Ghostsitter

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Ghostsitter
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Die bisherigen Bände dieser Serie:

Ghostsitter Band 1: Geister geerbt

Ghostsitter Band 2: Vorsicht! Poltergeist!

Ghostsitter Band 3: Hilfe, Zombie-Party!

Ghostsitter Band 4: Schreck im Spiegelkabinett

Ghostsitter Band 5: Tanz der Untoten

Die Serie wird fortgesetzt!

1. überarbeitete Neuauflage August 2019

Copyright © 2019 by Tommy Krappweis & Edition Roter Drache

Edtion Roter Drache, Holger Kliemannel, Haufeld 1, 07407 Remda-Teichel

edition@roterdrache.org; www.roterdrache.org

Umschlagillustration und Vignetten: Timo Grubing

Umschlaggestaltung: Timo Grubing

Korrektorat: Diane Krauss

Gesamtherstellung: Jelgavas tipografia

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2020

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (auch auszugsweise) ohne die schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

ISBN 978-3-964260-54-3


Inhalt

Kapitel 1:Umsonst gegruselt

Kapitel 2:Voll verhamstert

Kapitel 3:Der Getodstag

Kapitel 4:Das Ritual

Kapitel 5:Ein beleidigter Geist

Kapitel 6:Voodoo im Museum

Kapitel 7:Ein Dolch in Essen

Kapitel 8:Frag den Hamster

Kapitel 9:Lena

Kapitel 10:Der Geist in der Vitrine

Kapitel 11:Der Ring der Kaili

Kapitel 12:Recherche mit dem Daumen

Kapitel 13:Der charmante Werwolf

Kapitel 14:Die Sammlerin

Kapitel 15:Der Auktionator

Kapitel 16:Der Ektoplasma-Express

Kapitel 17:Der Klingelstreich

Kapitel 18:Désirée von Dumont

Kapitel 19:Das Hörspiel im Salon

Kapitel 20:Die Sammlung

Kapitel 21:Der Schrank

Kapitel 22:Die Flucht

Kapitel 23:Der Kessel

Kapitel 24:Kurz entgeistert

Kapitel 25:Ein Kessel Buntes

Kapitel 26:Der Kucheneffekt

Kapitel 27:Hoppla

Kapitel 28:Vampirisches

Kapitel 29:Ausgependelt

Kapitel 30:World of WerWizards

Über den Autor

Weitere Bücher


Kapitel 1: Umsonst gegruselt

Zwei Euro fuffzich? Nicht euer Ernst.« Tom blickte auf und sah in das betont cool gelangweilte Gesicht eines etwa sechzehnjährigen Jungen.

Der erwiderte Toms Blick durch seine verspiegelte Sonnenbrille, schaute dann einmal ganz besonders geringschätzig an der Fassade der Geisterbahn auf und ab und wandte sich schließlich an das Mädchen neben ihm.

»Also, nee. Das Ding sieht total vergammelt aus. Guck mal, da oben bei dem Uhu sind die Glühbirnen kaputt, und die Geisterfigur da bewegt sich, als hätte sie ein Gipsbein. Nee, für zwei fuffzich kaufen wir uns lieber was zu trinken, und ich erschreck dich selbst.«

Doch bevor er seine Freundin am Arm wegziehen konnte, hob Tom die Hand und beugte sich den beiden aus dem kleinen Kassenhäuschen der Geisterbahn entgegen. »Vorschlag. Ihr steigt jetzt einfach ein, ohne zu bezahlen, und ich bekomme das Geld hinterher – und zwar nur dann, wenn ihr euch gegruselt habt.«

Der Junge sah Tom verwundert an. Auch dem Mädchen war deutlich anzusehen, dass sie den Vorschlag irgendwie seltsam fand.

Tom wartete geduldig auf eine Antwort. An diesem Mittwochvormittag war bis auf ein paar Kindergartengruppen, die sich um das Entenangeln und das Dampfkarussell scharten, eh nicht viel los auf dem Rummelplatz. Für Kinder unter sechs Jahren war die Schreckensfahrt auf jeden Fall zu gruselig, also waren die beiden Jugendlichen vor ihm die einzigen potenziellen Kunden weit und breit. Da konnte er auch mal eine Fahrt verschenken, und wenigstens sah es dann so aus, als hätten sie Besucher.

»Okay«, ließ sich da der coole Sonnenbrillentyp vernehmen, woraufhin seine Freundin überrascht zu ihm rüberguckte.

Doch der winkte ab. »Was denn, Lena? Kann ja nicht viel krasser sein als der Horrorfilm, den wir am Wochenende mit Basti geschaut haben, oder? Schau dir den alten Kasten doch mal an. Was bitte soll uns da groß erschrecken? Ich hab allerhöchstens Angst, dass das Ding zusammenklappt, bevor wir auf der anderen Seite wieder rausgeschaukelt sind.«

Tom lächelte so freundlich, dass man fast hätte Verdacht schöpfen können, und deutete höflich in Richtung des Einstiegs. »Bitte, hier entlang. Viel Spaß.«

Er sah deutlich, dass das Mädchen der Einladung eher unwillig folgte. Aber auch sie wollte sich nun doch keine Blöße geben und setzte sich schließlich neben ihren Freund in den nächsten Wagen, der vor ihnen seine ruckelnde Fahrt verlangsamt hatte.

Kaum waren die beiden hinter dem Fallgitter in der Dunkelheit verschwunden, warf Tom seine telepathische Verbindung an. Achtung, Leute, hier kommt ein Härtefall! Also, nur der Typ, nicht das Mädchen. Hab ihm gesagt, er muss nur zahlen, wenn er sich gruselt.

Alles klar, antwortete das Geistermädchen Mimi direkt in seinem Kopf, wir kümmern uns um ihn.

»Und? Spaß gehabt?«, fragte Tom den Jungen ein paar Minuten später. Zumindest musste es sich bei dem schlotternden Stück Gelbwurst um den gleichen Jungen handeln, der vorhin mit seiner Freundin in die Gondel gestiegen war. In der Geisterbahn hatte er schließlich keine Möglichkeit gehabt, sich gegen sein eigenes Wurstdouble einzutauschen. Der Junge brachte kein einziges Wort heraus und starrte geradeaus nach nirgendwo.

»Also ich fand’s suuuuper!«, antwortete stattdessen das Mädchen ganz begeistert. »Das Geistermädchen hat mir die Hand für ein High Five entgegengestreckt, und meine Hand ist einfach durch sie durchgeglitten, das war voll cool! Und der Zombie war ja mal richtig niedlich mit seinem Kuschelhasen. Und sag mal, wie habt ihr das gemacht, dass die Mumie mir voll in die Augen schaut und sich so höflich verbeugt? Das war der Wahnsinn!«

 

Tom grinste breit und betätigte den alten, rostigen Hebel, der den Transport der Gondeln unterbrach. »Na ja, wir haben einfach echte Geister und Untote in der Geisterbahn angestellt. Sind wirkungsvoller als unechte und lungern nicht auf Friedhöfen rum.«

Das Mädchen lachte laut, und Tom fiel auf, dass ihr das ziemlich gut zu Gesicht stand. »Haha, na klar, das erklärt natürlich alles! Warum machen das nicht alle Geisterbahnen so?«

»Keine Ahnung.« Tom zuckte schelmisch mit den Achseln. »Ist auf jeden Fall wirkungsvoll und deutlich billiger.« Und das war, ebenso wie alles andere, nicht gelogen.

Dann deutete er auf das Ding neben ihr. »Ich glaube, seine Knie sind noch nicht voll einsatzfähig. Magst du mir vielleicht helfen, deinen Freund aus der Gondel zu wuchten?«

»Meinen Freund? Wir sind nicht … Also wir sind nur …«, stammelte das Mädchen kurz und bemerkte dann, dass Tom sie fragend ansah. Ein rötlicher Schatten bildete sich auf ihren Wangen, und sie wedelte kurz mit beiden Händen durch die Luft. »Äh … nein, nein, warte, ich dachte, du meinst Freund wie fester Freund oder so, aber warum solltest du, ich meine, du kennst mich ja gar nicht, und warum würdest du … okay, ich denk wieder mal zu viel drüber nach, was andere denken, tut mir leid, vergiss es. Vergiss alles, was ich gesagt hab, okay?« Während des kleinen Monologs war sie immer röter geworden, und Tom war es jetzt plötzlich unangenehm, sie in diese Situation gebracht zu haben.

»Ich hab gar nix gemeint oder gedacht, wirklich nicht. Alles gut«, beeilte er sich zu erklären, »aber bitte lass uns deinen … Kumpel … mal da unten auf die Stufe setzen.«

Das Mädchen nickte, und wollte auf der anderen Seite aus der Gondel steigen. Doch Tom deutete auf das Warnschild mit der Aufschrift ›Bitte links aussteigen‹.

»Komm bitte hier rüber«, sagte er und trat zur Seite, um sie vorbeizulassen. Dann kletterte er über die Gondel auf die andere Seite, und sie griffen dem Jungen gemeinsam unter die Achseln.

Der reagierte immerhin passiv auf die Aufwärtsbewegung, stieg etwas tapsig, aber unfallfrei aus dem Wägelchen und sackte nach ein paar Schritten auf der untersten Stufe vor der Geisterbahn zusammen. Dort starrte er weiter vor sich hin, und Tom hatte das unbestimmte Gefühl, ihm vielleicht doch besser mal den Puls fühlen zu müssen.

Mimi?, rief er gleichzeitig telepathisch, was habt ihr denn mit ihm gemacht, um Gottes willen? Ihr solltet ihn nur ein bisschen erschrecken und nicht fürs Leben zeichnen!

Ich hab nix gemacht!, antwortete ihm das Geistermädchen. Ehrlich nicht! Und nach einer Pause. Also … nur ein bisschen.

Der Typ blinzelt nicht mal, verdammt!, schimpfte Tom in Gedanken zurück. Was mach ich denn jetzt mit dem?

Der erholt sich schon wieder, ließ sich da die grummelige Stimme von Toms Onkel Welf vernehmen. Lass ihn doch einfach ein bisschen da sitzen, bis er merkt, dass sein Arm noch dran ist.

W… was?, stammelte Tom stumm in Richtung Geisterbahn, während er den Ärmel des Jungen hochrollte, um das Handgelenk auf der Suche nach etwas Ähnlichem wie einem Pulsschlag abzutasten.

»Was hat er denn?«, fragte da das Mädchen neben ihm. »Das war doch alles gar nicht schlimm.«

»Für dich nicht, hahaha«, lachte Tom zu laut und zu künstlich, während er gleichzeitig versuchte, etwas Leben in die bleiche, schwitzige Hand des Jungen zu rubbeln. »Jeder reagiert anders auf … auf das, was wir da drin … bieten. HAHA. Ähm. Haha.«

Nervös griff Tom mit beiden Händen zu und drehte den Kopf des Jungen zu sich. »Hey. HALLO. Alles okay?«

Da schrie der Kerl plötzlich wie am Spieß und schlug wie verrückt um sich. »Waaahh! WAHH! LASST MICH! GEHT WEG!«, schrie er, verlor dabei die Balance, rutschte von der Stufe und landete ziemlich unsanft auf dem staubigen Kies darunter. Dort krabbelte er ungelenk rückwärts wie ein betrunkener Taschenkrebs, weg von der Geisterbahn.

»Hey Luca, ich bin’s, Lena!«, rief das Mädchen erschrocken. »Es ist alles gut, das war doch nur …«

»Nur? Nur!?«, blökte der Junge namens Luca so laut über den Rummelplatz, dass sich die Kindergartenkinder tatsächlich für wenige Sekunden vom Entenangeln abwendeten.

Luca krabbelte zu Lena und krallte sich an ihrer Jacke fest. »Das Gespenst hat mir ins Ohr geflüstert, die Mumie wollte meine Augen für ein Murmelspiel! Dann hat mir ein Werwolf die linke Hand abgebissen und sie dem Zombie gegeben, der mir damit am Ende zugewunken hat!«

Stumm schaute Lena an Luca herab. »Das war aber dann voll nett von dem Zombie, dass er dir die Hand am Ende wieder drangepappt hat«, sagte sie trocken, und Tom verbiss sich ein Grinsen.

Luca hob seine unversehrte Hand vor die schreckgeweiteten Augen. Einer unheilvollen Ahnung folgend, riss er plötzlich auch die andere Hand hoch und stellte fest, dass sich auch diese genau dort befand, wo er sie das letzte Mal gesehen hatte: am Handgelenk.

Endlich beruhigte er sich ein wenig, und Tom bemerkte mit zunehmender Erleichterung, dass auch wieder etwas Farbe in das Gesicht des Jungen zurückgekehrt war.

Luca atmete ein paarmal tief durch und sah sich dann um. »Ohne Mist, ich hab so was noch nie erlebt … Dagegen sind alle Horrorfilme wie die Teletubbies.«

Zitternd zog er eine Geldbörse aus der Innentasche seiner Jacke, fischte einen Fünfeuroschein heraus und streckte ihn Tom entgegen. »Da. Du hast gewonnen, Kleiner.«

Tom schüttelte den Kopf. »Ist schon okay, die Fahrt geht auf’s Haus.«

»NEIN«, rief Luca da plötzlich wieder so laut, dass Lena ihn stirnrunzelnd ansah. »Ich … ich will euch nichts schuldig sein. Alle Rechnungen werden beglichen, wir sind quitt. Sag, dass wir quitt sind!«

»Ähm … wir sind … quitt?«, stammelte Tom überfordert und sah, wie der ältere Junge erleichtert aufatmete. »Gut. Das ist gut. Quitt ist gut, keine Schulden bei den … bei den … Dings.«

Er schnaufte noch einmal tief durch und stemmte sich dann auf die nur noch wenig zitternden Beine. »Komm, Lena, ich brauch jetzt eine Cola oder so was.«

»Okay«, nickte sie und sah Tom fragend an. »Sag mal, wir sind aber schon in derselben Geisterbahn gefahren, oder? Also, ich hab von alldem nix mitbekommen, was Luca da erzählt. Die Geister da drin waren alle voll nett zu mir, und der Hamster war sogar voll süß.«

»Hamster«, wiederholte Tom lahm, und Lena lachte. »Na, der knuffeli-gnubbeli Hamster auf dem Sarg in der Kerker-Deko! Oder ist der da nur zufällig reingekrabbelt?«

Sie winkte Tom noch einmal, und ihm war fast so, als hätte sie ihm zugeblinzelt. Aber das konnte auch wegen der Sonne gewesen sein.

Tom hatte eh kaum Zeit, sich darüber mehr als einen halben Gedanken zu machen, denn die Sache mit dem Hamster beschäftigte ihn sehr. Aus gutem Grund.


Kapitel 2: Voll verhamstert

Tom starrte auf den Hamster, und der Hamster starrte zurück. »Das darf doch jetzt echt nicht wahr sein«, murmelte Tom und schaute Hilfe suchend zu Mimi.

Das grünlich schimmernde Geistermädchen war im Dunkel der Geisterbahn sehr gut zu sehen und zuckte mit den durchsichtigen Achseln. Auch Hop-Tep die Mumie, Toms Pflegeonkel Welf der Werwolf und Wombie der Zombie standen um den Sarg in der Kerker-Dekoration herum. Der Zombie starrte wie immer teilnahmslos ins Leere, hatte aber seinen Kuschelhasen Odor so in der Armbeuge platziert, dass der gut sehen konnte. Es fehlte also nur Vlarad der Vampir. Oder anders gesagt: Es fehlte nur der Vampir. Vlarad war ja da, aber eben in Gestalt eines Hamsters.

Es patschte laut durch die Geisterbahn, als Tom sich mit der flachen Hand mitten ins Gesicht schlug und diese dann ganz langsam herunterzog. Er hatte sich diese Geste vor ein paar Wochen angewöhnt und seitdem mehr als genug Gelegenheiten gehabt, sie einzusetzen. Denn irgendwas war ja immer. Und mit einer Geisterbahn voll mit echten Untoten war nicht nur immer was, sondern eben auch immer was ganz Besonderes. Das heutige Besondere saß vor ihnen und blinzelte aus unschuldigen Knopfaugen in die Runde.

»Vlarad hat also zu viel Hamsterblut genossen, wenn ich das richtig deute?«, seufzte Tom, und alle außer Wombie nickten. Natürlich wussten sie alle, dass es für Vlarad nicht so einfach war, immer genug unterschiedliches Blut zur Verfügung zu haben, um nicht zu dem jeweiligen Spendertier zu mutieren. Andererseits klappte es meistens auch ganz gut. Vlarad hatte im Lauf der Jahre ein stattliches Register von Zoohandlungen und Tierparks angelegt, wo er sich mit ausreichend Nahrung versorgen konnte, ohne eines der Tiere zu gefährden. Solange der Vampir sich nur ein paar Milliliter Blut abzapfte, blieb bei den Tieren nichts zurück als die verschwommene Erinnerung an eine hypnotisch-beruhigende Stimme und einen kleinen Piks.

Außerdem forschte der Vampir seit Jahrzehnten an einer veganen Alternative zu Tierblut, aber leider hatte er damit bislang noch keinen wirklichen Durchbruch erzielt – eher im Gegenteil: Nach einer dieser veganen Testphasen überwältigte ihn oft ein kaum zu bremsender Blutdurst. Und wenn sich der sonst so auf Benimm und Anstand versessene Graf nicht mehr im Griff hatte, konnte es gelegentlich passieren, dass er zu viel von einer Tierart erwischte. Und heute war wohl gelegentlich, denn der Hamster vor ihnen war der lebendige Beweis.

»Was machen wir denn jetzt?«, stöhnte Tom.

»Wir könnten ihm ein kleines Cape nähen«, ließ sich Welf vernehmen, und Mimi kicherte. »Au ja, und einen süßen kleinen Gehrock und eine Weste und …«

Tom hob die Hand. »Ich habe – natürlich – nicht gemeint, was wir mit dem Hamster alles Lustiges machen können, sondern wie wir den Vampir zurückbekommen, den wir spätestens dann brauchen, wenn heute Nachmittag viele Leute mit der Geisterbahn fahren und sich kaum vor einem Hamster gruseln werden!«

»Jetzt reg dich doch nicht so auf, Tom. Du hast doch vorhin gesehen, dass wir zur Not auch ohne Vampir ziemlich wirkungsvoll sind, oder?«, antwortete ihm das Geistermädchen und grinste frech.

»Oh ja, das hab ich gesehen, und darüber müssen wir auch noch reden«, gab Tom aufgebracht zurück. »Ihr habt den Typen so erschreckt, dass ich dachte, er sackt zusammen und fließt als Götterspeise aus der Gondel! Der war total weggetreten und hatte sogar vergessen, wie man blinzelt!«

Mimi schob beleidigt die Unterlippe vor. »Du hast gesagt …«

»Mooooment«, rief Tom, »ich hab nicht gesagt: Macht den Heini zu Bibber-Bampf! Ich wollte nur, dass er sich genug gruselt für zwei fuffzich!«

»Was soll’s«, ging Welf unwirsch dazwischen, »hat er sich eben für ein paar Euro mehr gegruselt. Du wolltest ihm die Fahrt ja sogar schenken.«

»Was hätt ich denn bitte auch anderes machen sollen?«, entgegnete Tom. »Guten Tag, Sie hatten gerade Schiss für hundert Euro, also geben Sie mir wenigstens ’nen Zwanni, oder was?«

»Zum Beispiel«, grummelte Welf. »Davon könnten wir die Lieferung mit den neuen Glühlampen bezahlen, die morgen Vormittag hier ankommen sollen.«

Tom stand einen Moment lang der Mund offen, und er wartete, bis seine Kiefer wieder dazu taugten, Laute zu formen.

»Das darf doch jetzt echt nicht wahr sein«, stieß er dann zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Der Herr Graf hamstert sich einen, während ihr jemanden fürs Leben traumatisiert, und jetzt bin ich derjenige, der Mist gebaut hat!?«

Das hat niemand von uns so ausgedrückt, junger Freund, vernahm Tom plötzlich direkt in seinem Kopf. Es war Hop-Tep, der gerade telepathisch zu ihm gesprochen hatte, obwohl er direkt vor ihm stand. Und das war auch gut so, denn durch die Bandagen war von der Mumie meistens nur ein undeutliches Genuschel zu verstehen.

Tom seufzte. »Das weiß ich doch.« Er setzte sich neben den Hamster auf den Sarg. Der ägyptische Prinz sprach selten, aber wenn er etwas sagte, dann hatte er erschreckend oft recht. So auch diesmal.

 

Tom sah das Nagetier nachdenklich an. Das schaute hamsterig zurück. Dann gab er sich einen Ruck, blickte auf und rang sich ein halbes Lächeln ab. »Also gut, was tun wir?«

»Das ist einfach«, antwortete Welf. »Wir warten, bis die Wirkung nachlässt.«

»Und wie lange dauert das?«

»Kommt drauf an, wie viel Hamsterblut Vlarad erwischt hat. Wenn es sozusagen ein kompletter Hamster war, dann verwandelt er sich wohl erst übermorgen Nacht zurück.«

Tom schluckte. »Was meinst du mit ›ein kompletter Hamster‹? Du meinst, das Spendertierchen ist … es ist …«

»Untot«, unterbrach ihn Mimi. »Irgendwo in der Stadt gibt es jetzt vermutlich einen etwas bleichen Hamster mit sehr spitzen Eckzähnen, der demnächst herausfinden wird, dass er das Tageslicht meiden sollte.«

»Oh nein, der Arme!«, rief Tom. »Können wir da gar nix machen?«

Die Erfahrung hat gezeigt, dass das gar nicht nötig ist, meldete sich da wieder die Mumie zu Wort. Bedenke, junger Freund, dass der kleine Hamster nun ewig leben wird, zudem die Kräfte eines kleinen Bären hat, und bald wird er auch herausfinden, dass er sich des Nachts in Gestalt einer Fledermaus in die Lüfte erheben kann. Bislang waren alle Tiere, denen dieses Schicksal widerfuhr, hocherfreut.

»Okay, so gesehen«, murmelte Tom. Er selbst hatte ja auch schon öfter darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, wenigstens eine dieser Superkräfte zu besitzen, über die seine untoten Freunde im Überfluss verfügten. Doch auf der anderen Seite merkte Tom täglich, dass er als normaler Mensch auch Vorteile hatte. Er konnte unbehelligt vom Sonnenlicht am Tag herumspazieren, verwandelte sich bei Vollmond nicht in eine reißende Bestie, und, im Gegensatz zu Mimi, konnte er Dinge anfassen und festhalten, ohne einfach hindurchzugleiten.

»Ihr meint also, dem Hamster, den Vlarad gebissen hat, geht’s gut?«, fragte Tom verwundert in die Runde.

»Schau uns an«, lächelte Mimi, »sehen wir unglücklich aus?«

Tom lächelte zurück. »Nein. Wirklich nicht.«

»Siehst du. Und dem Vampirhamster wird’s auch gutgehen. Der wird sogar richtig Spaß haben, glaub mir.«

»Na gut«, sagte Tom, »so weit der Vampirhamster, bleibt nur noch unser Hamstervampir.«

Er sprang vom Sarg und rubbelte die Hände aneinander. »Dann machen wir es so. Mimi, du übernimmst bitte zusätzlich Vlarads Position. Wenn eine Gondel hier an der Kerker-Deko vorbeifährt, gleitest du durch den Sargdeckel und schwebst links die Gleise entlang und um die Ecke. Wenn die Gondel dann an deiner eigentlichen Position vorbeikommt, lässt du sie durch dich hindurchfahren und gleitest dann durch den Boden ungesehen zurück zu Vlarads Sarg. Das sollte in wenigen Sekunden machbar sein, sodass du bereit bist, wenn die nächste Gondel kommt, oder?«

»Yes, Sir«, antwortete das Geistermädchen breit grinsend und deutete ein Salutieren an.

»Danke dir.« Tom wandte sich an die Mumie. »Hop-Tep, du bist doch so irre begabt mit Nadel, Faden und Make-up. Könntest du dem Hamster-Vlarad vielleicht ein Ratten-Cosplay basteln? Ich finde, so eine dicke Ratte würde sich in der Deko super machen.« Er blickte zu dem Hamster. »Also, wenn es für dich okay ist, Vlarad, dass du als Ratte arbeitest, bis du wieder zurückverwandelt bist?«

Der Hamster nickte sehr unhamsterartig, und Tom musste grinsen. »Supi, danke dir. Wenn wir den Magnetverschluss aus dem Sarg ausbauen, könnte unsere Riesenratte vielleicht sogar selbst den Deckel anheben und rauskrabbeln. Ginge das, Hop-Tep?«

Das sind zwei sehr hübsche Ideen, junger Freund, und ich werde mich umgehend daranmachen, antwortete die Mumie.

Tom schnaufte erleichtert durch und schaute zu den anderen. »Also, war’s das, oder haben wir sonst noch irgendwelche Probleme?« Natürlich erwartete er nun nichts anderes als ein vielstimmiges »Nein, alles okay, Tom«.

Stattdessen antwortete Mimi mit einem verdrucksten »Na ja …«, und Tom sah sie groß an.