The Blue Diamond

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Enttäuscht war Sōsuke nicht, doch brachte es ihn ein wenig in Bedrängnis, dass kein anderer Tag möglich war. »Verstehe«, gab er leise zu verstehen und überlegte, welche Termine er wohl verschieben könnte. »Steht denn die Uhrzeit fest? Und wie lange würde das Ganze dauern?« Er war kein Fan davon, seine Pläne umstellen zu müssen.

»Los geht's am Vormittag. Und je nach Skript und benötigten Takes zwischen drei und ... fünf Stunden.«

Fünf Stunden? Dass das so viel Zeit in Anspruch nehmen konnte, war alles andere als erfreulich. Die Sache gestaltete sich weit schwieriger als im ersten Moment gedacht. Fraglich war auch, ob nicht der Tagesablauf dadurch gestört wurde. Demnach war es auch nötig, sich dieses Skript vorher einmal anzusehen.

Als hätte Kiyoko diesen Gedanken gelesen, meldete sie sich wieder zu Wort: »Wo wir schon dabei sind. Der Chef müsste sich vorab ein Bild vom Laden machen. Vom Tagesgeschäft und so, damit er das Skript schreiben kann. Dafür würde er morgen gern vorbeikommen.«

Damit hatte Sōsuke irgendwie schon gerechnet. »Ja, okay ...« Er fragte sich unwillkürlich, ob das immer so ablief.

»Dann geht das klar?«, fragte Kiyoko beschwingt nach. Ihr lag viel daran, jetzt etwas für ihn tun zu können. Sie hoffte, das Verhältnis zwischen ihnen auf diese Weise verbessern zu können.

Sōsuke seufzte innerlich auf. Eigentlich hatte er für diese Aktion keine Zeit. Ihm waren andere Dinge wichtiger. Doch das Argument seiner Mutter, durch diese TV-Sendung mehr Leute zu erreichen, konnte er auch nicht einfach ignorieren. Sie hatte damit schließlich recht. Sein Ziel war es immerhin, den Menschen mit seinem Blue Diamond zu helfen. »Gut, einverstanden.«

»Ja? Fein. Wir kommen morgen Nachmittag vorbei und sehen es uns an! Machs gut.« Damit war das Telefonat beendet.

Wir?, wiederholte Sōsuke gedanklich und legte sein Smartphone beiseite. Dann kam sie demnach mit. Ein notwendiges Übel, das sich wohl nicht vermeiden ließ. Aber gut. Es half nicht, sich darüber aufzuregen. Er hatte anderes zu tun.

Um 15°° Uhr des darauffolgenden Tages standen Kiyoko und der Produktionsleiter im Foyer des Blue Diamond, Chiyoda. Sōsuke hatte ihr am Abend zuvor noch geschrieben, dass Shinjuku kein geeigneter Ort wäre, da dort die Renovierungsarbeiten fortgesetzt wurden. Die beiden sahen sich erstaunt um, bis Sōsuke auf sie zu kam.

»Guten Tag. Kitahara mein Name«, stellte er sich vor und überreichte dem Mann seine Visitenkarte. Im Gegenzug bekam Sōsuke ebenfalls eine.

»Und ich bin Mizuki Jun, sehr erfreut. Ich muss sagen, dass ich positiv überrascht bin.« Er war ein gut gebauter Mann in seinen fünfzigern. Ihn zeichneten seine Halbglatze und der einfache Kleidungsstil – bestehend aus einer hellen Jeans und einem weißen Hemd – aus.

Ein wenig irritierte Sōsuke dieser Satz. »Inwiefern?«

Der Mann lächelte. »Während meiner Laufbahn beim Film habe ich unzählige Geschäfte gesehen, doch die wenigsten waren so einladend wie dieses hier.«

»Vielen Dank!« Solche Worte hörte man doch gern.

»Dann wollen wir mal anfangen. Erzählen Sie mir, was Sie hier anbieten und wie das genau abläuft.« Jun griff in seine Jackentasche und zog einen kleinen Notizblock, der in einem ledernen Etui lag, sowie einen Kugelschreiber, auf dem der Name des Senders eingraviert war, hervor. Während Sōsuke erklärte, worum es beim Blue Diamond ging, machte sich der Mann in Stichpunkten Notizen. Als eines der Beraterzimmer frei wurde, ergriff Sōsuke die Chance, den beiden dieses zu zeigen – wenn auch nur kurz, da er den Betrieb nicht stören wollte. Anschließend gab es noch einen kurzen Rundgang.

»Gut. Vielen Dank für die Führung. Um weitere Details kümmern wir uns dann am Donnerstag. Haben Sie Wünsche? Etwas, was wir unbedingt einbauen sollen?«

Sōsuke dachte kurz darüber nach, schüttelte dann den Kopf. »Das überlasse ich ganz Ihnen. Wichtig wäre nur, dass der Fokus auf der Beratung liegt.«

Jun nickte bei dieser Bitte. »Verstehe. Na, das dürfte kein Problem sein.« Er notierte sich dies noch, ehe er den Notizblock wieder einsteckte. Anschließend verabschiedeten sich Jun und Kiyoko fürs Erste.

Am Tag des Drehs herrschte unter den Anwesenden des Blue Diamond eine angespannte Stimmung. Es galt, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Sowohl Mitarbeiter als auch Kunden, deren Termin auf diesen Zeitraum fiel, waren darum gebeten worden. Da Keisuke mit dem Einweisen der neuen Angestellten beschäftigt war, unterstützte Tamanosuke Sōsuke bei der Führung – der sich außerdem für ein kurzes Interview zur Verfügung stellte.

Dank der präzisen Anweisungen des Regisseurs verlief der Dreh beinahe reibungslos; lediglich ein paar Patzer wurden ausgebessert.

»Sehr gut. Danke schön«, beendete Jun die Aufnahme und wandte sich an Sōsuke. »Wäre es möglich, eines der Beratungsgespräche zu filmen?« Ganz direkt fragte er – wissend, dass das nicht einfach so machbar war. Jun wusste inzwischen um die Privatsphäre, doch war es für eine Dokumentation durchaus notwendig, alle Bereiche zu beleuchten.

Sōsuke und Tamanosuke sahen ihn befangen an. Beiden ging derselbe Gedanke durch den Kopf: Können wir das machen?

An den betretenen Gesichtern erkannte Jun, dass es schwierig sein dürfte, einem solchen Gespräch beizuwohnen. »Nun ... Wie wäre es, wenn Sie in Ruhe darüber nachdenken und mir dann morgen Vormittag Bescheid geben?«

Erleichtert über den kleinen Aufschub atmete Sōsuke auf. »Einverstanden.«

»Okay. Dann machen wir hiermit für heute Schluss. Danke für die gute Zusammenarbeit.« Er verbeugte sich leicht, was ihm Sōsuke und Tamanosuke gleich taten. »Bis morgen. Auf Wiedersehen.« Zusammen mit seinem Team machte sich Jun anschließend auf den Heimweg. Einzig Kiyoko blieb noch.

»Ich bin echt beeindruckt«, gab sie zu verstehen und sah Sōsuke dabei unverwandt an. »Wie bist du darauf gekommen?«

»Auf was?«, kam es barsch von Sōsuke, der sich schon denken konnte, was sie meinte – und nicht glauben konnte, dass sie es noch immer nicht verstanden hatte.

»Na, auf die Idee mit den Gesprächen.« Sie sah seinen genervten Blick, ignorierte ihn jedoch gekonnt.

Sollte er darauf eingehen? Sie zeigte augenscheinlich Interesse, aber das musste nichts heißen. Er hatte noch kein Vertrauen in ihre Worte.

»Sag schon!«, drängte Kiyoko.

Sōsuke seufzte. »Durch dich.«

»Was?« Das überraschte sie.

Doch bevor sie sich darüber freuen konnte, fuhr Sōsuke fort: »Weil du weggegangen bist und Vater allein zurückgelassen hast.« Vorwurfsvoll sah er sie an.

Betroffen senkte Kiyoko daraufhin den Blick. »Oh ...« Sie verstand, was er ihr damit sagen wollte – konnte aber nichts darauf erwidern.

Eine erdrückende Stille erfüllte den kleinen Raum. Tamanosuke fühlte sich als Außenstehender gerade nicht sehr wohl, daher versuchte er, sich etwas abzulenken, indem er einen Blick auf die Wanduhr warf. »Wir sollten langsam gehen. Der nächste Termin steht bald an«, erinnerte er und sah die beiden Kitaharas an.

Sōsuke sah ebenfalls kurz auf die Uhr; nickte bestätigend. »Du hast recht. Es ist auch noch viel zu tun.«

Kaum, dass sie den Beraterraum verlassen hatten, ging Sōsuke auf Keisuke zu. Mit diesem diskutierte er darüber, ob ein Mitschnitt eines Gespräches machbar war oder nicht. Währenddessen vertröstete Tamanosuke Kiyoko, die sich dann auch auf den Heimweg machte. Er sah ihr noch hinterher, ehe er sich zu seinen Freunden dazu gesellte.

»Das kannst du nicht machen! Und das weißt du ganz genau«, schimpfte Keisuke ungehalten.

»Ich weiß! Du warst es doch, der das unbedingt machen wollte. Dir hätte klar sein können, dass das dran kommen könnte«, konterte Sōsuke.

»Wie stellst du dir das vor? Wer würde denn vor laufender Kamera über seine Probleme reden?«

Ein berechtigter Einwand.

»Das ist mir schon klar! Aber wie sähe das aus, wenn der wichtigste Aspekt nicht in einer Dokumentation vorkäme?«

»Es geht trotzdem nicht.«

»Kann man das nicht anders arrangieren?«, warf Tamanosuke ein.

»Eine Idee?«, fragte Sōsuke nach.

»Das nicht. Aber vielleicht findet sich eine Lösung.«

»Sagt sich so einfach.«

»Denkt ihr wirklich darüber nach? Ich sehe da keine Möglichkeit.« Keisuke hielt weiterhin nichts von dieser Idee. Er wunderte sich darüber, dass ausgerechnet Sōsuke sie durchsetzen wollte.

»Wenn man schon anfängt, soll es doch auch vollständig sein.« Ernst sah Sōsuke seinen dunkelblonden Freund an. »Oder wir täuschen ein Gespräch vor. Es geht doch nur darum, einen Einblick zu geben, oder?«

»Wärst du damit zufrieden?« Skepsis lag in Tamanosukes Stimme.

Sōsuke zögerte kurz. »Es wäre für alle Beteiligten das Beste, denke ich.«

»Das mag sein«, stimmte Tamanosuke zu.

Keisuke schüttelte den Kopf. »Dich soll mal einer verstehen. Aber gut. Wie du willst. Dann tun wir eben nur so als ob.«

Damit war das ›wie‹ geklärt. Jetzt stellte sich jedoch die Frage, wer vor die Kamera treten sollte. Da Sōsuke und Tamanosuke bereits gefilmt worden waren, kamen sie dafür nicht mehr infrage. Keisuke lehnte von vornherein ab, da er »auch so schon genug zu tun« habe. Sie überlegten lange, wer dafür geeignet wäre. Den Part des Betreuers konnte einer der Angestellten übernehmen, doch die Rolle des Kunden ...

»Sollen wir Akira mal fragen?« Sōsuke wusste nicht mehr weiter.

»Eher unwahrscheinlich, dass er da mitmacht«, bemerkte Keisuke ratlos.

»Vielleicht sollten wir unsere Familien fragen. Kann ja sein, dass sich jemand dazu bereit erklärt«, schlug Tamanosuke schließlich vor.

»Wäre zumindest einen Versuch wert. Okay. Machen wir's so. Dann gebe ich Mizuki-san Bescheid.«

 

Später am Abend, Sōsuke war gerade auf dem Heimweg, klingelte sein Smartphone. Über die Freisprechanlage im Auto nahm er das Gespräch an. »Kitahara.«

»Hey, Sōsuke. Wollt' nur Bescheid geben, dass Koichi kein Interesse hat. Meine Eltern ebenso wenig.«

Es war Keisuke.

»Verstehe. Und Saori-chan?«

»Kannste knicken. Ich will nicht, dass sie gefilmt wird«, antwortete Keisuke bissig.

»Wieso das? Hast du sie überhaupt gefragt?«

»Habe ich nicht und werde ich auch nicht. Saori ist meine Frau. Ich möchte sie nicht unnötig der Öffentlichkeit zeigen.«

Jetzt verstand Sōsuke. Keisuke hatte Angst, Saori womöglich zu verlieren oder anderen Gefahren – die das Fernsehen so mit sich brachte – auszusetzen. »Okay. Kein Problem. Danke trotzdem. Bis morgen.«

»Ja.«

Also fiel die Familie Fujii weg. Ob Tamanosuke mehr Erfolg hatte? Die Chance war eher gering, da seine Eltern viel arbeiteten und seine Schwester weiterhin in Deutschland lebte. Die Antwort bekam er zu Hause, wo Tamanosuke bereits wartete.

»Tut mir leid, Sōsuke. Meine Eltern haben zu tun und meine Arbeitskollegen können auch nicht, obwohl sie gern würden.«

Sōsuke schüttelte den Kopf, lächelte beschwichtigend. »Schon okay. Danke fürs fragen. Dann bleiben nur noch Akira und meine ... Familie ...«

Doch wie Keisuke bereits vermutet hatte, lehnte auch Akira ab. Blieben noch Eiji und Miyako, die er gleich darauf anrief. Sein Vater entschuldigte sich, dass er nicht helfen könne und Miyako war nicht zu erreichen. Eiji meinte, dass sie mit lernen beschäftigt sei und ihr Handy deswegen wohl ausgeschaltet habe. Sōsuke rang mit sich. Es wäre verantwortungslos, wenn er sie von ihren Studien abhalten würde. Kurz fragte er sich, was sie denn lerne, obwohl sie die Universität bereits abgeschlossen hatte – bis ihm einfiel, dass sie eine Fortbildung besuchte. Sōsuke war stolz auf seine Schwester, die genau wie er den Ehrgeiz aufbrachte, das gewünschte Ziel zu erreichen. Andererseits ... Wenn er Miyako jetzt nicht fragte, blieb ihm nur noch eine Person – und die wollte er nun wirklich nicht bitten.

Schwer seufzte Sōsuke. Er hatte doch so viele Kontakte; kannte genügend Leute, die er fragen könnte. Warum also kam ihm niemand in den Sinn, der für diese Aufgabe passen könnte? Miyuki könnte er noch fragen. Und sicherlich wäre sie bereit einzuspringen. Allerdings ging es ihm da ein wenig wie Keisuke – er wollte sie ebenfalls nicht vor der Kamera sehen.

Blieb ihm also keine andere Wahl?

Es half nichts. Auch wenn er dadurch noch mehr in ihrer Schuld stand. Für das Blue Diamond würde Sōsuke alles in Kauf nehmen – so unangenehm es auch sein mochte.

Kurzerhand griff er wieder zum Telefon und wählte Kiyokos Nummer. Es dauerte nicht lange, bis abgehoben wurde und eine freudige Stimme erklang:

»Na so was! Sōsuke! Dass du mich anrufst. Damit habe ich so gar nicht gerechnet. Was kann ich für dich tun?«

Tief atmete Sōsuke durch. »Folgendes ...« Mit möglichst ruhiger Stimme schilderte er ihr die Situation. »Würdest du ... vielleicht einspringen?« Es fiel ihm schwerer als gedacht, diese Frage auszusprechen.

Kiyoko traute ihren Ohren kaum. »Wirklich?« Sie war überrascht darüber, dass er sie tatsächlich von sich aus um etwas bitten würde. »Natürlich helfe ich! Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«

Dieser überschwängliche Eifer ... Sōsuke wusste nicht damit umzugehen. Bezweckte sie etwas damit? Sollte er langfristig in ihrer Schuld stehen? Dass Kiyoko ihm aus ›mütterlicher Liebe‹ heraus helfen wollte, kam ihm zu abwegig vor.

»Nein, schon gut«, antwortete Sōsuke schließlich. »Den Rest gehen wir morgen durch. Komm einfach früher vorbei.«

Gefallen fand Kiyoko an diesem Ton nicht. Aber sie wusste, bis das Vertrauen wieder hergestellt war, würde Zeit vergehen, und bis dahin wollte sie nichts sagen. »Einverstanden. Ich werde pünktlich da sein.«

»Okay ...«

Hoffentlich geht das gut.

Damit sich Sōsuke nicht noch mehr Gedanken darüber machen konnte, widmete er sich dem nächsten Thema. Da die Renovierung des Restaurants bereits in vollem Gange war, konnte er sich in Ruhe um das Programm der Eröffnungsfeier kümmern. Stellte sich die Frage, wie er diese gestaltete. In Mitaka hatte es keine richtige Feier gegeben. Das Budget war damals schon ausgereizt gewesen. Bei der Eröffnung in Chiyoda war ebenso wenig gemacht worden, da für das fünfjährige Bestehen mehr geplant war. Auch um die beiden Eröffnungen auszugleichen, musste er sich jetzt etwas Besonderes überlegen. Nur was? Irgendwie wollte ihm nicht wirklich etwas einfallen. Sektempfang und Buffet waren nicht sehr kreativ. Eine kleine Feier, zu der er eine Band einlud? Das passte kaum zum Blue Diamond ...

Eine Idee ...

Sōsuke klopfte nervös mit den Fingern auf dem Schreibtisch, an dem er saß. Ratlos und unschlüssig, wie er war, startete er den Computer und öffnete bald danach den Internetbrowser. In einer der unzähligen Suchmaschinen gab er die Stichworte ›Ideenfindung‹ und ›Unternehmenseröffnung‹ ein und wartete ab. Sōsuke erwartete nur wenig. Überraschenderweise wurden dann doch mehr Ergebnisse angezeigt als gedacht. Erstaunt darüber raffte er sich auf und sah sich eine Website nach der anderen an. Er stellte jedoch schnell fest, dass es meist nur Tipps zu Werbung und Bekanntmachung waren. Fast immer wurde von klassischem Sektempfang als sicherste Variante gesprochen. Doch genau das war ihm zu wenig. ›Roter Teppich‹, wie auf einer Seite vorgeschlagen wurde, hingegen fast zu viel. Oder auch nicht? In seiner Vorstellung kam ihm das zu pompös vor. Trotzdem notierte er sich diese Punkte auf seinem Notizblock.

Weiter ging die Suche.

Schließlich fand er eine Liste mit etwa fünfzig Ideen. Neben Attraktionen für Kinder und Familien fanden sich ein paar Punkte, die angemessen sein könnten:

Live-Cooking

Cocktail-Kurs

Tombola und Glücksrad

Es wurde auch das obligatorische Band erwähnt, welches zeremoniell durchgeschnitten würde. Und auch ein Moderator solle zur Stimmung beitragen. Ob da Live-Musik nicht ansprechender war?

Die finale Entscheidung würde Sōsuke erst nach Absprache mit Keisuke fällen können, daher notierte er all diese Möglichkeiten und steckte das Blatt in seinen Terminkalender. Fürs Erste wollte er es damit auf sich beruhen lassen. Details kamen früh genug hinzu. Es war Zeit, Feierabend zu machen.

Etwa gegen elf Uhr vormittags betrat Kiyoko das Blue Diamond und grüßte die Anwesenden überschwänglich. Da ihr Besuch angekündigt worden war, brachte Tamanosuke die Frau zu Sōsuke, der mit Keisuke zusammen an der Eröffnungsplanung im Büro saß.

Zweimal klopfte Tamanosuke, ehe er die Tür öffnete. »Entschuldigt, aber Kitahara-san ist da.«

Kaum merkbar verzogen sich Sōsukes Mundwinkel für einen Augenblick. »Danke. Lass sie rein.«

Über die Diskussion hinweg hatte er die Einweisung ganz vergessen.

Der Koch nickte nur. Die Anspannung der beiden war ihm nicht entgangen.

»Hier bin ich. Wie versprochen.« Stolz über diese Tatsache betrat Kiyoko den Raum. Als sie Keisuke neben Sōsuke sitzen sah, fragte sie sich kurz, woran sie wohl gerade arbeiteten. Zum Nachfragen kam sie allerdings nicht mehr.

»Gut. Dann setz dich. Wir erklären dir, was du später tun sollst.« Freude fehlte Sōsukes Stimme.

Die Mutter folgte seinem Aufruf und setzte sich auf den Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand.

»Deine Aufgabe wird sein, eines unserer Kundengespräche darzustellen«, erklärte Sōsuke ruhig. »Es ist egal, worüber du mit Sakuto-san redest. Hauptsache, man versteht den Sinn unserer Beratungsgespräche.«

»Zu privat sollte es aber auch nicht sein«, fügte Keisuke an. »Keine Details. Es wird schließlich ausgestrahlt.«

»Aber es sollte etwas sein, worüber man reden, sich unterhalten kann«, ergänzte Sōsuke weiter.

Keisuke stimmte dem nickend zu.

»Verstanden?«, fragte Sōsuke sicherheitshalber noch einmal nach. An ihrem Blick erkannte er, dass nicht alles klar war.

Und damit lag er richtig. Kiyoko schüttelte leicht den Kopf. »Wartet. Noch einmal von vorn. Was soll ich machen? Ein ... Gespräch führen?« Sie konnte sich nicht vorstellen, dass das alles sein sollte.

»Genau. Einfach ein Kundengespräch mit unserem Berater.«

»Nur das? Wirklich?«

»Nur das«, wiederholte Sōsuke.

Die Mutter seufzte. Irgendwie hatte sie sich mehr erhofft. Eine Aufgabe, die nur sie erledigen könnte. Aber das? Warum war sie gefragt worden? Konnte das nicht einer seiner Arbeitnehmer übernehmen? »Wieso fragst du nicht einen aus deinem Team? Du hast doch genug Leute«, platzte es aus ihr heraus. Kiyoko musste wissen, was er sich dabei dachte.

Angenervt verengten sich Sōsukes Augenbrauen. »Es ist nicht der Sinn, einen Berater zu einem Berater zu schicken.« Er hatte Mühe, ruhig zu bleiben.

»Weil ...?«

Hilfesuchend sah Sōsuke zu Keisuke, der daraufhin für ihn antwortete: »Ihnen dürfte klar sein, dass sich die Berater kennen. Um zu zeigen, wie ein Gast hier umsorgt wird, braucht es jemanden, der nicht über Interna Bescheid weiß.«

»Steckt da denn so viel dahinter?«

»Mehr als Sie meinen.« Auch Keisuke fiel es mittlerweile schwer, nett zu sein. Er hätte nie gedacht, dass Sōsukes Mutter einen derart komplizierten, undurchschaubaren Charakter haben würde. Langsam verstand er seine Haltung ihr gegenüber.

»Machst du es nun oder nicht?« Sollte sie ›Nein‹ sagen, hätten sie wirklich ein Problem.

Kiyoko sah die beiden Männer an. Sie schienen es ernst zu meinen. Aber es fiel ihr schwer, sich darauf einzulassen. Sie konnte sich die internen Abläufe kaum vorstellen. Warum machten sie so viel Wirbel darum? »Wenn ich das richtig sehe, braucht ihr wen, der nicht zum Team gehört?«

»So ist es«, bestätigte Sōsuke. »Also?«

Eigentlich wollte Kiyoko ihrem Sohn helfen und somit die Beziehung ein wenig verbessern. Unter diesen Umständen jedoch ... »Tut mir leid. Aber dafür müsst ihr euch wohl jemand anderen suchen.«

»Das ist nicht dein Ernst!«, brachte Sōsuke entsetzt hervor und sah sie ebenso an. Er glaubte kaum, was er da hörte.

»Nun. Doch. Das ist unter meiner Würde. Ich war nicht davon ausgegangen, dass du mich um so etwas bittest ...«

Sōsuke fehlten die Worte. Da nahm er sich extra zusammen, um sich halbwegs wieder mit ihr zu versöhnen und dann das. Es war wohl doch hoffnungslos. Die Mühe hätte er sich scheinbar sparen können. »Okay. Wie du meinst. Wir schaffen das auch ohne dich.« Unüberhörbar schwang Enttäuschung in diesen Worten mit.

»Was redest du da? Ohne mich würdet ihr diesen Film gar nicht machen!« Kiyoko fühlte sich ausgenutzt. Immerhin war es nur ihr zu verdanken, dass sie eine Dokumentation bekamen!

»Mag sein. Glaub' aber nicht, dass ich das Angebot deinetwegen angenommen habe. Wir hätten uns einfach etwas anderes einfallen lassen.«

»Meinst du? Danach sah es aber nicht aus.«

»Du hast doch keine Ahnung! Wir sind lange ohne dich ausgekommen. Glaubst du etwa, nur weil du wieder da bist, würde sich daran etwas ändern? Falsch gedacht!« Sōsuke gab nicht nach. Es war ihm im Moment auch egal, ob er es sich mit ihr verscherzte. Wichtiger war ihm, ihr seine Meinung mitzuteilen.

Empört stand Kiyoko auf. »Ich kann nicht glauben, wie du mit deiner eigenen Mutter sprichst! So habe ich dich ganz sicher nicht erzogen!«

Sōsuke erhob sich ebenfalls; stützte sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ab. »Natürlich nicht. Du warst ja nicht da.«

Das würde er ihr wohl nie verzeihen, dessen war sich Kiyoko sicher. »Schön. Wie du meinst. Ich gehe.« Sie drehte sich schwungvoll um. Weitere Worte ignorierte sie gekonnt, als sie den kleinen Raum und anschließend das Blue Diamond verließ.

Sōsuke und Keisuke sahen ihr schweigend hinterher. Schon fast erleichtert nahm der Geschäftsführer wieder Platz.

»Ich will mich zwar nicht einmischen, aber glaubst du, dass das eine gute Idee war?«

»Du hast sie doch selbst erlebt, Kei. Egal, dass wir miteinander verwandt sind. Mit so jemanden kann und will ich, ehrlich gesagt, nicht arbeiten.«

Das war durchaus nachvollziehbar. Aber ob das wirklich so einfach war? Einem Angestellten konnte man kündigen, wenn dieser nicht so arbeitete, wie er sollte. Bei Familienmitgliedern sah das anders aus. Vor allem dann, wenn diese nicht zur Arbeiterschaft gehörten.

 

»Du wirst schon wissen, was du tust.« Keisuke wollte das Thema damit beenden. Es würde sich ohnehin nichts mehr an der Situation ändern. »Aber jetzt müssen wir nach Ersatz suchen.« Und das auf die Schnelle.

Leise seufzte Sōsuke. »Ja, ich weiß. Kannst du nicht doch einspringen?« Hoffend sah er den Mann neben sich an.

Keisuke schüttelte gleich vehement den Kopf. »Danke, nein. Ich hab' schon genug zu tun.«

»Kannst du das nicht einfach kurz ruhen lassen? Nur eine Stunde. Komm schon. Bitte.«

Schweigend sah Keisuke seinen Freund an. In Gedanken ging er die Arbeit durch, die für heute noch anstand. Schließlich senkte er wieder den Kopf. »Tut mir leid, wirklich.«

Übel nahm Sōsuke ihm das nicht, wie könnte er. Keisuke tat so viel für das Blue Diamond. Er war mitunter seine größte Hilfe. »Verstehe. Dann muss ich wohl ...«

Just in dem Moment klopfte es an der Tür. Sōsuke und Keisuke drehten sich zu dieser um. Wer das wohl war? Erwartet wurde niemand mehr. Und dass Kiyoko ihre Meinung geändert haben könnte, war äußerst unwahrscheinlich.

»Herein.«

Ein brünetter Haarschopf öffnete die Tür. Es war Miyuki, die anschließend lächelnd eintrat. »Guten Tag, Sōsuke-san, Fujii-san.«

»Miyuki-san!« Sōsuke stand auf und ging auf sie zu. »Was machst du denn hier?« Er freute sich, sie zu sehen. Ein Lichtblick, nach dieser Enttäuschung.

»Ich wollte dir ein Mittagessen vorbeibringen, da du in letzter Zeit so gestresst bist.« Sie hielt eine große Lunchbox in der Hand – eingepackt in einem Stofftuch mit blauen Rauten.

»Vielen ... Dank.« Sōsuke fehlten vor Rührung die Worte.

Keisuke stand daraufhin schmunzelnd auf. »Dann lass' ich euch mal allein. Ich komm' später noch mal vorbei.«

»Ah, warte ...« Doch da war Keisuke schon aus der Tür. »Und jetzt?«, fragte sich Sōsuke laut und seufzte schwer.

Das entging Miyuki nicht. Fragend sah sie ihn an und legte den Kopf dabei leicht schief. »Was ist denn los?«

»Äh ...« Er zögerte, ehe er ihr doch noch die Situation schilderte.

»Warum hast du denn nichts gesagt?«, kam es schon fast vorwurfsvoll von Miyuki, die ihren Freund streng ansah. »Ich kann doch einspringen.«

Das hatte Sōsuke befürchtet. »Das ist lieb von dir, aber ...«

»Jetzt sei doch bitte vernünftig! Du hast doch niemanden, der jetzt aushelfen könnte. Oder sehe ich das falsch?«

»N-nein, aber ...«

»Ich mache es. Keine Widerrede.«

Da war er wieder. Dieser starke Blick Miyukis, dem sich Sōsuke einfach nicht widersetzen konnte. Trotzdem. Begeistern tat ihn ihr Engagement nicht. »Bist du dir sicher? Schließlich ...«

»Und wie ich mir sicher bin! Ich würde dir wirklich gerne helfen.«

Bildete er sich das ein oder lag da ein bitterer Ton in ihrer Stimme? So oder so konnte er gar nicht anders, als nachzugeben. »Okay.«

Sogleich lag ein strahlendes Lächeln auf ihren Lippen. »Das freut mich.«

Wie verzaubert sah Sōsuke die junge Frau an, die sein Herz so oft in Wallung versetzte. Ein wenig beugte er sich zu ihr, um ihr einen Augenblick später einen Kuss zu rauben.

Knapp zwei Stunden später, es war nun Viertel nach eins, klopfte Tamanosuke erneut an der Tür. Dieses Mal kündigte er die Filmcrew an. Sōsuke überraschte, dass sie doch noch gekommen waren. Er hätte darauf gewettet, dass Kiyoko die Beendigung der Produktion einleiten würde.

Ungewohnt nervös trat Sōsuke dem Regisseur entgegen – begleitet von Miyuki, die sich schon auf ihren ›Auftritt‹ freute. »Guten Tag. Danke, dass Sie heute gekommen sind.«

»Guten Tag. Nun. Wir beenden in der Regel immer, was wir angefangen haben. Außerdem bin ich persönlich schon gespannt, was Sie uns heute zeigen werden.«

Erleichtert atmete Sōsuke aus. Klang nicht so, als ob sich Kiyoko eingemischt hätte.

»Fangen wir am besten gleich mit dem Kundengespräch an. Ich habe mir gestern schon das vorhandene Material angesehen. Da gibt es nur wenig zu beanstanden, sodass der Schnitt nicht viel Zeit in Anspruch nehmen sollte.« Jun lächelte zuversichtlich.

»Das freut mich zu hören. Wenn Sie mir dann folgen würden?« Zusammen mit Miyuki und dem Kamerateam betrat Sōsuke einen der Beraterräume.

Jun sah sich um. Wirklich viel Platz war nicht, aber das bekam das Team schon geregelt. So dirigierte er die Kamera in die Ecke, die schräg gegenüber der Sitzgruppe lag. Licht- und Tonassistenten gesellten sich in dessen Nähe. Mithilfe des Kameramanns wurden die jeweiligen Positionen justiert, bis alles gut zu sehen und zu hören war.

»Die Vorbereitung wäre damit abgeschlossen«, bemerkte Jun und drehte sich zu Sōsuke um.

Dieser nickte zustimmend. »Dann hole ich schnell unseren Berater. Einen Moment bitte.«

Lange warteten Miyuki, Jun und das restliche Team nicht auf Sōsuke und Kyosuke. Nach ein paar Instruktionen begannen sie auch schon mit der Aufnahme. Diese, so zeigte sich, gestaltete sich etwas schwieriger als erwartet. Erst nach einer kurzen Eingewöhnungsphase wirkte das Gespräch glaubwürdig. Knapp zwei Stunden vergingen, bis Jun mit dem Ergebnis zufrieden war.

»Gut. Vielen Dank. Das war's!«

»Gute Arbeit«, wünschte auch das Team, dass sein Equipment wieder zusammen packte.

»Sie haben hier einen wirklich eindrucksvollen Laden, Kitahara-san.« Jun wandte sich Sōsuke zu.

»Vielen Dank! Für alles.« Noch immer kribbelte es in seinem Bauch und bis zur ersten Ausstrahlung würde sich das wohl nicht mehr legen.

»Keine Ursache. Aber ich muss sagen, dass ich überrascht bin, was den Umgang hier betrifft. Das war reibungslose Zusammenarbeit und die erlebt man nun wirklich nicht alle Tage.« Geradeheraus sah Jun ihn an.

Im ersten Moment wusste Sōsuke nichts darauf zu erwidern. »Das ...«

»Sie haben ein gutes Team«, fuhr Jun seinen Satz fort und lächelte. »Und ich freue mich, dass wir unseren Teil dazu beitragen können.«

»Nein. Ich habe zu danken. Ohne Sie und ihrem Team gäbe es diese Chance nicht. Dank Ihnen erreichen wir noch mehr Menschen, die vielleicht unseren Beistand brauchen können.« Sicher würden sie in Zukunft noch viel mehr Hilfe leisten können. Das war ihm nach-wie-vor das Wichtigste. Tief verbeugte sich Sōsuke daher vor dem Regisseur. »Danke vielmals.«

Jun war sich nicht sicher, wie er reagieren sollte. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass dieser kleine Film eine solch wichtige Rolle spielte. Für den erfahrenen Filmemacher war es anfangs nur Routine gewesen. Erst jetzt wurde ihm klar, wie viel Bedeutung das Blue Diamond für Sōsuke hatte. »Nun. Dann brechen wir auf. Das fertige Video zeige ich Ihnen, bevor es ausgestrahlt wird. Ich melde mich dann bei Ihnen.«

Sōsuke nickte. »Einverstanden. Sollte etwas fehlen, können Sie sich jederzeit melden.«

»Okay. Auf Wiedersehen.«

Kaum dass Jun den Laden verlassen hatte, atmete Sōsuke erleichtert aus. Miyuki, die hinter ihm stand, strich ihm aufmunternd über den Rücken. Er sah sie daraufhin an, lächelte und führte sie anschließend in sein Büro.

Zeit zum Verschnaufen blieb nicht. Bis Jun sich melden würde, organisierte Sōsuke die Events für die Eröffnung. Zusammen mit Tamanosuke erstellte er ein Menü; das Live-Cooking mit eingeplant. Für etwa dreißig Gäste wurde gerechnet. Nachmittags würden sie kleine Häppchen anbieten, damit für das leibliche Wohl gesorgt war. Währenddessen sollte es die Möglichkeit geben, sich von Keisuke in die Welt der Cocktails einführen zu lassen. Die Tombola war ein Punkt, zu dem ihm nicht wirklich etwas einfallen wollte. Es gab schließlich nichts, das er verlosen konnte. Daher ließ er diese erst einmal weg.

Nachdem das Rahmenprogramm soweit feststand und die nötigen Bestellungen getätigt waren, galt es, sich um die Werbung zu kümmern. Auch wenn durch die Dokumentation die Bekanntheit ansteigen sollte, gab es für die Kunden keine genaueren Daten. Wie sollten sie so die Filialen finden? Um diese Lücke zu schließen, musste er Flyer verteilen. Stellte sich nur die Frage, ob er die alten Infobroschüren verwenden oder neue erstellen sollte. Ein Blick auf den alten, zweiseitigen Papierbogen machte allerdings schnell deutlich, dass dieser nicht ausreichte – galt es doch nie Neueröffnung anzupreisen.

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