Anthroposophische Leitsätze

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Anthroposophische Leitsätze
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LUNATA

Anthroposophische Leitsätze

Anthroposophische Leitsätze

Der Erkenntnisweg der Anthroposophie – Das Michael-Mysterium

Umschlagbild: Viertes apokalyptisches Siegel,

Rudolf Steiner

© 1924 by Rudolf Steiner

© 2020 Lunata Berlin

Inhalt

Vorbemerkung

Leitsätze Nr. 1 bis 3

Leitsätze Nr. 4 und 5

Leitsätze Nr. 6 und 7

Leitsätze Nr. 8 bis 10

Leitsätze Nr. 11 bis 13

Leitsätze Nr. 14 bis 16

Leitsätze Nr. 17 bis 19

Leitsätze Nr. 20 bis 22

Leitsätze Nr. 23 bis 25

Leitsätze Nr. 26 bis 28

Leitsätze Nr. 29 bis 31

Leitsätze Nr. 32 bis 34

Leitsätze Nr. 35 bis 37

Zu den vorangegangenen Leitsätzen über die Bildnatur des Menschen

Leitsätze Nr. 38 bis 40

Leitsätze Nr. 41 bis 43

Leitsätze Nr. 44 bis 46

Leitsätze Nr. 47 bis 49

Leitsätze Nr. 50 bis 52

Leitsätze Nr. 53 bis 55

Leitsätze Nr. 56 bis 58

Leitsätze Nr. 59 bis 61

Etwas vom Geist-Verstehen und Schicksals-Erleben

Leitsätze Nr. 62 bis 65

Leitsätze Nr. 66 bis 68

Geistige Weltbereiche und menschliche Selbsterkenntnis

Leitsätze Nr. 69 bis 71

Leitsätze Nr. 72 bis 75

Wie die Leitsätze anzuwenden sind

Leitsätze Nr. 76 bis 78

Im Anbruch des Michael-Zeitalters

Leitsätze Nr. 79 bis 81

Leitsätze Nr. 82 bis 84

Die menschliche Seelenverfassung vor dem Anbruch des Michael-Zeitalters

Leitsätze Nr. 85 bis 87

Aphorismus

Leitsätze Nr. 88 bis 90

Leitsätze Nr. 91 bis 93

Leitsätze Nr. 94 bis 96

Leitsätze Nr. 97 bis 99

Leitsätze Nr. 100 bis 102

Der vor-michaelische und der Michaels-Weg

Leitsätze Nr. 103 bis 105

Michaels Aufgabe in der Ahriman-Sphäre

Leitsätze Nr. 106 bis 108

Michaels Erfahrungen und Erlebnisse während der Erfüllung seiner kosmischen Mission

Leitsätze Nr. 109 bis 111

Menschheitszukunft und Michael-Tätigkeit

Leitsätze Nr. 112 bis 114

Das Michael-Christus-Erlebnis des Menschen

Leitsätze Nr. 115 bis 117

Michaels Mission im Weltenalter der Menschen-Freiheit

Leitsätze Nr. 118 bis 120

Die Weltgedanken im Wirken Michaels und im Wirken Ahrimans

Leitsätze Nr. 121 bis 123

Vor den Toren der Bewusstseinsseele. Wie Michael seine Erdenmission durch Besiegung Luzifers überirdisch vorbereitet

Leitsätze Nr. 124 bis 126

Wie die Michael-Kräfte in die erste Entfaltung der Bewusstseinsseele wirken

Leitsätze Nr. 127 bis 130

Hemmung und Förderung der Michael-Kräfte im aufkommenden Zeitalter der Bewusstseinsseele

Leitsätze Nr. 131 bis 133

Michaels Leid über die Menschheitsentwicklung vor der Zeit seiner Erdenwirksamkeit

Leitsätze Nr. 134 bis 136

Weihnachtsbetrachtung: Das Logos-Mysterium

Leitsätze Nr. 137 bis 139

Himmelsgeschichte. Mythologische Geschichte. Erdgeschichte. Mysterium von Golgatha

Leitsätze Nr. 140 bis 143

Was sich offenbart, wenn man in die wiederholten Erdenleben zurückschaut

Leitsätze Nr. 144 bis 146

Was offenbart sich, wenn man in die vorigen Leben zwischen Tod und neuer Geburt zurückschaut?

Leitsätze Nr. 147 bis 149

Was offenbart sich, wenn man in die vorigen Leben zwischen Tod und neuer Geburt zurückschaut?

Leitsätze Nr. 150 bis 152

Was ist die Erde in Wirklichkeit im Makrokosmos?

Leitsätze Nr. 153 bis 155

Schlaf und Wachen im Lichte der vorangegangenen Betrachtungen

Leitsätze Nr. 156 bis 158

Gnosis und Anthroposophie

Leitsätze Nr. 159 bis 161

Die Freiheit des Menschen und das Michael-Zeitalter

Leitsätze Nr. 162 bis 164

Wo ist der Mensch als denkendes und sich erinnerndes Wesen?

Leitsätze Nr. 165 bis 167

Der Mensch in seiner makrokosmischen Wesenheit

Leitsätze Nr. 168 bis 170

 

Des Menschen Sinnes- und Denkorganisation im Verhältnis zur Welt

Leitsätze Nr. 171 bis 173

Gedächtnis und Gewissen

Leitsätze Nr. 174 bis 176

Das scheinbare Erlöschen der Geist-Erkenntnis in der Neuzeit

Leitsätze Nr. 177 bis 179

Die geschichtlichen Erschütterungen beim Heraufkommen der Bewusstseinsseele

Leitsätze Nr. 180 bis 182

Von der Natur zur Unter-Natur

Leitsätze Nr. 183 bis 185

Über den Autor

Vorbemerkung

Man soll an dieser Stelle in der Zukunft eine Art anthroposophischer Leitsätze finden. Sie sind so aufzufassen, dass sie Ratschläge enthalten über die Richtung, welche die Vorträge und Besprechungen in den einzelnen Gruppen der Gesellschaft durch die führenden Mitglieder nehmen können. Es wird dabei nur an eine Anregung gedacht, die vom Goetheanum aus der gesamten Gesellschaft gegeben werden möchte. Die Selbständigkeit im Wirken der einzelnen führenden Mitglieder soll damit nicht angetastet werden. Es ist gut, wenn die Gesellschaft sich so entfaltet, dass in völlig freier Art in den einzelnen Gruppen zur Geltung kommt, was die führenden Mitglieder zu sagen haben. Dadurch wird das Leben der Gesellschaft bereichert und in sich mannigfaltig gestaltet werden.

Aber es sollte ein einheitliches Bewusstsein in der Gesellschaft entstehen können. Das kann geschehen, wenn man von den Anregungen, die an den einzelnen Orten gegeben werden, überall weiß. Deshalb werden hier in kurzen Sätzen solche Darstellungen zusammengefasst werden, die von mir am Goetheanum für die Gesellschaft in Vorträgen gegeben werden. Ich denke mir, dass dann von denjenigen Persönlichkeiten, die in den Gruppen (Zweigen) Vorträge halten oder die Besprechungen leiten, dabei das Gegebene als Richtlinien genommen werde, um in freier Art daran anzuknüpfen. Es kann dadurch zu einer einheitlichen Gestaltung im Wirken der Gesellschaft etwas beigetragen werden, ohne dass an einen Zwang in irgendeiner Art gedacht wird.

Fruchtbar für die ganze Gesellschaft kann die Sache werden, wenn der Vorgang auch die entsprechende Gegenliebe findet, wenn die führenden Mitglieder über Inhalt und Art ihrer Vorträge und Anregungen auch den Vorstand am Goetheanum unterrichten. Wir werden dadurch erst aus einem Chaos verschiedener Gruppen zu einer Gesellschaft mit einem geistigen Inhalt.

Die Leitlinien, die hier gegeben werden, sollen gewissermaßen Themen anschlagen. Man wird dann in der anthroposophischen Bücher- und Zyklenliteratur an den verschiedensten Stellen die Anhaltspunkte finden, um das im Thema Angeschlagene so auszugestalten, dass es den Inhalt der Gruppenbesprechungen bilden kann.

Auch dann, wenn neue Ideen von den leitenden Mitgliedern in den einzelnen Gruppen zutage treten, können sie ja an dasjenige angeknüpft werden, was in der geschilderten Art vom Goetheanum aus als ein Rahmen für das geistige Wirken der Gesellschaft angeregt werden soll.

Es ist ganz gewiss eine Wahrheit, gegen die nicht gesündigt werden darf, dass geistiges Wirken nur aus der freien Entfaltung der wirkenden Persönlichkeiten hervorgehen kann. Allein, es braucht dagegen nicht gesündigt zu werden, wenn in rechter Art innerhalb der Gesellschaft der eine mit dem ändern im Einklänge handelt. Wenn das nicht sein könnte, so müsste die Zugehörigkeit des Einzelnen oder der Gruppen zur Gesellschaft immer etwas Äußerliches bleiben. Diese Zugehörigkeit soll aber etwas sein, das man als Innerliches empfindet.

Es kann doch eben nicht so sein, dass das Vorhandensein der Anthroposophischen Gesellschaft von dieser oder jener Persönlichkeit nur als Gelegenheit benützt wird, um das zu sagen, was man aus dieser oder jener Absicht heraus persönlich sagen will, sondern die Gesellschaft muss die Pflegestätte dessen sein, was Anthroposophie ist. Alles andere kann ja auch außerhalb ihres Rahmens gepflegt werden. Sie kann nicht dafür da sein.

Es ist in den letzten Jahren nicht zum Vorteil der Gesellschaft gewesen, dass in sie einzelne Mitglieder ihre Eigenwünsche hineingetragen haben, bloß weil sie mit deren Vergrößerung für diese Eigenwünsche ein Wirkungsfeld zu finden glaubten. Man kann sagen: warum ist dem nicht in der gebührenden Art entgegengetreten worden? – Wäre das geschehen, so würde heute überall die Meinung zu hören sein: ja, wenn man damals die Anregungen von dieser oder jener Seite aufgenommen hätte, wo wären wir gegenwärtig? Nun, man hat vieles aufgenommen, was kläglich gescheitert ist, was uns zurückgeworfen hat.

Aber nun ist es genug. Die Probe auf das Exempel, das einzelne Experimentatoren in der Gesellschaft geben wollten, ist gemacht. Man braucht dergleichen nicht ins Endlose zu wiederholen. Der Vorstand am Goetheanum soll ein Körper sein, der Anthroposophie pflegen will, und die Gesellschaft sollte eine Verbindung von Menschen sein, die sich mit ihm über ihre Pflege der Anthroposophie lebendig verständigen wollen.

Man soll nicht denken, dass, was angestrebt werden soll, von heute auf morgen erreicht werden kann. Man wird Zeit brauchen. Und es wird Geduld nötig sein. Wenn geglaubt wird, in ein paar Wochen könne verwirklicht da sein, was in den Absichten der Weihnachtstagung liegt, so wird das wieder von Schaden sein.

Leitsätze Nr. 1 bis 3
(17. Februar 1924)

1. Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte. Sie tritt im Menschen als Herzens- und Gefühlsbedürfnis auf. Sie muss ihre Rechtfertigung dadurch finden, dass sie diesem Bedürfnisse Befriedigung gewähren kann. Anerkennen kann Anthroposophie nur derjenige, der in ihr findet, was er aus seinem Gemüte heraus suchen muss. Anthroposophen können daher nur Menschen sein, die gewisse Fragen über das Wesen des Menschen und die Welt so als Lebensnotwendigkeit empfinden, wie man Hunger und Durst empfindet.

2. Anthroposophie vermittelt Erkenntnisse, die auf geistige Art gewonnen werden. Sie tut dies aber nur deswegen, weil das tägliche Leben und die auf Sinneswahrnehmung und Verstandestätigkeit gegründete Wissenschaft an eine Grenze des Lebensweges führen, an der das seelische Menschendasein ersterben müsste, wenn es diese Grenze nicht überschreiten könnte. Dieses tägliche Leben und diese Wissenschaft führen nicht so zur Grenze, dass an dieser stehen geblieben werden muss, sondern es eröffnet sich an dieser Grenze der Sinnesanschauung durch die menschliche Seele selbst der Ausblick in die geistige Welt.

3. Es gibt Menschen, die glauben, mit den Grenzen der Sinnesanschauung seien auch die Grenzen aller Einsicht gegeben. Würden diese aufmerksam darauf sein, wie sie sich dieser Grenzen bewusst werden, so würden sie auch in diesem Bewusstsein die Fähigkeiten entdecken, die Grenzen zu überschreiten. Der Fisch schwimmt an die Grenze des Wassers; er muss zurück, weil ihm die physischen Organe fehlen, um außer dem Wasser zu leben. Der Mensch kommt an die Grenze der Sinnesanschauung; er kann erkennen, dass ihm auf dem Wege dahin die Seelenkräfte geworden sind, um seelisch in dem Elemente zu leben, das nicht von der Sinnesanschauung umspannt wird.

Leitsätze Nr. 4 und 5
(24. Februar 1924)

4. Der Mensch braucht zur Sicherheit in seinem Fühlen, zur kraftvollen Entfaltung seines Willens eine Erkenntnis der geistigen Welt. Denn er kann die Größe, Schönheit, Weisheit der natürlichen Welt im größten Umfange empfinden: diese gibt ihm keine Antwort auf die Frage nach seinem eigenen Wesen. Dieses eigene Wesen hält die Stoffe und Kräfte der natürlichen Welt halten so lange in der lebend-regsamen Menschengestalt zusammen, bis der Mensch durch die Pforte des Todes schreitet. Dann übernimmt die Natur diese Gestalt. Sie kann dieselbe nicht zusammenhalten, sondern nur auseinander treiben. Die große, schöne, weisheitsvolle Natur gibt wohl Antwort auf die Frage: wie wird die Menschengestalt aufgelöst, nicht aber, wie wird sie zusammengehalten. Kein theoretischer Einwand kann diese Frage aus der empfindenden Menschenseele, wenn diese sich nicht selbst betäuben will, auslöschen. Ihr Vorhandensein muss die Sehnsucht nach geistigen Wegen der Welterkenntnis unablässig in jeder Menschenseele, die wirklich wach ist, regsam erhalten.

5. Der Mensch braucht zur inneren Ruhe die Selbsterkenntnis im Geiste. Er findet sich selbst in seinem Denken, Fühlen und Wollen. Er sieht, wie Denken, Fühlen und Wollen von dem natürlichen Menschenwesen abhängig sind. Sie müssen in ihren Entfaltungen der Gesundheit, Krankheit, Kräftigung und Schädigung des Körpers folgen. Jeder Schlaf löscht sie aus. Die gewöhnliche Lebenserfahrung weist die denkbar größte Abhängigkeit des menschlichen Geist-Erlebens vom Körper-Dasein auf. Da erwacht in dem Menschen das Bewusstsein, dass in dieser gewöhnlichen Lebenserfahrung die Selbst-Erkenntnis verloren gegangen sein könne. Es entsteht zunächst die bange Frage: ob es eine über die gewöhnliche Lebenserfahrung hinausgehende Selbst-Erkenntnis und damit die Gewissheit über ein wahres Selbst geben könne? Anthroposophie will auf der Grundlage sicherer Geist-Erfahrung die Antwort auf diese Frage geben. Sie stützt sich dabei nicht auf ein Meinen oder Glauben, sondern auf ein Erleben im Geiste, das in seiner Wesenheit so sicher ist wie das Erleben im Körper.

Leitsätze Nr. 6 und 7
(2. März 1924)

6. Wenn man den Blick auf die leblose Natur wendet, so findet man eine Welt, die sich in gesetzmäßigen Zusammenhängen offenbart. Man sucht nach diesen Zusammenhängen und findet sie als den Inhalt der Naturgesetze. Man findet aber auch, dass durch diese Gesetze die leblose Natur sich mit der Erde zu einem Ganzen zusammenschließt. Man kann dann von diesem Erdenzusammenhang, der in allem Leblosen waltet, zu der Anschauung der lebendigen Pflanzenwelt übergehen. Man sieht, wie die außerirdische Welt aus den Weiten des Raumes die Kräfte hereinsendet, welche das Lebendige aus dem Schöße des Lebenslosen hervorholen. Man wird in dem Lebendigen das Wesenhafte gewahr, das sich dem bloß irdischen Zusammenhang entreißt und sich zum Offenbarer dessen macht, was aus den Weiten des Weltenraumes auf die Erde herunterwirkt. In der unscheinbarsten Pflanze wird man die Wesenheit des außerirdischen Lichtes gewahr, wie im Auge den leuchtenden Gegenstand, der vor diesem steht. In diesem Aufstieg der Betrachtung kann man den Unterschied des Irdisch-Physischen schauen, das im Leblosen waltet, und des Außerirdisch-Ätherischen, das im Lebendigen kraftet.

7. Man findet den Menschen mit seinem außerseelischen und außergeistigen Wesen in diese Welt des Irdischen und Außerirdischen hineingestellt. Sofern er in das Irdische, das das Leblose umspannt, hineingestellt ist, trägt er seinen physischen Körper an sich; sofern er in sich diejenigen Kräfte entwickelt, welche das Lebendige aus den Weltenweiten in das Irdische hereinzieht, hat er einen ätherischen oder Lebensleib. Diesen Gegensatz zwischen dem Irdischen und Ätherischen hat die Erkenntnisrichtung der neueren Zeit ganz unberücksichtigt gelassen. Sie hat gerade aus diesem Grunde über das Ätherische die unmöglichsten Anschauungen entwickelt. Die Furcht davor, sich in das Phantastische zu verlieren, hat davon abgehalten, von diesem Gegensatz zu sprechen. Ohne ein solches Sprechen kommt man aber zu keiner Einsicht in Mensch und Welt.

Leitsätze Nr. 8 bis 10
(9. März 1924)

8. Man kann die Wesenheit des Menschen betrachten, insofern diese aus seinem physischen und seinem ätherischen Leib sich ergibt. Man wird finden, dass alle Erscheinungen am Menschen, die von dieser Seite ausgehen, nicht zum Bewusstsein führen, sondern im Unbewussten verbleiben. Das Bewusstsein wird nicht erhellt, sondern verdunkelt, wenn die Tätigkeit des physischen und des Ätherleibes erhöht wird. Ohnmachtszustände kann man als Ergebnis einer solchen Erhöhung erkennen. Durch die Verfolgung einer solchen Urteilsorientierung gelangt man dazu, anzuerkennen, dass in die Organisation des Menschen – und auch des Tieres – etwas eingreift, das mit dem Physischen und Ätherischen nicht von der gleichen Art ist. Es ist wirksam nicht, wenn das Physische und Ätherische aus seinen Kräften heraus tätig ist, sondern wenn diese aufhören, auf ihre Art wirksam zu sein. Man kommt so zum Begriffe des Astralleibes.

 

9. Die Wirklichkeit dieses Astralleibes wird gefunden, wenn man durch die Meditation von dem Denken, das durch die Sinne von außen angeregt wird, zu einem innerlichen Anschauen fortschreitet. Man muss dazu das von außen angeregte Denken innerlich ergreifen und es in der Seele als solches, ohne seine Beziehung auf die Außenwelt, intensiv erleben; und dann durch die Seelenstärke, die man in solchem Ergreifen und Erleben sich angeeignet hat, gewahr werden, dass es innere Wahrnehmungsorgane gibt, die ein Geistiges schauen da, wo in Tier und Menschen der physische und der ätherische Leib in ihren Schranken gehalten werden, damit Bewusstsein entstehe.

10. Das Bewusstsein entsteht nicht durch ein Fortführen derjenigen Tätigkeit, die aus dem physischen und dem Ätherleib als Ergebnis kommt, sondern diese beiden Leiber müssen mit ihrer Tätigkeit auf den Nullpunkt kommen, ja noch unter denselben, damit »Platz entstehe« für das Walten des Bewusstseins. Sie sind nicht die Hervorbringer des Bewusstseins, sondern sie geben nur den Boden ab, auf dem der Geist stehen muss, um innerhalb des Erdenlebens Bewusstsein hervorzubringen. Wie der Mensch auf der Erde einen Boden braucht, auf dem er stehen kann, so braucht das Geistige innerhalb des Irdischen die materielle Grundlage, auf der es sich entfalten kann. Und so wie im Weltenraum der Planet den Boden nicht braucht, um seinen Ort zu behaupten, so braucht der Geist, dessen Anschauung nicht durch die Sinne auf das Materielle, sondern durch die Eigenkraft auf das Geistige gerichtet ist, nicht diese materielle Grundlage, um seine bewusste Tätigkeit in sich rege zu machen.

Leitsätze Nr. 11 bis 13
(16. März 1924)

11. Das Selbstbewusstsein, das im »Ich« sich zusammenfasst, steigt aus dem Bewusstsein auf. Dieses entsteht, wenn das Geistige in den Menschen dadurch eintritt, dass die Kräfte des physischen und des ätherischen Leibes diese abbauen. Im Abbau dieser Leiber wird der Boden geschaffen, auf dem das Bewusstsein sein Leben entfaltet. Dem Abbau muss aber, wenn die Organisation nicht zerstört werden soll, ein Wiederaufbau folgen. So wird, wenn für ein Erleben des Bewusstseins ein Abbau erfolgt ist, genau das Abgebaute wieder aufgebaut werden. In der Wahrnehmung dieses Aufbaues liegt das Erleben des Selbstbewusstseins. Man kann in innerer Anschauung diesen Vorgang verfolgen. Man kann empfinden, wie das Bewusste in das Selbstbewusste dadurch übergeführt wird, dass man aus sich ein Nachbild des bloß Bewussten schafft. Das bloß Bewusste hat sein Bild in dem durch den Abbau gewissermaßen leer Gewordenen des Organismus. Es ist in das Selbstbewusstsein eingezogen, wenn die Leerheit von innen wieder erfüllt worden ist. Das Wesenhafte, das zu dieser Erfüllung fähig ist, wird als »Ich« erlebt.

12. Die Wirklichkeit des »Ich« wird gefunden, wenn man die innere Anschauung, durch die der Astralleib erkennend ergriffen wird, dadurch weiter fortbildet, dass man das erlebte Denken in der Meditation mit dem Willen durchdringt. Man hat sich diesem Denken zuerst willenslos hingegeben. Man hat es dadurch dazu gebracht, dass ein Geistiges in dieses Denken eintritt, wie die Farbe bei der sinnlichen Wahrnehmung in das Auge, der Ton in das Ohr eintritt. Hat man sich in die Lage gebracht, dasjenige, das man auf diese Art, durch passive Hingabe, im Bewusstsein verlebendigt hat, durch einen Willensakt nachzubilden, so tritt in diesen Willensakt die Wahrnehmung des eigenen »Ich« ein.

13. Man kann auf dem Wege der Meditation zu der Gestalt, in der das »Ich« im gewöhnlichen Bewusstsein auftritt, drei weitere Formen finden:

1 In dem Bewusstsein, das den Ätherleib erfasst, erscheint das »Ich« als Bild, das aber zugleich tätige Wesenheit ist und als solche dem Menschen Gestalt, Wachstum, Bildekräfte verleiht.

2 In dem Bewusstsein, das den Astralleib erfasst, offenbart sich das »Ich« als Glied einer geistigen Welt, von der es seine Kräfte erhält.

3 In dem Bewusstsein, das eben als das zuletzt zu erringende angeführt worden ist, zeigt sich das »Ich« als eine von der geistigen Umwelt relativ unabhängige, selbständige geistige Wesenheit.