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Kapitel 3

Fedora Viktorova erhielt an diesem Mittwochmorgen die Mitteilung, dass man die Täter verhaftet hatte. Es stand auch gleich groß in den Zeitungen. Für den Yard war dieser schnelle Erfolg besonders wichtig, da sie wegen des Serienkillers unter dem Druck der Öffentlichkeit standen und noch immer keinen Schritt vorwärtsgekommen waren. Auch wurde sie ständig angegriffen, dass sie tatenlos herumsitzen würde, während anständige Bürger belästigt und verprügelt wurden. Aber wie schwer es war, die Täter zu finden, da viele sogar eine Aussage scheuten, daran dachten die Kritiker nicht.

Fedora konnte das Krankenhaus wieder verlassen. Wenn auch ihren äußeren Wunden verheilt oder zumindest versorgt waren, litt sie innerlich noch immer. Sie konnte nicht vergessen, was man ihr angetan hatte. Ihre Freunde und Freundinnen taten alles, um ihr dabei zu helfen zu vergessen.

Nur ihr Verlobter hatte von allem eine ganz andere Meinung. Er warf ihr vor, dass sie überhaupt zu der Geburtstagsparty gegangen war. »Wärst du nicht gegangen, hätte dir das nicht passieren können, Fedora«, bemerkte er immer wieder.

»Aber sie ist doch eine Freundin. Ich war eingeladen«, verteidigte sie sich, ihn nicht verstehend.

»Es waren bestimmt nur junge Pärchen dort. Warum bist du ohne mich hingegangen?«

»Weil du nicht da warst«, reagierte sie ärgerlich. »Soll ich vielleicht die ganze Zeit in meiner Bude hocken und auf dich warten, bis du wieder Ausgang hast? Du tust ja gerade so, als hätte ich ohne dich ein furchtbar ausschweifendes Leben geführt. Du, ich bin nicht dein Eigentum, hörst du, Wesley?! Ich bin auch noch ein Mensch. Du gehst ja auch aus, wenn du in der Kaserne bist. Du willst mir doch nicht sagen, dass du immerzu nur in deiner Stube hockst, oder?«

»Das ist ja wohl was ganz anderes«, entgegnete Wesley.

»Ach, ja?«, höhnte sie. »Es ist wohl immer was ganz anderes, was ihr Männer macht, nicht wahr? Vielleicht findest du es ja auch vollkommen in Ordnung, dass man mich entführt, vergewaltigt und halb totgeschlagen hat, wie? Und dann … na klar, ich muss ja auch noch selbst schuld sein … Vermutlich habe ich die Kerle ja noch dazu animiert mir ins Gesicht zu schlagen und mich mit Gewalt zu nehmen! … Die Schweine haben nichts ausgelassen!«

»Aber, Fedora, nein, natürlich nicht. Bitte verzeih' mir, aber ich muss ständig daran denken, was sie mit dir gemacht haben, weißt du. Ich will es nicht, ehrlich, aber ich muss es. Es ist schrecklich!«

Sie war aschfahl geworden. »Ja, Wesley, glaubst du denn wirklich, ich müsste das nicht? Oh, mein Gott! Ich kann keine Nacht mehr ruhig schlafen. Immer träume ich, dass sie sich wieder über mich hermachen … durchlebe jede einzelne Sekunde!« Schluchzend ließ sie sich auf das Sofa fallen.

Wesley merkte, dass er zu weit gegangen war. Aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte es nicht beiseiteschieben. Er versuchte es zwar, aber jedes Mal, wenn er seine Verlobte in die Arme nahm, dann … »Fedora, meine Liebe, … bitte verzeih' mir doch. Ich werde nie wieder darüber sprechen. Ganz bestimmt nicht.«

»Ach, Wesley«, weinte sie. »Ich werde viel Zeit brauchen, sehr viel Zeit …«

»Ja, meine Liebe.«

***


Kapitel 4

»Oh, mon dieu! C'est magnifique! Wie bezaubernd! Das ist ja mal eine Kirche ...«, zeigte sich Floré begeistert, während sie die prachtvoll gestalteten Buntglasfenster bestaunte, durch die ein sanftes, fast schon mystisches Licht in die Kathedrale fiel.

Hinter ihr traten die restlichen Brautjungfern in das hell erleuchtete Gotteshaus ein, welches durch die vielen weißen großen Kerzen und dem halben Dutzend antiker Kronleuchter über den zahlreichen Sitzbänken auf wundervolle Weise erleuchtet war.

Strahlend und frühlingsfrisch kam ihr die Küsterin vom Altar entgegen. Ihre blonde Kurzhaarfrisur stand ihr ausgezeichnet, was es schwermachte, Schlüsse auf ihr Alter zu ziehen. Lächelnd streckte sie ihre Hand zur Begrüßung entgegen. »Das freut mich, euch zu sehen«, sprach sie Tamora und Violett an, ehe sie sich die Mädchenschar besah. »Das sind also all eure Brautjungfern und Trauzeugen?«

»Ja, sind sie«, bestätigte Violett. Sie schüttelte ihr freundlich die Hand. »Meiner zukünftigen Frau konnten es gar nicht genug sein«, lachte sie verhalten, wobei sie sich umwandte und ihre Entourage mit einem strengen Blick bedachte, der diese eindeutig zum Schweigen aufforderte, während auch Tamora der Kirchenbediensteten die Hand gab.

»Seien Sie uns herzlich willkommen in der ›Metropolitan Community Church‹«, sprach die Küsterin die übrigen Anwesenden an. »Bitte, nehmen Sie doch in den ersten Reihen Platz.« Einladend schritt sie voran durch das Kirchenschiff und erklärte: »Der Reverend wird gleich zu Ihnen kommen und lässt sich entschuldigen. Er muss sich noch einem Telefonat widmen.« Langsam ging sie nach vorn auf den Altar zu, drehte sich herum und wartete, bis alle ihren Sitzplatz eingenommen hatten. »Meine Wenigkeit muss Sie jetzt leider verlassen. Eine Familie benötigt meine Unterstützung, Sie verstehen? … Ich denke, Sie werden auch kurz allein zurechtkommen, nicht wahr?«

Tamora und Violett nickte ihr stellvertretend für alle höflich lächelnd zu, worauf sich die Kirchenmitarbeiterin nach hinten durch eine Rundbogentür ihren Blicken entzog.

Kaum hatte die etwas rundliche Dame im schlichten Kleid die schwere Eichentür hinter sich geschlossen, war es mit der Stille im Gotteshaus vorbei.

»Hier also gehst du zur Andacht?«, erkundigte Modesty sich bei Tamora.

»Ja, wenngleich nicht gar so oft, wie ich gern würde«, bestätigte Tamora. »Reverend Jankins ist ein toller Typ … charismatisch, lustig und unglaublich engagiert. Seine Predigten können einen echt zum Weinen bringen, so ergreifend sind sie. Würde man seine Reden abdrucken … die würden ganz sicher das Leben so einiger Mitmenschen verändern.«

»Vielen Dank für die Blumen, mein Kind! Die Idee sollte ich glatt einmal mit dem Kirchenvorstand besprechen«, bemerkte eine dunkle, recht sonore Stimme, in angemessener Lautstärke. »Es tut mir aufrichtig leid, dass ich dich und all die anderen«, er schaute lächelnd über die vollen Sitzbänke und die anwesenden ›Schäfchen‹, »nicht persönlich im Empfang nehmen konnte, Tamora!«

»Aber Reverend, … was haben Sie mich erschreckt«, entfuhr es Tamora, die ihn strahlend anblickte. »Sie dürfen sich nicht immer so anschleichen. Möglichweise verführen Sie meine Begleitung sonst noch zu einer sündigen Bemerkung.« Ein verhaltenes Räuspern neben ihrer Linken, ließ sie ihre Zofe irritiert anschauen.

»Vous voulez dire plutôt nous tous, non? Oui écrit les choses les plus pêcheuses dans leurs livres ...?[1]«, bemerkte Floré, in der Hoffnung, dass nicht alle verstanden, was sie da gerade gesagt hatte.

Mit entsetztem Blick starrte Tamora ihre Zofe an, ehe sie, einen schüchternen Gesichtsausdruck vortäuschend, zu dem schlanken, blonden Mann im dunklen Anzug aufschaute.

»Je le sais depuis longtemps, Mademoiselle[2]«, erwiderte Jankins und lächelte Floré an, die darauf sofort den Blick senkte und betreten zu Boden schaute.

Tamora brachte nur noch ein röchelndes »Äähmm, …« über die Lippen und starrte Jankins an, der ihr darauf ein väterliches Lächeln schenkte.

»Ach, Tamora, liebes Kind, hast du wirklich gedacht, ein Reverend würde seine Schäfchen nicht kennen?«, bemerkte er sanft und schaute nun auch wieder die anderen Anwesenden an. »Im Korinther zwölf, sechs bis elf heißt es: Gott wirkt auf verschiedene Weise in unserem Leben, aber es ist immer derselbe Gott, der in uns allen wirkt. Jedem von uns wird eine Gabe zum Nutzen der ganzen Gemeinde gegeben. Dem einen gibt er die Fähigkeit, guten Rat zu erteilen, einem anderen verleiht er die Gabe besonderer Erkenntnis. Dem einen schenkt er einen besonders großen Glauben, dem anderen die Gabe, Kranke zu heilen … Das alles bewirkt der eine Geist. Dem einen Menschen verleiht er Kräfte, dass er Wunder tun kann, einem anderen die Fähigkeit zur Prophetie. Wieder ein anderer wird durch den Geist befähigt zu unterscheiden, ob wirklich der Geist Gottes oder aber ein anderer Geist spricht. Und dem einen gibt der Geist die Gabe, in anderen Sprachen zu sprechen …« Er schenkte Floré einen liebevollen Blick. »und einer anderen zu schreiben …« Nun schaute er wieder Tamora an. »Jedem von euch wurde eine Gabe gegeben und nur er allein entscheidet«, er richtete beide Hände zur Decke, »welche Gabe jeder Einzelne erhält. Und wir dürfen doch alle davon ausgehen, dass er sich dabei etwas gedacht hat, nicht wahr? ... Ich kenne also auch meine Tamora … und ihre Beichten sind, wie soll ich es taktvoll ausdrücken …«

»… sündig, als wäre sie die Widergeburt der Helena«, ergänzte Willow auf trockene Art, die Worte des Reverends.

Einige der Brautjungfern und auch Violett konnten sich ein leises Auflachen nicht verkneifen.

Auch Jankins schmunzelte. »Ich kann mir nicht denken, dass unsere Tamora den Untergang für das Königreich bedeutet … Ich würde sie wohl eher mit Aphrodite vergleichen.«

»Oh ja!« Floré Augen leuchteten. »Violett und Tamora ruhten auf einem rosigen Wolkenkissen, kosten, träumten und warfen zeitweise den anderen Lebewesen auf der Erde einen lässigen Blick zu. Nun aber ging dort etwas vor, das die rege Aufmerksamkeit der ›Schaumgeborenen‹ erweckte und ihr zu denken gab, worauf sich ihre Stirn umflorte. Sie schloss Violett fester an sich und fragte …«

 

»Wie lang wird unsere Liebe dauern?«, ergänzte Tamora schmunzelnd und schaute Violett tief in die Augen. »Was meinst du wohl?«

»Das weiß ich so wenig, wie du es wissen kannst, himmlische Spenderin seligster Stunden«, erwiderte Violett grinsend und gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze, ehe sie hinzufügte: »Und kein Gott weiß es.«

»Nun, dem würde ich widersprechen, aber sei es drum«, lächelte Jankins.

»Für mich ist sie jedenfalls die wahrgewordene Liebe, und nicht nur für mich.« Sie schaute erst Floré an und dann in die Runde, worauf von allen Seiten zustimmendes Nicken kam.

»Ich freue mich wirklich sehr, Tamora, dass du und Violett das heilige Gelübde der Ehe feiern werdet«, übernahm Jankins nun wieder, ganz Pfarrer. »Die Gespräche mit euch beiden waren sehr besonders, so wie es auch eure Beziehung ist. Zu jeder Zeit war zu spüren, wie sehr ihr euch liebt … Also würde ich nun sagen, dass wir die Zeit nutzen wollen und mit allen Anwesenden den Ablauf eures großen Tages einmal durchsprechen.« Er schaute mit gütigen Augen auf die Sitzreihen. »Wo sind die Trauzeugen?«

»Tamora hat mich an ihre Seite gewünscht«, meldete Willow sich zu Wort.

Als Violett sich suchend nach ihrem Trauzeugen umschaute, konnte sie ihn nicht ausmachen. Ein wenig traurig hing ihr Blick kurz an der großen Kirchentür, ehe sie sich wieder dem Reverend zuwandte. »Es tut mir leid, Reverend, aber … Er scheint sich zu verspäten. Vermutlich ist er im Augenblick sehr beschäftigt.«

»Mir ist schon zu Ohren gekommen, dass du die Ehre haben wirst von Chief Inspector Whitehead zum Altar geführt zu werden«, entgegnete Jankins gelassen. »Sir Richard ist mir sehr wohl bekannt. Ich habe ihn auf einem Empfang der Königin kennengelernt. Ein Mann von ausgesprochen höchster Reputation. Nicht umsonst wurde er von unserer Monarchin geadelt.«

»Vielen Dank, Reverend …«, ertönte in diesem Augenblick eine, den meisten wohlbekannte Stimme vom großen Portal der Kirche herüber. »Sicher war gerade meine Person gefragt, nicht wahr, und Sie möchten gern beginnen. Meine Verspätung tut mir aufrichtig leid, nur wurde ich leider beruflich aufgehalten … Das Verbrechen schläft halt nie.«

»Oh, Chief Inspector, wie schön, dass Sie es doch noch geschafft haben«, freute sich Violett.

»Die Mutter rief: Nun komm, Fritz, bald, uns werden sonst die Pomm Fritz kalt …«, alberte Cora, neben Willow sitzend.

»Und damit die nicht kalt werden und wir ja nun vollzählig sind«, übernahm Jankins wieder, »wollen wir mit der Aufstellung für den Einzug am Anfang des Ganges beginnen …« Er schaute Tamora und Violett an. »So, wie ihr beide euch das gewünscht habt. Danach schauen wir uns die Aufstellung am Altar an und sprechen alles andere durch.«

»Wenn ich dann bitten darf, Lady Violett?« Ganz Gentleman half Whitehead ihr auf und bot ihr seinen Arm an.

»Nur zu gern, Sir Richard!«, erwiderte Violett freudig.

»Willst du dich jetzt auch bei mir einhaken?« Willow grinste Tamora frech an.

»Wäre das nicht besser?«, schmunzelte diese keck und witzelte: »Am Ende weiß ich doch vor lauter Tränen gar nicht mehr wo ich langlaufe.«

»Fein«, erwiderte Willow und reichte ihr ihren Arm, »dann bist du die Heulboje und ich dein Rettungsschiff, das dich durch deine Flut der Tränen sicher in den Hafen der Ehe führt. Das wird doch spaßig!« Sie lachte ansteckend auf, worauf einiges an Gekicher folgte und sich auch Whitehead ein Grinsen nicht verkneifen konnte. »Wenngleich es mir ja immer sehr viel mehr gefällt, wenn ich dich dürftig bekleidet auf dem Boden krabbeln sehe«, raunte sie ihr unhörbar für alle zu.

»Das kannst du gar nicht abwarten, nicht wahr?«, wisperte Tamora zurück.

»Kommt Zeit, kommt dein Krabbeln, glaub' mir, meine Süße!«

»Dem will und kann ich nicht widersprechen«, griente Tamora, »zumal ich das ja nicht zu bestimmen habe, stimmt's?«

»Es war deine freie Entscheidung, und so wie ich das sehe, hast du es auch niemals bereut.«

»Vio ist meine Bestimmung«, kam es bestätigend zurück, während sie mit Willow hinter Violett und Whitehead, gefolgt von ihrer Entourage, den Gang entlang, auf den Reverend zuschritten.

Während Violett vom Chief Inspector geführt wurde, sprach dieser sie im Flüsterton an. »Wo ich dich schon seit Ewigkeiten kenne und nun sogar zum Altar führe, um dich in Tamoras Hände zu geben, … meinst du nicht, wir sollten dazu übergehen, uns zu duzen?«

Violett schaute ihn mit feuchten Augen an, kaum, dass er ausgesprochen hatte. »Oh ja, gern.«

»Dann also nur noch Richard … und auch kein Sir mehr, ja?«

Ungewollt drückte Violett seinen Arm. »Richard«, hauchte sie, »das klingt sehr schön und passt zu dir.«

»Danke, Violett.«

*

»Nachdem wir nun alles Wichtige besprochen haben und ihr alle wisst, wie es am Samstag ablaufen soll, könnt ihr jetzt noch offengebliebene Fragen stellen«, bot Reverend Jankens den Anwesenden nach mehreren Probedurchläufen an. »Möchte mich noch jemand etwas fragen?«

»Mich würde zum Beispiel interessieren, warum ein so schnuckeliger Typ wie Sie es sind, auf solch einem göttlichen Weg gelandet ist?«, rutschte es Cora grinsend heraus, wobei sie leicht mit Augenbrauen spielte.

»Boah, Cora!«, reagierten Tamora und Violett sofort darauf.

»Ach, wie charmant«, schmunzelte Jankins. »In der Tat: Ich fühle mich geschmeichelt … Nun, wenn ich darauf antworte, mich immer schon berufen gefühlt zu haben, erfülle ich sicher alle Klischees, nicht wahr?«

»Das wiederum ist in der Tat langweilig«, erwiderte Cora enttäuscht. »Etwas spannender hatte ich mir das schon vorgestellt.«

»Nimmst du wohl deine Freundin an die Leine«, raunte Violett Willow zu, »oder ich werde einschreiten!«

»Ganz sicher nicht«, lachte Willow verhalten. »Je mehr sie aufdreht, desto mehr Angriffsfläche bietet sie mir doch … Und genau darauf legt sie es doch an.«

Violett nickte. »Das ist ein unschlagbares Argument.«

»Unschlagbar?«, griente Willow direkt. »Ein schlagbares, und was für eines!«

»Sollte Cora mir jetzt leidtun?« Violett erwartete keine Antwort. Stattdessen wandte sie sich an alle. »Nun gut, … Tamora und ich danken euch allen für euer Erscheinen, und da wir hier erst einmal fertig sind … Was haltet ihr davon, wenn wir noch alle in ein Café gehen?«

»Da muss ich leider absagen« Whitehead machte eine bedauernde Geste mit den Händen. »Ich muss direkt wieder zurück in den Yard. Dieser Serienkiller hält mich ganz schön auf Trab!«

»Wir müssen uns leider auch verabschieden. Da werden sicher einige auf unser Eintreffen warten«, erklärte Harmony stellvertretend für die Mädchen aus dem ›Pleasers‹.

»Auf mich wartet noch eine Vorlesung. Anschließend habe ich einen Termin mit meinem Doktorvater«, meldete sich Sarah. »Ansonsten wäre ich echt gern mitgekommen … Aber wir holen das nach, versprochen!«

»Und ich habe einige Bewerbungsgespräche«, grinste Scarlett, »die einfach nicht abgesagt werden konnten … Immerhin habt ihr mir schon einige Juwelen aus der Schatzkiste gemopst und die muss dringend aufgefüllt werden … Schließlich profitieren wir ja alle davon, nicht wahr?«

»Oh ja, tun wir«, griente Tamora zurück und leckte sie dabei leicht über die Lippen.

»Nee, bitte!«, wehrte Scarlett direkt ab. »Habt ihr nicht schon genug Mädchen unter eure persönlichen Fittiche genommen?«

»Kannst du dir vorstellen, dass dieses Schleckermäulchen jemals genug bekommt?«, lachte Violett, die Scarletts Situation sehr gut verstand.

»Ist vielleicht eine süße Rothaarige darunter«, setzte Tamora nach.

»Hast du nicht längst die Hübscheste in dein Nest bekommen?«, fragte Scarlett zurück und schob ihr Violett direkt an die Seite. »So ihr beiden, viel Spaß noch. Ich muss los!«

»Mir scheint, dass nur noch wir übrigbleiben«, stellte Violett halblaut fest und schaute die kleine Gruppe um sie herum an, bestehend aus ihrer zukünftigen Frau, ihren Mitbewohnerinnen der Villa, als auch Willow und Cora.

»Dann schlage ich vor, aufzubrechen«, kam es von Tamora.

Sie verabschiedeten sich alle höflich von Reverend Jankins, traten ins Freie, und begaben sich zu ihren Fahrzeugen, um sich später in einem Café wiederzutreffen – wo sie zusammen noch über eine Stunde lachten, scherzten und reichlich Anzüglichkeiten austauschten.

***


Kapitel 5

»Na, bist du schon nervös?«, erkundigte Cora sich bei Tamora.

»Nervös würde ich es nicht gerade nennen. Die Spiele in unserer ›Kammer der Zuneigung‹ machen mich weitaus nervöser, als dann im Verlauf durch die Peitsche so richtig auf Trab gebracht zu werden, bis mir die Tränen den Lidschatten zerlaufen lassen«, schmunzelte Tamora. »Ich bin aufgeregt und sehr gespannt. Ja, so würde ich es formulieren. Ich habe die starke Befürchtung, dass mich an dem kommenden Wochenende noch so manche Überraschung erwartet wird.« Sie lächelte vielsagend. »Du kennst ja Vio erheblich länger wie ich.« In ihre Augen trat ein verträumter Glanz, wann immer sie an diesem Tag von ihrer Königin sprach. »Mit der wahren Liebe verhält es sich wie mit Geistererscheinungen: Alle Welt redet davon, aber nur wenige haben sie je gesehen, hat Rochefoucauld gesagt. Ich gehöre zu den Glücklichen, die sie sehen dürfen und ich wünsche dir, dass es dir ebenso geht …« Sie wippte mit ihrem Kopf leicht in Richtung Willow, und schaute Cora direkt in die Augen. »Für mich jedenfalls wird mein größter Traum wahr … Wie soll ich da nicht hibbelig, rührselig und voll durch den Wind sein? Es ist nicht einmal mit Weihnachten zu vergleichen, wo ich mich wie ein kleines Kind auf das Christkind gefreut habe … Es ist viel viel schlimmer. Kaum auszuhalten, kann ich dir sagen.«

»Wie süß: Christkind«, grinste Violett. »Du meinst doch wohl den dicken Kerl mit Bart und Bauch und seinem großen Sack, nicht wahr?«

»Na, klar!«, lachte Tamora. »Und ab und zu kam der damals tatsächlich zu uns nach Hause. Dann durfte ich bei ihm auf dem Schoß sitzen, und weil ich es kaum abwarten konnte hatte ich, … ich erinnere mich echt gut, zumeist direkt meine Finger am Sack …«

»Was anderes hätte ich mir jetzt bei dir auch nicht vorstellen können«, prustete Willow los. »Würde ich an deiner Stelle genauso gemacht haben … Da kommt erst dieser Typ mit der Rute, verdrischt dir den Arsch und hört auf, ehe es dir richtig kommt … dann musst du mit brennendem Schoß fast drei Wochen durchstehen, bist geil ohne Ende … Ich würde dem Weihnachtsmann auch direkt an den Sack gehen und wissen wollen, wieviel ich da raushole, ehrlich!« Sie lachte immer noch. »Ich kann dich gut verstehen, glaub' mir, meine Süße!«

»Wie viel sie aus Säcken herausholen kann, soll sie bei ihren Escorts rausfinden«, grinste Violett auf Willows frivole Anspielung.

Jetzt lachten auch die anderen und Tamora schallend auf. »Na, das Problem haben wir mit den ›Strapless Dildos‹ klasse gelöst! Diese Dinger mit dem Kunstsperma sind echt mal eine megageile Errungenschaft.«

»Schmeckt auch gleichbleibend gut, wie ich finde«, setzte Floré trocken eins drauf und griente frech.

»Ich kenne da ein gutes Rezept zum Selbermachen«, schlug Solveig frech in die gleiche Kerbe.

»Oh, mon dieu! Da mach' ich mit«, lachte Floré herzerfrischend. »Dann machen wir mal ein irres ›Cum-Face‹-Video!«

Jetzt klopfte sich auch die letzte von ihnen mit der Hand auf den Oberschenkel vor Lachen.

»Aber mit Dildo …!« Courtney, die neben Solveig saß, legte ihr schmunzelnd einen Arm um die Hüfte.

»Willow hat dieses neue Teil noch nicht«, meldete Cora sich nun wieder zu Wort. »Aber eine Anschaffung scheinen die echt wert zu sein.«

»Willow …!«, rief Tamora guter Stimmung quer über den Tisch. »Dein devoter süßer Fußabtreter wünscht sich einige dieser künstlichen Schwänze mit jeder Menge Sperma! Kauf' ihr bloß einen davon … Ach, nein, lieber gleich drei … Sie ist ja eine immer läufige Dreilochstute, nicht wahr?« Erst jetzt registrierte sie das einen Tisch weiter sitzende ältere Ehepaar, von denen der Weißhaarige sie mit einem Schmunzeln bedachte, während seine Frau geflissentlich mit der Gabel im Sahnehäubchen ihres Kuchens stocherte. Frech und gut gelaunt wie sie gerade drauf war, zwinkerte sie ihm mit einem süffisanten Lächeln zu, was ihr ein verstehendes Nicken seinerseits einbrachte.

 

»Na, wie bist du denn drauf?«, reagierte Willow erstaunt, Tamora so aufgelöst und frech erlebend. »Ist aber eine coole Idee!« Sie bedachte ihre Freundin mit einem strengen Blick. »Du hast es gehört, Cora! Für uns heißt es einkaufen gehen, nicht wahr?« Jetzt umspielte ein lustvolles Grinsen ihre Lippen, wobei allen das erregte Glitzern in den Augen der beiden auffiel.

»Ja, Mistress!«, strahlte ihre Freundin sie an.

»Wir müssen auch aufbrechen«, stellte Violett mit einem Blick auf die Uhr fest. »Unsere Solveig braucht noch ein schönes Kleid … und, bevor jetzt jemand fragt«, sie sah in die Runde, »wir machen das mit ihr allein. Ihr anderen fahrt in die Villa zurück und kommt euren Aufgaben nach. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr eure Arbeit spielerisch erledigt, aber miteinander …«, sie hob ermahnend den Zeigefinger, »und das richtet sich in erster Linie an Courtney, wird nicht gespielt. Haben das alle verstanden?«

»Ja, Mistress!«, vermeldeten ihre Mitbewohnerinnen unisono, wobei ›Cat‹ sich der Forderung beugte und ihre Enttäuschung zu verbergen suchte.

*

Auf dem Weg zu den Fahrzeugen kicherte Cora mädchenhaft, was für sie recht untypisch war. Sie lief direkt neben Willow her, die ihr eine Hand auf den Rücken gelegt hatte und langsam abwärts gleiten ließ, während sie ihr etwas zuflüsterte.

»Ach, ihr beide seid soooo süüüß …«, rutschte es Modesty heraus, und Kazumi, Floré und Tamora stimmten jetzt wie kleine Schulmädchen ihren Chorus an: »Willow und Cora! ... Willow und Cora! ... können die Finger nicht voneinander lassen ...!«

»Violett?!« Mehr kam Willow, die erbost eine Braue hochgezogen hatte, nicht über die Lippen.

»Kümmer‘ du dich um Cora«, grinste Violett verschmitzt. »Ich übernehme die Rasselbande!«

»Du hast es echt nicht leicht«, lachte Willow und zog Cora mit sich, während Violett alle bis auf ihre Prinzessin und Solveig in die Wagen stopfte und aufforderte nach Hause zu fahren.

***