Kostenlos

Deutsche Humoristen, 4. und 5. Band (von 8)

Text
Autor:
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Deutsche Humoristen, 4. und 5. Band (von 8)
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Einleitung

Es könnte wohl als selbstverständlich scheinen und ist doch wohl nicht ganz unnötig, hier einleitend zu betonen, daß ein Band humoristische Gedichte, von der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung herausgegeben, seinen besonderen Charakter haben wird, daß manch einer nach dem Titel vielleicht ein anderes Buch vermuten wird, als er es hernach findet. Es wird sich hier nicht lediglich um eine Sammlung von spaßigen Schnurren handeln können, mögen auch solche Schnurren in guter Zahl darin vertreten sein. Die da Aufnahme gefunden haben, haben sich indes auch immer ausweisen müssen, daß sie mehr bieten konnten als eine Anekdote, bei der der Spaß, die Pointe am Schluß das allein Wertvolle, weswegen es sich verlohnte, die Geschichte überhaupt anzuhören. Hier soll die Schnurre schon schnurrig sein vor dem Schluß, der Humor soll bereits in der ganzen Behandlung des Stoffs, ja gar schon in der äußern Form des Gedichts liegen.

Doch ist nun mit solchen Schnurren das Reich des Humors keineswegs zu Ende, sondern es erstreckt sich viel, viel weiter. Wo immer der Widerstreit zwischen Idee und Wirklichkeit zutage tritt, da hat er auch sein Banner mit der „lachenden Träne“ aufgepflanzt. Grenzstreitigkeiten können sich allerdings jeweilig ergeben mit der benachbarten Satire. Auch für diese Sammlung bestand die Aufgabe, nach dieser Seite hin die richtige Grenze zu ziehen. Sie dürfte wohl im großen und ganzen getroffen sein, wo nach dem Grundsatz verfahren ward, Gedichte von tendenziösem und didaktischem Charakter beiseite zu lassen. Bei dem Satiriker herrscht das ethische Moment vor, er zeigt den Abstand von Idee und Wirklichkeit, „die Menschen zu bessern und zu bekehren“, er will reizen und anstacheln; und auch, wo er alle Hoffnung fahren läßt, nach der Seite der Tat hin etwas zu erreichen, da noch mit bitterm Spott und Hohn klagt er und klagt er an, wie die ideale Forderung so schlecht gedeckt wird. Der Humor aber bleibt im Gebiet des rein Ästhetischen, er nimmt den Gegensatz zwischen Idee und Wirklichkeit, ob auch jeweilig mit wehmütiger Resignation, als unabänderlich gegeben hin. Dieser Kontrast zwischen der Idee und ihrer Erscheinungsform reizt ihn rein als künstlerisches Motiv, und wie er resigniert sich bescheidet, erwächst ihm aus seinem Bescheiden ein tiefer, frommer Optimismus, eine bejahende Freude, daß doch noch in allem Niedrigen und Widrigen der Welt, durch alle Krümmungen und Verzerrungen hindurch die Herrlichkeit der Idee sich offenbart. Und wo er auch ihres Glanzes nur einen matten Schimmer und ein flüchtiges Aufleuchten gewahrt, ist er darob gleich bereit, dem ganzen peinlichen Erdenrest zu vergeben. Wenn solcher Art sein Spott keine Gebrechen und Schwächen verschont, so wirkt der Humor doch bei alledem mild und versöhnend, er weiß zu verstehen und zu verzeihen und läßt keinen Stachel zurück. So gleicht er jener heiligen Lanze, die die Wunden, die sie geschlagen, auch selbst wieder zu heilen vermochte.

Wo irgendwie in dieser Sammlung jedennoch das Element des Didaktischen, Tendenziösen, Satirischen sich geltend macht, da wird es nur als ein sekundäres Element erscheinen gegenüber dem vorherrschenden des reinen Humors, der jenes unterworfen und bewältigt hat. Natürlich konnte das Didaktische in dem Falle ohne weiteres seinen Platz beanspruchen, wo die Didaktik darauf hinausläuft, den Humor als Weltanschauung zu lehren und zu feiern. Doch wird auch wohl bei manchen Fabeln und Schnurren, wie sie hier aufgenommen, schließlich noch irgendeine Weisheit mit behaglich überlegenem Schmunzeln zugegeben; der Dichter drapiert sich als Weiser, der, nur diese Weisheit zu beweisen, die Geschichte erzählt hat, doch der Schalk guckt ihm dabei über die Schulter. Und in dem Schillerschen Poem vom „Pegasus im Joche“ – dem einzigen Gedichte unseres großen Meisters, das für diese Sammlung sich eignete, einem Gedichte, das recht als ein Grenzstein sich eignet, bis wohin deren Gebiet abgesteckt werden konnte – wird alles bittere Satirische schließlich überflutet und überstrahlt von der Sonne des reinen Humors; wie am Ende der Hippogryph sieghaft emporsteigt und seinen Flug nach oben nimmt in reinere Lüfte, weit über alle Erdenschwere und Misere hinweg, so schwingen auch wir uns empor, alle Tendenz und die ernste Schwere des Gedankens dahinter lassend, in die Höhe der reinen Imagination, in jene heitern Regionen, wo die reinen Formen wohnen.

Innerhalb der so gegebenen Grenze erscheint nun hier der Humor nach all seinen mannigfachen Ausstrahlungen und Spielarten. Die da zusammengetreten sind, um für dieses Buch zu sammeln und zu sichten1, sind sorglich bedacht und bemüht gewesen, daß keine der Varianten zu kurz kommen möge. So findet sich denn hier der trockene und der feuchte Humor, der wein- wie der tränenfeuchte, der zierliche und der derbe und biderbe, der leise und der überschäumende, der innige und der unsinnige, neben der behaglichen Schnurre steht der kaustische Witz, neben dem leicht graziösen Scherz jener erhabene tiefste Humor, der alles liebt und alles segnet; auch fehlen nicht jene Schöpfungen einer ungebundenen phantastischen Laune, jene Capriccios und Grotesken, wie die vor allem sie schätzen, denen gegeben ward, Welt und Dasein ironisch zu nehmen und „des Lebens Unverstand mit Wehmut zu genießen“.

Hinsichtlich der Reihenfolge der Gedichte ist als das beste befunden worden, im allgemeinen chronologisch zu verfahren, ohne indes in jedem einzelnen Fall sich mit ängstlicher Genauigkeit an dies Verfahren zu binden, wenn nach dem Charakter des Dichters oder des Gedichts eine Abweichung davon geschmackvoller und daher gebotener erschien.

Und so ist reiche Auswahl geboten; jeder, der irgendwie Sinn für echten Humor besitzt, wird finden, was ihm mundet. Sollten indes etwa etliche zarte Seelchen aufstehen und klagen und maulen, daß einige Stücke ihnen nicht munden wollen, weil der Humor darin zu keck und saftig und gewürzt sei, als daß ihre empfindlichen Mägen dies vertragen könnten – ja – wie heißt es noch in Shakespeares köstlicher Komödie? – „Meint ihr, weil ihr tugendhaft seid, sollte es in der Welt keine Torten und keinen Wein mehr geben? – Das soll’s, bei Sankt Kathrinen! und der Ingwer soll euch noch im Munde brennen.“

Hamburg, Oktober 1908.

William Meyer.

Vom Wasser und vom Wein.
Aus „Des Knaben Wunderhorn“.
Mündlich

 
Ich weiß mir ein Liedlein hübsch und fein,
wohl von dem Wasser, wohl von dem Wein,
der Wein kann ’s Wasser nit leiden,
sie wollen wohl alleweg streiten.
 
 
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
man führt mich in alle die Länder hinein,
man führt mich vors Wirt sein Keller
und trinkt mich für Muskateller.
 
 
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
ich laufe in alle die Länder hinein,
ich laufe dem Müller ums Hause,
und treibe das Rädlein mit Brause.
 
 
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
man schenkt mich in Gläser und Becherlein,
und trinkt mich für süß und für sauer,
der Herr als gleich wie der Bauer.
 
 
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
man trägt mich in die Küche hinein,
man braucht mich die ganze Wochen
zum Waschen, zum Backen, zum Kochen.
 
 
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
man trägt mich in die Schlacht hinein,
zu Königen und auch Fürsten,
daß sie nicht mögen verdürsten.
 
 
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
man braucht mich in den Badstüblein,
darin manch schöne Jungfraue
sich badet kühl und auch laue.
 
 
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Bürgermeister und Rat insgemein
den Hut vor mir abnehmen
im Ratskeller zu Bremen.
 
 
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
man gießt mich in die Flamm hinein,
mit Spritz und Eimer man rennet,
daß Schloß und Haus nicht verbrennet.
 
 
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
man schenkt mich den Doktoren ein,
wenns Lichtlein nit will leuchten,
gehn sie bei mir zur Beichte.
 
 
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
zu Nürnberg auf dem Kunstbrünnlein,
spring ich mit feinen Listen
den Meerweiblein aus den Brüsten.
 
 
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
ich spring aus Marmorbrünnelein,
wenn sie den Kaiser krönen,
zu Frankfurt wohl auf dem Römer.
 
 
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
es gehn die Schiffe groß und klein,
Sonn’, Mond auf meiner Straßen,
die Erd’ tu ich umfassen.
 
 
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
man trägt mich in die Kirch’ hinein,
braucht mich zum heiligen Sakramente,
dem Menschen vor seinem Ende.
 
 
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
man trägt mich in die Kirch’ hinein,
braucht mich zur heiligen Taufen,
darf mich ums Geld nicht kaufen.
 
 
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
man pflanzt mich in die Gärten hinein,
da laß ich mich hacken und hauen,
von Männern und schönen Jungfrauen.
 
 
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
ich laufe dir über die Wurzel hinein,
wär’ ich nicht an dich geronnen,
du hättst nicht können kommen.
 
 
Da sprach der Wein: Und du hast recht,
du bist der Meister, ich bin der Knecht,
das Recht will ich dir lassen,
geh du nur deiner Straßen.
 
 
Das Wasser sprach noch: Hättst du mich nicht erkannt,
du wärst sogleich an der Sonn’ verbrannt! —
Sie wollten noch länger da streiten, —
da mischte der Gastwirt die beiden.
 

Des Antonius von Padua Fischpredigt.
Aus „Des Knaben Wunderhorn“.
Nach Abraham a St. Clara. Judas der Erzschelm

 
Antonius zur Predigt
die Kirche findt ledig,
er geht zu den Flüssen
und predigt den Fischen;
sie schlag’n mit den Schwänzen,
im Sonnenschein glänzen.
 
 
Die Karpfen mit Rogen
sind all hierher zogen,
haben d’ Mäuler aufrissen,
sich Zuhörens beflissen:
kein Predig niemalen
den Karpfen so g’fallen.
 
 
Spitzgoschete Hechte,
die immerzu fechten,
sind eilend herschwommen
zu hören den Frommen:
kein Predig niemalen
den Hechten so g’fallen.
 
 
Auch jene Phantasten,
so immer beim Fasten,
die Stockfisch ich meine,
zur Predigt erscheinen.
Kein Predig niemalen
den Stockfisch so g’fallen.
 
 
Gut Aalen und Hausen,
die Vornehme schmausen,
die selber sich bequemen,
die Predigt vernehmen:
kein Predig niemalen
den Aalen so g’fallen.
 
 
Auch Krebsen, Schildkroten,
sonst langsame Boten,
steigen eilend vom Grund,
zu hören diesen Mund:
kein Predig niemalen
den Krebsen so g’fallen.
 
 
Fisch große, Fisch kleine,
vornehm und gemeine,
erheben die Köpfe
wie verständge Geschöpfe:
auf Gottes Begehren
Antonium anhören.
 
 
Die Predigt geendet,
ein jedes sich wendet,
die Hechte bleiben Diebe,
die Aale viel lieben.
Die Predig hat g’fallen,
sie bleiben wie alle.
 
 
Die Krebs gehn zurücke,
die Stockfisch bleiben dicke,
die Karpfen viel fressen,
die Predigt vergessen.
Die Predig hat g’fallen,
sie bleiben wie alle.
 

Lied beim Heuen.
Aus „Des Knaben Wunderhorn“

 
Es hatte ein Bauer ein schönes Weib,
die blieb so gerne zu Haus.
Sie bat oft ihren lieben Mann,
er sollte doch fahren hinaus,
er sollte doch fahren ins Heu,
er sollte doch fahren ins
ha, ha, ha, ha, ha, ha, Heildidei,
juchheisasa,
er sollte doch fahren ins Heu.
 
 
Der Mann, der dachte in seinem Sinn:
die Reden, die sind gut!
Ich will mich hinter die Haustür stell’n,
will sehn, was meine Frau tut,
will sagen ich fahre ins Heu,
will sagen ich fahre ins
ha, ha, ha, ha, ha, ha, Heildidei,
juchheisasa,
will sagen ich fahre ins Heu.
 
 
Da kommt geschlichen ein Reitersknecht
zum jungen Weib hinein,
und sie umfanget gar freundlich ihn,
gab stracks ihren Willen darein,
mein Mann ist gefahren ins Heu,
mein Mann ist gefahren ins
ha, ha, ha, ha, ha, ha, Heildidei,
juchheisasa,
mein Mann ist gefahren ins Heu.
 
 
Er faßte sie um ihr Gürtelband
und schwang sich wohl hin und her,
der Mann, der hinter der Haustür stand,
ganz zornig da trat herfür:
Ich bin noch nicht fahren ins Heu,
ich bin noch nicht fahren ins
ha, ha, ha, ha, ha, ha, Heildidei,
juchheisasa,
ich bin noch nicht fahren ins Heu.
 
 
Ach trauter, herzallerliebster Mann,
vergib mir nur diesen Fehl,
will lieben fürbas und herzen dich,
will kochen süß Muß und Mehl;
ich dachte, du wärest ins Heu,
ich dachte du wärest ins
ha, ha, ha, ha, ha, ha, Heildidei,
juchheisasa,
ich dachte du wärest ins Heu.
 
 
Und wenn ich gleich gefahren wär’
ins Heu und Haberstroh,
so sollst du nun und nimmermehr
einen andern lieben also,
der Teufel mag fahren ins Heu,
der Teufel mag fahren ins
ha, ha, ha, ha, ha, ha, Heildidei,
juchheisasa,
der Teufel mag fahren ins Heu.
 
 
Und wer euch dies neue Liedlein pfiff,
der muß es singen gar oft,
es war der junge Reitersknecht,
er liegt auf Grasung im Hof,
er fuhr auch manchmal ins Heu,
er fuhr auch manchmal ins
ha, ha, ha, ha, ha, ha, Heildidei,
juchheisasa,
er fuhr auch manchmal ins Heu.
 

Romanze von den Schneidern.
Aus „Des Knaben Wunderhorn“

 
Es sind einmal drei Schneider gewesen, o je, o je, o je,
es sind einmal drei Schneider gewesen, o je, o je, o je,
sie haben einen Schnecken für einen Bären angesehen, o je, o je, o je!
 
 
Sie waren dessen so voller Sorgen, o je, o je, o je,
sie haben sich hinter ein’ Zau verborgen, o je, o je, o je,
der erste sprach: Geh du voran, o je, o je, o je,
der andre sprach: Ich trau mich nicht vor, o je, o je, o je.
 
 
Der dritte, der war wohl auch dabei, o je, o je, o je,
er sprach: Der frißt uns alle drei, o je, o je, o je,
und als sie sind zusammen kommen, o je, o je, o je,
so haben sie das Gewehr genommen, o je, o je, o je.
 
 
Und da sie kommen zu dem Streit, o je, o je, o je,
da macht ein jeder Reu und Leid, o je, o je, o je,
und da sie auf ihn wollten hin, o je, o je, o je,
da ging es ihnen durch den Sinn: o je, o je, o je.
 
 
„Heraus mit dir du Teufelsvieh, o je, o je, o je,
wann du willst haben einen Stich,“ o je, o je, o je.
Der Schneck, der steckt die Ohren heraus, o je, o je, o je,
die Schneider zittern, es ist ein Graus, o je, o je, o je.
 
 
Und da der Schneck das Haus bewegt, o je, o je, o je,
so haben die Schneider das Gewehr abgelegt, o je, o je, o je,
der Schneck der kroch zum Haus heraus, o je, o je, o je,
er jagt die Schneider beim Plunder hinaus, o je, o je, o je.
 

Aussicht in die Ewigkeit.
Aus „Des Knaben Wunderhorn“.
Fliegendes Blatt

 
O wie geht’s im Himmel zu
und im ewigen Leben,
alles kann man haben g’nug,
darf kein Geld ausgeben,
alles darf man borgen,
nicht fürs Zahlen sorgen;
wenn ich einmal drinnen wär,
wollt nicht mehr heraus begehr.
 
 
Fällt im Himmel Fasttag ein,
speisen wir Forellen,
Peter geht in’ Keller nein,
tut den Wein bestellen;
David spielt die Harfen,
Ulrich bratet Karpfen,
Margaret backt Küchlein g’nug,
Paulus schenkt den Wein in’ Krug.
 
 
Lorenz hinter der Küchentür,
tut sich auch bewegen,
tritt mit seinem Rost herfür,
tut Leberwürst drauf legen,
Dorthe und Sabina,
Liesbeth und Kathrina,
alle um den Herd rum stehn,
nach den Speisen sie auch sehn.
 
 
Jetzt wollen wir zu Tische gehn,
die beste Speis’ zu essen,
die Engel um den Tisch rum stehn,
schenken Wein in d’ Gläser.
Sie tun uns invitieren,
der Barthel muß transchieren,
Joseph legt das Essen vor,
Cäcilia b’stellt ein Musikchor.
 
 
Martin auf dem Schimmel reit,
tut fein gallopieren,
Blasi hält die Schmier bereit,
tut die Kutschen schmieren,
wären wir ja Narren,
wenn wir nicht täten fahren,
und täten alleweil zu Fuße gehn,
und ließen Roß und Kutsche stehn.
 
 
Nun adje, du falsche Welt,
du tust mich verdrießen,
im Himmel mir es besser g’fällt,
wo alle Freuden fließen.
Alles ist verfänglich,
und alles ist vergänglich,
wenn ich einmal den Himmel hab’,
hust’ ich auf die Welt herab.
 

Der Tod von Basel.
Volkslied

 
Als ich ein Junggeselle war,
nahm ich ein steinalt Weib;
ich hatt’ sie kaum drei Tage,
Ti Ta Tage,
da hat’s mich schon gereut.
 
 
Da ging ich auf den Kirchhof hin
und bat den lieben Tod:
„Ach lieber Tod von Basel,
Bi Ba Basel,
hol’ mir mein’ Alte fort!“
 
 
Und als ich wieder nach Hause kam,
mein’ Alte war schon tot;
ich spannt’ die Roß’ an’n Wagen,
Wi Wa Wagen,
und fuhr mein’ Alte fort.
 
 
Und als ich auf den Kirchhof kam,
das Grab war schon gemacht:
„Ihr Träger tragt fein sachte,
si sa sachte,
daß d’ Alte nit erwacht!
 
 
„Scharrt zu, scharrt zu, scharrt immerzu
das alte böse Weib!
sie hat ihr Lebetage,
Ti Ta Tage,
geplagt mein’n jungen Leib.“
 
 
Und als ich wieder nach Hause kam,
all’ Winkel war’n mir zu weit;
ich wart’te kaum drei Tage,
Ti Ta Tage,
und nahm ein junges Weib.
 
 
Das junge Weibel, das ich nahm,
das schlug mich alle Tag’;
„Ach! lieber Tod von Basel,
Bi Ba Basel,
hätt’ ich mein’ Alte noch!“
 

Der waltbruder mit dem esel, der argen welt tut niemant recht
von
Hans Sachs

 
Vor jaren wont in einem walt
ein waltbruder, an jaren alt,
der sich der wurzeln neren tet;
derselb ein jungen sune het,
in dem alter bei zweinzig jarn,
der war einfeltig, unerfarn,
der fragt den alten: sag doch mir,
sint in dem walt gewachsen wir?
wan er nie menschen het gesehen.
der alt tet zu dem jungen gehen:
mein sun, da du noch warest klein,
hab ich dich geflehet2 herein
aus der arglisting, bösen welt,
das sie uns nit schmech, spott und schelt,
weil ir gar niemant recht kan tan,
sie schlag im doch ein blechlein an3.
still schwig der sun, doch tag und nacht
des vatters red stets nachgedacht,
was doch die welt nur möcht gesein4.
zu letzt da wolt er ie darein,
legt an den vatter große bit,
der es doch lang zeit widerriet;
zu letzt er überredet wart
und macht sich mit im auf die fart,
und fürten iren esel mit
ledig, ir keiner darauf rit.
im walt bekam5 in ein kriegsman,
der sprach: wie laßt ir ledig gan
den faulen esel hie allein?
Ir dunkt mich nit fast witzig sein,
das euer keiner darauf reit.
als sie nun von im kamen weit,
der vatter sprach: mein sun, sich zu,
wie uns die welt empfangen tu.
der sun sprach: laß mich darauf reiten.
das gschach, da kam zu in von weiten
ein altes weib neben die ecker,
die sprach: secht zu dem jungen lecker,
der reit, und der alt schwache man
muß hindennach zu füßen gan!
sun, sprach der alt, glaubst du nun mir,
was von der welt ich saget dir?
er sprach: laß uns versuchen baß.
der jung balt von dem esel saß,
und saß der alt balt auf für6 in,
reit also fuß für fuß dahin.
in dem begegnet in ein bauer,
der redt sie an mit worten sauer:
secht an den alten groben lappen,
leßt den jungen im kot her sappen7,
dem nöter wer zu reiten dan im.
der alte sprach: mein sun, vernim,
das man der welt nit recht mag tun.
der sun sprach: vatter, laß mich nun
aufsitzen, das wir reiten bed,
schau, ob die welt dahzu auch red.
aufsaß er und ritten dahin;
da kam ein bettelman zu in,
tet an einr wegscheid auf sie harrn
und sprach: secht an die großen narrn,
wöllen den esel gar erdrücken!
der vatter sprach: in allen stücken
tut uns die welt mit hönwort schmitzen8.
der sun sprach: laß uns beid absitzen,
so wöllen wir den esel tragen,
was nun die welt darzu wil sagen.
absaßen sie, den esel trugen
und mit im übers felt hinzugen,
das von in beiden ran der schweis.
ein edelman kam zu der reis,
tet sie all beid mit worten straffen:
wann her9, wannen her, ir schlauraffen,
das ir das hinder kert herfür10?
der vatter sprach: mein sun, hie spür,
das an der welt ist gar verlorn11.
da sprach der sun in großem zorn:
den esel wöllen wir erschlagen,
denn hat die welt nit mehr zu klagen.
den esel schlugen sie zu haufen;
da kam ein jäger zugelaufen,
der schrei: o ihr großen fantasten,
des esels gneußet ir am basten
lebend, tot ist er euch kein nütz.
zuhant der junge wart urdrütz12
der welt, die in mit spot und straf
so gar an allen orten traf,
sprach: hat die welt auf einen tag
über uns balt so vil der klag,
solt wir denn all tag darin bleiben,
was wunders würt sie mit uns treiben!
und keret mit dem alten dar
in walt, daraus er kommen war.
 

Kußlied
von
Paul Fleming.
Erneuert

 
Nirgends hin als auf den Mund:
da sinkt’s in des Herzens Grund;
nicht zu frei, nicht zu gezwungen,
nicht mit allzu trägen Zungen.
 
 
Nicht zu wenig, nicht zu viel:
beides wird sonst Kinderspiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise:
nur im Maß ist rechte Weise.
 
 
Nicht zu hart und nicht zu weich,
bald zugleich, bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle,
nicht stets auf die gleiche Stelle.
 
 
Halb gebissen, halb gehaucht,
halb die Lippen eingetaucht,
nicht ohn’ Unterschied der Zeiten,
mehr allein denn vor den Leuten.
 
 
Küsse nun ein jedermann,
wie er weiß, will, soll und kann!
Ich nur und die Liebste wissen,
wie wir uns recht sollen küssen.
 

Das Gespenst
von
Christian Fürchtegott Gellert

 
Ein Hauswirt, wie man mir erzählt,
ward lange Zeit durch ein Gespenst gequält.
Er ließ, des Geist’s sich zu erwehren,
sich heimlich das Verbannen lehren;
doch kraftlos blieb der Zauberspruch.
Der Geist entsetzte sich vor keinen Charakteren
und gab, in einem weißen Tuch,
ihm alle Nächte den Besuch.
 
 
Ein Dichter zog in dieses Haus.
Der Wirt, der bei der Nacht nicht gern allein gewesen,
bat sich des Dichters Zuspruch aus,
und ließ sich seine Verse lesen.
Der Dichter las ein frostig Trauerspiel,
das, wo nicht seinem Wirt, doch ihm sehr wohl gefiel.
 
 
Der Geist, den nur der Wirt, doch nicht der Dichter sah,
erschien und hörte zu; es fing ihn an zu schauern;
er konnt es länger nicht, als einen Auftritt, dauern;
denn eh der andre kam, so war er nicht mehr da.
 
 
Der Wirt, von Hoffnung eingenommen,
ließ gleich die andre Nacht den Dichter wiederkommen.
Der Dichter las; der Geist erschien;
doch ohne lange zu verziehn.
„Gut!“ sprach der Wirt bei sich, „dich will ich bald verjagen;
kannst du die Verse nicht vertragen?“
 
 
Die dritte Nacht blieb unser Wirt allein,
sobald es zwölfe schlug, ließ das Gespenst sich blicken;
„Johann!“ fing drauf der Wirt gewaltig an zu schrein,
„der Dichter (lauft geschwind!) soll von der Güte sein,
und mir sein Trauerspiel auf eine Stunde schicken.“
Der Geist erschrak, und winkte mit der Hand,
der Diener sollte ja nicht gehen.
Und kurz, der weiße Geist verschwand,
und ließ sich niemals wieder sehen.
 
 
Ein jeder, der dies Wunder liest,
zieht sich daraus die gute Lehre,
daß kein Gedicht so elend ist,
das nicht zu etwas nützlich wäre.
Und wenn sich ein Gespenst vor schlechten Versen scheut,
so kann uns dies zum großen Troste dienen.
Gesetzt, daß sie zu unsrer Zeit
auch legionenweis erschienen:
so wird, um sich von allen zu befrein,
an Versen doch kein Mangel sein.
 
1William Meyer, Dr. Max Goos, Anna Flickwier, Marta Klöckner, Eduard Mörike.
2flehen = flüchten.
3jemand ein blechlein anschlagen = jemand eins anhängen.
4gesein = sein.
5bekommen = begegnen.
6für = anstatt.
7sappen = (im Schmutz) einhergehen.
8schmitzen = schlagen.
9wann her = von woher.
10daß ihr das Hintere nach vorn kehret = die Sache verkehrt anfangt.
11daß an der Welt die Mühe verloren ist.
12urdrütz = überdrüssig.