Klimatologie

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Wallace, J. M., P. V. Hobbs (2006) Atmospheric Science. An Introductory Survey, 2. Aufl. Academic Press.

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Strahlung und Energie

Inhalt

3.1 Die globale Strahlungs- und Energiebilanz

3.2 Astronomische Grundlagen

3.3 Strahlungsemission

3.4 Streuung

3.5 Absorption

3.6 Der Treibhauseffekt

3.7 Transmission durch die Atmosphäre

3.8 Wärmeflüsse und lokale Energiebilanzen

Dieses Kapitel befasst sich mit der Energie im Klimasystem (vgl. Abb. 1-8), insbesondere der Strahlung. Die Erde ist ungefähr im Strahlungsgleichgewicht mit dem Weltraum, erhält also gleich viel Strahlung von der Sonne, wie sie in Form von reflektierter Strahlung und Wärmestrahlung an den Weltraum abgibt. Das Klimasystem absorbiert solare Strahlung, wandelt diese in Wärme um und strahlt sie wieder ab. Die Absorption erfolgt zu einem großen Teil am Erdboden, die Abstrahlung dagegen zu einem großen Teil aus der Atmosphäre.

Da die Erde eine Kugel mit einer geneigten Rotationsachse ist, bestimmen astronomische Faktoren die jahreszeitliche und räumliche Verteilung der eintreffenden kurzwelligen Strahlung. Auch auf der Erdoberfläche spielen geometrische Faktoren, aber auch die Oberflächenhelligkeit (Albedo) eine Rolle. Diese Faktoren lassen sich mit einigen einfachen Gesetzen beschreiben.

Sonnenstrahlung kann angenähert als Strahlung eines Schwarzkörpers verstanden werden. Das Spektrum dieser Strahlung ist nur von der Temperatur des Körpers abhängig. Die Sonne strahlt in einem breiten Wellenlängenbereich, der von Röntgenstrahlen bis zum Nahinfrarotbereich reicht. Glücklicherweise erreicht die ganz kurzwellige Strahlung den Erdboden nicht; sie würde hier das Leben zerstören. Die Erde selber strahlt vor allem im thermischen Infrarotbereich.

Innerhalb der Atmosphäre vermindern die Rückstreuung an Wolken oder Aerosolen sowie die Absorption in der Atmosphäre die eintreffende Strahlung. An der Erdoberfläche wird die kurzwellige Strahlungsenergie in Wärme umgesetzt oder wird für Verdunstung verwendet und in die Atmosphäre transportiert. Von der Erdoberfläche und der Atmosphäre wird die Energie in Form von langwelliger Strahlung an den Weltraum abgegeben. Treibhausgase erschweren diese Abstrahlung, indem sie langwellige Strahlung absorbieren und in alle Richtungen wieder emittieren. Um trotz Treibhausgasen gleich viel Strahlung an den Weltraum abgeben zu können, wie von der Sonne eingestrahlt wird, muss sich die Erde erwärmen.

Während sich die Erde als Ganzes annähernd im Strahlungsgleichgewicht befindet, ist dies lokal nicht der Fall. Die Strahlungsbilanz kann im Tages- und Jahresgang stark variieren und ist in der Regel nicht ausgeglichen. Die räumlich ungleiche Strahlungsbilanz ist der Antrieb der atmosphärischen und ozeanischen Zirkulation, welche letztlich den Energieausgleich bewerkstelligen.

3.1 | Die globale Strahlungs- und Energiebilanz

Die Energiebilanz der Erde ist eine der wichtigsten Größen im Klimasystem, und ihre räumlichen Unterschiede treiben die Zirkulation von Ozean und Atmosphäre an. Im Zentrum der Energiebilanz steht die Strahlungsbilanz. Das Klimasystem erhält fast die gesamte Energie in Form von kurzwelliger Strahlung von der Sonne und gibt sie letztlich in Form von langwelliger Strahlung wieder an den Weltraum ab. Im Klimasystem wird die solare Einstrahlung aber vielfach umgewandelt. Ein Teil davon wird in der Atmosphäre absorbiert oder zurück in den Weltraum gestreut. Auch die Abstrahlung erfolgt nicht einfach direkt von der Erdoberfläche in den Weltraum, sondern durch Wechselwirkung mit Treibhausgasen und Wolken.

Die Hälfte der solaren Einstrahlung wird am Boden absorbiert, ein Viertel reflektiert, ein Viertel in der Atmosphäre absorbiert

Die global gemittelten Strahlungs- und anderen Energieflüsse sind in Abb. 3-1 dargestellt. Die einkommende Strahlung beträgt im globalen Durchschnitt ca. 340 W m–2. Ein Teil davon wird von der Atmosphäre absorbiert. Aerosole, Gase oder Wolkentröpfchen absorbieren zusammen ungefähr 79 W m–2 oder etwa 23 % der gesamten eintreffenden Strahlung. Ein etwa gleich großer Anteil, 76 W m–2, wird an Wolken reflektiert. Somit werden 45 % der Strahlung bereits in der Atmosphäre zurückgehalten. Nur ungefähr 185 W m–2 erreichen den Erdboden. Hier werden 24 W m–2 ebenfalls reflektiert. An der Erdoberfläche absorbiert werden also 161 W m–2 oder knapp die Hälfte (47 %) der Solarstrahlung. Diese absorbierte Strahlung spielt für die klimatischen Vorgänge die wichtigste Rolle.

Abb. 3-1 |Global gemittelte Strahlungs- und Energiebilanz (Energieflüsse in W m-2). Die umgesetzte Nettoeinstrahlung beträgt ein Viertel der Solarkonstanten oder 340 W m–2 (nach Hartmann et al. 2013).

Die Erdoberfläche kann Energie als Wärme oder Wasserdampf an die Atmosphäre abgeben: die turbulenten Wärmeflüsse

Wenn wir einen Gleichgewichtszustand betrachten, ist an der Erdoberfläche auch der Wärmefluss durch Wärmeleitung in den Untergrund ausgeglichen, und die eingehende Strahlung muss in Form von Energie wieder an die Atmosphäre und letztlich in den Weltraum abgegeben werden. Abstrahlung ist dabei einer der Mechanismen, allerdings kein sehr effizienter (vgl. Kap. 6). Deshalb gibt die Erdoberfläche zusätzlich Energie in Form von Wärme direkt an die untersten Luftschichten ab. Dieser Fluss wird sensibler Wärmefluss genannt. In den untersten Millimetern über dem Boden erfolgt der Fluss durch molekulare Diffusion, darüber durch Turbulenz. Man spricht deshalb oft vom turbulenten Fluss sensibler Wärme.

Der latente Wärmefluss ist 4 Mal so groß wie der sensible Wärmefluss

Schließlich wird die eintreffende Energie auch dafür verwendet, Wasser zu verdunsten. Diese Energie wird später bei der Kondensation in der Atmosphäre, der Wolkenbildung, wieder frei. Der Fluss dieser latenten Energie entspricht also dem Fluss von Wasserdampf. Auch dieser Fluss erfolgt in den untersten Millimetern durch molekulare Diffusion, darüber durch Turbulenz (turbulenter Fluss latenter Wärme). Die turbulenten Flüsse von sensibler und latenter Wärme betragen 20 respektive 84 W m–2. Besonders der latente Wärmestrom ist wichtig. Er bewerkstelligt einen großen Teil des Transports der Energie vom Erdboden in die Atmosphäre. Diese beiden Flüsse, 20 + 84 W m–2, sowie die in der Atmosphäre absorbierten 79 W m–2 (also zusammen 183 W m–2) müssen letztlich abgestrahlt werden. Die Atmosphäre strahlt also sehr viel Energie ab.

Die langwellige Einstrahlung ist etwa doppelt so hoch wie die kurzwellige Einstrahlung

An der Atmosphärenobergrenze beträgt die ausgehende kurzwellige Strahlung, also die an Wolken und am Boden reflektierte Strahlung, ungefähr 100 W m–2. Da die Erde nahezu im Strahlungsgleichgewicht ist, muss die Differenz zur eintreffenden Strahlung (340 W m–2) durch langwellige Abstrahlung bewerkstelligt werden. Tatsächlich werden ca. 239 W m–2 langwellig ausgestrahlt. Davon stammen 183 W m–2 aus der Atmosphäre und 57 W m–2 von der Erdoberfläche, Letzteres ist aber nur ein Nettofluss. In der unteren Atmosphäre und an der Erdoberfläche sind die langwelligen Strahlungsflüsse wegen des Treibhauseffekts um einiges höher als 57 W m–2 und sind sogar mehr als doppelt so groß wie die kurzwellige Einstrahlung. Den Grund dafür werden wir im Verlauf des Kapitels erläutern. Die Abstrahlung an der Erdoberfläche beträgt knapp 400 W m–2, die langwellige Gegenstrahlung ca. 342 W m–2. Nur ein kleiner Teil der langwelligen Abstrahlung, ca. 40 W m–2, erreicht von der Erdoberfläche ungehindert das Weltall. Auf dieses «atmosphärische Fenster» gehen wir in Kap. 3.6 ein.

Zu Beginn des Kapitels sind wir davon ausgegangen, dass die Erde als Ganzes im Strahlungsgleichgewicht mit dem Weltraum ist. Das ist allerdings nicht ganz der Fall: Momentan nimmt das System Energie auf. Ungefähr 0.6 ± 0.4 W m–2 bleiben im System und akkumulieren sich, vor allem in Form einer Erwärmung der Ozeane. Die Ozeane speichern diese Energie über längere Zeit.

In diesem Kapitel möchten wir die Energiebilanz der Erde diskutieren und die einzelnen Strahlungs- und Energieflüsse verstehen. In der Folge betrachten wir deshalb die astronomischen Grundlagen, die physikalischen Strahlungsgesetze, die Prozesse in der Atmosphäre (Streuung und Absorption), den Treibhauseffekt sowie die sensiblen und latenten Wärmeflüsse.

3.2 | Astronomische Grundlagen

Astronomische Klimafaktoren: Neigung der Erdachse bestimmt Jahreszeiten

Die wichtigste eintreffende Energie, die Sonneneinstrahlung, ändert sich im Tages- und Jahresverlauf in Abhängigkeit zur geographischen Breite. Dieses «solare Klima» wird durch die Strahlungsgeometrie des Erd-Sonnen-Systems bestimmt. Die Neigung der Erdachse (ca. 23.5°) ist für die Entstehung der Jahreszeiten verantwortlich, die Erddrehung für die Tageszeiten. Abb. 3-2 zeigt schematisch die Geometrie der Erdumlaufbahn.

 

Abb. 3-2 |Umlaufbahn der Erde um die Sonne (nach Schönwiese 2003). Die Erdumlaufbahn ist leicht elliptisch.

Die Erdumlaufbahn ist leicht elliptisch

Das erste Kepler’sche Gesetz besagt, dass alle Planetenbahnen elliptisch sind und die Sonne in einem der Brennpunkte der Ellipse steht. Das gilt auch für die Erde, allerdings ist ihre Bahn fast kreisförmig. Der sonnennächste Punkt der Erdumlaufbahn ist das Perihel, der sonnenfernste Punkt heißt Aphel. Die Erde ist derzeit Anfang Januar der Sonne am nächsten. Aber die Geometrie der Erdumlaufbahn ändert sich im Verlauf langer Zeitspannen: Exzentrizität (Abweichung von der Kreisbahn, vgl. Kap. 10.3.1) sowie Obliquität (Neigung) und Präzession der Erdachse (Ausrichtung im Raum und damit die Lage des Perihels relativ zu den Jahreszeiten) unterliegen Schwankungen im Bereich von Zehntausenden von Jahren (vgl. Kap. 10).

Lambert-Gesetz: Einfallende Strahlung ist vom Einfallswinkel abhängig

Aus der Sicht des Beobachters auf der waagrechten Erdoberfläche (ohne Berücksichtigung der Atmosphäre) ist die Strahlung von der Sonnenhöhe über dem Horizont abhängig. Das Lambert’sche Gesetz ( Abb. 3-3) besagt, dass die auf einer waagrechten Fläche der Erdoberfläche eintreffende Einstrahlung der Sonne J (in W m–2) das Produkt aus der Strahlung auf einer Fläche senkrecht zur Einstrahlungsrichtung (J0) und dem Sinus der Sonnenhöhe hm (oder dem Cosinus des Zenitwinkels z) ist:


Die Einstrahlung auf einer ebenen Fläche ist also am höchsten, wenn die Sonne am höchsten steht (am Mittag). Für geneigte Flächen (rechts in Abb. 3-3) gilt dies nicht. Die Einstrahlung kann hier höher sein als für ebene Flächen und kann ihr Maximum zu anderen Zeitpunkten haben. Umgekehrt können ungünstig geneigte Flächen auch sehr niedrige Einstrahlung aufweisen, dazu kommen Beschattungseffekte.

Aus der Sicht eines Punktes in der Topografie wird oft der «Sky View Factor» definiert als derjenige Anteil (ausgedrückt in Raumwinkeleinheiten) des Himmels, der von diesem Punkt aus sichtbar ist. Der «Sky View Factor» beeinflusst sowohl die Einstrahlung als auch die Abstrahlung. Er ist eine wichtige Größe für die Beurteilung der Energiebilanz, beispielsweise für innerstädtische Flächen (vgl. Kap. 8.3).

Bei flachem Sonneneinfall wird die Strahlung zur Erde hin gekrümmt

Die Geometrie wird durch das Phänomen der Lichtbrechung (Refraktion) zusätzlich beeinflusst. Da die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in der dichten Atmosphäre nahe der Erdoberfläche kleiner ist als in der dünnen oberen Atmosphäre (d.h., einen größeren Brechungsindex hat), werden die Lichtstrahlen der Sonne gebrochen und verlaufen auf einem zur Erde gekrümmten Pfad. Die Krümmung beträgt 12–14 % der Erdkrümmung und führt dazu, dass die Sonne am Horizont oval erscheint und die Strahlung sogar dann noch sichtbar ist, wenn die Sonne plangeometrisch bereits untergegangen ist. Die Refraktion führt zu längeren Tagen – in den Mittelbreiten um einige Minuten – und zu einer kürzeren Polarnacht.

Abb. 3-3 |Das Lambert-Gesetz: J0 (in W m–2) ist die auf eine senkrechte Fläche fallende Sonnenstrahlung, hm ist der Winkel der Sonnenhöhe (alternativ kann auch der Zenitwinkel z genommen werden, sin hm = cos z). J ist die Einstrahlung auf eine horizontale Fläche. Die Atmosphäre wird vernachlässigt. Die Abbildung rechts zeigt die Situation mit geneigten Flächen.


Abb. 3-4 |Die Erdoberfläche erhält im Mittel ein Viertel der Strahlung, welche auf eine senkrechte Fläche eintreffen würde.

Die mittlere Strahlung auf eine Kugeloberfläche ist ein Viertel derjenigen, welche auf eine senkrechte Querschnittsfläche fällt

Die Erde ist in genügender Näherung eine Kugel. Nur eine verschwindend kleine Fläche steht jeweils senkrecht zur Einstrahlungsrichtung, andere Flächen sind geneigt; eine Hälfte der Kugel liegt zudem im Dunkeln und erhält gar keine Strahlung. Senkrecht zur Einstrahlungsrichtung würde eine Kugelquerschnittsfläche liegen, auf die dann die gesamte Strahlung senkrecht fallen würde. Das Verhältnis von Kugelquerschnittsfläche (r2 π) zu Kugeloberfläche (4 r2 π) ist ein Viertel. Somit erhält die Erdoberfläche ohne Berücksichtigung der Atmosphäre pro Quadratmeter durchschnittlich ein Viertel der Strahlung, die eine senkrechte Fläche erhalten würde (in Abb. 3-4 schematisch gezeigt). Während also ein der Sonne zugewandter Satellit im Weltraum eine solare Einstrahlung von 1360 W m–2 misst, beträgt die durchschnittliche Einstrahlung auf die Erde (ohne Atmosphäre) nur 340 W m–2 (vgl. Abb. 3-1).

Die Tagessummen der solaren Strahlung, welche sich aus den hier erläuterten astronomischen Gegebenheiten (nur geometrische Faktoren, also ohne Atmosphäre) ergeben, sind in Abb. 3-5 dargestellt. Sie unterliegen einem starken Jahresgang. Man beachte die grauen Areale der australen (Südhalbkugel, links oben) und der borealen (Nordhalbkugel, rechts unten) Polarnacht. Am steilsten ist der Abfall in Nord-Süd-Richtung im Winter. In der Sommerhemisphäre ist der Abfall weniger steil, da sich der mit zunehmender geographischer Breite kleiner werdende Winkel und die längere Tageslänge fast ausgleichen. Der Jahresgang ist am ausgeglichensten in den Tropen, am extremsten an den Polen.

Albedo = reflektierte/einfallende Strahlung

An der Erdoberfläche wird ein Teil der eintreffenden Strahlung reflektiert oder zurückgestreut. Die Rückstreuung, definiert als das Verhältnis zwischen ausgehender und eingehender Strahlung, heißt Albedo, abgekürzt α. Die Albedo ist wellenlängenabhängig und materialabhängig. Eine helle Oberfläche wie beispielsweise frischer Schnee hat im sichtbaren Bereich eine Albedo von fast 1 (oder 100 %), eine dunkle Fläche wie beispielsweise eine geteerte Straße hat eine Albedo von ca. 0.15 (15 %). Aus dem Weltraum gesehen, hat die Erde als Ganzes eine Albedo von ca. 0.3 (auch planetare Albedo genannt); die Helligkeit rührt vor allem von den Wolken her, teils von der Atmosphäre. Die durchschnittliche Albedo der Erdoberfläche im Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts beträgt 0.12–0.13 und wird stark von den dunklen Ozeanen beeinflusst.

Abb. 3-5 |Tagessummen der an der Atmosphärenobergrenze ankommenden solaren Strahlung (nach Häckel 2008; in kWh/m2; TNG = Tag-Nacht-Gleiche, SW = Sonnwende).


Tab. 3-1 |Albedo im sichtbaren Spektrum und langwelliger Emissivität (vgl. Kap. 3.3) einiger Oberflächen (* die Albedo von Wasser ist stark vom Einfalls- und Betrachtungswinkel abhängig).


Die Albedo ist für die Energiebilanz der gesamten Erde sowie für die lokale Energiebilanz eine zentrale Größe. Tab. 3-1 gibt eine Übersicht über die Albedo einiger Flächen.

3.3 | Strahlungsemission

Die Erde streut nicht nur kurzwellige Sonnenstrahlung zurück. Genau wie die Sonne strahlt auch die Erde, wenn auch in ganz anderen Wellenlängenbereichen. Die Strahlungsemission ist sehr gut verstanden und lässt sich durch einige Gesetze beschreiben, die im Folgenden erläutert werden. Danach wird das Spektrum der Sonnenstrahlung und der Erdabstrahlung dargelegt.

Schwarzkörper absorbieren die gesamte Strahlung

Jeder Körper absorbiert Strahlungsenergie und strahlt auch wieder Strahlungsenergie ab. Die abgegebene Strahlung hat ein bestimmtes Spektrum, das von der Temperatur und der Beschaffenheit des Körpers abhängig ist. Je wärmer ein Körper ist, desto mehr Energie strahlt er ab und desto mehr verschiebt sich das Spektrum hin zu kurzwelligerer Strahlung (vgl. Box 3.1). Die «ideale» Beschaffenheit eines Strahlers ist der «Schwarzkörper». Ein Schwarzkörper absorbiert die gesamte einfallende Strahlung aller Wellenlängen und emittiert gleichzeitig die physikalisch maximal mögliche Strahlungsmenge.

Graukörper strahlen weniger als ein Schwarzkörper

Wie lässt sich ein Schwarzkörper verstehen? Eine gute Näherung für einen Schwarzkörper ist ein kleines Loch mit einem Hohlraum dahinter. Kaum ein Photon, das durch das Loch eindringt, wird den Hohlraum je wieder verlassen. Umgekehrt kann, wenn die Wand des Hohlraums geheizt wird, anhand der aus dem Loch austretenden Strahlung das Spektrum der Schwarzkörperstrahlung gemessen werden. Perfekte Schwarzkörper gibt es nicht. Körper in der Natur werden Graukörper genannt. Sie absorbieren und emittieren nur einen Teil der Strahlung, dieser Anteil wird Emissivität (Abgekürzt ϵ) genannt. Er ist für Absorption und Emission gleich groß und wellenlängenabhängig. Die Emissivität der meisten Graukörper ist allerdings relativ hoch, um 90–95 % ( Tab. 3-1). Kein realer Körper kann bei einer bestimmten Wellenlänge und Temperatur mehr Strahlung emittieren als ein Schwarzkörper. Das bedeutet aber auch, dass sich ein grauer Körper stärker erwärmen muss, um gleich viel abstrahlen zu können wie ein schwarzer Körper.

Eis oder Schnee sind hell und absorbieren also nur wenig kurzwellige Strahlung. Aber im langwelligen Bereich sind Schnee und Eis nahezu perfekte Schwarzkörper. Die Emissivität von Eis ist sehr hoch (vgl. Tab. 3-1).

Box 3.1

Strahlungsgesetze

Das Planck’sche Gesetz beschreibt die temperaturabhängige Strahlung eines Schwarzkörpers

Die Schwarzkörperstrahlung Eλ lässt sich mit dem Planck‘schen Strahlungsgesetz ausdrücken. Dieses Gesetz beschreibt die von der Wellenlänge λ [m] und Körpertemperatur T [K] abhängige Energie der Strahlung:


Dabei sind c die Lichtgeschwindigkeit (3 108 m s–1), h das Planck’sche Wirkungsquantum (6.626 10–34 J s) und k die Boltzmannkonstante (1.38 10–23 J K–1). Alle im Buch vorkommenden Konstanten sind in Box 4.2 zusammengestellt.

Das 1900 von Max Planck postulierte Gesetz lässt sich nicht aus der klassischen Physik herleiten. Es postuliert, dass Absorption und Emission in diskreten Quanten erfolgt, und gilt daher als einer der Ursprünge der Quantenphysik. Mit seinem Gesetz erklärte Max Planck gleichzeitig zwei bereits vorher bekannte Strahlungsgesetze. Diese können nun als Ableitungen des Planck‘schen Gesetzes verstanden werden, sind aber immer noch unter den Namen ihrer Entdecker bekannt. Das erste ist das Wien’sche Verschiebungsgesetz, welches die Wellenlänge der maximalen Strahlung λmax als Funktion der Temperatur des Schwarzkörpers beschreibt:


Aus dem Strahlungsgleichgewicht kann die Temperatur berechnet werden

 

Dabei ist W die Wien‘sche Konstante (2897.8 μm K). Damit kann aus dem gemessenen Strahlungsspektrum eines Körpers dessen Temperatur geschätzt werden. Diese Temperatur wird Strahlungstemperatur genannt.

Das zweite durch die Planck‘sche Formulierung erklärte Strahlungsgesetz ist das Stefan-Boltzmann’sche-Gesetz. Es quantifiziert die gesamte Ausstrahlung eines Graukörpers (E):


Dabei ist σ die Stefan-Boltzmann-Konstante (5.6704 10–8 W m–2 K–4, vgl. Box 4.2) und ϵ die Emissivität (vgl. Tab. 3-1).

Auf der Basis der Grundgesetze für kurzwellige Einstrahlung und langwellige Ausstrahlung können wir ein einfaches Klimamodell für einen Planeten ohne Atmosphäre formulieren. Die folgende Gleichung zeigt vereinfacht die Gesamtstrahlungsbilanz dieses Planeten. Auf der linken Seite steht die absorbierte kurzwellige Strahlung, rechts die emittierte langwellige Strahlung (eine reine Graukörperstrahlung, da keine atmosphärische Gegenstrahlung vorhanden ist):


In dieser Formel ist α die planetare Albedo (also die Albedo vom Weltraum aus gesehen), J0 die senkrechte kurzwellige Einstrahlung in W m–2 (die Division durch 4 entspricht der Verteilung auf die Kugeloberfläche, vgl. Abb. 3-4), ϵ ist die dimensionslose Emissivität, σ die Stefan-Boltzmann-Konstante (5.6704 10–8 W m–2 K–4) und T die global gemittelte Oberflächentemperatur in Kelvin.

Aus dieser Gleichung lässt sich die Gleichgewichtstemperatur eines Planeten berechnen. Für typische Werte der Erde (Albedo von 0.15, Emissivität von 0.95, Einstrahlung von ca. 1360 W m–2) beträgt diese Temperatur T


Dabei wurden aber Tag und Nacht gemittelt, was nur dann eine sinnvolle Schätzung ergibt, wenn Energie gespeichert wird, und dazu braucht es Atmosphäre und Ozean. In Wirklichkeit würden auf einem solchen Planeten die Temperaturen mittags enorm hoch steigen und nachts gegen den absoluten Nullpunkt fallen, ähnlich wie auf dem Mond. Diese Überlegungen mögen unrealistisch sein, sie zeigen aber erstens die große Wirkung der Atmosphäre und der Ozeane auf das Klima der Erde. Zweitens zeigt der Vergleich des Ergebnisses ohne Atmosphäre – 270.6 K (also ca. –3 °C) – mit der tatsächlichen Mitteltemperatur von ca. 288 K die wichtige Rolle des natürlichen Treibhauseffekts durch CO2 und Wasserdampf. Ohne Treibhausgase wäre Leben, wie wir es kennen, nicht möglich.

Ein nur wenig komplizierteres Klimamodell, das extra für Lehrzwecke entwickelt wurde, ist das «Monash Simple Climate Model». Hier lassen sich verschiedenste Modelleinstellungen auf einer Website durchspielen und vergleichen (https://monash.edu/research/simple-climate-model/mscm/).

Strahlung ist elektromagnetische Wellenenergie. Die Gesamtenergie kann durch eine Strahlungsflussdichte (J s–1 m–2 oder W m–2) ausgedrückt werden, die Energie in Abhängigkeit der Wellenlänge als spektrale Strahlungsflussdichte (W m–2 m–1). Die Wellenlänge wird meist als λ geschrieben und in Nanometer (nm) oder Mikrometer (μm) angegeben. Der Reziprokwert heißt Wellenzahl (Einheit: nm–1 oder μm–1). Die Division durch die Lichtgeschwindigkeit ergibt die Periode (in s), der Reziprokwert ist die Frequenz in Hertz (Hz = s–1). Diese Einheiten und ihre Beziehung sind in Abb. 3-6 schematisch dargestellt.

Das Spektrum der Strahlung in der Atmosphäre und am Erdboden ist schematisch in Abb. 3-7 gezeigt. Für die Vorgänge in der Atmosphäre und auf der Erde sind drei Bereiche des elektromagnetischen Spektrums besonders wichtig: UV-Strahlung, sichtbare Strahlung (Licht) und Infrarot-Strahlung (Wärmestrahlung).

Die Sonne erzeugt Energie durch Kernfusion und strahlt sie als kurzwellige Strahlung in den Weltraum ab

Die Sonne ist fast die einzige Energiequelle des Klimasystems. Im Sonneninneren wird durch Kernfusion Energie erzeugt, die durch Strahlungstransfer und Konvektion nach außen transportiert wird und schließlich in den Weltraum gestrahlt wird. Der abgestrahlte Energiefluss beträgt 3.9 1026 J s–1. Die Strahlung stammt vor allem aus der Photosphäre, welche eine Temperatur von ca. 5000–6000 K aufweist (die extrem kurzwellige Strahlung stammt aus den äußeren, wesentlich heißeren Schichten Chromosphäre und Korona). Mit dem Wien’schen Gesetz ( Box 2.1) lässt sich daraus die Wellenlänge der maximalen Strahlung berechnen:


Die Sonne strahlt also am stärksten im kurzwelligen Bereich, genauer gesagt im sichtbaren Bereich (Licht mit einer Wellenlänge von 0.527 μm wird vom Auge als blaugrün wahrgenommen).

Die Erde strahlt ebenfalls, allerdings im Infrarotbereich

Auch die Erde strahlt elektromagnetische Strahlung ab, allerdings wegen ihrer viel tieferen Temperatur im Infrarotbereich (Wärmestrahlung). Auch dies lässt sich aus dem Wien’schen Gesetz berechnen. Bei Temperaturen im Bereich von 265–285 K ergibt sich eine Wellenlänge der maximalen Abstrahlung im Bereich von 10 μm. Abb. 3-7 gibt eine Übersicht über die unterschiedlichen Wellenlängenbereiche und die Herkunft der Strahlung in den entsprechenden Bereichen.

Abb. 3-6 |Schematische Darstellung der Begriffe «Wellenlänge», «Wellenzahl», «Periode» und «Frequenz» anhand einer sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitenden Welle (fs = Femtosekunde = 10–15 s, μm = Mikrometer = 10–6 Meter).


Abb. 3-7 |Schematische Darstellung der in der Atmosphäre vorkommenden Strahlung, deren Eindringtiefe in die Atmosphäre (ebenfalls angedeutet ist der Durchgang durch Wolken) und deren Herkunft. UVA, UVB und UVC bezeichnet ultraviolette Strahlung mit Wellenlängen von 100–280, 280–320 und 320–400 nm. VIS steht für sichtbare Strahlung, NIR und TIR für Nahinfrarot und thermisches Infrarot.


3.4 | Streuung

Atmosphäre modifiziert Strahlung durch Emission, Absorption, Streuung und Refraktion

Strahlung wird durch die Atmosphäre erheblich modifiziert. Die daran beteiligten Vorgänge sind Absorption (die Schwächung elektromagnetischer Strahlung beim Durchgang durch Materie und Umwandlung in andere Energieformen), Streuung und Reflexion sowie Brechung (Refraktion) und Beugung (Diffraktion). Außerdem emittiert die Atmosphäre ihrerseits Strahlung. Treibhausgase, Aerosole und Wolken sind in der Lage, Strahlung nicht nur zu absorbieren, sondern auch wieder zu emittieren. Daraus resultiert eine fein gegliederte Wellenlängenabhängigkeit des Lichts. In diesem Unterkapitel betrachten wir die Streuung.

Rayleigh-Streuung an Luftmolekülen

Sichtbares Licht wird an Luftmolekülen gestreut. Diese Streuung heißt Rayleigh-Streuung und ist wellenlängenabhängig. Kurze Wellenlängen werden stärker gestreut als lange. Blaues Licht wird also stärker gestreut als rotes (vgl. Abb. 3-8). Nach Durchquerung der Atmosphäre fehlt dem direkten Sonnenlicht mehr blaues Licht als rotes. Bei Sonnenauf- oder -untergang, wenn der Pfad der Strahlen durch die Atmosphäre sehr lang wird, erscheint die Sonne daher rot. Im gestreuten Licht, das dem Himmel die Farbe gibt, ist dagegen das blaue Licht stärker vertreten als das rote. Der wolkenlose Himmel erscheint daher blau.

Mie-Streuung an Aerosolen

Solare Strahlung wird auch an größeren Partikeln (z. B. Aerosolen) gestreut, Partikel deren Größe ungefähr der Wellenlänge des sichtbaren Lichts entsprechen. Diese Streuung wird auch Mie-Streuung genannt. Sie ist weniger stark wellenlängenabhängig. Befinden sich viele Partikel in der Atmosphäre, erscheint der Himmel milchig trüb.

Sowohl Rayleigh- als auch Mie-Streuung sind nicht isotrop, d.h., die Streuung erfolgt nicht gleichmäßig in alle Richtungen. In Abb. 3-8 ist dies schematisch dargestellt. Mie-Streuung erfolgt bevorzugt in Vorwärtsrichtung, vor allem wenn die streuenden Aerosole größer sind als die Wellenlänge des Lichts (vgl. Abb. 3-8).

Das gestreute Licht, welches die Erdoberfläche erreicht, wird als diffuses Licht bezeichnet. Für die Energiebilanz spielt letztlich keine Rolle, ob Licht die Erdoberfläche als direkte oder diffuse Strahlung erreicht. Für Pflanzen kann dies allerdings durchaus eine Rolle spielen.

Abb. 3-8 |Links: Vereinfachte Darstellung der Wellenlängenabhängigkeit der Rayleigh-Streuung. Rechts: Anisotropie der Streuung.


Abb. 3-9 |Strahlungseinfall durch ein absorbierendes Medium (Lambert-Bouguer-Gesetz, auch Beer’s Law). J0 ist die auf eine senkrechte Fläche fallende Sonnenstrahlung außerhalb der Atmosphäre (W m–2), J1 die entsprechende Strahlung am Erdboden (vgl. Abb. 3-3). Der Winkel hm beschreibt die Sonnenhöhe. J2 ist die Einstrahlung auf eine horizontale Fläche am Erdboden, m ist die relative Luftmasse (Pfadlänge) durch die Atmosphäre (vgl. Abb. 3-10), und τ ist die optische Dicke.

Lambert-Bouguer-Gesetz: Absorption ist von der durchstrahlten Weglänge abhängig

Die Verminderung der direkten Strahlung durch diese Vorgänge – Rayleigh-Streuung, Mie-Streuung und Absorption – ist vom Einfallswinkel der Sonne abhängig. Je flacher der Einfallswinkel, desto länger ist die relative Wegstrecke m des Lichts durch die absorbierende Schicht. Dies ist in Abb. 3-10 illustriert. Bei einem flachen Sonneneinfallswinkel wird daher viel Licht absorbiert und gestreut, und entsprechend weniger erreicht die Erdoberfläche. Diese Abhängigkeit wird durch das Lambert-Bouguer-Gesetz (oder Beer-Lambert-Gesetz) erfasst (vgl. Abb. 3-9, welche eine Verfeinerung der Abb. 3-3 darstellt):


Hier steht τ für die dimensionslose optische Dicke. Sie ist wellenlängenabhängig und kann als Summe der optischen Dicke für die Rayleigh-Streuung, der optischen Dicke für die Mie-Streuung und der optischen Dicke für die Absorption verstanden werden. Eine optische Dicke von 1 bedeutet, dass die Strahlung bei senkrechtem Einfall auf 1/e reduziert wird. Solche Werte können vorkommen, typische Werte sind aber eher im Bereich 0–0.1.

Wegstrecke ausgedrückt in relativen Luftmassen (normiert auf senkrechten Strahlungseinfall)

Die Größe m heißt relative Luftmasse und gibt das Verhältnis zwischen der tatsächlichen Pfadlänge der Strahlen zur Pfadlänge bei senkrechtem Strahlungseinfall auf Meereshöhe an. Eine relative Luftmasse von 2 bedeutet also, dass der Strahlungspfad durch die Atmosphäre doppelt so lang ist wie auf Meereshöhe, wenn die Sonne im Zenit steht.

Abb. 3-10 |Konzept der relativen Luftmasse m (ein Maß für die durchstrahlte Masse) und Refraktion der Sonnenstrahlung beim Gang durch die Atmosphäre (m0 ist die senkrecht durchstrahlte Atmosphäre, p der Luftdruck, p0 der Luftdruck auf Meereshöhe). Ab einer Sonnenhöhe hm von 5° gibt m0/sinhm eine gute Näherung für m. Bei scheinbar horizontalem Strahlungsdurchgang (gestrichelte Linie) ist der tatsächliche Strahlenpfad gekrümmt, m wird daher sehr groß.

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