geistig und leiblich so auszeichnen.



FRANZOSE. Ich sah ihn in Frankreich, und dort hatten wir viele, die mit ebenso festem Auge als er in die Sonne blicken konnten.



JACHIMO. Der Umstand, daß er seines Königs Tochter geheiratet hat (wobei er mehr nach ihrem als nach seinem eigenen Werte gewogen werden muß), ist gewiß ein Hauptgrund, daß man ihn weit über die Wahrheit hinaus preist.



FRANZOSE. Und dann seine Verbannung: –



JACHIMO. Ja, und die Billigung derer, die diese klägliche Scheidung beweinen und der Fürstin zugetan sind; alle diese erheben ihn wunderbar über sein Maß; geschähe es auch nur, um der Prinzessin Urteilmehr zu befestigen, welches außerdem ein schwaches Geschütz niederschmettern würde, wenn sie einen Bettler genommen hätte, den nicht die höchsten Gaben schmückten. Aber wie kommt es, daß er bei Euch wohnen wird? Woher schreibt sich diese Bekanntschaft?



PHILARIO. Sein Vater und ich waren Kriegskameraden, und ich hatte diesem oft nichts Geringeres als mein Leben zu danken.




Posthumus tritt auf.




Hier kommt der Brite: laßt seine Aufnahme unter euch so sein, wie sie Männern von eurem Verstand gegen einen Fremden von seinen Verdiensten ziemt! – Ich bitte euch alle, macht euch näher mit diesem Herrn bekannt, den ich euch als meinen edlen Freund empfehle: seine Vortrefflichkeit möge sich in Zukunft lieber selbst kund geben, als von mir vor seinem Ohr gepriesen werden.



FRANZOSE. Herr, wir kannten uns in Orleans.



POSTHUMUS. Seitdem war ich Euer Schuldner für Artigkeiten, an denen ich stets abzuzahlen haben und doch in Eurer Schuld bleiben werde.



FRANZOSE. Herr, Ihr überschätzt meine geringen Freundschaftsdienste: es war mir lieb, daß ich Euch und meinen Landsmann versöhnen konnte; es wäre schade gewesen, wäret Ihr mit so tödlichen Vorsätzen zusammen gekommen, wie ihr sie damals beide hattet, und wegen einer Sache von so leichter, unbedeutender Art.



POSTHUMUS. Verzeiht mir, ich war damals ein junger Reisender; etwas störrisch, dem, was ich hörte, beizustimmen, und wenig geneigt, mich in jeglicher Handlung durch die Erfahrung anderer leiten zu lassen; aber auch nach meinem reiferen Urteil (wenn ich nicht prahle, es reifer zu nennen) war mein Zwist von damals doch nicht so ganz unbedeutend.




FRANZOSE. Wahrhaftig doch zu unbedeutend, um der Entscheidung der Waffen unterworfen zu werden; und von zwei solchen Männern, wo, höchst wahrscheinlich, einer vom andern vernichtet oder beide gefallen wären.

 



JACHIMO. Darf man, ohne Unbescheidenheit, fragen, was der Streit war?



FRANZOSE. Warum nicht? Es wurde öffentlich verhandelt, und mag drum ohne Anstoß wieder erzählt werden. Es betraf einen Punkt, dem ähnlich, über den wir gestern abend stritten, wo jeder von uns sich im Lob der Damen seines Landes ergoß; dieser Herr beteuerte damals (und zwar auf die Gewähr, es mit seinem Blute zu beweisen), die seinige sei schöner, tugendhafter, weiser, keuscher, standhafter und unverführbarer als irgendeine unsrer auserlesensten Damen in Frankreich.



JACHIMO. Diese Dame lebt nicht mehr; oder der Glaube dieses Herrn ist, was den Punkt betrifft, schwächer geworden.



POSTHUMUS. Sie behauptet noch ihre Tugend, und ich meine Meinung.



JACHIMO. Ihr dürft sie nicht so sehr über unsere Italienerinnen erheben.



POSTHUMUS. Wenn ich so gereizt würde, wie damals in Frankreich, so würde ich sie ebenso wenig beeinträchtigen lassen; obwohl ich mich ihren Anbeter nenne, nicht ihren Geliebten.



JACHIMO. Ebenso schön als gut (fast eine zu verschwisterte Vergleichung), wäre etwas zu schön und zu gut für irgendeine Dame in Britannien gewesen. Wenn sie andre, die ich gekannt habe, so sehr übertrifft, wie dieser Euer Diamant manchen, den ich sah, übertrahlt, so muß ich wohl glauben, daß sie unter vielen die vorzüglichste ist; doch unter allen Kleinodien, die es gibt, sah ich wohl nicht das köstlichste, noch Ihr die edelste unter den Weibern.



POSTHUMUS. Ich pries sie, wie ich sie schätze: und so auch meinen Stein.



JACHIMO. Wie hoch haltet Ihr ihn?



POSTHUMUS. Höher als alles, dessen die Welt sich rühmt.



JACHIMO. Entweder ist Eure unvergleichliche Geliebte tot, oder sie wird von einer Kleinigkeit überboten.



POSTHUMUS. Ihr seid im Irrtum; das eine mag verkauft oder verschenkt werden, wenn Reichtum genug für die Zahlung, oder Verdienst genug für die Gabe da wäre; das andere ist nicht feil, und nur einzig Gabe der Götter.



JACHIMO. Welche die Götter Euch verliehen haben?



POSTHUMUS. Welche, durch ihre Gnade, mein bleiben wird.



JACHIMO. Ihr mögt sie, dem Namen nach, als die Eurige haben; aber Ihr wißt, fremde Vögel lassen sich auf den Teich des Nachbars nieder. Euer Ring kann Euch ebenfalls gestohlen werden: so ist von Euren beiden unschätzbaren Gütern das eine nur schwach, und das andere zufällig; ein listiger Dieb oder ein in dem Punkt vollendeter Hofmann würden es unternehmen, Euch das eine oder das andere abzugewinnen.




POSTHUMUS. Euer Italien besitzt keinen so vollendeten Höfling, daß er die Ehre meiner Geliebten in Gefahr bringen könnte; wenn Ihr sie im Bewahren oder Verlust derselben schwach nennen wollt. Ich zweifle nicht im mindesten, daß Ihr einen Überfluß von Dieben habt, demungeachtet fürchte ich nichts für meinen Ring.



PHILARIO. Laßt uns hier abbrechen, meine Freunde!



POSTHUMUS. Von Herzen gern. Dieser würdige Signor, ich danke ihm dafür, behandelt mich nicht als Fremden; wir sind gleich bei erster Bekanntschaft Vertraute.



JACHIMO. Mit fünfmal so viel Gespräch würde ich mir bei Eurer schönen Gebieterin Bahn machen, sie rückwärts treiben, ja, zum Wanken bringen, hätte ich Zutritt und Gelegenheit zu Freunden.



POSTHUMUS. Nein, nein.



JACHIMO. Ich wage es, darauf die Hälfte meines Vermögens gegen Euren Ring zu verpfänden, die, nach meiner Schätzung, noch etwas mehr wert ist; aber ich unternehme meine Wette vielmehr gegen Eure Zuversicht, als ihre Ehre: und, um hierin auch jede Beleidigung Eurer auszuschließen, ich wage den Versuch gegen jede Dame in der Welt.



POSTHUMUS. Ihr seid außerordentlich getäuscht in dieser zu dreisten Überzeugung, und ich zweifle nicht, Euch wird das, was Ihr durch solcherlei Versuch verdient.



JACHIMO. Und das wäre?



POSTHUMUS. Eine Abweisung; obwohl Euer Versuch, wie Ihr es nennt, mehr verdient: Züchtigung auch.



PHILARIO. Ihr Herrn, genug davon: das kam zu plötzlich; laßt es sterben, wie es geboren ward, und – ich bitte – lernt euch besser kennen!



JACHIMO. Ich wollte, ich hätte mein und meines Nachbars Vermögen auf die Beweisführung dessen gesetzt, was ich behauptete.



POSTHUMUS. Welche Dame wähltet Ihr zu Eurem Angriff?



JACHIMO. Die Eure, deren Festigkeit Ihr für so unerschütterlich haltet. Ich setze zehntausend Dukaten gegen Euren Ring, mit dem Beding, Ihr empfehlt mich an den Hof, wo Eure Dame lebt, ohne mehr Begünstigung, als di

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?