Wir Covidioten

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Wir Covidioten
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Stefan Millius

Wir Covidioten

Eine Streitschrift

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Umarmt Euch!

Traurig, aber wahr: Die Schweiz ist eben doch ein Land wie jedes andere

Ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie eine Diktatur aussieht

Das Bundeshaus wird zum Affentheater

Die vergessenen Opfer: Was ist eigentlich mit den Kindern?

Zuerst Coronaleugner, dann Coronaskeptiker - und was heisst es morgen?

Wie aus kritischen Geistern «Verrückte» gemacht werden

«Mach's einfach»: Die lästige Fragerei soll endlich ein Ende haben

Liebe Regierungen: So eliminiert Ihr Verschwörungstheoretiker

Über den Autor

Impressum neobooks

Vorwort

Das ist kein wissenschaftliches Buch. Im Zentrum stehen nicht medizinische Themen, sondern grundsätzliche gesellschaftliche Fragen, die sich in den letzten Monaten vermehrt gestellt haben – und die vielleicht zentraler sind als Covid-19 selbst. Es geht darum, wie wir als Gemeinschaft mit der Pandemie umgegangen sind und weiter umgehen:

 Ist es heute noch möglich, als Gesellschaft in einer ausserordentlichen Situation einen konstruktiven Dialog zu führen?

 Wie werden Menschen behandelt, die einen offiziell diktierten Kurs offen kritisieren?

 Wer entscheidet, welche Experten massgebend sind und welche nicht?

 Warum verlieren Menschen, die Massnahmen hinterfragen, ihren guten Ruf oder gar ihre Existenz?

 Weshalb werden in einer Krise, in der die Führung orientierungslos taumelt, zweifelhafte Erkenntnisse zur Religion erhoben und alles andere verbannt?

 Warum stützen die Medien in vorauseilendem Gehorsam die Verfügungen von Behörden, statt sie – wie es ihre Aufgabe wäre – zu hinterfragen?

 Welches Bild hat die Schweiz in dieser Zeit vermittelt?

Die Bilanz ist ernüchternd bis erschreckend. Obschon anders als in lang angestammten wissenschaftlichen Gebieten bis heute zu vielen Fragen keine klaren, beweisbaren Erkenntnisse vorliegen beziehungsweise seriöse Quellen sich gegenseitig widersprechen, werden die von den Regierungen beschlossenen «Schutzmassnahmen» als sakrosankt behandelt. Das Notrecht, das uns über die ersten chaotischen Wochen und Monate hätte helfen sollen, hat sich zu einem Selbstläufer entwickelt. Selbst Parlamente hinterfragen kaum etwas.

Und Bürgerinnen und Bürger, die nicht länger zusehen wollen, werden wahlweise als Coronaleugner, Coronaskeptiker, «Covidioten» oder Verschwörungstheoretiker abgestempelt. Das notabene in einer Situation, in der wir weit davon entfernt sind, von klar richtig oder klar falsch sprechen zu können; dafür ist die Lage noch viel zu jung. Derzeit wäre noch die aktive Auseinandersetzung gefragt.

Doch die darf es offenbar nicht geben. Der Dialog, der in der Geschichte der Schweiz stets ein wesentlicher Pfeiler zum Erfolg war, wird abgewürgt. Stattdessen lebt so mancher in der neuen Rolle des Denunzianten auf, inoffizielle «Bürgerwehren» machen sicher, dass Massnahmen eingehalten werden, erfahrene und gut ausgebildete medizinische Experten verlieren ihre Arbeit, nur weil sie ihrer Verantwortung nachkommen, indem sie über ihren Erkenntnisstand informieren.

Das alles summiert sich zu einer eigentlichen Bankrotterklärung eines Staates, der immer stolz auf seine demokratischen Strukturen und die Eigenverantwortung des Volks war. Man kann nun darüber erschüttert sein. Oder aber sich fragen, was getan werden muss, damit das nie wieder passiert. Dieses Buch ist Ausdruck des zweiten Wegs. Mit einer subjektiven Bestandesaufnahme der vergangenen Monate, die gleichsam eine Art «Bedienungsanleitung» für den Umgang mit dem Ausserordentlichen sein kann. Denn so viel ist sicher: Wir werden früher oder später wieder in einer vergleichbaren Situation stecken. Das Ziel muss es sein, diese zu bewältigen, ohne die Gesellschaft vor eine Zerreissprobe zu stellen. Wobei: In dieser befindet sie sich eigentlich schon.

Mit einer Reihe von bereits in unserer Onlinezeitung «Die Ostschweiz» publizierten Beiträgen sowie neuen Gedanken möchte ich aufzeigen, wie sich innerhalb weniger Monate eine negative Dynamik entfaltet hat, die vieles auslöst, mit Garantie aber keine Lösung der Krise herbeiführt. Die eine oder andere Zahl oder behördliche Anordnung mag bei Erscheinung des Buchs bereits überholt sein. Doch am Grundproblem ändert sich nichts. Wir haben die Dialogfähigkeit verloren. Und wir gewinnen sie nicht zurück, wenn wir schweigen.

Stefan Millius, 28. September 2020

Umarmt Euch!

Ganz offen: Dass wir uns nicht mehr die Hände schütteln, damit kann ich gut leben. Meist muss man das ja bei Leuten tun, die man gar nicht näher kennen will. Aber das Fehlen jeder Nähe, das einige zum ewigen Standard erheben wollen, wird uns schädigen. Sehr langfristig.

Nein, in diesem Text kommen keine Zahlen vor. Der tägliche brave Rapport vieler Medien der «Fallzahlen», die vom Bundesamt für Gesundheit gemeldet werden, hat unterm Strich keinerlei Bedeutung. Hin und wieder wird er in Relation zur Zahl der getesteten Personen gesetzt, meistens nicht. Sterben will ums Verrecken auch niemand mehr an Corona. Kein Mensch weiss mehr, was stimmt, was relevant ist, welche Zahl welche Bedeutung hat. Wir werden einfach damit gefüttert. Und man wird den Eindruck nicht los, dass es nur darum geht, den Angstbarometer möglichst weit oben zu halten.

Aber seit wann genau haben wir eigentlich statistische Werte zur Lebensphilosophie erhoben?

Dass man an einer Sitzung mit Leuten, die man beruflich kennt, zu denen man freundlich sein muss, rein opportunistisch, die aber fürs eigene Leben sonst keine Bedeutung haben, keine Hände schütteln muss: Ich kann damit leben. Ein freundliches Kopfnicken, einige bestehen darauf, die Ellbogen kurz zusammenzuführen. Das tut der Lebensqualität keinen Abbruch.

Aber es geht ja weiter. Wir sollen uns nicht mehr zu nahe kommen. Fast alle. Wenn jemand nicht gerade zur engeren Familie gehört, müssen wir eineinhalb Meter Abstand halten. Das ist eine (kleine) Menschenlänge. Das ist viel. Das verhindert jede Nähe, jeden klaren Blick in die Augen, jede echte Kontaktaufnahme, jede Herzlichkeit. Wir können unsere Sympathie nicht mehr offen zeigen. Und offenbar finden das sehr viele Leute völlig normal. Wer sich dagegen ausspricht, ist erledigt. Er oder sie gilt als verantwortungslos, als unbelehrbar. Das aufgrund von Zahlen, von denen wir nach einigen Monaten Erfahrungswert sagen können: Sie besagen leider nichts.

Erinnern Sie sich, wie viele Menschen beim Aufkommen der Digitalisierung gejammert haben, durch diese werde der persönliche Kontakt unter Menschen erschwert? Na bravo. Was haben wir denn jetzt? Die Digitalisierung ist unser kleinstes Problem. Die hat sogar oft die Türen geöffnet zu echten Kontakten. Die danach auch ausgelebt wurden. Analog. Jetzt werden wir durch ein Virus getrennt, das ohne Zweifel existiert, das aber unser Zusammenleben sehr viel mehr diktiert, als es sein Recht wäre. Und als es die Zahlen rechtfertigen.

Unsere Kinder können vielleicht einmal von sich behaupten, 100 Jahre alt geworden zu sein. Allerdings mit der leichten Einschränkung, dass überfürsorgliche Mütter dafür gesorgt haben, dass im Quartier keine Kinder miteinander spielen. Wenn es so weitergeht, dann vielleicht sogar über Jahre hinweg. Und dass man selbstverständlich keinem Mitmenschen jemals näher kommt als unbedingt nötig. Menschliche Nähe war noch nie gesetzlich vorgeschrieben. Aber sie ist mehr als nötig.

100 Jahre Lebenszeit sind viel. Aber nach einem echten Leben klingt das nicht.

Der Kurs unserer Behörden hat eine klare Koordinate: Gesund bleiben und überleben. Und kein Mensch fragt mehr: Wofür bitte genau sollen wir überleben, wenn wir nicht leben dürfen? Einzelne Kantone weiten die Maskenpflicht aus. Es ist eine Frage der Zeit, bis das alle tun, und wenn die Saison der ganz normalen Grippe beginnt, wird noch einer drauf gesetzt. Wir sehen inzwischen an immer mehr Orten keine Gesichter mehr. Angstvoll flackernde Augen über der Maske: Das ist alles. Das war übrigens einmal das Thema der Burkadiskussion. Man will doch sein Gegenüber sehen!

Das spielt keine Rolle mehr. Inzwischen sind wir alle irgendwie Burka.

Unser Bundesamt für Gesundheit ist vom gleichen Geist beseelt wie Google. Auch der US-Konzern arbeitet daran, uns unsterblich zu machen. Unsere Smartwatch wird uns schon bald bei jeder Aktivität daran erinnern, dass diese allenfalls lebensverkürzend sein könnte. Etwas Falsches gegessen, getrunken, zu wenig Schritte absolviert? Geht doch gar nicht. Und die einzig richtige Antwort wäre: «Hey Google, das kann schon sein, aber an diesem Abend, an dem ich hemmungslos gesoffen und geraucht habe, da habe ich wenigstens wirklich gelebt! Mit anderen zusammen! Und dafür nehme ich auch zwei Jahre weniger in Kauf!»

 

Google misst nicht die Lebensqualität. Es misst den Wert an absolvierten Jahren. Das Bundesamt für Gesundheit tut dasselbe. Was für eine traurige Vorstellung über das Leben. Glaubt man an Gott, kann man sich mit dem Himmelsreich trösten. Tut man es nicht, muss man nüchtern feststellen: Eine immer irrationaler werdende Panik klaut uns die besten Jahre.

Wir haben einen unschätzbaren Vorteil gegenüber vielen anderen Kulturen: Wir mögen Obrigkeit nicht sehr. Wir gehen davon aus, dass wir selbstbestimmt sind und uns auflehnen können, wenn etwas keinen Sinn macht. Jedenfalls sind wir mit dieser Philosophie zu dem geworden, was wir sind. Das ist der Ansatz, an dem wir anknüpfen können. Anknüpfen müssen.

Deshalb die eindringliche Bitte: Umarmt euch, wenn es euch danach ist. Seid euch nahe, wenn beide das wollen. Lasst euch nicht führen von einem Zahlenwerk, das im besten Fall rein zufällig, im schlechtesten Fall beabsichtigt ist. Folgt nicht der Angstkultur. Dieses Virus ist nicht stärker als wir. Jedenfalls nicht, wenn wir zusammenhalten. Aber das ist es ja genau, was uns derzeit verboten wird.

Ist es verantwortungslos, sich für mehr Nähe auszusprechen? Möglich. Aber ist es verantwortungsloser, als die Abwesenheit jeder Nähe zu fordern, Menschen auseinanderzutreiben, ihnen die soziale Interaktion zu untersagen? Sinkende Fallzahlen dank einer Gesellschaft, die allmählich verlernt, wie es war, einfach zu sein. Miteinander.

Das ist ein verdammt hoher Preis.

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