Klimatologie

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Tab. 1-4 |Vorsilben von Einheiten und Anwendungsbeispiele in der Meteorologie.


Tab. 1-5 |Perturbationslebensdauer einiger Gase in der Atmosphäre (aus Myhre et al. 2013).


Halbwertszeit ist diejenige Zeit, die es braucht um eine Konzentration zu halbieren

Eine Zeitdauer von 1/k wird auch Lebensdauer genannt. Sie ist anders definiert als oben und wird als Abgrenzung von der Gleichgewichtslebendsauer englisch als e-folding lifetime bezeichnet: diejenige Zeit, innerhalb welcher sich die Bilanz auf (1/e) reduziert hat. Man könnte deutsch von einer e-fach Lebensdauer sprechen. Bei der Radioaktivität wird oft die Halbwertszeit angegeben: die Zeit, in welcher sich die Bilanz halbiert hat.

Umwandlungsprozesse können auch komplizierter sein. Chemische Reaktionsraten können beispielsweise von mehreren Reaktionspartnern und von der Temperatur abhängig sein. Oft erfolgt der chemische Abbau eines Stoffs über mehrere Reaktionen. Es gilt dann, den limitierenden dieser Schritte zu identifizieren.

Die Perturbationslebensdauer berücksichtigt die Reaktion des Klimasystems

Die eingangs definierte Verweilzeit geht davon aus, dass die Flüsse konstant sind. Das ist aber nicht immer der Fall, besonders wenn ein System gestört wird. Die Berechnung wird dann komplizierter. Die Perturbationslebensdauer gibt an, wie lange eine Störung im System erhalten bleibt. Tab. 1-5 gibt die Perturbationslebensdauer einiger wichtiger Gase in der Atmosphäre an. Trichlorfluormethan ist ein Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW), der zum Abbau der Ozonschicht beiträgt, Fluroform ist ein Ersatzstoff für FCKWs, der ein geringes Ozonabbaupotential hat, aber eine längere Lebensdauer. Alle aufgeführten Gase sind Treibhausgase. Auf CO2 wird in Kap. 1.3.5 eingegangen.

1.3.4 | Der Wasserkreislauf

Verdunstung verbindet Wasser- und Energiekreislauf

In der Folge möchten wir zwei wichtige Kreisläufe eingehender betrachten: den Wasserkreislauf und den Kohlenstoffkreislauf. Der Wasserkreislauf ist nicht nur für das Klimasystem entscheidend, er ist zusammen mit dem Kohlenstoffkreislauf die wohl wichtigste Schnittstelle im Erdsystem. Die Verdunstung und Kondensation von Wasser verbindet innerhalb des Klimasystems die Energie- und Massenbilanz, sie verbindet auch die Biosphäre, Hydrosphäre und Kryosphäre mit der Atmosphäre.

Wasser kommt im Klimasystem in allen drei Aggregatzuständen vor: fest, flüssig und gasförmig. Wasser ist nicht nur für das Leben auf der Erde wichtig, sondern spielt auch im Klimasystem eine entscheidende Rolle. Wasserdampf in der Atmosphäre ist ein Treibhausgas, ein Lösungs- oder Reaktionsmittel und leistet einen wichtigen Beitrag zum globalen Energietransport. Schließlich fällt Wasser als Niederschlag auf die Erdoberfläche und steht so der Biosphäre zur Verfügung. Nicht zufällig ist Wasser bei fast allen Klimarückkopplungsmechanismen beteiligt.

Das Wassermolekül bildet einen Dipol aus

Besonders am Wassermolekül ist seine Geometrie, mit einem 105°-Winkel zwischen den beiden Wasserstoffatomen (vgl. Abb. 2-2). Als Folge ist die Ladung ungleich verteilt, und es bildet sich, obschon das Molekül als Ganzes elektrisch neutral ist, ein Dipol aus, also eine räumlich ungleiche Ladungsverteilung. Wassermoleküle können sich in der flüssigen Phase durch Wasserstoffbrücken stärker binden (vgl. Kap. 2.4). Es braucht zusätzliche Energie, um diese Bindungen aufzulösen (hohe Verdampfungsenthalpie, hoher Siedepunkt), und die größte Dichte wird bei 4 °C im flüssigen Zustand erreicht («Anomalie des Wassers»).

Phasenumwandlungen des Wassers benötigen viel Energie

Wegen dieser Eigenschaften spielt das Wassermolekül auch im globalen Energiehaushalt eine große Rolle. Um ein Gramm Luft von 20 °C auf 21 °C zu erwärmen, ist 1 J nötig. Um aber ein Gramm flüssiges Wasser von 20 °C auf 21 °C zu erwärmen, braucht es bereits 4.2 J. Zum Schmelzen eines Gramms Eis benötigt man sogar 333.4 J; und um ein Gramm flüssiges Wasser bei 20 °C zu verdunsten, sind schließlich 2450 J nötig. Dieses Beispiel verdeutlicht die riesigen Energiemengen, die mit der Umwandlung von Wasser verbunden sind und im Klimasystem entzogen und wieder freigesetzt werden.

Abb. 1-10 |Schematische Darstellung des globalen Wasserkreislaufs. Reservoire sind in tausend km3 angegeben, Flüsse in tausend km3 pro Jahr


96.5 % des Wassers der Erde ist in Ozeanen, 1.75 % in den Eiskappen gespeichert

Fast das gesamte Wasser der Erde befindet sich an deren Oberfläche – obschon die Masse der Erde zu 0.02 % aus Wasser besteht, ist über 70 % der Oberfläche des Planeten von Wasser (Ozeane, Eis) bedeckt. Auch innerhalb des Klimasystems ist Wasser ungleich verteilt. Abb. 1-10 zeigt schematisch den Wasserkreislauf. Obwohl die Gasphase für die Klimavorgänge entscheidend ist, ist sie mengenmäßig unbedeutend. Der gesamte atmosphärische Speicher, inklusive dem flüssigen Wasser und Eis der Wolken, ist sehr klein; er entspricht ungefähr 0.001 % des Wassers auf der Erde. Dagegen befinden sich 96.5 % des Wassers der Erde in den Ozeanen, etwa 2.5 % ist Süßwasser, der Rest salzhaltiges Grundwasser. Von diesen 2.5 % Süßwasser sind wiederum 70 % in Form von Eis vorhanden, fast der gesamte Rest als Gundwasser. Nur 1.3 % des Süßwassers ist Oberflächenwasser an Land, vor allem in Seen. Der Baikalsee, der Tanganyika-See, der Malawi-See sowie die Großen Seen in Nordamerika machen zusammen einen großen Teil dieses Wassers aus.

Obwohl der atmosphärische Speicher sehr klein ist, sind die Flüsse in und aus diesem Speicher sehr groß. Beachtlich ist auch der große atmosphärische Fluss an Wasser vom Meer zum Land. Als Folge der sehr unterschiedlichen Reservoirgrößen und Flüsse ist auch die Verweildauer in den einzelnen Speichern sehr unterschiedlich. Die Verweildauer im Ozean beträgt ca. 3000 Jahre, in Gletschern und Eisschilden sogar gegen 10 000 Jahre. In Seen bleibt das Wasser ungefähr 100 Jahre, in Flüssen 3 Wochen. Am kürzesten ist die Verweildauer in der Atmosphäre; sie beträgt 9 Tage.

1.3.5 | Der Kohlenstoffkreislauf

Der Kohlenstoffkreislauf ist relevant für den Treibhausgashaushalt

Ein weiterer zentraler Kreislauf im Klimasystem ist der Kohlenstoffkreislauf. Auch er ist nicht nur für das Klimasystem wichtig, sondern verbindet das Klimasystem mit den anderen Sphären des Erdsystems und letztlich mit dem ökonomischen System der Menschen. Da die beiden neben Wasserdampf wichtigsten Treibhausgase Kohlenstoffverbindungen sind (Kohlendioxid CO2 und Methan CH4, vgl. Abb. 2-2 für ein Schema der Moleküle), ist der Kohlenstoffkreislauf für klimatologische Betrachtungen besonders relevant.

Die größten Kohlenstoffspeicher sind Ozeane und Böden

Die Kohlenstoffflüsse sind in Abb. 1-11 quantifiziert. Die schwarzen Pfeile und Zahlen zeigen die Flüsse und Speicher in vorindustrieller Zeit, die blauen Pfeile und Zahlen zeigen die Störung durch den Menschen seit der Industrialisierung. Der größte Kohlenstoffspeicher der Erde sind die Karbonatgesteine, welche in den für die Klimatologie betrachteten Zeitskalen allerdings nicht relevant und in Abb. 1-11 nicht dargestellt sind. Die Flüsse in diesen und aus diesem Speicher sind klein, weil die verantwortlichen Prozesse (Sedimentation und Verwitterung) sehr langsam ablaufen. Nur die oberflächennahen Sedimente sowie die fossilen Kohlenstofflagerstätten sind in Abb. 1-11 berücksichtigt. Die nächstgrößten Speicher sind Ozeane, Böden und Vegetation. Die größten Flüsse finden zwischen Vegetation und Atmosphäre sowie zwischen Atmosphäre und Ozean statt.

Die Atmosphäre ist ein kleines Reservoir, aber Änderungen wirken sich direkt auf das Klima aus

Die Atmosphäre ist zwar ein eher kleiner Speicher, doch wirken hier mehrere Kohlenstoffverbindungen (CO2, CH4) ebenso wie Wasserdampf als Treibhausgase. Deshalb sind Veränderungen direkt relevant für das Klima. Der atmosphärische Speicher würde durch Flüsse zwischen Atmosphäre, Ozean und Biosphäre innerhalb von drei Jahren umgesetzt. Das bedeutet aber nicht, dass das menschgemachte CO2 innerhalb von 3 Jahren aus dem System entfernt wird. In dieser Zeit tauschen atmosphärisches und ozeanisches CO2 lediglich die Plätze. Relevant sind daher nur die Nettoflüsse.

In vorindustrieller Zeit waren die Flüsse in den und aus dem Ozean fast perfekt ausgeglichen. Heute ist der Fluss in den Ozean leicht größer als umgekehrt, daher gibt es einen kleinen, in den Ozean gerichteten Nettofluss. Dieser beträgt allerdings nur 2 % des gesamten Flusses. Im Ozean besorgen zwei Mechanismen den Transport von Kohlenstoff vom oberflächennahen Wasser in das Tiefenwasser, in welchem die Löslichkeit für Kohlendioxid höher ist. Einerseits ist dies die vertikale Durchmischung (vgl. Kap. 7), andererseits das Absinken gestorbener Lebewesen. Im Ozean bilden sich wiederum neue, kohlenstoffhaltige Sedimente. Auch zwischen Vegetation und Atmosphäre gibt es große Flüsse in beide Richtungen und einen kleinen verbleibenden Nettofluss. Auch hier bewegt sich der Nettofluss in Richtung der Vegetation. Von der Vegetation fließt ein Teil des Kohlenstoffs in die Böden und von dort in die Flüsse.

 

Der Mensch hat den Kohlenstoffkreislauf nun aber tiefgreifend verändert. Nach einer Arbeit von Le Queré und Ko-Autoren (2016) stößt der Mensch aktuell (2006–2015) jährlich 9.3 GtC (Gigatonnen Kohlenstoff, 1 GtC entspricht 3.67 Gigatonnen CO2) aus fossilen Brennstoffen aus, dazu kommt nochmals 1 GtC aus Landnutzungsänderungen wie beispielsweise Abholzung. Die Vegetation nimmt jährlich netto 3.1 GtC aus der Atmosphäre auf, die Ozeane 2.6 GtC. Das verbleibende CO2, ungefähr 4.6 GtC, reichert sich in der Atmosphäre an und führt hier zu einem zusätzlichen Treibhauseffekt (vgl. Kap. 3). Dieser zusätzliche Treibhauseffekt ist für den weitaus größten Teil der Klimaerwärmung der letzten 50 Jahre verantwortlich (vgl. Kap. 10).

Abb. 1-11 |Der globale Kohlenstoffkreislauf für die 1990er-Jahre. Anthropogene Reservoire und Flüsse sind in Blau angegeben. Rechtecke kennzeichnen Reservoire in Gigatonnen Kohlenstoff (GtC) und Pfeile Flüsse zwischen den Reservoiren in GtC pro Jahr (nach Ciais et al. 2013).


Bis das fossile CO2 wieder in den Sedimenten ist, dauert es sehr lange

Wie lange bleibt der Kohlenstoffkreislauf durch den Menschen gestört? Betrachtet man das ganze System, dann erhöht der Mensch durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe zunächst den Fluss der Lithosphäre in die Atmosphäre. Dieser Fluss ist ungefähr 20 Mal höher als der Rückfluss durch Sedimentation. Dadurch reichert sich also Kohlenstoff im gesamten Klimasystem an. Was wir Menschen innerhalb von 250 Jahren an Kohlenstoff ausstoßen, bleibt Tausende von Jahren im Klimasystem.

Wenn wir nur die Atmosphäre betrachten, muss berücksichtigt werden, dass die Flüsse nicht konstant sind. CO2 verursacht eine Erwärmung, verändert das terrestrische und marine Leben und wirkt sich deshalb auf die Flüsse zwischen der Atmosphäre und dem Ozean resp. der Vegetation aus. Das menschgemachte CO2 hat so gerechnet eine atmosphärische Verweildauer, die nicht mit einer einzigen Zahl angegeben werden kann, sondern von der betrachteten Zeitskala und Größe des Pulses abhängig ist. Gemäß Schätzungen von Joos und Ko-Autoren (2013) verweilen ungefähr 15 % bis 35 % eines vom Menschen emittierten CO2-Pulses von 100 Gt Kohlenstoff länger als 1000 Jahre in der Atmosphäre.

Ebenfalls Teil des Kohlenstoffkreislaufs ist Methan (CH4). Zwar kommt Methan in der Atmosphäre heute in rund 200 Mal kleineren Konzentrationen vor als CO2, auch ist die Lebensdauer mit 11 Jahren wesentlich kürzer. Die Wirkung eines einzelnen Methan-Moleküls auf die Strahlungsbilanz ist jedoch bedeutend größer als diejenige eines CO2-Moleküls. Seine klimatische Wirkung ist daher bedeutsam. Wichtige Quellen sind neben menschgemachten Emissionen, wovon etwa ein Drittel aus fossilen Quellen stammt, anaerobe Oxidationsprozesse in der Biosphäre. Dies sind Prozesse, welche sich unter Ausschluss von Sauerstoff abspielen. Natürliches Methan ist auch in vermutlich großen Mengen in Form von Methanhydraten (auch -klathrate genannt) in den Kontinentalabhängen der Ozeane und im Permafrost gelagert.

Der Schwefelkreislauf ist wichtig für atmosphärische Aerosole

Weitere relevante Kreisläufe im Klimasystem sind die Kreisläufe von Schwefel (S), Phosphor (P) und Stickstoff (N). Alle drei sind für die Biosphäre wichtig; Schwefel spielt darüber hinaus im Klimasystem eine besondere Rolle als Quelle von Aerosolen (vgl. Kap. 2.3). Im nächsten Kapitel gehen wir näher auf die Zusammensetzung der Atmosphäre ein.

Verwendete Literatur

Brönnimann, S. (2015) Climatic Changes Since 1700. Springer.

Ciais, P. et al. (2013) Carbon and Other Biogeochemical Cycles. In: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker, T. F. et al. (Hrsg.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, S. 465–570.

Humboldt, A. v. (1845–58) Kosmos (4 Bde). Cotta, Stuttgart.

Joos, F. et al. (2013) Carbon dioxide and climate impulse response functions for the computation of greenhouse gas metrics: a multi-model analysis. Atmos Chem Phys, 13, 2793–2825.

Le Quéré, C. et al. (2016) Global Carbon Budget 2016. Earth Syst. Sci. Data, 8, 605–649.

Myhre, G. et al. (2013) Anthropogenic and Natural Radiative Forcing. In: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker, T. F. et al. (Hrsg.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, S. 659–740.

Weiterführende Literatur

Fohrer, N., H. Bormann, K. Miegel, M. Casper, A. Bronstert, A. Schumann, M. Weiler (2016) Hydrologie. Haupt, UTB basics.

Grotzinger, J., T. Jordan (2017) Press/Siever Allgemeine Geologie. 7. Aufl. Springer.

Pfiffner, A., M. Engi, F. Schlunegger, K. Mezger, L. Diamond (2012) Erdwissenschaften. Haupt, UTB Bascis.

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Die Atmosphäre

Inhalt

2.1 Zusammensetzung

2.2 Aufbau

2.3 Ozon, Aerosole und chemische Vorgänge

2.4 Kondensation und Wolkenbildung

2.5 Die Clausius-Clapeyron-Beziehung

In diesem Kapitel stehen die Zusammensetzung sowie der Aufbau der Atmosphäre im Vordergrund. Die trockene Atmosphäre besteht aus 78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff, einem knappen Prozent Argon sowie Spurengasen, welche durch natürliche Prozesse (aus Pflanzen, Böden oder Feuer) oder durch den Menschen ausgestoßen werden. Besonders wichtig sind dabei langlebige Treibhausgase und Ozon. Außerdem enthält die Atmosphäre eine variable Menge an Wasserdampf sowie Aerosole, d.h. flüssige oder feste Schwebeteilchen. Sie wirken sich auf den Strahlungshaushalt, die Wolkenbildung und auf chemische Vorgänge aus.

Die Atmosphäre ist gemessen am Erdumfang extrem dünn. Die unterste Schicht, die Troposphäre, in welcher sich die gesamten Wettervorgänge der Atmosphäre abspielen, erstreckt sich über die untersten 8 bis 16 km. Hier findet vertikaler Austausch (in Form von Konvektion) statt, und die Temperatur nimmt mit der Höhe rasch ab. Darüber liegt die trockene Stratosphäre, in welcher sich die Ozonschicht befindet. In ihr nimmt die Temperatur infolge der Strahlungsabsorption durch Sauerstoff und Ozon nach oben zu. Vertikale Bewegungen sind weitgehend unterbunden.

Atmosphärenchemische Vorgänge sind für das Klimasystem wichtig. Die Bildung und Zerstörung von Ozon (dreiatomigem Sauerstoff) aus zweiatomigem Sauerstoff wirkt als Filter gegen energiereiche Ultraviolettstrahlung. In der Troposphäre fördert Ozon die Selbstreinigungskapazität der Atmosphäre, indem es den Abbau vieler Spurengase einleitet. Ozon ist auch für Strahlungsvorgänge zentral. Aerosole spielen bei der Wolkenbildung eine wichtige Rolle, indem sie durch ihre Löslichkeit die für Tröpfchenbildung nötige Übersättigung heruntersetzen.

Wolkentröpfchen entstehen bevorzugt, wenn genügend Aerosole vorhanden sind. Die Niederschlagsbildung erfolgt dann oft über die Eisphase. Regentropfen sind also in der Regel geschmolzene Schneeflocken. Die Abhängigkeit des Sättigungsdampfdrucks für Wasserdampf von der Temperatur (Clausius-Clapeyron-Gleichung) ist eine zentrale Beziehung für das Klimasystem. Temperaturänderungen, Wasserkreislauf, Energietransport und damit die atmosphärische Zirkulation hängen über die Clausius-Clapeyron-Beziehung miteinander zusammen.

2.1 | Zusammensetzung

Die Atmosphäre wird durch Schwerkraft auf der Erde gehalten

Warum hat die Erde eine Atmosphäre? Die Schwerkraft der Erde ist stark genug, um die meisten Gase vom Entweichen in den Weltraum (durch die Eigenbewegung der Moleküle) abzuhalten. Planeten mit geringerer Schwerkraft haben keine oder nur viel dünnere Atmosphären (vgl. Tab. 1-1). Zwar ist in der oberen Atmosphäre die kinetische Energie und die freie Weglänge für Wasserstoff (H2) und Helium (He) genügend groß, sodass diese Moleküle das Schwerefeld der Erde überwinden und in den Weltraum entweichen können. Mengenmäßig ist dies allerdings nicht relevant.

Atmosphärischer Sauerstoff wurde durch Lebewesen produziert

Die Zusammensetzung der Erdatmosphäre war nicht immer so, wie sie sich uns heute präsentiert, und ihre Zusammensetzung ändert sich weiter. Die Ur-Atmosphäre bestand aus Wasserstoff, Helium, Methan und Ammoniak. Diese leichten Gase gingen aber in der Folge fast vollständig an den Weltraum verloren. Es bildete sich eine Atmosphäre aus Wasserdampf, CO2 und H2S. Die Atmosphäre war lebensfeindlich, sodass Leben nur im Wasser entstehen konnte. Erst allmählich reicherte sich Sauerstoff an. Abb. 2-1 zeigt die Entwicklung des Sauerstoffs und des Ozons in der Erdatmosphäre. Frühe Lebensformen wie das Cyanobakterium gaben Sauerstoff (O2) an die Umwelt ab. Dieser konnte sich allerdings zunächst nicht in der Atmosphäre anreichern: Die Atmosphäre und die Erdoberfläche waren stark reduzierend und damit eine Senke für Sauerstoff. Bevor sich also eine hohe Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre aufbauen konnte, mussten die gesamte Atmosphäre und die Erdoberfläche (beispielsweise eisenhaltige Gesteine) oxidiert werden.

Abb. 2-1 |Entwicklung der Sauerstoff- und Ozonkonzentration in der Erdgeschichte (nach Wayne 2000).


78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff, 1 % Argon und Wasserdampf

Spurengase machen <0.05 % der Atmosphäre aus, sind aber wichtig für das Klima

Erst danach konnte sich Sauerstoff in der Atmosphäre anreichern. Es bildete sich eine Ozonschicht, wodurch die Erdoberfläche für Leben bewohnbar wurde. Der atmosphärische Stickstoff (N2) stammt aus der festen Erde und gelangt durch Vulkanausbrüche oder andere geologische Vorgänge in die Atmosphäre. Stickstoff ist praktisch inert, d.h., reagiert in der Atmosphäre kaum (außer bei Blitzen oder bei Beschuss durch kosmische Strahlung), und konnte sich deswegen anreichern. Heute machen Stickstoff 78 % und Sauerstoff 21 % des atmosphärischen Volumens aus. Argon, ein ebenfalls inertes Edelgas, kommt mit knapp 1 % an dritter Stelle. An vierter Stelle kommt global gesehen der Wasserdampf, der allerdings räumlich und zeitlich hoch variabel ist. Abgesehen von Wasserdampf und den Spurengasen verändert sich die Zusammensetzung der Atmosphäre in klimatischen Zeitskalen nicht. Die Konzentrationen von N2 und O2 sind auch bis in große Höhen unverändert. Die weiteren Bestandteile der Atmosphäre machen zusammen weniger als 0.05 % aus, haben aber auf das Klima einen bedeutenden Einfluss. Einige dieser Gase (CO2, CH4) haben wir bereits kennengelernt. Je nach chemischer Lebensdauer sind diese Spurengase global gut gemischt oder geprägt von großen regionalen oder lokalen Unterschieden und vor allem auch von Unterschieden in der Höhenverteilung (vgl. Kap. 2.2). Abb. 2-2 zeigt die wichtigsten Spurengasmoleküle der Atmosphäre: die Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Lachgas (N2O) und Methan (CH4) sowie Ozon (O3) und Wasserdampf (H2O).

 

Abb. 2-2 |Struktur einiger wichtiger mehratomiger Moleküle in der Atmosphäre.


Tab. 2-1 |Die Zusammensetzung der trockenen reinen Atmosphäre (NOAA, Bliefert 2002). Ebenfalls angegeben ist der variable Wasserdampfgehalt, ppm = parts per million = 0.0001 % (zu Konzentrationsmassen vgl. Box 2.2).


2.2 | Aufbau

Die Atmosphäre ist eine dünne Schicht

Nach der Zusammensetzung der Atmosphäre wollen wir in diesem Kapitel den Aufbau der Atmosphäre betrachten, also die Stockwerke der Atmosphäre, die sich bezüglich Temperatur und Druck (und damit Dichte), aber auch hinsichtlich der Spurengaskonzentration (vgl. oben) unterscheiden. Als Folge davon unterscheiden sich auch Strahlungsvorgänge sowie Transport- und Mischungsprozesse in den einzelnen Stockwerken deutlich voneinander. Abb. 2-3 zeigt die Dicke der atmosphärischen Schichten maßstabgetreu im Verhältnis zur Erdkugel. Die Atmosphäre ist eine sehr dünne Schicht. Es ist leicht ersichtlich, dass Bewegungen vor allem horizontal sind, obschon Vertikalbewegungen eine besonders wichtige Rolle spielen. Aber auch die Sicht aus dem Weltraum ( Abb. 2-4) zeigt die Atmosphäre als dünne Hülle.

Abb. 2-3 |Die Erde und ihre Atmosphäre, maßstabgetreu dargestellt. Die Vergrößerung zeigt das Vertikalprofil der Temperatur sowie schematisch der Konzentrationen von Wasserdampf und Ozon. Links ist eine Höhenskala, rechts eine Druckskala angegeben.


Die Troposphäre ist die «Wetterschicht» und enthält fast den gesamten Wasserdampf

Temperatur nimmt mit der Höhe rasch ab

Das zentrale Studienobjekt der Meteorologie und Klimatologie ist die Troposphäre. Sie umfasst die untersten 8 km (in den hohen Breiten) bis 16 km der Atmosphäre (in den Tropen). In ihr spielen sich die meisten wetterbildenden Prozesse ab. Der Name leitet sich aus dem griechischen Wort «tropos» ab, welches «Wendung» oder «Bewegung» bedeutet. Die Troposphäre ist also die bewegte Schicht. Sie umfasst 85–90 % der Masse der Atmosphäre und beinhaltet fast den gesamten Wasserdampf. In der Troposphäre findet vor allem durch Konvektion intensiver vertikaler Austausch statt. Die Temperatur nimmt mit der Höhe rasch ab, an einem Sommertag in Mitteleuropa von ca. 25 °C auf ca. –65 °C (vgl. Kap. 4). Dieses Buch wird sich in der Folge fast ausschließlich mit der Troposphäre befassen.

Die Troposphäre wird in sich noch weiter unterteilt (vgl. auch Abb. 1-6). Die untersten 1–1.5 km bilden die planetare Grenzschicht ( Abb. 2-6), welche durch den Erdboden thermisch und mechanisch beeinflusst wird und in welcher die meisten Stoffflüsse in die Atmosphäre stattfinden (vgl. Kap. 8.3). Darüber liegt die freie Troposphäre, welche von der Erdoberfläche nicht mehr direkt beeinflusst wird und in welcher sich die meisten Wettervorgänge abspielen. Die Tropopausenregion, die kälteste Region der Atmosphäre, stellt den Übergang in die Stratosphäre dar. Die Tropopause unterbindet respektive reguliert den Austausch zwischen der Troposphäre und der Stratosphäre.

Die Tropopause ist keine klare Grenze, sondern eine Übergangsschicht

Die Tropopause ist die Grenze zwischen der turbulenten Troposphäre und der von Strahlungsvorgängen bestimmten Stratosphäre. Sie wird in der Regel durch den plötzlichen Temperaturanstieg mit der Höhe definiert. Hier ändern sich auch andere Eigenschaften der Atmosphäre. So nimmt oberhalb der Tropopause der Wasserdampf stark ab und die Ozonkonzentration zu. Auch die Vorticity (vgl. Kap. 5, auf Deutsch auch «Wirbelstärke» oder «Wirbelgröße» genannt; wir bleiben hier aber beim englischen Ausdruck) nimmt sprunghaft zu. Prozesse an der Tropopause spielen für meteorologische Vorgänge, aber vor allem auch für den Spurengashaushalt eine zentrale Rolle. Sie regulieren den Austausch mit der Stratosphäre, wo einige in der Troposphäre stabile Spurengase photolytisch abgebaut werden, andere dagegen aufgrund der Trockenheit und Kälte eine sehr lange Lebensdauer haben. Sich die Tropopause als klar definierte Fläche zu denken, wäre allerdings sehr vereinfachend. Die Tropopausenregion ist vielmehr eine Übergangsschicht.

Abb. 2-4 |Foto der Atmosphäre aus dem Weltraum. Die Atmosphäre wird als dünne Hülle sichtbar (Bild: NASA).


Durch UV-Absorption in der Ozonschicht nimmt die stratosphärische Temperatur mit der Höhe zu

In der Stratosphäre befindet sich die Ozonschicht, hier wird Ozon durch photochemische Prozesse gebildet, gleichzeitig wird dadurch UV-Strahlung absorbiert, sodass sie die Erdoberfläche nicht erreicht. Auf die chemischen Mechanismen sowie auf die Rolle des Ozons im Strahlungshaushalt wird in diesem sowie im nächsten Kapitel eingegangen.

Wegen der Strahlungsabsorption durch Sauerstoff und Ozon wird die Stratosphäre erwärmt. Die Temperatur nimmt deshalb in der Stratosphäre mit der Höhe zu. Wie wir in Kap. 4 sehen werden, unterbindet eine solche Temperaturschichtung vertikale Austauschprozesse fast vollständig. Daher rührt auch der Name der Stratosphäre (aus dem Lateinischen: straetum = Decke). Auch für meteorologische Vorgänge hat die Stratosphäre eine gewisse Bedeutung, insbesondere für Wettersysteme in den Mittelbreiten.

Oberhalb der Stratosphäre befindet sich die Mesosphäre, darüber die Thermosphäre, welche den Übergang in den Weltraum darstellt. In diesen beiden Sphären befinden sich Schichten mit ionisierter Luft, Ionosphäre genannt. Diese Schichten ermöglichen die Radioverbindung zwischen weit voneinander entfernt liegenden Stationen, und sie sind der Ursprung der spektakulären Nordlichter. Die Mesosphäre und Thermosphäre sind allerdings für das Klima am Erdboden praktisch nicht von Bedeutung und werden hier nicht weiter behandelt.

Die Höhe der Tropopause ist räumlich und zeitlich variabel. Über den Mittelbreiten ist die Tropopause im Sommer höher als im Winter, und sie ist während Hochdrucklagen höher als bei Tiefdrucklagen. Ein Querschnitt der atmosphärischen Temperatur ( Abb. 2-5) zeigt, dass die Höhe der Tropopause auch räumlich stark variiert. Über den Tropen liegt die Tropopause oft auf 16 km Höhe, während sie über den polaren Regionen eher um 8–9 km Höhe liegt. In Bodennähe nimmt die Temperatur von den äquatorialen Regionen zu den Polen um 40–50 °C ab. Auf einer Höhe von ca. 15 km ist es allerdings über den Tropen kühler als über den Polen, der Gradient dreht sich also um. Die niedrigsten Temperaturen in der Erdatmosphäre werden vermutlich in der tropischen Tropopausenregion erreicht, wo –90 °C vorkommen (vgl. Box 2.1).

Abb. 2-5 |Links Temperaturquerschnitt durch die Atmosphäre als Funktion der geographischen Breite (Daten: NCEP/NCAR). Die gestrichelte Linie zeigt die Tropopause. Rechts: Historische Temperaturprofile von Assmann und Berson in Berlin und Ostafrika (Brönnimann und Stickler 2013).


Box 2.1

Die Entdeckung der Tropopause und der Ozonschicht

In den 1890er-Jahren wurden vor allem von zwei Forschungsgruppen in Frankreich (in Trappes bei Versaille) und im Deutschen Reich (in Straßburg, später in Berlin und Lindenberg) Registrierballone entwickelt, die Vorläufer der heutigen Wetterballone. Die Registrierballone trugen meteorologische Geräte, welche die Daten auf Papierstreifen aufzeichneten. Man musste die Geräte also jedesmal wiederfinden, was für operationelle Zwecke wie die Wettervorhersage natürlich unbrauchbar war. Trotzdem war diese Technologie für die Wissenschaft enorm wichtig. Bald erreichten Ballone Höhen von über 10 km. In diesen Höhen fand der französische Meteorologe Gustave Hermite höhere Temperaturen als erwartet. Lange Zeit hielt man diese für Messfehler: Das Messgerät erhitzte sich aufgrund der Sonnenstrahlung, und diese Wärme konnte in der immer dünner werdenden Luft nicht mehr abgeführt werden (der Strahlungsfehler betrifft in abgeschwächter Form auch heutige Ballonmessungen und muss korrigiert werden). Erst duch viele Aufstiege mit unterschiedlichen Systemen, am Tag und in der Nacht, und letztlich sogar mit einem gleichzeitig mit einem Wetterballon aufsteigenden bemannten Ballon 1901 konnte der Einfluss der Strahlung ausgeschlossen werden. In diesem Aufstieg führten die beiden Piloten Arthur Berson und Reinhard Süring in einer offenen Gondel bis auf 10.5 km Höhe Messungen durch und stellten damit gleichzeitig einen Höhenrekord auf, der 30 Jahre Bestand hatte.

Innerhalb kurzer Zeit, im Jahr 1902, publizierten die beiden Gruppen um Louis Teisserenc de Bort und Richard Assmann unabhängig voneinander ihre Resultate. Zwei Aufstiege Assmanns in Berlin sind in Abb. 2-5 (rechts) gezeigt; die Tropopause zeigt sich deutlich bei knapp 10 km Höhe. Assmanns Assistent Arthur Berson führte 1908 erstmals Messungen in den Tropen durch und fand, dass dort die Temperatur auch oberhalb von 10 km weiter abnimmt und erst bei 16–18 km konstant wird. Er vermutete, dass seine dort gefundene Temperatur von –90 °C die wohl niedrigste bis anhin gemessene Temperatur der Atmosphäre war. Die Bezeichnungen «Stratosphäre» und «Tropopause» folgten erst später, anfangs nannte man das Phänomen einfach «obere Inversion» (eine Inversion ist eine Sperrschicht, welche vertikalen Austausch unterbindet; vgl. Kap. 4).

Interessanterweise fand Berson in der äquatorialen Stratosphäre Westwinde statt der erwarteten (und nach dem Krakatauausbruch anhand der Zugrichtung der Aschewolke beobachteten) Ostwinde. Es gelang erst 55 Jahre später, die beiden Beobachtungen zu vereinen: Die Winde in der äquatorialen unteren Statosphäre wehen jeweils ungefähr ein Jahr von West nach Ost, danach ungefähr ein Jahr von Ost nach West, die «Quasi-Bienniale Oszillation» (vgl. Kap. 10.2).