Das Ding

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Das Ding
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Sheila Esch

Das Ding

Kurzkrimi: Die Blüten des Bösen 2. Auflage

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Das Ding

Geschenkt

Auf der Sonnenseite

Weiteres Unheil

Impressum

Das Ding

Ein Impuls von unten reißt das Wasser aus seiner angespannten Reglosigkeit, und während Moschusduft und blaues Lichterspiel den Impulsgeber erwarten, der nach Betätigung des on-Schalters noch einmal fortgegangen ist, um sich seiner Kleidung zu entledigen, walken die Strahlen aus dreiundsechzig rotierenden und pulsierenden Düsen derweil die Rose durch, die inmitten des Whirlpools treibt.

Eine langstielige Rose, der große, voll aufgeblühte Kopf in perfekter Teerosenform, die Farbe ein tiefes Purpur, der Geruch bleibt unbekannt.

Das Summen der Wasserpumpe wird von leichtem Jazz übertönt, und die Massage der Hydromassen reißt nun das erste Blatt aus der Blüte, weitere folgen, wütend beschleunigte Entblätterung; der Skimmer beschwert sich mit lauthalsem Röcheln.

Schon wieder eine Rose.

Der nun nackte Poolbesitzer kniet auf den cremefarbenen Kacheln und fummelt Rosenblätter aus der Oberflächenabsaugung. Den kahlen langen Stiel hat er am Poolrand abgelegt. Im therapeutischen Dämmerlicht sehen die Blätter schwarz aus, wahrscheinlicher erscheint ihm ein Rotton.

Das heißt, es steigert sich.

*

Letzte Woche begann es in Gelb. Die Rose lag schon eine Weile, so schien es, auf dem granitverblendeten Mülleimerverschlag, denn als er beim Plastikentsorgen auf sie stieß, fielen die Blütenblätter welk von einem Blütenstand, der niemals mehr zur Hagebutte heranreifen würde.

Karsten sah sich nicht um, als er den blütenblattlosen Dornenstiel aufnahm, denn unter den ihm bekannten Frauen war keine, die so scheu und schamhaft war, und so sehr auf Versteckspiele aus. Eine Rose so ablegen, dass kaum eine Chance für sie bestand, rechtzeitig die lebensverlängernde Vase zu erreichen, welche Frau tat so etwas? Die, die er kannte, nahmen das Ding mit den Rosen viel zu ernst!

Die nächste war gelborange und klemmte unter dem Scheinwerfer. Als er sie entnahm und dabei zerknickte, fühlte er tatsächlich so etwas wie Ärger, denn die Blütenblätter lukten in zartem Orange zwischen den Kelchblättern hervor, weiteten sich dann in heller werdendem Gelb und endeten reinweiß. Ein Objekt von ergreifender Schönheit – vormals. Er legte die zerstörte Rose mit den Schlüsseln zusammen im Flur ab, und als er später wieder an der Gardarobe vorbeikam, duftete der Raum nach Orangen.

Wer beschenkte ihn da? War das Anna? Anna, die zarte, langbeinige Anna, er hatte sie nicht verkannt, denn sobald man sie anlangte, war es vorbei mit diesem zart, aus dem unberührbar wurde ein fick-mich, und er tat es gern. Hätte es noch fortgesetzt, doch eines Tages war sie dann aus seinen Laken gestiegen und hatte sich ohne weiteres angezogen, ihn wortlos betrachtet in der Weite seines Doppelbetts und gemeint, sie könne die Aura nicht ertragen.

„Die Aura?“

„Ja. Das du und… du.“

Er hatte sich also alleine in seinen nagelneuen Whirlpool in den Katakomben seines Hauses begeben. Früher hatte der Raum, in den dieser herrschaftlichen Einzug gehalten hatte, die Öltanks der Heizung beherbergt, aber ein Riss in einem der Behälter hatte ihm einen ölüberfluteten Heizkeller und schließlich eine neue Heizvariante beschert – Erdwärme, sehr schick und nachhaltig – und im Ölkeller den Pool.

Die nächste Rose hatte vor seiner Tür gebaumelt. Ein rosa Blütenkopf, den eine Schlinge würgte, die in einen Strick gebunden war, der von einer Zwischenstrebe des Regenschutzes herabhing. Die Strebe hatte Erkan angebracht, als das frisch montierte Vordach schon dem ersten Starkregen nachgegeben hatte; bei jedem normalen Handwerkerbetrieb hätte Karsten auf das Anbringen eines neuen Dachs bestanden, aber Erkan genehmigte er es, vom Geiste ihrer Freundschaft beseelt, den Fehler zu flicken.

Die Rose war noch recht frisch. Er stellte sie in eine Vase, die sie hocherhobenen Hauptes füllte, als ob sie sich für einen ganzen Strauß hielt.

Vielleicht Karla. Sie hatte diesen Designtick. Wenn sie den Nachmittag hier verbrachten, dann hatte sie es nicht lassen können, das jeweilige Zimmer, in dem sie sich aufhielten, nach ihrer Fasson umzustellen. Die Vase hierhin, den Tisch mit den Ziergläsern dort ins Licht… Bevor sie ging, stellte sie Möbel und Schnickschnack wieder an den alten Standort zurück.

„Ich verstehe nicht“, hatte sie eines Tages gesagt, während sie den Ort und die Art der Aufstellung eines Alexander-Calder-Mobile kopfschüttelnd bedauerte, „wie Männer wie du das aushalten. Dieses tägliche Rumgelüge…“ Sie verschob den Glastisch, der das Calder-Objekt beherbergte, bis der herabhängende Elefant sich wieder mit einem Ziergras in die Haare bekam: „Ich schäme mich vor deiner Frau, dabei kenne ich sie gar nicht. Und du?“

Die nächste Rose fand er in der Küche. Sie stand, als ob es selbstverständlich für eine Rose sei, auf ihrem eigenen Stiel zu stehen, ja fast so, als ob sie noch nicht gemerkt hätte, dass man sie von der Pflanze geschnitten hatte, aufgerecht an die Wand hinter den Ofenplatten gelehnt. Lachsrosa, kräftig gefärbt. Noch sehr frisch. Spontan griff er zu, dabei verging ihm die Lust darauf, sie – wie eine Trophäe – in eine Vase zu stellen.

War das Bea? Ihre zwei Monate Beziehung waren acht Wochen Drama gewesen, sie pflegte Auftritte wie auf der ganz großen Bühne und schmachtete wie in einem Hollywoodschinken. Sie brauchte immer den Vortritt. Auch das ich-verlass-dich wurde zur großen, gepflegten Szene:

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