Buch lesen: «Wenn die anderen das Problem sind», Seite 2

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Wenn die Nase nicht passt …

Andere Wellenlänge

Wenn man emotional mit einem Menschen nicht auf eine Wellenlänge kommen kann, dann geht es oft vom Verstand her nur sehr mühsam. Es ist natürlich nicht immer die „Nase“, die einem nicht passt. Oft sind es Angewohnheiten beim Sprechen, in der Gestik oder im Verhalten, die negative Assoziationen auslösen. Wenn Sie wissen wollen, wie so etwas zustande kommt, dann können Sie in Ihrer eigenen Vergangenheit nachlesen: Gibt es jemanden in Ihrem früheren Umfeld, an den Sie der Blick, die Nase, die Bewegungen erinnern? Welche Person ist das? Und wie haben Sie zu ihr gestanden? Kann es sein, dass Sie Ihr altes Verhalten in die Gegenwart übertragen?

Diese Fragen bringen oft weiter: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Wenn man weiß, was man am anderen so „nervig“ erlebt, dann kann man sich gelassener zurücklehnen und bewusst versuchen, neue Erfahrungen zu machen.

Manchmal aber haben Sie allen Grund, sich über das Verhalten eines anderen aufzuregen, zum Beispiel, weil der Betreffende negative Geschichten über einen verbreitet.

Beispiel

Urs ist wahrlich ein vernünftiger Mensch. Er argumentiert gerne sachlich, sieht wenig Probleme und bewahrt sich fast immer eine Portion Humor. Wenn er aber auf Sandra trifft, dann ist es um seine Fassung geschehen. Sandra reagiert dermaßen emotional, aber was ihn am meisten stört: Sie interessiert sich heute nicht mehr für ihr „Geschwätz“ von gestern. Was sie ihm an einem Tag zusagt, ist am nächsten Tag für sie unbedeutend. Urs versucht vergeblich, Sandra zu konfrontieren:


Urs: „Sandra, ich warte auf die Unterlagen. Du hast mir doch letzte Woche versprochen, die Zusammenstellung fertig zu machen. Sie sollte bis Freitag bei mir sein, damit ich sie durchsehen und weiterleiten kann. Heute ist Dienstag und ich habe schon sehr unfreundliche Nachfragen erhalten.“
Sandra: „Ach Urs, weißt du, ich beschäftige mich da gerade mit einer sehr spannenden Sache. Man sollte einige Strukturänderungen hier vornehmen, dann würdest auch du nicht mehr so unter Druck stehen. Ich habe viel in den letzten Tagen darüber nachgedacht, und da waren die Unterlagen einfach nicht mehr mein Thema.“
Urs: „Aber sie sind mein Thema. Ich stehe schließlich anderen gegenüber in der Pflicht.“
Sandra: „Wenn das so ist, dann stelle sie doch schnell selbst zusammen.“
Urs: „Sandra, mir fehlen Infos, die nur du hast, und darum habe ich dich in der letzten Woche gebeten.“
Sandra: „So, was denn?“

Fehlende-Umsetzungskonsequenz

Urs hätte große Lust, laut aufzuschreien. Er kann und will auch nicht verstehen, wie die Kollegin so in den Tag hineinlebt, heute dieses interessant findet, morgen jenes, aber kein Projekt konsequent verfolgt. Zugegeben, Sandra hat viele gute Ideen. Mit ihr unverbindlich zu plaudern macht großen Spaß. Aber die vielen guten Ideen verpuffen, denn sie bringt nichts wirklich zur Umsetzungsreife. Urs kann mit diesem Verhalten einfach nicht umgehen. Ganz mit seiner Wut beschäftigt, fällt ihm auch nicht ein, wie er die Dinge mit ihr regeln könnte. Denn er kann nicht auf die Infos zugreifen, die er braucht. Er könnte natürlich versuchen, über jemand anderen an diese Infos zu kommen. Das würde funktionieren – vielleicht, sofern es eine Alternative gibt. Er könnte auch versuchen, Sandra direkt abzuholen, indem er zu ihr hingeht und ihr sagt: „Ich brauche das jetzt“ und neben ihr stehen bleibt, bis sie es herausgesucht hat. Menschen wie Sandra können gut auf das Aktuelle reagieren. Sie freut sich wahrscheinlich sogar, wenn er vorbeikommt und sie gemeinsam die Sachen heraussuchen, die er braucht. Sie würden noch nett plaudern und die Sache wäre erledigt – für beide Seiten auf angenehme Weise.

Urs kommt nicht auf diesen Gedanken, weil er es selbst katastrophal fände, wenn jemand in sein Büro schneien und ihn bitten würde, sofort etwas zu erledigen. Und noch katastrophaler fände er es, wenn der Betreffende auch noch neben ihm stehen bliebe. Dafür ist sein Tag zu strukturiert. Er hätte dann das Gefühl, seinen eigenen Zielen nicht mehr gerecht werden zu können, und würde unzufrieden nach Hause gehen oder bis in die Nacht hinein arbeiten. Sandra macht das nichts aus. Da ihr Tag deutlich weniger Struktur hat, stören sie Veränderungen und Unterbrechungen nicht in dem Maße wie Urs.

Es geht hier zwar nicht um die Nase, aber es geht um eine Eigenschaft, die fest im Charakter einer Person verwurzelt ist und die sich auch nicht einfach so verändern lässt, zumal beide Personen keinen Anlass für eine Veränderung erkennen können.

Ein Konflikt naht

Erkennungszeichen: Schwierigkeiten mit der Art des anderen To Do: gelassen bleiben, nicht aufregen, ungewöhnliche Wege zur Kooperation suchen – auch Wege, die man selbst nicht gerne beschreitet

Wenn die anderen noch so viel Ärger machen: Bleiben Sie gelassen und überlegen Sie Möglichkeiten, wie Sie Ihre Ziele erreichen können. Probieren Sie auch ungewöhnliche Wege aus und schrecken Sie nicht vor möglichen Wegen zurück, nur weil Sie selbst diese unangenehm fänden.

Zu viele E-Mails

Typische E-Mail-Probleme

Missverständnisse und damit Konflikte über E-Mails entstehen sehr viel häufiger als im direkten Gespräch. Zwar haben Sie bei E-Mails immer einen Beleg in der Hand und können sich auf Geschriebenes berufen. Aber Sie können gleichzeitig nicht direkt nachfragen, nachkorrigieren und erläutern, was wirklich gemeint ist. Die direkten Kontakte am Arbeitsplatz nehmen durch das Mailsystem deutlich ab. Das spart zwar Zeit, wenn Kollegen dann aber zusammensitzen, gehen sie ellenlange Maillisten durch und klären die insgesamt aufgelaufenen Missverständnisse. Das kostet wieder Zeit.

Also, warum nicht einfach öfter mal in kleinen Gruppen zusammensitzen oder wieder altmodisch zum Telefon greifen? So lässt sich viel besser und schneller etwas aus der Welt schaffen, das durch viele Mails und eskalierende CC-Kopien sonst zu einem heftigen Konflikt anschwellen könnte. Nach dem Gespräch können Sie immer noch eine E-Mail mit den zusammengefassten Vereinbarungen und To Dos herumschicken. Dann haben Sie es auch schriftlich.

Vorteile von E-Mails

Mails haben natürlich andererseits den Vorteil, dass man sich in Ruhe überlegen kann, was man schreiben möchte, und das Geschriebene hinterher auch noch einmal durchsehen kann, bevor man auf den Knopf drückt und die Nachricht sendet. Die Kommunikation funktioniert also überlegter – meistens. Manchmal sind die Finger schneller als der Kopf und dann kann es doppelt schwierig werden.

Gerade, wenn sie dem Gesprächspartner gegenüber unsicher sind, greifen viele Menschen zur E-Mail-Kommunikation. Denn sie glauben, die Zeit zum Überlegen zu brauchen, um nicht mit ihrer eigenen Meinung in das Gespräch hineinzugehen und mit der Meinung des anderen aus dem Gespräch herauszukommen – vielleicht nur, weil der andere rhetorisch überlegen ist, mehr Erfahrung hat oder schon länger im Unternehmen arbeitet und so die Kniffe und Erfolgswege kennt.

In einer Gesprächsrunde bestehen lernen

Diese Unsicherheit lässt sich vortrefflich beim Schreiben von E-Mails verbergen. Andererseits kommt man natürlich auch nicht voran und lernt weniger, seine Meinung zu artikulieren und für sie einzustehen. Manchmal ist es einfach wichtig, auf gefährliche Situationen zuzugehen, um sie zu entmachten. Ohne Übung kein Erfolg. Mit etwas Pech fühlt man sich, wenn man sich überwiegend auf die Mailkommunikation zurückzieht, auch nach vielen Jahren im Unternehmen nicht in der Lage, in einer Gesprächsrunde zu bestehen. Und genau diese Fähigkeit sollten gerade Berufseinsteiger möglichst schnell lernen.

Beispiel

Frau Summ beispielsweise ist zwar seit fünf Jahren im Unternehmen, aber sie hat immer die Erfahrung gemacht, dass andere Menschen sie überrollen. Sie hat das Gefühl, dass sie in Gesprächen stets nachgeben muss. Als Leiterin eines Projektbüros in einer Stabsfunktion hat sie mit vielen verschiedenen Menschen zu tun und muss ihre Arbeit mit vielen Bereichen koordinieren. In den Bereichen gibt es natürlich auch Vorstellungen, wie das Projekt zu laufen hat, und man versucht, sie im Gespräch zu überzeugen.

Erfolgloses Gespräch


Frau Summ: „Also, Herr Duder, geplant ist auch, die wichtigsten Informationen für die Übernahmesitzung in gedruckter Form zur Verfügung zu stellen.“
Herr Duder: „Also, wir haben noch nie die Drucke für eine Übernahmesitzung gemacht. Das sprengt unsere Kapazitäten.“
Frau Summ: „Ja, also, wen soll ich denn dann fragen?“
Herr Duder: „Entweder, Sie machen es selbst, was ja eigentlich Ihre ureigene Aufgabe ist – wofür haben wir denn sonst ein Projektbüro –, oder Sie fragen mal im Bereich DU-4 nach.“
Frau Summ: „Ja, meinen Sie?“

Das ist natürlich für Frau Summ ein wenig erfolgreiches Gespräch. Sie hat keine Ahnung, wie eine Drucksache zu erstellen ist. Sie kann als Juristin nur inhaltlich prüfen und war davon ausgegangen, dass die Fachabteilung sie gerne unterstützt – denn schließlich ist diese darauf spezialisiert und hat eine gute Infrastruktur. Im Gespräch bemerkt sie aber, dass sie auf wenig Unterstützung stößt, und setzt sich hier nicht durch.

E-Mail statt Gespräch

Also versucht sie es beim nächsten Mal per Mail und verschickt diese auch an die jeweiligen Chefs, um der Sache Nachdruck zu verleihen. Sie hofft, dass sich der Kollege nun nicht mehr drücken kann. Aber es kommt ganz anders:

Sehr geehrter Herr Duder,

genau wie im letzten Jahr sind auch in diesem Jahr für die Übernahmesitzung am 14. Oktober Unterlagen in gedruckter Form herzustellen. Als Leiterin des Projektbüros bitte ich Sie nun, den Druck der Erzeugnisse in einer Auflage von 1000 bis 12. September zu veranlassen. Im Anhang finden Sie den Text für den ersten Druck, der bereits aus juristischer Sicht abgestimmt ist. Ergänzungen von Ihrer Seite sprechen Sie bitte mit mir ab – viele Formulierungen sind aus juristischer Sicht sensibel. Sollten Sie keine Änderungen vornehmen, erwarte ich Sie spätestens am 12. September mit den fertigen Erzeugnissen in meinem Büro. Ich werde Ihnen in den nächsten Tagen auch die anderen fertigen Dokumente nachreichen.

Mit den besten Wünschen

Cornelia Summ

Noch am gleichen Tag kommt folgende Mail des Chefs von Herrn Duder in Kopie an diesen zurück:

Sehr geehrte Frau Summ,

ich verbitte mir diesen Ton gegenüber meinen Mitarbeitern. Auch Anweisungen erteile nur ich. Herr Duder wird Ihre Mail ignorieren.

Hochachtungsvoll

Herbert Rumms

So klappt es auch nicht. Die arme Frau Summ steht vor einem Scherbenhaufen. Was kann sie in einer solchen Situation tun? Direkt im Gespräch ist sie deutlich unterlegen, und über eine klare Mail mit konkreten Aufforderungen blitzt sie auch ab.

Direkte Gespräche

Frau Summ könnte sich an ihren Chef wenden und die Sache von oben her einfädeln. Diese Möglichkeit steht ihr offen. Aber hat ihr Chef sie nicht genau deswegen als Projektleiterin eingesetzt, damit sie all diese Probleme für ihn löst? Der Weg steht ihr also auch nicht offen. Was an dieser Stelle sehr hilfreich sein kann, ist, Informationen von anderen Seiten einzufordern. Und das geht nur, wenn man über gute Beziehungen verfügt. Dann kann man mit anderen sprechen und vorher in Erfahrung bringen, wie in dieser Sache bisher vorgegangen wurde, um den gleichen bereits erfolgreich genutzten Weg einschlagen zu können. Und gute Beziehungen entstehen in der Regel nicht über E-Mail-Kontakte, sondern über das direkte Gespräch miteinander.

Wenn es gelingt, gute Geschäftsbeziehungen im Unternehmen oder auch mit freiberuflichen Partnern aufzubauen, dann kann man einige Konflikte umgehen, weil man über inoffizielle Informationen verfügt, die weiterhelfen.

Frau Summ hätte beispielsweise erfahren können, dass sich an dieser Abteilung schon einige im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne ausgebissen haben. Bekannte Strategie im Unternehmen ist es deswegen, die Abteilung geflissentlich zu umgehen. Trotz ihrer langjährigen Firmenzugehörigkeit hat Frau Summ davon noch nie gehört. Das ist ungewöhnlich und lässt darauf schließen, dass sie zu wenig aktiv direkte Kontakte mit anderen sucht und pflegt. Was sachlich zunächst nicht notwendig erscheint, kann im Konfliktfall eine große Hilfe sein.

Ein Konflikt naht

Erkennungszeichen: zu viele E-Mails, zu wenig Gespräche To Do:Mut zum direkten Kontakt, gezielter Aufbau von guten Beziehungen, viele informelle Gespräche führen, Informationen sammeln

Essentials

■ Friede, Freude, Eierkuchen und Wut, Enttäuschung, Aggression gehören zusammen. Konflikte fangen klein an. Früh erwischt, lassen sie sich gut regeln.

■ Gute Beziehungen am Arbeitsplatz bringen wertvolle Infos, die vor Konflikten schützen können.

■ In unsicheren und schwierigen Situationen freundlich nachfragen, humorvoll reagieren und nicht rechtfertigen.

■ Konflikte entstehen oft nicht auf der sachlichen Ebene, sondern eher auf der politischen Ebene. Diese will bei jeder Aktion berücksichtigt werden.

■ Unterstellungen und Beschuldigungen humorvoll abfangen und auf das Sachthema überleiten.

■ Ungewöhnliche Wege gehen. Auch eine Vorgehensweise wählen, die man selbst nicht schätzen würde – sofern sie dem anderen gefällt und zum Ziel führt.

■ E-Mails ersetzen den persönlichen Kontakt nicht. Sie lassen sich aber wunderbar dazu nutzen, sachliche Themen, Vereinbarungen, Entscheidungen, Absprachen etc. transparent festzuhalten.


Konflikte fangen klein an

2. Die lieben Kollegen – Konflikte im Team

Die meisten Unternehmen und Einrichtungen finden Teamarbeit sehr gut. Wenn komplexe Probleme anstehen – so die Auffassung –, kann ein Team diese viel besser bewältigen als ein einzelner Mitarbeiter. Denn es sind ergänzende Kompetenzen notwendig, um rasch zu einer Lösung zu kommen. Diese Annahme trifft sicher auch zu, bis auf das kleine Wörtchen „rasch“. Denn immer, wenn Menschen zusammenkommen, funktioniert viel, aber fast nichts mehr schnell. Die Abstimmungsprozesse nehmen dann fast genauso viel Zeit in Anspruch wie die eigentliche Arbeit.

Kosten und Konfliktpotenzial

Viele kreative Köpfe, so meint man, müssten doch zu einem wenn auch nicht schnellen, aber dennoch sehr guten Ergebnis gelangen. Das mag auch sein. Nicht umsonst steht heutzutage hinter jedem Nobelpreisträger ein ganzes Team. Alleine kann in einer komplexen Welt niemand mehr viel ausrichten. Dennoch verursacht die Teamarbeit Kosten und ein Konfliktpotenzial, das häufig unterschätzt wird.

Ein wichtiges Thema ist in diesem Zusammenhang auch der Faktor „Zeit“. Viele Führungskräfte erwarten bei einem minimalen Einsatz von Zeit einen maximalen Output. Teammitglieder brauchen Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen, um sich in der Arbeit kennen zu lernen und um dann erfolgreich Projekte stemmen zu können. Ein perfektes Zusammenspiel entsteht nur dann, wenn man sich gegenseitig gut kennt. Aber auch in einem wunderbar eingespielten Team gibt es einen Knackpunkt: Ist das Team zu gut eingespielt, dann kann es sich nicht mehr so flexibel wie zuvor verhalten. Es arbeitet in bestimmten bewährten Mustern, die aber möglicherweise der aktuellen Situation gar nicht entsprechen. Die Teammitglieder selbst bemerken das meist nicht.

Verschiedene Vorstellungen

Selbstüberschätzung

Die meisten Menschen halten das, was sie im Kopf haben, für selbstverständlich und richtig. Und auch ihre Gefühlswelt erleben sie als objektiv. Und nicht nur das, eine neuere Untersuchung der Harvard-Universität wies sogar nach, dass sich die meisten Menschen besser als andere fühlen. Sie glauben, sie könnten besser und konzentrierter arbeiten und würden, wenn sie die Aufgaben der anderen zu erledigen hätten, diese deutlich besser abschließen. So bewerten sie ihren Anteil, den sie an einer Teamarbeit geleistet haben, deutlich höher als den Anteil der anderen Personen. So viel Selbstüberzeugung führt dazu, dass man auch die Vorgehensweisen und die Abläufe, die man sich selbst ausdenkt, um zu einem Ziel zu kommen, für deutlich besser hält als die der Kollegen. Und das wiederum erklärt, warum oft um Abläufe so sehr gerungen wird.

Vor- und Nachteile von festen Vorgehensweisen

Dieses eigene Wissen um die beste Vorgehensweise sammeln wir nicht bewusst an. Es entsteht im Laufe der Zeit aufgrund von Erfahrungen. Das heißt, je mehr Erfahrungen wir gesammelt haben, umso sicherer sind wir uns in unserer Argumentation und in unserem Tun. Oft haben wir ganz klare Abläufe und Pläne vor Augen, bis ins Detail ausgefuchst. Dass diese festen Vorstellungen über Abläufe sehr hilfreich sein können, ist unbestritten. Sie helfen, sich in einem komplexen Leben zurechtzufinden und unterstützen dabei, sich eine Meinung zu bilden – auch wenn nicht genügend Informationen da sind.

Feste Vorstellungen darüber, wie die Dinge am effektivsten zu tun sind, können aber auch die Wahrnehmungsfähigkeit einschränken und Konflikte produzieren. Denn sie führen dazu, dass man wertvolle Informationen übersieht, weil die Vorstellungen das geistige Auge lenken. Und dabei bemerkt man überhaupt nicht, was man alles übersieht.

Damit lässt sich auch erklären, warum viele Menschen ihre eigene Arbeitsleistung im Verhältnis zu anderen überschätzen: Sie bemerken gar nicht wirklich, was die anderen tun, weil sie so sehr mit sich selbst beschäftigt sind.

Beispiel

Folgendes Gespräch in der Weiterbildungsabteilung macht das deutlich. Die Kollegen wollen das etablierte Führungstraining verändern, weil es viele negative Rückmeldungen gab. Die Kritik betraf die Trainer als Personen, aber auch die Inhalte:


Jörg: „Also, ich bin wirklich überrascht über so viele schlechte Rückmeldungen. Wir sollten nun noch einmal die Teilnehmer genauer befragen, was sie eigentlich erwarten.“
Daniel: „Das ist doch völliger Blödsinn. Da bekommen wir nur sehr unterschiedliche Auffassungen, was ein gutes Training ausmacht. Die Teilnehmer wissen doch nur, dass ihnen das heutige Angebot nicht gefällt. Aber sie haben keine Idee davon, wie es anders aussehen und was man machen könnte. Ich denke, wir alle sollten auf Fortbildungen fahren und uns neue Ideen holen.“
Heike: „Das heißt aber noch lange nicht, dass wir dann Trainings machen können, die für die Führungskräfte richtig sind. Ich finde, unsere Führungskräfte müssen auf so etwas wie eine Führungskultur eingeschworen werden, und diese ergibt sich aus der Unternehmensphilosophie mit den Werten und Haltungen.“
Sylvia: „Die Kultur ist es für mich nicht. Mir geht es nur um Ziele. Was ist unser Unternehmensziel? Wenn das klar formuliert ist, dann wissen wir auch, was die Führungskräfte können müssen, um dem Ziel gerecht zu werden. Schließlich werden sie an nichts anderem als an den für sie relevanten Zielen gemessen. Da brauchen wir weder eine Kultur – die nebenbei gesprochen sowieso sehr veränderungsresistent ist – noch Qualifizierungen und neue Ideen. Lasst uns doch endlich mal von dem Soft-Quatsch weggehen und uns um die relevanten Dinge kümmern.“

Jeder hält seine Idee für die beste

Alles gute Ideen. Mit jedem Ansatz wird man Ergebnisse bekommen und das Thema sinnvoll weiterentwickeln. Wahrscheinlich ist es am besten, man geht von allen Seiten an das Thema heran. Auffällig bei diesem Gespräch ist nur, dass jeder seine Idee für die beste hält und die anderen Ideen abwertet. Nachdem jeder seinen Standpunkt geäußert hat, erwarten wir keine sinnvolle Diskussion, sondern es wird eher um ein „Recht haben“ gehen. Wer wird sich mit seiner Idee durchsetzen? Wahrscheinlich diskutieren die vier einige Stunden und kommen zu keinem Ergebnis. Schade, denn es sind wirklich alles gute und wichtige Ansätze.

Dieser Fehler passiert vielen Teams. Sie führen eine Diskussion, in der es immer wieder um ein „Entweder-oder“ geht. Sie verlieren alle Möglichkeiten, die ein „Sowohl-als-auch“ implizieren, aus den Augen und konzentrieren sich nur auf die jeweilige eigene Idee. Solche Diskussionen sind zum Scheitern verurteilt und werden häufig durch einen Schiedsspruch des Vorgesetzten beigelegt. Die Chance, mit größtmöglichem Fachwissen die beste Entscheidung zu finden und ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen, wird vertan.

Möglichkeiten der Konfliktbeilegung

In solchen Situationen gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Konflikt beizulegen. Zum einen kann die Führungskraft, die als „Schiedsrichter“ hinzugebeten wird, als Konfliktmediator fungieren. Das gelingt nur, wenn sie selbst ihre Meinung zu dem Thema heraushalten kann. Hier wäre der Ansatzpunkt zu schauen, welche Kriterien das Ergebnis erfüllen soll, um dann auf das Vorgehen rückschließen zu können. Zum anderen könnte man vereinbaren, dass jeder der vier seine Idee einmal ausarbeitet und einen Konzeptvorschlag macht. Dann wird versucht, die Konzepte miteinander in Verbindung zu bringen und das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten.

Unterschiedliche Vorstellungen von Abläufen beschäftigen nicht nur Teams. Auch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter können sie zu einem zentralen Thema werden. So mancher Mitarbeiter ist schon deswegen in der Probezeit entlassen worden. Die Vorstellungen, wie miteinander gearbeitet wird, passten einfach nicht zusammen. Besonders in Großunternehmen wird erwartet, dass neu hinzukommende Mitarbeiter und Führungskräfte sich möglichst schnell den bestehenden Gepflogenheiten anpassen. Diese Neulinge kommen aber aus anderen Kontexten und bringen ganz andere Vorstellungen davon mit, wie miteinander umgegangen wird. Sie ecken daher schnell an, wenn sie nicht einem wohlwollenden Chef oder Mentor zugeordnet sind, der sie auf die wichtigsten Stolperfallen aufmerksam machen kann.

Beispiel

Einer jungen Frau wurde beispielsweise, nachdem sie nach Rücksprache und Zustimmung ihres neuen Chefs eine Fremdfirma beauftragt hatte, die Kündigung mit den lapidaren Worten auf den Tisch gelegt:

„Ich musste davon ausgehen, dass Sie wissen, dass hier keine Beauftragung ohne schriftliche Genehmigung erfolgen darf. Sie kommen schließlich auch aus einer großen Firma.“

Die junge Frau war ein ganz anderes Arbeiten gewöhnt. Zwischen ihr und ihrem früheren Chef lief alles auf Zuruf. Die starren Strukturen des Konzerns waren ihr fremd. Sie hat wie gewohnt gehandelt und darüber ihren Job verloren.

Teamkonflikt

Erkennungszeichen: verschiedene Vorstellungen von Abläufen To Do: Klärung, wie gemeinsam vorgegangen werden soll, Kompetenzen festlegen und möglichst viele Freiräume zugestehen

16,99 €
Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
224 S. 25 Illustrationen
ISBN:
9783956232886
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