... denn sie wissen nicht, was sie tun

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... denn sie wissen nicht, was sie tun

Gottes Handwerk (Kurzgeschichte)

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Pater William

Impressum neobooks




„Vater vergib mir,
denn ich habe gesündigt!“

„Vater vergib mir, denn ich habe gesündigt! Ich habe gestohlen!“

„Vater vergib mir, denn ich habe gesündigt! Ich habe meine Frau geschlagen!“

„Vater vergib mir, denn ich habe gesündigt! Ich habe mit der Frau meines Nachbarn geschlafen!“

„Vater vergib mir, denn ich habe gesündigt! Ich habe mein ungeborenes Kind abgetrieben!“

„Vater vergib mir, denn ich habe gesündigt! Ich habe einen Menschen getötet!“

Angestrengt lauscht Pater William wie sein letztes Schaf für den heutigen Tag die Kirche verlässt. Seine Kirche! Sein zuhause! Sein Glück! Seine Hoffnung! Sein Heim!

Hier, in diesen alten Gemäuern fühlt er sich wohl! Egal was dort draußen auf den Straßen passieren mag, hier drinnen ist er sicher und fühlt sich verstanden! An der Seite seines Herrn! Der Herr, sein Gott!

Entkräftet und erschöpft verlässt er seine Seite des Beichtstuhls und schleppt sich in eine der hölzernen Sitzreihen. Ermattet atmet er schwer ein. Die Stimmen seiner Schafe klingen noch lange nach. Wie sie ihm jeden Tag ihre Sünden beichten und um Vergebung bitten.

Herr, strafe mich nicht wegen meiner Schuld. Heute erkenne ich mein falsches Handeln. Herr, sei mir gnädig mit deiner Huld. Ich bin selbst erschrocken über die Folgen meiner Tat. Ich erkannte nicht die Tragweite meines Handelns. Bitte, mein Herr und mein Gott,

Wende dich doch mir wieder zu und schenke mir wieder deine Güte. Ich bin das Seufzen satt. Ich weinte genug Kissen mit meinen Tränen nass. Meine Augen verloren ihren strahlenden Glanz. Wie eine Gebrochene gehe ich umher. Herr, zeige mir nicht länger deine kalte Schulter, sondern wende dich mir wieder zu und nimm mich wieder in deine Arme. Streif ab von mir alles Schuldige. Herr, erhöre mein Flehen, ich will deine Güte und Barmherzigkeit Loblieder singen

Wie soll er all diese Sünden noch weiter ertragen? Wie soll er noch länger zuhören und zum Schweigen verdammt sein? Wie soll er all diese getanen Sünden vergeben? Durch ein paar Worte? Durch die Worte „Dir ist vergeben!“?

Matt blickt er zu seinem Herrn ans geschlagene Kreuz. Er betrachtet ihn. Seine müden Augen schweifen über die Wunden, welche ihm von Menschenhand zugefügt wurden.

Die Stimmen seiner Schafe kehren ungebeten und ebenso unerwünscht zurück, obwohl er mit seinem Herrn reden wollte! Er wollte nur einen Moment für sich! Für sich und ihn! Nur einen Moment!

Auch wenn jedes Schäfchen glaubt, dort in dem Beichtstuhl unerkannt zu sein, weiß Pater William bei jedem Gang in diesen kleinen Kasten, wer nun neben ihm sitzt. Wer ihm seine Sünden beichtet. Er braucht nicht aufzuschauen, er erkennt den Menschen an seiner Stimme. Mitten in einer Millionenstadt wie New York, kennt er trotzdem seine Zöglinge und denkt noch nicht einmal darüber nach wer seine Kirche betritt. Wer beichtet! Wer gesündigt hat! Wer um Vergebung bittet!

So viele Stimmen! So viele Beichten! So viele Sünden! So viel Leid! Alle die Stimmen kreisen in seinem Kopf! Es fing schon früh an, dass er ihre Stimmen irgendwann nicht mehr abschütteln konnte! Sie sind da! Sie sind da, wenn er ins Bett geht und versucht zu schlafen! Sie sind da, wenn er aufwacht und einen neuen Tag beginnen will! Sie sind da, wenn er seine Reden hält! Sie sind immer da und lassen ihn nicht mehr los!

Eines Tages aber drängte sich eine neue Stimme zwischen all die tausend schon bekannten! Eine Stimme die ihm genauso fremd wie vertraut war! Seine Stimme! Seine eigene Stimme tauchte zwischen all den anderen auf! Seine Stimme war von einem Tag zum anderen präsent und sprach Worte die er selber niemals in den Mund genommen hätte! Es war seine Stimme, aber nicht sein Wille! Sein Wille ist rein und unschuldig! Aber dieser Wille war anders! Die Stimme und der Wille waren laut, stark, gewaltig, mächtig und unüberhörbar! Diese Stimme drängte ihm einen Willen auf, welcher ihm zu wider war. Er versuchte beides zu verdrängen, aber je mehr er dagegen ankämpfte, umso präsenter und gewaltiger kehrte beides zurück. Die Stimme und der Wille war eine gefährliche Mischung, welche er nicht wahrhaben wollte! Er drängte beides immer wieder zurück! Und doch kam der Tag an dem er schwach wurde und keine Kraft mehr für sich fand! Beides kämpfte um seinen Platz im Kopf und Pater William hatte keine andere Möglichkeit, als seine schützende Wand freizugeben! Er zwang sich an den Rand seines Gehirns und ließ mit gesengtem Kopf zu, dass dieser Wille und diese Stimme die Oberhand gewannen und seine schützende Mauer einrannten, als wenn dieser steinerne Schutz aus Papyrus wäre. Er hörte untergeben zu, ließ sich aber nie darauf ein. Das was seine Stimme brüllte konnte nicht wahr sein! Sie brüllte ohne Unterlass! Mit weit aufgerissenem Mund, scharfen Zähnen, fauchender Stimme und einem drohenden Unterton brüllt seine Stimme dessen Willen heraus, welcher nicht sein eigener war. Er horchte mit zitterndem Leib, da diese Worte nicht wahr sein konnten! Er wusste schnell welcher Wille das war und wer diesen, mit seiner Stimme auf ihn übertrug, aber auch das konnte nicht wahr sein! Niemals wäre er dazu im Stande!

„Weshalb bürgst du mir diese Last auf? Was habe ich getan, um eben diese tragen zu müssen? Wieso hast du mich ausgewählt? Was habe ich böses getan, das du mir deinen Willen aufdrängst?“, flüstert Pater William schwach und blickt zu seinem Herrn hoch. Er war geschockt, als er herausfand, das dieser widerwärtige Wille (welcher im brüllend ins Gehirn gebrannt wurde), der Wille seines Herrn war. Sein Herr, sein Gott!! Ohne einen eigenen menschlichen Körper zu besitzen, um seine Taten, mit ebenso eigener Hand zu vollziehen, suchte der Herr einen Menschen aus, um seinen Willen umzusetzen! Er fand in Pater William einen guten Handlanger. Denn sein eigener Wille war nicht so stark und mächtig wie der des Herrn.

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