Losing Game

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Aus der Reihe: Five Dogs #1
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Losing Game
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Valuta Tomas

Losing Game

Zwischen Liebe und Gesetz

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

GAME START

LEVEL 1

LEVEL 2

LEVEL 3

LEVEL 4

LEVEL 5

LEVEL 6

Level 7

LEVEL 8

LEVEL 9

LEVEL 10

LEVEL 11

LEVEL 12

LEVEL 13

LEVEL 14

LEVEL 15

LEVEL 16

LEVEL 17

LEVEL 18

LEVEL 19

LEVEL 20

LEVEL 21

LEVEL 22

LEVEL 23

LEVEL 24

LEVEL 26

LEVEL 27

GAME OVER

BONUS LEVEL

Epilog

Impressum neobooks

Prolog

Ein klatschendes Geräusch ertönt, als eine mehrseitige Akte aus dünner Pappe auf den Küchentisch geschmissen wird. Eine abgestellte Bierflasche nimmt nur wenige Zentimeter daneben Platz. Ein Sack aus Fleisch und Knochen lässt sich auf einen der Stühle fallen und pustet schwer aus. Schlanke und gepflegte Finger greifen nach der Akte. Kurze, unlackierte Fingernägel fummeln nach einer Kante der Pappe, um es mit einem Schwung zur Seite zu klappen. Eine weitere dünne Akte erscheint. UC Berkeley Extension Schule wurde in schwarzen Buchstaben auf die graue Fläche gedruckt.

»Na da bin ich ja mal gespannt«, atmet eine weibliche Stimme schwer. Die makellosen Finger umgreifen die Bierflasche und führen sie an zierlich schmale Lippen. Mehrere Züge befördern das alkoholische Getränk die Kehle hinab. Ohne ein schmatzendes oder schlürfendes Geräusch zu erzeugen, wird die Bierflasche wieder auf den Platz zurückgestellt. Nun fallen die blau-grünen Augen vollständig auf die Akte. Mit vollem Körpereinsatz beugt sie sich über den kleinen Haufen Papiere und schlägt das graue Stück Pappe um.

»Cheerleader-Snob, Cheerleader-Snob, Football-Snob, Cheerleader-Snob, Football-Snob, Football-Snob, reicher Papi-Snob, reicher Porno-Snob«, murmelt die Stimme gelangweilt und sichtlich genervt. Blatt um Blatt schmettert sie die Papiere zur Seite. Auf jedem sind junge Leute mit Profilfoto zu sehen und berichten mit wenigen Worten über die Persönlichkeit dieser Leute.

Sie liebt ihren Job. Dadurch kommt sie an mehr Informationen, als Otto-Normal-Verbraucher. Manchmal möchte sie diesenVorteil eher nicht genießen, weil sie auch unangenehme Informationen erhält und doch ist jede einzelne hilfreich für sie. Schon durch den ersten Blick auf die Fotos, weiß sie, welcher Typ von Mensch hinter der gezeigten Fassade steckt. Zu achtundneunzig Prozent traf sie bisher immer ins Schwarze. Mal exakt, mal musste sie ein paar Umwege laufen, um ihr Ziel zu erreichen. Aber geschafft hat sie es immer.

»Hola, wen haben wir denn da? Du bist kein Snob«, grinst sie und rupft das bedruckte Papier aus der Akte. Ihr Blick erfasst tiefbraune Augen. Ein stechender Blick ergreift sie. Unkontrolliert schlägt ihr Herz einmal stärker auf. Warm, weich, beißend und mit unglaublicher Aggressivität, blicken diese braunen Augen in die Kamera. Die Technik hat für den Bruchteil einer Sekunde diesen Augenblick festgehalten und präsentiert der Frau eine Persönlichkeit, die sie so noch nicht erlebt hat. Weder beruflich noch in ihrem Privatleben.

Ihr eigenes Leben ist so oder so anders als das ihrer Nachbarn. Abgesehen davon, dass sie nichts von den Männern hält und lieber Frauen hinterher blickt, hat sie sich ihr Leben so aufgebaut, dass kaum jemand damit klar kommt. Die große und wahre Liebe hat sie bis heute nicht gefunden. Will sie auch nicht. Sie will keine Gefühle zulassen. Wozu auch? Diese treiben die Menschen nur in Konflikte, denen sie lieber aus dem Weg geht. Ernsthafte Beziehungen sind ebenso nichts für sie. Sie hat keine Lust sich großartig zu binden und ist chronisch untreu. Sie liebt die Frauen einfach zu sehr, als dass sie sich jemals nur für eine entscheiden könnte. Auf der Straße laufen so wundervolle und wunderschöne Geschöpfe umher. Wie kann man sich da auch nur für eine Frau entscheiden? Und dann vielleicht auch noch für den Rest des Lebens? Nein auf gar keinen Fall. Das ist nichts für sie. Sie will leben und das Leben genießen. Sie will die Frauen genießen. Sie hat schon einigen Damen das Herz gebrochen und auf den nächsten Müllhaufen geschmissen. Auch wenn sie den Frauen von Anfang an ehrlich gegenüber war und ihnen erklärte, dass eine feste Beziehung nichts für sie sei, blendeten die Frauen diese Tatsache aus. Umso schwerer war es dann für jede weibliche Persönlichkeit, wenn sie die Frau ihres Herzens plötzlich an den Lippen einer anderen sahen. Ihr selbst war das aber egal. Sie warnte jede von ihnen. Wenn sie nicht hören wollten, war das nicht ihr Problem.

Mit einem erneuten Schluck Bier, wandert sie weiter über die Seite voller Informationen dieser jungen Frau.

»Hochintelligent, Ausnahmetalent, Störfaktor, unsoziales Verhalten den Lehrern und Mitschülern gegenüber, respektlos, Mitglied der Five Dogs«, erweitert sie ihr Wissen.Erstaunt zieht sie eine Augenbraue hoch. Sie blickt zu dem Foto zurück.

»Aha, du bist also ein Hund?! Sehr interessant. Ein bisschen jung, oder meinst du nicht auch?«, philosophiert sie weiter. Ihr wird keine Antwort gegeben. Stattdessen wandert sie mit ihrem Blick über die straffe, faltenfreie, südländische Haut. Kakaobraun und samtweich. Schwarze Haare, volle Lippen, weiche Wangenknochen.

»Lecker«, murmelt sie und trinkt einen weiteren Schluck Bier.

»Trotzdem zu jung«, grinst sie, blickt kurz auf das Foto zurück und legt das Papier zur Seite.

»Und wer bist du?« Ein weiteres aggressives Augenpaar schaut sie an. Nicht so voller Brutalität wie die Mitschülerin zuvor, aber doch ausreichend genug um aufzufallen.

»Störfaktor, unsoziales Verhalten den Lehrern und Mitschülern gegenüber, respektlos, Mitglied der Five Dogs«, liest sie und kennt diese Angaben schon.

»Ach nein, ein kriminelles Duo. Auf dieser Schule?«, brummt sie und holt sich das Blatt der Südländerin zurück. Sie hält beide nebeneinander und schwenkt mit den Augen zwischen den Gesichtern hin und her. Die andere Mitschülerin ist blond und genauso jung wie ihre Kollegin.

»Euch werde ich dann mal im Auge behalten.« Sie nimmt noch einen großen Schluck aus der Flasche und stellt sie mit einem lauten Knall auf den Tisch zurück. Schwerfällig hievt sie sich vom Stuhl. In der Tür bleibt sie stehen, blickt kurz zu den Papieren zurück und lächelt schwach.

»Bis morgen. Gute Nacht«, grinst sie fies und stellt das Licht aus.

GAME START

Wie ein Mikroskop fokussiert sich Sams Blick auf einen silbernen Mercedes SLK 55, der in mäßiger Geschwindigkeit über den Schulparkplatz der UC Berkeley Extension Schule rollt. Die Blicke einiger Schüler ziehen sich auf den Wagen, weil man so ein schickes Vehikel eher selten auf diesem Gelände sieht.

Sams Aufmerksamkeit fällt auf die Fahrzeugführerin, die dieses silberne Schmuckstück sicher durch die Reihen steuert. Ihre Augen weiten sich.Ungewollt schluckt sie schwer. Ihrer Freundin Laura entgeht dies natürlich keineswegs. Sie lehnt sich auf der Ladeklappe eines schwarzen 89´er Chevy Pick Up zu ihr hinüber und grinst bis zu den Ohren. Mit einem Finger stupst sie Sam an den Mundwinkel.

 

»Dir hängt da etwas Sabber heraus«, stachelt sie auf Sams fokussierten Blick, der noch immer der Mercedesfahrerin gilt.

»Wow, verdammt ist die heiß«, haucht sie hypnotisiert.Sie beobachtet die Fahrerin, die ihren Wagen in eine Parklücke steuert und den Motor ausstellt. Sie lehnt sich zum Beifahrersitz, um dort in ihrer Handtasche zu wühlen. Mit einem Griff an den Hinterkopf, zieht sie ein Haargummi heraus, das ihre dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hat. Achtlos lässt sie es in der Handtasche verschwinden.

Die Fahrerin steigt aus, schließt die Tür und steuert auf das Schulgebäude zu. Sie muss auf direktem Weg am Pick Up von Sam und Laura vorbei..

»Du oder ich?«, haucht Laura flüsternd in das Ohr ihrer Freundin. Die reagiert nicht. Sie verfolgt noch immer jeden Schritt der Mercedesfahrerin. Ihre Augen weiten sich begeistert, als die Frau an ihnen vorbeiläuft.

»Heißer Wagen schöne Frau, sie haben Geschmack«, ruft sie ihr zu.

»Danke«, murmelt die Fahrerin und wühlt in ihrer Handtasche, als wenn sich dort ein unendliches schwarzes Loch befinden würde. So kleine Taschen können aber auch unglaublich groß sein.

»Ok, du«, stöhnt Laura geschlagen.Sie blickt der Frau ebenfalls hinterher, die ihren Weg zum Schulgebäude fortsetzt. Fast hat es den Anschein, als wenn sie sich von nichts und niemanden aufhalten lassen würde.

Laura stupst Sam in die Seite und richtet deren Aufmerksamkeit auf eine große Tasche, die die Frau bei sich trägt.

»Die ist Lehrerin, willst du wirklich immer noch?«, lacht sie gehässig. Sie scheint aber noch immer nicht bei ihrer Freundin anzukommen, weil diese ohne ein Wort von der Ladefläche springt, der offensichtlichen Lehrerin folgt und sich unterwegs eine Zigarette anzündet.

»Ich habe sie hier noch nie gesehen. Welche Klasse unterrichten sie?«, fragt sie unaufgefordert und läuft ungebeten neben der Frau her. Als wenn sie die Frage nicht gehört hätte, läuft die Frau einfach weiter, was Sam als recht unfreundlich einstuft. Provokant stellt sie sich der Frau in den Weg und blickt sie auffordernd an.

»Ich bitte freundlich um eine Antwort auf meine gestellte Frage«, säuselt sie ungewöhnlich höflich und lächelt die Frau an. Diese hebt ihren Blick und sieht Sam das erste Mal direkt an. Sie schaut sie mit ihren blaugrünen Augen über den Rand der hellblauen Sonnenbrille an. Sam glaubt für einen kurzen Moment, ein kleines Funkeln in ihren Augen gesehen zu haben. Oder war es doch eher ein schnelles und kurzes Augenbrauenzucken? Sie weiß es nicht und kann sich auch nicht mit dieser Sachlage auseinandersetzen, als die Frau nach der Zigarette in ihrem Mund greift, ihr brutal von den Lippen reißt und mit einer Fußbewegung auf dem Boden austritt.

Sofort dringt ein lautes Raunen über den Parkplatz, das eindeutig von Laura kommt, die diese Situation leise und zurückhaltend beobachtet. Sam kann nicht glauben kann, was hier passiert ist. Wut steigt in ihr auf, während sie fassungslos auf die zertretene Zigarette blickt.

»Hast du ein Problem?«, faucht die Mercedesfahrerin mit einer hellen, aber dominanten Stimme.

Sam hebt den Kopf, blickt der Frau direkt in die Augen und will gerade Luft holen, um sie wie eine Milbe zusammenzustauchen. Denn niemand wagt es so mit ihr umzugehen, niemand! Auch nicht so eine hinreißende und wunderschöne Frau wie die, die ihr im Augenblick gegenübersteht.

Sie will zum ersten verbalen Angriff ansetzen, als plötzlich ein Bild vor ihrem inneren Auge auftaucht. Sie sieht sich selbst in einem kleinen Raum stehen, der in einem merkwürdigen Rotlicht getaucht ist. Die Mercedesbesitzerin hat ihr Gesicht in ihren Händen. Sie küsst Sam zärtlich, aber zugleich unglaublich gierig.

Wie bei einem Filmriss ist das Bild plötzlich verschwunden. Mit offenem Mund und geweiteten Augen steht Sam der Fahrerin erschrocken gegenüber. Fassungslos starrt sie sie an. Diese reagiert nicht darauf und murmelt nur irgendwas von »Ich hoffe, dass ich nicht in deiner Klasse unterrichte« und setzt ihren Weg zum Schulgebäude fort. Gekonnt lässt sie Sam stehen.

Sofort ist Laura an der Seite ihrer Freundin. Mit großen Augen schaut sie sie an. Sam steht noch immer wie eine Salzsäule da und blickt der Frau hinterher.

»Scheiße Sam, was war das denn? Wieso hast du sie nicht fertig gemacht?«, bombardiert Laura ihre Freundin mit Fragen und blickt bestätigend auf die letzten Überreste der Zigarette. Sam starrt der Fahrerin hingegen noch immer hinterher und murmelt irgendwas von »Die muss ich haben.«. Laura schaut der Frau ebenfalls nach und schüttelt mit dem Kopf.

»Lass die Finger von ihr. Die ist Lehrerin und mindestens zehn Jahre älter. Sie passt überhaupt nicht in dein Beuteschema«, verwirft sie Sams Aussage und blickt zum Schulgebäude, in dem die Frau mittlerweile verschwunden ist.

»Außerdem stimmt irgendwas nicht mit ihr. Sie ist mir etwas zu tough«, murmelt sie.

»Es ist mir scheiß egal wer sie ist und wie tough sie ist. Ich will sie und die ganzen Hindernisse machen das Ganze nur noch interessanter«, grinst Sam und läuft zu ihrem Pick Up zurück.

Argwöhnisch blickt Laura ihr hinterher. Sams helle kakaobraune Haut, verleiht ihr einen exotischen Touch, wobei sofort ihre braunen Augen auffallen. Ihre schwarzen langen Haare sind zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden.Lediglich zwei Strähnen hängen an den Seiten heraus.

Sams Augen drücken einerseits unfassbare Aggressivität aus, anderseits sind sie zugleich unglaublich warm. Passend zu ihren ausdrucksstarken Augen, umschließt eine dicke Kette ihren schon fast zierlichen Hals. Dog Tags hängen über dem schwarz-roten Top an ihrer Brust herunter. Auffallend ist ihre Armyhose, die offen über der Hüfte sitzt und den Blick auf einen schwarzen Stringtanga freigibt. Mit dem Piercing an der rechten Augenbraue, den drei Ringen an jeder Hand und den dünnen Lederarmbändern an ihren Handgelenken, macht sie einen recht maskulinen Eindruck, was aber durch ihre schlanke Figur und die weichen Gesichtszüge wieder ausgeglichen wird.

Bei dem Anblick ihrer Freundin huscht Laura ein undefinierbares Grinsen über das Gesicht. Sofort steht sie hinter ihr, als diese die Ladeklappe des Pick Ups schließt.

»Ok, machen wir einen Deal. Was meinst du wie lange du brauchst?«, fragt sie leise.

»Drei Tage«, antwortet Sam. Überrascht zieht Laura die Augenbrauen hoch.

»Drei Tage? Du warst schon mal besser, aber gut. Wenn du es nicht schaffst, schnappe ich sie mir, abgemacht?« Sie schiebt Sams Haare zur Seite und beginnt an ihrem Hals zu knabbern. Sam schließt die Augen und spürt, dass Lauras Hand nach vorne wandert. Ohne Umwege gleitet diese zuerst in die Hose und dann in den Tanga.

»Abgemacht, aber…,«, pustet Sam schwer unter den Berührungen und dreht sich zu Laura um.

»du wirst sie nicht kriegen, dafür werde ich schon sorgen« grinst sie dreist. Auffordernd küsst sie ihre Freundin, bis beide einen eindeutigen Pfiff über den Parkplatz hören können. Sam löst sich von Laura und blickt in die Richtung, aus die der Pfiff kam. Sie sieht einen von den Footballjungs, der eindeutig gierig zu ihnen herübergafft.

»Halt deine beschissene Klappe, sonst stopfe ich sie dir und schlage dir deine scheiß Grütze aus deinem verfuckten Schädel, du verdammte Sau!!«Brüllend versprüht Sam eine Aggressivität, die sie auf ungesunde Art und Weise zu dem Typen wirft. Eingeschüchtert zieht der sofort seinen Kopf ein und sucht das Weite.

Eine halbe Stunde später sitzt sie auf ihrem Tisch im Klassenraum. Sie beachtet kaum die um sie versammelte Schülertraube, die sich lediglich bei ihr einschleimen, damit Sam ihnen nicht bei der nächstbesten Gelegenheit die Fresse poliert. Der einzige Mensch dem sie auf dieser Schule vertraut, ist Laura. Und die sitzt einen Tisch vor ihr und kippelt leichtfertig mit dem Stuhl. Laut schmatzend kaut sie auf einem Kaugummi herum.

Während die Schüler irgendwelche uninteressanten Geschichten erzählen, bemerkt Sam als einzige,dass die Tür zum Klassenzimmer geöffnet wird und die Mercedesbesitzerin den Raum betritt.

»Ach nein, wen haben wir denn da?«, kichert sie bissig und klatscht Laura gegen den Hinterkopf, damit die ihre Aufmerksamkeit ebenfalls der Lehrerin widmet.

»Na das kann ja heiter werden«, stöhnt diese genervt. Mit Sam zusammen, beobachtet sie die Frau, die ihre Handtasche neben den Lehrerpult auf den Boden stellt. Die Aktentasche legt sie direkt auf das verbrauchte Holz. Sam beugt sich nach vorne und blinzelt durch die Lücken, die ihre Mitschüler um sie herum bilden. Sie beobachtet die neue Lehrerin, die ausdruckslos durch die Klasse blickt, bis sie ihre Konzentration auf die versammelte Traube richtet. Die dort befindlichen Schüler haben sie noch immer nicht bemerkt. Die Lehrerin dreht sich gleichgültig zur Tafel um, nimmt ein Stück Kreide und schreibt mit großen Buchstaben Neve Stewart auf den grünen Untergrund. Dann setzt sie die Kreide waagerecht unter die geschriebenen Wörter und zieht diese quälend langsam unter dem Namen entlang. Sofort ertönt ein lautes Quietschen, das unbarmherzig durch die Klasse schreit. Es fordert sämtliche Schüler dazu auf, sich vor Schmerzen die Ohren zu zuhalten. Alle blicken zur Tafel, wo sich die Lehrerin innerlich zu amüsieren scheint. Es muss ihr einen gewaltigen Spaß gemacht haben, die Kreide quietschend unter ihrem Namen langgezogen zu haben. Denn sie legt die Kreide seelenruhig zurück, dreht sich in die Klasse und blickt die Schüler nüchtern an.

»Setzen!«, befiehlt sie, was jeder Schüler nach dieser Aktion ohne Wiederrede sofort macht.

»Wahnsinn, ist die fies«, stöhnt Laura, schüttelt mit offenem Mund den Kopf und reibt sich die Ohren.

»Das gefällt mir«, grinst Sam und setzt sich auf ihren Platz.

»Also, mein Name ist Neve Stewart. Ich bin für die nächsten zwei Wochen, in denen eure Mathematiklehrerin Ms. Jackson krank ist, ihre Vertretung.« Neve lässt ihren Blick über die etwas gelangweilten Gesichter der Schüler (die im Alter zwischen neunzehn und einundzwanzig sind), wandern. Sie muss feststellen, dass es scheinbar niemanden interessiert, ob sie nun anwesend ist oder nicht.

»Neve, ein wunderschöner Name für eine ebenso wunderschöne Frau«, lacht Sam frech. Mit einem Bleistift tippt sie währenddessen in einem monotonen Rhythmus auf ihrem Tisch herum. Die Haltung eines Sacks Kartoffeln eingenommen, gammelt sie gleichgültig auf ihrem Stuhl. Als Neve die Schülerin erkennt, rollt sie kaum sichtbar, aber genervt die Augen.

»Würden sie sich bitte aufrecht hinsetzen, den Bleistift hinlegen und mir sagen wie sie heißen?« Teilnahmslos geht Sam dieser Aufforderung nach, beugt sich nach vorne und schaut der Lehrerin direkt in die Augen.

»Sie wissen ganz genau wer ich bin«, lacht sie ruhig undgeheimnisvoll. Irgendwas stimmt hier nicht, das spürt Neve. Nur was es ist, weiß sie nicht. Denn das wird sie erst in der nächsten Sekunde auf eine Art und Weise erfahren, die ihr die Galle hochkommen lässt.

Sam greift sich an den Hinterkopf, zieht das Haargummi heraus, wuschelt sich durch die langen Haare und legt ihren Kopf schief. Sie lächelt die Lehrerin so verführerisch an, dass jeder Wachs in ihren Händen werden würde.

»Ich bin ihr wunderschönster wahr gewordener Traum, der sie irgendwann verführen wird«, grinst sie. Ein lautes Raunen ertönt von den Mitschülern, was einem Hundegebell ähnelt. Ein Klopfkonzert mit den Fäusten auf den Tischen folgt.

»Ach wirklich?«, fragt Neve kühl und unbeeindruckt.

»Interessant zu erfahren, dass sie wissen was ich träume. Ich hingegen…«. Sie setzt sich mit einer Gesäßhälfte auf den vorderen Rand des Lehrerpults und muss dabei zwei Knöpfe ihres weißen Kostüms öffnen. Sofort kommt deswegen ein johlendes »Ausziehen!« von Sam. Sie blickt ihre Lehrerin provokant an und zwinkert ihr zu. Neve schiebt diese Geste allerdings sofort in die dunkelste Ecke, welches ihr Gehirn aufweisen kann.

»ich hingegen, sehe nur eine pubertierende Göre die sich wie in einem Kindergarten aufführt.« Ein lautes Lachen stürzt durch die Klasse, das abrupt stirbt, als Sam einen wütenden Blick durch den Raum schmeißt. Neve registriert das, konzentriert sich aber weiterhin auf ihre Schülerin.

»Und wie ist jetzt bitteschön ihr Name? Oder soll ich sie die nächsten zwei Wochen mit pubertierende Göre ansprechen?« Wieder ertönt dieses Raunen von allen Schülern, das erneut Sam gilt.

»Sam«, antwortet sie um die Klasse zum Schweigen zu bringen.

»Sam und weiter?«, fragt Neve gelangweilt von diesem Spiel, das absolut unter ihrem Niveau ist.

 

»Schauen sie doch ins Klassenbuch. Sie als Lehrerin müssten doch eigentlich lesen können.« Sofort bricht die Klasse wieder in lautes Gelächter aus. Laura streckt ihre Hand nach hinten aus, in die Sam auch gleich triumphierend lachend einschlägt. Diese Runde ging definitiv an sie.

Die Lehrerin geht um den Pult, öffnet die oberste Schublade und holt ein großes Buch heraus, das in einen roten Umschlag gefasst ist.

Seite um Seite blättert sie sich durch den Schmöker, geht langsam und scheinbar vollkommen in das Buch vertieft zum Platz ihrer Schülerin und bleibt direkt davor stehen. Allerdings schlägt sie dann das Buch im Bruchteil einer Sekunde zu undknallt es ohrenbetäubend laut auf Sams Tisch. Diese zuckt erschrocken zusammen. Mit beiden Händen stützt sich die Lehrerin am Tisch ab. Mit diesem typischen Ich-bin-die-Lehrerin,-Sie-sind-die-Schülerin-Blick, schaut sie Sam an.

»Also, Ms. Samantha Rodriguez«, betont sie ihren Namen.

»Ich würde mit ihren weiteren Äußerungen mir gegenüber etwas vorsichtiger sein, ansonsten finden sie sich vor der Klassentür wieder. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«

»Aber sicher doch Ms. Stewart«, trällert Sam frech und ironisch.

Genervt von diesem Kindertheater, das ihr schon einige Zeit vom Unterricht geklaut hat, dreht sich Neve von Sam weg und geht an Laura vorbei. Eigentlich will sie endlich mit dem Unterricht beginnen, als sie den Knall eines platzenden Kaugummis hört. Immer noch genervt, blickt sie zu Laura zurück und sieht, dass ihre Schülerin wie ein Wiederkäuer auf einem Kaugummi herumkaut. Sie dreht sich zu ihr um, bleibt neben ihr stehen und schaut sie von oben herab an.

»Was denn??«, keift Laura gereizt. Neve hält ihr lediglich ihre flache Hand vor den Mund.

»Kaugummi«, faucht sie eiskalt.

Als wenn sie so etwas nicht alleine entscheiden könnte, dreht sich Laura fragend zu Sam um. Etwas überfordert beobachtet Neve diese Handlung, bis Sam eine Kopfbewegung auf die offene Hand macht.

»Na los, mach schon.« Laura öffnet ihren Mund, schiebt den Kaugummi heraus und lässt ihn auf die Hand der Lehrerin fallen. Angeekelt schaut Neve das zermatschte Etwas an. Ehe Laura reagieren kann, holt sie mit der Hand aus und knallt den Kaugummi auf ihr offenes Mathematikbuch. Sofort schießt Laura wütend in ihrem Stuhl hoch.

»Ey!!«, brüllt sie wütend. Bevor Laura aber richtig warm werden kann, hört Neve einen zweiten Kaugummi platzen. Gereizt, weil sie weiß von wo der Knall kam, geht sie zu Sam zurück. Provokant grinsend schmatzt sie auf einem Kaugummi herum. Neve hält auch ihr die flache Hand vor den Mund. Anstatt den Kaugummi einfach aus dem Mund fallenzulassen, beugt sich Sam über die Hand, nimmt sie vorsichtig in ihre eigene und nähert sich mit den Lippen der Innenseite. Erst jetzt lässt sie den Kaugummi aus dem Mund fallen. Sie lehnt sich in den Stuhl zurück und lacht ihre Lehrerin neckisch an.

»Bitteschön Ms. Stewart.« In dem Moment in dem Neve den Kaugummi auf Sams offenes Buch schlagen will, zieht sie es weg.

»Sie sind zu langsam«, lacht die Schülerin. Neve geht mit dem Kaugummi in der Hand um Sams Platz herum und knallt ihn im vorbeigehen auf Lauras Buch. Die Schülerin konnte das Buch bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal von ihrem eigenen Kaugummi befreien.

»Ey!!«, brüllt sie erneut.Als sie vom Platz aufspringen will, drückt Sam von hinten einen Fuß gegen den Stuhl und hindert sie somit am Aufstehen.

»Bleib sitzen Laura, ganz ruhig!« Blitzschnell dreht sich Laura zu ihr um.

»Die tickt doch nicht mehr ganz richtig. Die hat echt eine Schraube locker. Sam, sie hat mein Buch ruiniert«, schimpft sie lautstark.

»Na und? Lass sie doch, sie weiß eben nicht mit wem sie es zu tun hat.« Laura dreht sich wieder nach vorne und beobachtet ihre Lehrerin, wie die in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch greift. Sichtlich angewidertvon den Kaugummiresten, wischt sie sich die Handfläche ab.

»Für meinen Geschmack hat sie etwas zu viel Mut.« Wie ein beleidigtes Kleinkind, rutscht sie wütend in ihren Stuhl und schleudert das mit Kaugummi verklebte Buch mit einer kurzen Handbewegung vom Tisch.

»Sollte jemand diese Klasse noch einmal mit einem Kaugummi im Mund betreten, solange ich hier unterrichte, der kann sich darauf einstellen, sich ein neues Mathematikbuch kaufen zu müssen«, warnt sie alle anderen Schüler. Laura schaut sie hingegen ernst an.

»Und von ihnen erwarte ich, dass sie morgen mit einem neuen Buch hier sitzen!«

»Sie können mich mal am A….!«. Sofort bricht Laura den Satz ab, als sich Sam nach vorne beugt und ihr gegen den Kopf schlägt. Sie dreht sich zu ihr um, schaut sie wütend und zugleich fragend an, wendet sich dann aber wieder nach vorne.

»Die soll bloß aufpassen was sie macht«, faucht sie. Wütend verschränkt sie die Arme vor der Brust.

Erst jetzt beginnt Neve mit dem eigentlichen Unterricht. Schon nach einigen Minuten schreibt sie mehrere Rechenaufgaben an die Tafel. Fragend blickt sie durch die Klasse. Jeder Schüler weiß, dass sie jemanden sucht der sich dort vorne vor allen anderen blamiert.

Als sich keiner freiwillig meldet, geht sie durch die ganze Klasse, bleibt neben Sam stehen und hält ihr die Kreide entgegen.

»Da sie so tolle Sprüche auf Lager haben, wie sie mittlerweile unter Beweis gestellt haben, können sie mir jetzt zeigen ob sie Mathematik genauso gut beherrschen.«

»Für sie tue ich doch alles«, grinst Sam frech und nimmt ihrer Lehrerin die Kreide aus der Hand. Sie schaut ihr dabei direkt in die Augen und legt ihre Finger auffallend provokant um Neves Hand.

Während sie scheinbar problemlos alle Aufgaben löst, beobachtet Neve die anderen Schüler, die sichtlich erleichtert sind, dass nicht sie vorne an der Tafel stehen.

»Fertig Ms. Stewart«, trällert Sam ironisch, begibt sich zum Platz zurück und hält Neve die Kreide entgegen. Als sie danach greifen will, zieht Sam die Kreide weg. Der erste Griff geht ins Leere. Die Schülerin streckt ihrer Lehrerin erneut das weiße Stück entgegen. Wieder greift Neve ins Leere, weil Sam mit einem kaum zumutbaren frechen Grinsen, die Kreide wieder wegzieht. Gleich darauf bietet sie ihrer Lehrerin diese zum dritten Mal an.

»Sie sind einfach zu langsam.«, lacht sie.

Bewusst geht Neve ein Schritt auf ihre Schülerin zu. Fast Angesicht zu Angesicht stehen sie sich gegenüber.

»Wenn sie mich verarschen wollen, müssen sie schon etwas früher aufstehen«, kontert sie im ruhigen Ton. Sie zeigt mit dem Zeigefinger ihrer geschlossenen Hand auf die von Sam, in der sich die Kreide befindet. Sam öffnet sie und starrt im wahrsten Sinne des Wortes ins Leere. Da, wo sich bis eben noch die Kreide befand, ist mittlerweile gähnende Leere. Sie schaut ihre Lehrerin mit einem überraschten Blick verwirrt an. Im selben Moment wandert das vermisste Stück Kreide langsam aus Neves Hand.

»Ich glaube, sie sind die langsamere von uns beiden.« Zuerst grinst Neve ihre Schülerin mit einem ironisch triumphierenden Lachen an, wird dann aber schlagartig ernst, geht an ihr vorbei zur Tafel und kreist das von ihr aufgeschriebene Ergebnis ein. Schweigend wird sie von der Klasse beobachtet.

»Ich bin erstaunt, dass sie die Aufgaben so schnell gelöst haben. Aber das Ergebnis…,«. Sie tippt mit der Kreide auf die Zahlen des Ergebnisses.

»ist leider vollkommen falsch.« Ein kurzes Lachen ertönt in der Klasse, von dem sich Sam allerdings keineswegs verunsichern lässt. Entspannt setzt sie sich auf ihren Stuhl.

»Anstatt hier ein Minus einzusetzen, hätten sie… .«.

»Hätte ich ein Plus einsetzen müssen, ich weiß«, unterbricht Sam ihre Lehrerin, die sie daraufhin erstaunt und zugleich fragend ansieht.

»Wenn sie das richtige Ergebnis wissen, warum haben sie es dann nicht an die Tafel geschrieben?«

»Weil ich sehen wollte ob es ihnen auffällt«, lacht Sam. Sofort bricht die ganze Klasse wieder in dieses hundeähnliche Gebell und das Klopfkonzert aus. Erneut schlägt Sam auf die von Laura nach hinten gereichte Hand ein. Gleich darauf führt sie zwei Finger an ihre Lippen und beginnt laut zu pfeifen, wobei sie Neve keine Sekunde aus den Augen lässt. Sie schaut Sam mit einem erbosten Blick an, bis ihre Schülerin ihr plötzlich mit einem, für heute das erste Mal, netten Lächeln zu zwinkert.

Kurz vor Stundenende wirft Neve einen Blick in die hinterste Reihe zu Sam. Gelangweilt und verträumt schaut die Schülerin aus dem Fenster. Ihr Daumen drückt ununterbrochen auf einem Kugelschreiber herum, was sich in einem leisen Klicken wiedergibt.

»Ms Rodriguez, sie sehen so verträumt aus, dass sie bestimmt Lust haben, die Klasse an ihrem Traum teilhaben zu lassen?«, reißt sie Sam aus den Gedanken, die daraufhin frech grinst und sich aufrecht hinsetzt.

»Aber gerne doch, Ms. Stewart. Ich habe gerade davon geträumt, dass ich mich in der Nähe von Griechenland auf der Insel Lesbos befinde, falls sie dieses kleine Fleckchen Erde kennen…«

»Der Name dieser Insel ist mir ein Begriff«, unterbricht Neve ihre Schülerin. Sie weiß plötzlich, dass es keine gute Idee war sie auf ihren Traum anzusprechen.

»Also…,«, fährt Sam fort.

»wie gesagt. Ich bin also auf dieser Insel und verführe gerade eine wunderschöne Frau, die ihnen übrigens sehr ähnlich sieht und…«.

»Raus!«, unterbricht Neve ihre Schülerin mit einem scharfen Ton und zeigt auf die Klassentür. Als Sam sich nicht bewegt, wird sie lauter.

»Raus, habe ich gesagt!!« Mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen, steht Sam ganz langsam von ihrem Platz auf, geht an ihrer Lehrerin vorbei, wirft ihr einen Blick zu und öffnet die Klassentür.

»Ich will für sie hoffen, dass sie sich, wenn ich in fünf Minuten rauskomme, vor der Tür befinden«, droht sie im scharfen Ton.

»Aber sicher doch, Ms. Stewart«, trällert Sam ironisch und knallt die Tür hinter sich zu.