Menschenseelen Teil 3 - Afarit -

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Menschenseelen Teil 3 - Afarit -
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S. N. Stone

Menschenseelen Teil 3 - Afarit -

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

Epilog

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Impressum neobooks

Prolog

Er würde nicht mehr kommen. Enttäuscht räumte sie alles ab. Schmiss das Essen in den Müll. Dabei hatte sie sich so viel Mühe damit gegeben. Stellte das Geschirr weg. Sie pustete die Kerzen aus und setzte sich an den Esstisch. Ihr Glas und die Flasche Wein, die sie zur Hälfte geleert hatte, standen noch da. Andrea goss sich etwas ein und leerte es in einem Zug. Sie spürte die Wirkung des Alkohols bereits.

Sie streifte die Pumps ab und ließ sie achtlos liegen. Diese Schuhe waren viel zu unbequem, was hatte sie sich dabei gedacht? Andrea lachte bitter über sich selbst. Wie hatte sie nur glauben können, dass es ein Mann wie Aidan ernst mit ihr meinen könnte? Sie war fast 15 Jahre älter als er und diese Jahre sah man ihr an. Sie war keine von diesen Frauen, die bis ins Alter makellos geblieben waren. Das Leben hatte seine Spuren hinterlassen. Und auch wenn sie sich eigentlich nicht alt fühlte, im Verhältnis zu einem 27-Jährigen war sie es eben doch.

Vor ein paar Wochen waren sie sich zufällig über den Weg gelaufen. Eine heiße Affäre hatte sich daraus entwickelt. Wenn sie in seinen Armen lag, ihm durch das dunkle Haar fuhr und in seine fast schwarzen Augen sah, vergaß Andrea, dass sie seine Mutter hätte sein können.

Sie kippte den Rest des Weines in ihr Glas und ging damit ins Schlafzimmer. Umständlich öffnete sie den Reißverschluss ihres Kleides. Als sie sich im Spiegel dabei beobachtete, kam sie sich albern vor.

„Das steht Ihnen absolut Bombe“, hatte die sehr junge Verkäuferin gesagt, bei der sie es gestern Nachmittag gekauft hatte. „Ich habs mir auch geholt.“

Ja Mädchen, dachte Andrea heute, nur bist du gerade mal 20, ich hingegen …

Gestern war sie euphorisch gewesen, als sie das neue, extrem enge und kurze schwarze Kleid nach Hause getragen hatte. Heute, hier vor dem Spiegel, holte sie die Realität ein. Andrea knüllte den Fetzen zusammen und schmiss ihn in den Müllkorb neben ihrem Schminktisch. Sie zog sich ein Longshirt über, wischte sich das Make-up und den roten Lippenstift aus dem Gesicht und band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz.

Das war sie, stellte Andrea bei einem erneuten Blick in den Spiegel fest. Irgendwie fand sie sich jetzt nicht mehr so alt wie noch vor ein paar Minuten.

1. Kapitel

Die Tür wurde aufgestoßen und Danjal kam herein. Grußlos ging er an Jen vorbei, die von ihrer Zeitung aufschaute. Er suchte sich ein paar Sachen zusammen und verschwand im Badezimmer.

Nach Alins Tod war Danjal verschwunden und tagelang nicht aufgetaucht. Er hatte getötet, das wusste Jen genau und Elias sicherlich ebenso, aber keiner hatte etwas dagegen unternommen. Irgendwann hatte er dann wieder in der Tür gestanden.

Ihr Verhältnis zueinander hatten sie 'abgestellt'. Jenna hatte versucht mit ihm zu reden, er hatte abgeblockt. Auch über seine Schwester, oder eher Halbschwester, wollte er nicht sprechen.

In den Nächten verschwand er, Sie wusste nicht wohin, und vielleicht war es besser so.

Sie hatte mit Elias weiter an ihren Gaben gearbeitet. Bis heute wusste sie nicht, wie sie es angestellt hatte, Alin in der Tiefgarage zu töten und Danjal zu verletzen. Sie hatten sich auch auf die Suche nach Abkömmlingen gemacht, aber weder das eine noch das andere hatte zu etwas geführt. Bis auf das ungute Gefühl in Danjals Nähe und ab und zu der Hauch einer Ahnung, wenn sie die Straßen Berlins entlang ging, tat sich bei ihr nichts. Und sie war froh darüber, sie wollte es auch gar nicht.

Frisch geduscht, noch mit nassen Haaren, aber frischer Kleidung, kam Danjal aus dem Bad. Er setzte sich zu ihr und legte den Kopf auf den Tisch.

Jen schaute ihn an. „Müde?“

„Hmmm.“

„Lange Nacht gehabt?“

„Hmmm.“

„Willst du schlafen?“

Er hob seinen Kopf und in seinen Augen blitzte Feindseligkeit auf. Sie hatte diese Reaktion häufiger bei ihm beobachtet, seit sie seine Schwester getötet hatte.

„Wo denn?“ Er verzog das Gesicht.

Das Loft war denkbar ungeeignet für drei Personen. Es gab zwei Schlafzimmer, eins für Elias, eins für sie, Danjal kampierte auf dem Boden im Wohnbereich. Wäre alles anders gewesen, hätte sie gerne das Bett mit ihm geteilt, aber es war eben nicht anders.

Danjal stand auf und nahm sich einen Kaffee.

„Wo ist Elias?“ Er hielt die Tasse fest, ohne zu trinken.

„Im Refugium, ich werde mich dort nachher mit ihm treffen.“

„Ich kann dich fahren.“

Danjal ging ihr aus dem Weg, umso erstaunter war sie über sein Angebot.

Als sie ihren Umzug nach Rom vorbereitet hatte, hatte sie auch ihr Auto verkauft und sich bis heute kein Neues zugelegt. Danjal hingegen, der seinen Wagen in der Tiefgarage am Potsdamer Platz zurückgelassen hatte, hatte ihn umgehend ersetzt. Auch Elias hatte bereits einen neuen Pkw.

Sie nahm sein Angebot an, schließlich 'arbeiteten' sie ja zusammen und so war nichts Verwerfliches daran.

Elias hatte mit einer anderen Auserwählten einen Abkömmling ausgelöscht. Ein kleines Licht unter den Gesandten der Dämonen, ein simpler Betrüger. Die Frau war gar nicht so schlecht gewesen. Sie beherrschte ihre Gaben, ganz im Gegensatz zu Jenna. Aber IHN würde nur Jenna auslöschen können und dieses Ziel verfolgte Elias nach wie vor. Jen konnte oder wollte ihrer Bestimmung nicht folgen, sie musste aber. Auch im Kampf gegen die anderen Abkömmlinge wäre sie eine viel mächtigere Waffe als eine normale Auserwählte, von denen es zurzeit nur eine außer Jen gab.

Er hatte sich etwas ausgedacht, um sie aus der Reserve zu locken. Sein Plan war zwar mies, aber er sah keine andere Möglichkeit mehr.

„Manchmal habe ich das unbändige Verlangen einfach mit dir in das Refugium der Arsaten hinein zu spazieren.“ Danjal grinste. „Ihre Reaktionen wären sicher grandios.“

Jenna schaute zu ihm rüber und runzelte die Stirn.

„Was?“, fragte er unschuldig.

„Du bist unmöglich!“

Er hatte einen Scherz gemacht, das war ihr schon klar, hoffte sie zumindest.

Nicht unweit des Palais, hielt er in zweiter Spur an und ließ sie aussteigen.

„Soll ich mir einen Parkplatz suchen und auf dich warten?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich werde mit Elias zurückkommen.“

Er nickte, machte aber keine Anstalten wegzufahren.

Er beobachtete sie auf dem Weg zum Palais, in dem die 'Bruderschaft der Arsaten' ihren Unterschlupf hatte. Ein Mann lief die Straße entlang. Irgendwann würde er dort hineingehen und sie alle töten. Der Mann war fast auf gleicher Höhe mit Jen. Und er würde die Arsaten leiden lassen, wenn er sie tötete. Danjal sah Elias das Refugium verlassen. Er würde sich die Seelen der Jäger nehmen, eine nach der anderen. Elias rannte die Stufen herunter. Gut, wahrscheinlich war, dass er sie nicht töten würde, schließlich spielten sie jetzt im selben Team. Elias zog seine Waffe und schrie Jenna etwas zu.

Danjal runzelte die Stirn. Da stimmte etwas nicht. Der fremde Mann war stehen geblieben. Jen hatte ihren Schritt verlangsamt. Der Fremde wartete ab. Nun war sie bei ihm angelangt.

Danjal schnallte sich ab, stürzte aus dem Auto heraus, das war ein Abkömmling!

 

Er rannte auf die beiden zu. Der Abkömmling streckte seine Hand nach Jenna aus. Danjal hatte sie erreicht, wollte sich auf ihn stürzen.

Er hörte Elias rufen: „Danjal! Vorsicht!“ und sah, wie Jenna ihre Arme hob. Er duckte sich und spürte, wie eine Welle über ihn hinweg rollte, ihn nur ganz leicht streifte, den anderen aber erfasste und zu Boden warf. Danjal hob seinen Blick und beobachtete, wie der Abkömmling zuckend am Boden lag und starb.

Er richtete sich auf. Jen stand zitternd vor ihm. Elias beugte sich über den Toten, aus dessen Mund Blut lief, seine Augen starrten leer in den Himmel.

Danjal wusste nicht, weshalb er sich weggeduckt hatte, sie hätte jetzt sein Leben beenden können. Er hatte ihre Kraft gespürt und die war stärker gewesen, als im Parkhaus.

Aus Jenas Gesicht war sämtliche Farbe gewichen. Er musste sie nach Hause bringen und auf sie aufpassen.

Karl Brent, der Älteste der 'Bruderschaft der Arsaten' Berlins, wandte sich vom Fenster seines Büros ab und ging zum Schreibtisch. Dort nahm er den Hörer des Telefons und wählte eine dreistellige Nummer. Als am anderen Ende abgenommen wurde, sagte er: „Ich habe da etwas sehr Interessantes beobachtet. Komm vorbei!“, und legte auf.

Aidan war doch noch gekommen, viel zu spät, aber das war O.K. Sonderbar hatte er gewirkt und nach Rauch und Feuer gerochen. In seinen Augen hatte ein seltsamer Glanz gelegen. Aber gelächelt hatte er und sie zärtlich in den Arm genommen. Dann hatte er ihr ins Ohr geflüstert und gesagt, wie scharf sie aussähe. Andrea war rot geworden, war ihr doch bewusst gewesen, dass sie ihm ungeschminkt in einem Schlabbershirt gegenüberstand.

Er hatte sie hochgehoben und zum Bett getragen, ihr die wenige Kleidung regelrecht vom Körper gerissen und nicht gewartet, bis sie ihm die Hose hatte abstreifen können. Sie hatte mit ihm den aufregendsten Sex ihres Lebens gehabt. Spät war sie in seinen Armen eingeschlafen.

Nun stand Andrea in der Tür zum Schlafzimmer und beobachtete Aidan beim Schlafen. Im Hintergrund hörte sie die Musik aus dem Radio in der Küche. Er war unruhig gewesen, auch jetzt zuckte und stöhnte er leise auf. Sie wollte ihn nicht wecken. Andrea vermutete, dass er vielleicht krank werden würde, Fieber vielleicht. Sein Körper war unglaublich heiß gewesen. Bei ihrem Sohn, der bereits erwachsen war und eine eigene Wohnung hatte, hatte schlafen auch immer am besten geholfen.

Die zwölf Uhr Nachrichten! Gott war es wirklich schon so spät? Andrea ging zurück in die Küche und setzte sich.

... kam es gestern zu einem schweren Brand im Shine-Star-Club, einer Großraumdisco in Schöneberg …“

Schon wieder ein Brand. Andrea schüttelte den Kopf. In letzter Zeit gab es beinahe jede Nacht irgendwo ein Feuer. Vorzugsweise traf es Pkws, die einfach in Flammen aufgingen. Ein Kino war abgebrannt, ein Supermarkt und auch Treppenhausbrände hatte es gegeben. Die Polizei ging von Brandstiftung aus, obwohl nie ein Brandbeschleuniger oder so etwas gefunden worden war. Von den Tätern gab es keine Spuren.

Mit Schaudern verfolgte Andrea den Radiobericht. Es hatte viele Tote gegeben und unzählige Verletzte. Ihr Sohn ging auch ab und zu dorthin. Glücklicherweise war er gerade nicht in Berlin, sodass sie sich um ihn nicht sorgen musste. Aber die Eltern, die heute Nacht ihre Kinder verloren hatten, taten ihr leid.

Andrea schaltete das Radio aus und ging noch einmal zu Aidan.

2. Kapitel

Danjal und er hatten Jenna nach Hause gebracht und sie ins Bett verfrachtet, weil sie nicht gewusst hatten, was sie sonst hätten tun sollen. Es schien die richtige Entscheidung gewesen zu sein, denn nachdem Danjal mit ihr 'gesprochen' hatte, war sie eingeschlafen. Elias fand es zwar nicht gut, dass ER sie manipulierte, aber die Ruhe würde ihr sicher nicht schaden.

Als er sich eine Cola aus dem Kühlschrank nahm, kam Danjal.

„Möchtest du auch was?“

„Was sollte das?“

Elias tat so, als würde er gar nicht verstehen, was er meinte.

„Du wusstest, dass dieser Abkömmling vor dem Palais auf Jen treffen würde.“

Elias nickte.

„Warum hast du sie wissentlich in Gefahr gebracht?“ Danjal war zornig.

„Ich habe sie nicht in Gefahr gebracht. Er war ein kleiner, harmloser Abkömmling.“

„Ach war er das? Gibt es so etwas? Harmlose Abkömmlinge? Hast du uns in Kategorien eingeteilt? Weißt du tatsächlich so viel über uns, dass du das beurteilen kannst?“

Elias stellte die Cola zur Seite. „Ich war dort. Ich hätte eingegriffen, wenn es zu Komplikationen gekommen wäre, und hätte ihn erschossen. Es war vielleicht nicht die beste Idee. Aber ich muss ihr doch zeigen, dass sie es kann!“

Der wütende Ausdruck auf Danjals Gesicht wich, an dessen Stelle trat Unglauben.

„Du hast ihn ihr zum Fraß vorgeworfen.“

Wieder nickte Elias.

„Wie ein räudiges Tier?“

„So läuft das Spiel“, antwortete er leise und ging.

Als Jenna wach wurde, musste sie sich erst einmal orientieren. Sie lag in ihrem Bett, in ihrem Zimmer. Sie wusste genau, was geschehen war und auch, dass die beiden Männer sie ins Loft gebracht hatten. Der Angriff dieses Mannes war gar nicht so schlimm gewesen, was sie vielmehr umgehauen hatte, war, dass ihre Gabe mit einer unglaublichen Wucht aus ihr heraus geschossen war. Auch das wusste sie. Was sie nicht wusste, war, welche Tageszeit war und wie lange sie geschlafen hatte. Die Gardinen waren zugezogen, aber es war nicht ganz dunkel. Morgens oder abends, Jenna schaute auf die Uhr, abends, 19:36 Uhr. Sie entdeckte Danjal, der im Sessel saß. Sie hockte sich an das Fußende des Bettes und beobachtete ihn. Er hatte die Augen geschlossen. Und irgendwoher kam die Erkenntnis ...

„Ich schlafe nicht“, sagte er und öffnete die Augen. „Ich wollte auf dich aufpassen.“

„Danjal ich bin nicht die einzige wahre Auserwählte.“

Er runzelte die Stirn.

„Ich bezweifle sogar, dass es so eine überhaupt gibt.“

„Geht es dir gut?“, fragte er besorgt.

„Welchen Sinn würde es machen, wenn ich als Einzige in der Lage bin, dich auszulöschen und Lilith dich dann zurückbringen kann? Ich bin der Überzeugung, dass jede Auserwählte dich auslöschen kann, so wie sie auch jeden anderen Abkömmling auslöschen kann. Das Besondere ist, dass Lilith dich, und nur dich zurückbringen kann.“

Es hatte etwas mit seiner Herkunft zu tun, er hatte es ihr im Parkhaus zu verstehen gegeben. Es war sein Vater.

„Du bist schon von anderen Auserwählten getötet worden?!“

Er nickte und sagte: „Ja.“

„Und Lilith hat dich zurückgeholt?!“

Diesmal nur ein Nicken.

„Wenn du sonst stirbst, dann kehrst du alleine zurück, ohne ihre Hilfe?!“

Diesmal war das Nicken nur zu erahnen.

„Aber es war anders bei dir“, flüsterte er.

„Weil du es so wolltest, weil du daran geglaubt hast.“

Er wirkte bestürzt.

„Danjal ich bin nicht die einzig wahre Auserwählte, es gibt sie gar nicht.“

Warum war er bestürzt?

„Aber es ändert sich doch nichts.“ Jenna stand auf und ging zu ihm. „Ganz im Gegenteil; wenn du deine Mutter gegen dich aufbringst, dann kann dich jede Auserwählte auslöschen.“ Und ich muss es nicht tun, setzte sie in Gedanken hinzu.

Sie war sich so sicher, wie konnte sie sich so sicher sein? Was sie sagte, klang einleuchtend, konnte es wahr sein? Vielleicht, warum nicht. Es verstörte ihn, warum? Er hatte keine Ahnungt. War es die Tatsache, dass er mehr als 6000 Jahre daran geglaubt hatte? Aber gut, was hatte es schon zu bedeuten, er hatte eh versucht sie alle zu töten. Es war trotzdem irgendwie komisch …

Er musste sich das alles durch den Kopf gehen lassen, auch, ob sich für ihn wirklich nichts änderte deswegen und ob es überhaupt stimmte. Aber nicht jetzt, nicht hier und nicht mit Jenna. Danjal stand auf und verließ ihr Zimmer ohne ein weiteres Wort. Er wusste einfach nicht, was er ihr hätte sagen sollen.

Er sah Elias auf der Feuertreppe sitzen, ging zum Kühlschrank und nahm zwei Bier heraus. Mit den beiden Flaschen in der Hand kletterte Danjal durch das Fenster und setzte sich neben den Jäger. Er reichte ihm eine der beiden.

„Chapeau“, sagte er und ließ seinen Blick in die Ferne schweifen. „Der Spruch vorhin hätte von mir sein können.“

Er drehte den Kopf zu dem Arsaten und hielt ihm seine Flasche entgegen. Elias stieß mit ihm an und grinste.

„Ist sie wach?“, fragte er.

Danjal nickte.

„Wie geht es ihr?“

„Ganz gut denke ich.“

„Was macht sie?“

Danjal zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich bin gegangen.“

„Streit?“

„Nicht wirklich“, antwortete er.

Die Männer hingen ihren Gedanken nach. Die Sonne ging blutrot hinter den Dächern unter und die Vögel sangen die letzten Töne ihres Abendliedes.

„Alin hatte mir erzählt, dass sie die Stadt verlassen würde“, durchbrach Elias schließlich die Stille. Danjal schaute zu ihm herüber.

„Sie hat mich gebeten sie zu begleiten.“ Die Worte klangen bitter.

Danjal wollte nicht über Alin reden, nicht mit Jenna und auch nicht mit Elias. Bisher hatte er es geschafft, diese Gespräche zu vermeiden.

„Was wäre geschehen, wenn ich mitgegangen wäre?“

Auch jetzt wollte Danjal es nicht, er wusste aber, dass er es dem Jäger schuldig war. Zum Teufel!, wie weich er geworden war.

„Hätte es funktioniert?“

Danjal atmete tief durch, dann antwortete er: „Eher nicht. Sie musste zurück zu Lilith. Was glaubst hätte die getan, wenn du plötzlich vor ihr gestanden hättest.“

Elias verzog das Gesicht.

„Und ich weiß nicht, wie lange Alins Interesse an dir angedauert hätte. Wenn das nachgelassen hätte, hätte sie dich vermutlich getötet.“

„So wie du es auch immer machst?“

„So wie ich es mache“, antwortete Danjal.

Elias trank einen Schluck, lehnte den Kopf an die Wand und starrte in die Ferne. Das alles hier war nicht Danjals Ding. Er stand auf und ging ins Loft. Dort stieß er mit Jen zusammen.

Jenna hatte gehört, was Danjal gesagt hatte. Würde er sie vielleicht doch eines Tages töten? Eigentlich fühlte sie sich bei ihm sicher. Sie wollte sich bemerkbar machen, aber in dem Moment kam Danjal zum Fenster herein und sie stießen zusammen. Er hielt sie fest, sodass sie nicht fiel, ließ sie dann los und ging an ihr vorbei. Er stellte sein Bier auf den Tisch und griff seine Jacke.

„Wo willst du hin?“, fragte sie ihn.

„Weg!“

„Bist du morgen wieder hier?“

„Ich weiß es nicht.“

„Wieso bist du so zu mir?“, rief sie ihm hinterher, als er schon fast zur Tür heraus war.

Er drehte sich um. „Wie bin ich denn?“

Jenna hatte Tränen in den Augen. „Abweisend und gleichgültig, dann wieder besorgt und beinahe liebevoll.“

„Ich kann nicht liebevoll sein!“, zischte er.

Doch konnte er!

„Jenna du willst mich nicht.“

„Das stimmt nicht. Ich kann nicht! Du hast meine Schwester getötet!“

„Und du meine“, brüllte er sie an. „Dann sind wir ja jetzt wohl quitt, was das anbelangt!“

„Danjal! Bei so etwas kann man doch nicht quitt sein!“

„Du willst Abstand, den gebe ich dir. Du willst mir nicht helfen, O.K., aber dann lass mich auch in Ruhe!“

Er knallte die Tür hinter sich zu.

Er bestimmte die Regeln, nicht Jenna oder irgendeine andere Frau und auch sonst niemand!

„Er ist und bleibt ein Arschloch“, murmelte Elias, neben dem sie nun saß.

Sie rückte ein Stück an ihn heran und legte den Kopf an seine Schulter. Es war eine freundschaftliche Geste. Danjal machte ihr beider Leben nicht gerade einfacher.

Aidan hatte den ganzen Tag verschlafen. Nun hörte Andrea, dass er aufgestanden war, Geräusche drangen aus dem Schlafzimmer. Sie ging den Flur entlang. Es waren sonderbare Geräusche, ein Knacken und Knistern, ein Rauschen. Es roch seltsam, verbrannt irgendwie. Andrea runzelte die Stirn. Sie legte die Hand auf die Türklinke, zog sie sofort wieder weg. Die Klinke war heiß. Sie zog den Ärmel ihres Pullovers herunter und schlang ihn sich um die Hand, so konnte sie die Tür öffnen.

Aidan war aufgewacht, weil der Drang in ihm so stark geworden war, dass er es nicht mehr hatte ertragen können. Er war zu Andrea gegangen, nachdem er das Feuer in dieser Disco entfacht hatte. Sie hatten Sex miteinander gehabt und dann war er in dem Raum zwischen den Realitäten versunken, in dem er tun und lassen konnte, was er wollte. Sein Schlaf war unruhig gewesen, er war von seinen Träumen verfolgt, von seinem Verlangen gepeinigt worden.

 

Er stand in der Mitte des Zimmers und spürte die Hitze in seinem Körper, das Kochen seines Blutes und er wusste, er konnte nicht anders, er wollte nicht anders.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Andrea in ihr Schlafzimmer. Sie war nicht einmal in der Lage zu schreien. Aidan stand dort. Umgeben von hoch auflodernden Flammen. Das Feuer tobte um ihn herum, sauste und brauste. Hatte bereits ihren Schminktisch ergriffen und fraß sich langsam immer weiter. Aidan brauchte Hilfe, er brannte lichterloh. Die Feuerwehr …

Aber Aidan verbrannte nicht. Die Flammen gingen von ihm aus, hüllten ihn ein. Seine Augen waren schwarz wie die Hölle und in ihnen spiegelte sich der rote Schein wider. Er hatte die Arme zur Seite erhoben, schaute sie mit diesem verzehrenden Blick an. Dann legte er den Kopf in den Nacken, seine Muskeln spannten sich und Andrea spürte, wie sie ergriffen wurde von diesem Inferno. Wie die Flammen an ihrem Körper emporschossen, sie ebenso einhüllten wie ihn, aber sie spürte den Schmerz, sie spürte, wie ihr der Atem geraubt wurde, sie spürte, wie sie verbrannte, wie sie starb.