Seewölfe - Piraten der Weltmeere 447

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 447
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Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-855-3

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Roy Palmer

Saboteure

Sie waren nur Schatten in der Nacht – und kappten die Ankertrossen

Der Pulverturm in Arica stellte für die Männer um Ben Brighton so etwas wie eine Herausforderung dar. Vermutlich lagerten dort die gesamten Pulvervorräte der Hafenstadt. Wenn sie in die Luft flogen, wurden Kanonen, Drehbassen und Schußwaffen nutzlos. Und wenn sie später mit der „Estrella de Málaga“ und der „San Lorenzo“ den Hafen angriffen, wollten sie nicht in den Beschuß der Batterien des Forts geraten. Also mußte der Pulverturm weg. Das besorgten Ferris Tucker, Al Conroy und Batuti. Aber Ferris Tucker wurde dabei verletzt. Er konnte in die wartende Jolle abgeborgen werden, während sich Al Conroy und Batuti mit den spanischen Soldaten herumschlugen. Auch Roger Lutz stürzte sich in den Kampf. Aber dann explodierte der Pulverturm …

Die Hauptpersonen des Romans:

Philip Hasard Killigrew – der Seewolf kehrt mit seinen Männern aus Potosi zurück und sorgt für neuen Wirbel.

Ferris Tucker – kappt zusammen mit Montbars Ankertrossen, was für die Dons üble Folgen hat.

Batuti – der Gambia-Neger zeigt wieder einmal seine Treffsicherheit.

Don Gaspar de Rojas – der Capitán kann nur noch fluchen, weil er seine Karavelle auf eine Untiefe gesetzt hat.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Spanische Patrouillenschiffe kontrollierten Anfang des Jahres 1595 die Westküste der Neuen Welt nördlich und südlich von Arica. In der Mehrzahl waren es einmastige Schaluppen, mit Drehbassen armiert. Ihre Besatzungen fahndeten nach den „Banditen“ und „Galgenstricken“, die Mitte Dezember in der Hafenstadt den Sargento Zeno Manteca getötet, die gefangenen Indios aus dem Stadtgefängnis befreit, den Bürgermeister Diego de Xamete aus seiner Karosse gesprengt, im Hafen Feuer gelegt und schließlich den Pulverturm der Festung in die Luft gejagt hatten.

Heimlich waren diese Teufelskerle aufgetaucht, keiner hatte sie so richtig bemerkt. Dann war es geschehen, und die Ereignisse hatten die ganze Stadt in Panik versetzt. Einige der Kerle hatte man nach der Sprengung des Pulverturms fangen und an den Pranger stellen können, doch auch sie waren wieder entwischt.

Diese fremden Hundesöhne – standen sie etwa mit dem Teufel im Bund? Alles schien wie verhext zu sein. Keiner vermochte sich auszumalen; wie es den Kerlen am Pranger gelungen war, zu fliehen. Zauberei mußte mit im Spiel sein – anders konnte sich das auch der dicke Bürgermeister Diego de Xamete nicht erklären.

Daß es in Arica Menschen gab, die mit seiner Amtsführung nicht einverstanden waren, ahnte er zwar, doch er wußte nicht, wie viele und wer sie waren. Daß ausgerechnet eine Prostituierte – eine schwarzhaarige, feurige Andalusierin namens Margarita – geholfen hatte, wurde nicht bekannt. Es gab zwar Zeugen, aber diese Mitwisser hielten tunlichst den Mund. Sollte de Xamete sehen, wie er damit fertig wurde. Man gönnte ihm die Niederlage, denn er war ein grausamer, habgieriger Mensch, der Wuchersteuern kassierte und sich obendrein mit Piastern, Dublonen und Dukaten kräftig schmieren ließ.

Auch viele Soldaten von Arica waren nachdenklich geworden. Der Tod eines Mannes wie Zeno Manteca ließ verschiedene Auslegungen zu, doch im Grunde war es unwichtig, wie und aus welchen Gründen er bei dem Duell in der Schenke gestorben war. Was zählte, war, daß er jetzt unter der Erde ruhte. Denn auch ihn hatte keiner so recht ausstehen können.

Andere Sargentos kommandierten jetzt die Trupps – Männer wie Romero de Lorentis, der mit drei Soldaten an Bord einer Einmastschaluppe nördlich von Arica unterwegs war. Man schrieb den 25. Januar, es war ein sonniger Tag, und weder der Sargento noch seine Untergebenen verspürten den Drang, auf die „Banditen“ zu stoßen, nach denen man forschte.

De Lorentis spähte hin und wieder durch sein Spektiv und suchte die felsige Küste mit dem Blick ab.

„Hier sind sie nicht“, sagte er. „Sie sind längst verschwunden. Sie wären ja dumm, wenn sie sich nach dem Überfall auf Arica noch hier aufhalten würden.“

„Señor“, sagte einer der Soldaten. Er hieß D’Onofrio, seine Familie stammte aus Sardinien, das zum Königreich Spanien-Portugal gehörte. „Sicher sollte man auch bedenken, wie viele es sind.“

„Na, nicht mehr als ein Dutzend“, sagte sein Nebenmann in der Schaluppe, ein Mann namens Benares.

Der dritte Soldat, ein älterer Mann namens Altamura, schüttelte den Kopf. „Falsch. Wir stützen uns nur auf Vermutungen. Jene, die in Arica aufgetaucht sind, waren nur ein Stoßtrupp. Es sind mehr. Vielleicht dreißig, vierzig. Und sie haben mindestens ein Schiff, wenn nicht zwei.“

De Lorentis wandte sich zu ihm um. „Du magst recht haben, Altamura. Aber wo ankern diese Schiffe deiner Meinung nach?“

„Sie könnten sogar drüben, in der Mündung des Rio Tacna liegen.“

Die Schaluppe war nicht mehr weit von der Flußmündung entfernt. Nur noch etwa eine Dreiviertelmeile, dann hatte sie sie erreicht.

„Das halte ich für ausgeschlossen“, sagte der Sargento. „So dumm sind sie nicht. Sie würden sich dort in einer Falle befinden.“

Altamura grinste breit. „Es ist nicht leicht hineinzumanövrieren. Die Trichtermündung ist tückisch. Leicht kann man aufbrummen. Also muß man sie erst mal erwischen, wenn sie sich dort versteckt halten. Sie sind gerissen wie die Füchse, sage ich.“

De Lorentis mußte nun ebenfalls lächeln. „Glaubst du, daß sie Spanier sind?“

„Das halte ich für ein Ammenmärchen.“

„Aber sie sollen sehr gut unsere Sprache sprechen“, sagte Benares.

„Na und?“ sagte Altamura. „Unsere Sprache kann man lernen. Was ist schon dabei? Ich könnte ja auch Englisch oder Französisch erlernen, wenn ich wollte.“

„Es waren Engländer, nicht wahr?“ sagte der Sargento. „Raus mit der Sprache, Altamura, du weißt es doch.“

„Ich weiß es nicht. Es können auch Franzosen gewesen sein.“

„Unsinn“, sagte D’Onofrio. „Es war doch auch ein Schwarzer dabei, ich habe ihn am Pranger selbst gesehen.“

„Ein Schwarzer, der Spanisch kann?“ zischte Altamura. „Das ist ein Unding! Aber wer sagt dir, daß Korsaren nicht auch einen Schwarzen in ihrer Crew haben?“

„Es waren also Korsaren?“ fragte der Sargento.

„Was glauben Sie denn?“ fragte Altamura zurück.

„Ich glaube, daß ich mit dir einer Meinung bin“, entgegnete de Lorentis. „Aber in Arica würde ich das nicht herumerzählen. Selbst wenn de Xamete einen Verdacht hat, wird er ihn nicht äußern. Denn es wäre schlecht für ihn, wenn der Vizekönig in Lima erfahren würde, daß es einer Handvoll Korsaren gelungen ist, in Arica einzudringen und wie die Teufel zu hausen.“

Altamura lachte auf. „Wenn sie ganz gerissen wären, diese Korsaren, dann würden sie versuchen, bis nach Potosi zu marschieren. Da gibt’s ja eine Menge zu holen.“

„Zu dieser Jahreszeit müßten sie es sogar schaffen“, sagte D’Onofrio.

„Aber sie kennen den Weg nicht“, erklärte Benares.

„Einen Führer finden sie bestimmt“, sagte Altamura. „Ich würde mich nicht wundern, wenn wir eines Tages erfahren, daß fremde Banditen Potosi geplündert haben.“

„Sei jetzt still“, sagte der Sargento. „Was du hier von dir gibst, geht schon viel zu weit.“

„Ja, Señor. Aber was ist nun, sehen wir in der Mündung des Tacna nach?“

Die Schaluppe glitt auf die Flußmündung zu, es fehlten nur noch höchstens fünfhundert Yards, dann hatte sie sie erreicht. Romero de Lorentis warf einen nachdenklichen Blick auf die Stelle, an der sich seiner Ansicht nach die gefährlichen Untiefen befanden. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Wenn dort Schiffe ankern, entdecken wir sie auch von hier aus.“

Wenig später segelte die Schaluppe an der Mündung des Rio Tacna vorbei, und der Sargento spähte aufmerksam mit dem Spektiv zum Ufer. Doch es war nicht die Spur von einem oder mehreren Schiffen zu sehen. Dabei ließ die kleine Besatzung der Schaluppe es bewenden.

Sie wußten zwar, daß es auch eine Felsenbucht gab, die man auf dem Weg über den Fluß erreichte, doch welche Bedeutung hatte das schon? Sollten sie sich die Mühe bereiten, jede Bucht zu kontrollieren? Das führte zu nichts – und ihr Auftrag lautete ja auch nur, die Küste abzuforschen. Daran hielten sie sich.

Nur kurze Zeit später brachen sie die Suche ab und kehrten nach Arica zurück. Noch einmal segelte die Schaluppe an der Mündung des Tacna vorbei, ohne daß de Lorentis und seine drei Begleiter etwas bemerkten. Sie wollten auch nichts entdecken. Keiner wollte wie der Sargento Manteca enden. Es zahlte sich nicht aus, sich mit den Fremden anzulegen. Selbst wenn man ihren Standort entdeckte, brachte das mit größter Wahrscheinlichkeit nur Ärger und Verdruß. Folglich waren die „Banditen“ ganz einfach verschwunden, und damit hatte es sich.

 

Aufmerksame Augen beobachteten die Schaluppe vom Felsenufer aus, bis sie an der südlichen Kimm verschwand. Pete Ballie, der seine Wache als Ausguckposten versah, mußte unwillkürlich grinsen. Die Spanier hatten ihn nicht gesehen, dessen war er sicher. Er hielt sich zwischen den Felsen versteckt, wie es auch die anderen Kameraden taten, wenn sie diese Wache gingen.

Und von der „Estrella de Málaga“ und der „San Lorenzo“, die in der Felsenbucht vor Anker lagen, ahnten die Dons nichts. Sie mußten ihre Nase schon in die Flußmündung stecken, um etwas von der Karavelle und der Galeone zu entdecken. Dazu aber schienen sie keine große Lust zu verspüren.

Sie versahen ihren Dienst eher lax, das war Pete selbst auf die Distanz aufgefallen. Warum sollten sie sich auch abschinden und eventuell sogar ihr Leben aufs Spiel setzen? Was brachte es ihnen ein? Nichts. Männer wie Manteca oder auch Luis Carrero, eingefleischte Indio-Hetzer und Menschenschinder, waren karrieresüchtig gewesen und hatten dafür mit dem Leben bezahlt. Es lohnte sich nicht. Wer auf Beförderungen und Belohnungen spekulierte, konnte sich das Genick brechen.

Keine Gefahr, dachte Pete, wir sind hier nach wie vor sicher.

Wäre die Schaluppe jedoch noch einmal zurückgekehrt, dann hätten der Sargento de Lorentis und seine drei Soldaten wenig später das Freudengebrüll vernehmen können, das aus der Felsenbucht herübertönte. Aber sie waren schon weit weg und dachten bereits an Arica, die Kneipen am Hafen, die Mädchen und den Wein.

Pete hob den Kopf, als er die Jubellaute vernahm. Ja, sie drangen aus der Ankerbucht herüber. Dafür konnte es nur einen Anlaß geben: Der Potosi-Trupp war zurück!

Hastig erstieg er einen höheren Felsen, von dem aus er zur Bucht spähen konnte. Kein Zweifel, Hasard und seine Männer waren zurück! Pete konnte es selbst kaum fassen, aber er spürte deutlich, wie ihm bei den „Arwenack“-Rufen ein Stein vom Herzen fiel. Sie hatten alle um Hasard und den Trupp gebangt. Es hatte keine Nachrichten gegeben, denn von dem fernen, unzugänglichen Potosi aus hatte der Seewolf keinen Boten zur Bucht schicken können. Erst jetzt erfuhren Ben Brighton und die anderen, die hier zurückgeblieben waren, was sich alles zugetragen hatte.

Pete durfte seinen Posten nicht verlassen, aber er fieberte dem Moment entgegen, in dem Jack Finnegan ihn ablösen würde. Er konnte es kaum erwarten, seinen Kapitän wiederzusehen und auch den anderen kräftig auf die Schultern zu klopfen: Dan O’Flynn, Carberry, Matt Davies, Gary Andrews, Stenmark, Jean Ribault, Karl von Hutten, Fred Finley und Mel Ferrow – ja, und Pater David natürlich, dem Gottesmann, der ihnen nicht nur mit Rat, sondern auch mit handfester Tat zur Seite stand.

Bill, der sich als Ausguck auf dem Großmars der „Estrella de Málaga“ befand, glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er die Gestalten zwischen den Uferfelsen hervortreten sah. Dann aber ertönte aus dem Großmars der „San Lorenzo“ ein Ruf: „Sie sind zurück!“

Es war Dave Trooper, der ihn ausgestoßen hatte. Dave versah ebenfalls Wachdienst.

„Der Trupp!“ schrie Bill. „Er ist zurück!“

„Was ist los?“ brüllte Ferris Tucker ihm von unten zu. „Bist du verrückt?“

„Nein! Es ist der Potosi-Trupp!“

Im Nu war der Teufel los, und die Stimmung überschlug sich. Die Männer an Bord beider Schiffe stürmten an Oberdeck. Wer sich bereits oben befand, ließ seine Arbeit stehen und liegen und eilte zum Schanzkleid. Ein einziger Blick zum Ufer genügte, und sie wußten, daß weder Bill noch Dave Trugbilder gesehen hatten. Da stand der Seewolf, und neben ihm tauchte gerade Dan O’Flynn auf.

Jetzt flogen die Mützen und Arme hoch, die Männer brüllten ihr „Ar-we-nack“ und ihre Hurrarufe hinaus. Grelle Pfiffe wurden ausgestoßen, und Al Conroy hätte zur Feier des Tages am liebsten eine Drehbasse abgefeuert, wenn Ben ihn nicht daran gehindert hätte.

Nur Araua stieß keine lauten Schreie aus. Sie lachte nur und verfolgte vom Achterdeck der „Estrella“ aus, wie sich der kleine Trupp allmählich vervollständigte.

„Der Schlangengott hat euch beschützt“, murmelte sie. „Und so soll es auch weiterhin sein. Willkommen, Freunde, willkommen.“

Hasard, der als erster Mann des Trupps auf den Uferstreifen getreten war, lachte und hob winkend die rechte Hand.

„Na, das ist ja großartig“, sagte er und lud die Last ab, die er auf der Schulter getragen hatte – eine schwere Kiste. „Hättest du jemals gedacht, daß wir ein solches Aufsehen erregen würden?“

„Im Grunde schon“, erwiderte Dan, der neben ihm war und ebenfalls sein Gepäck ablud. „Ich habe erwartet, irgendwann mal berühmt zu werden.“

Pater David und Jean Ribault erschienen neben ihnen, dann trat auch Karl von Hutten zwischen den Felsen hervor.

„Unser Dan ist wie üblich sehr bescheiden“, sagte der Gottesmann lachend. „Aber heute haben wir ja allen Grund, ausgelassen zu sein.“

„He!“ sagte von Hutten. „Was für ein Feuer brennt denn da drüben?“

Sie richteten ihre Blicke nach links und sahen Mac Pellew, der vom Räucherofen aus fuchtelnd auf sie zulief. Er freute sich wirklich, aber er schnitt mal wieder ein Gesicht, als wollte er in Tränen ausbrechen.

„Holla!“ brüllte er. „Das nenne ich ’ne gelungene Überraschung!“

„Ja, so sind wir nun mal“, sagte Dan grinsend.

Inzwischen waren auch Carberry, Gary Andrews und Stenmark aufgetaucht.

„Mac“, sagte der Profos verblüfft, als dieser dicht vor ihm stoppte. „Was, zur Hölle, brätst du in dem verteufelten Ofen dort?“

„Anchovetas“, erwiderte Mac stolz. „Möchtest du mal einen probieren?“

„Danke, nein. Aber sonst geht’s dir gut, wie?“

„Ja, prächtig.“

„Und den anderen auch?“ fragte Hasard.

„Sicher, Sir“, antwortete Mac und zeigte klar.

„Na, dann wollen wir mal.“ Der Seewolf deutete auf die Jolle, die am Ufer lag. „Wir setzen über, Freunde, und es gibt noch ein hübsches Stück Arbeit, bis wir unsere Ladung an Bord haben.“

„Hurra!“ brüllten die Männer auf den Schiffen. „Ein dreifaches Hurra für den Seewolf! Hurra, hurra, hur-ra!“

Jan Ranse allerdings begann genau in diesem Augenblick, unruhig zu werden. Er ließ die Arme sinken und sagte zu Piet Straaten, der neben ihm auf dem Achterdeck der „San Lorenzo“ stand: „Verdammt noch mal, wo sind Fred und Mel?“

„Na, die werden schon noch aufkreuzen.“

„Denen wird doch wohl nichts passiert sein …“

„Mal nicht den Teufel an die Wand“, sagte Piet. „Warum sollte ausgerechnet ihnen etwas passiert sein?“

Da tauchten auch Fred Finley und Mel Ferrow auf dem Uferstreifen auf. Sie lachten und grölten und winkten den Kameraden fröhlich zu. Jan Ranse und die anderen atmeten auf. Jan enterte in die bereitliegende Jolle ab und ließ sich zum Ufer pullen, um seinen Kapitän, den Seewolf und die anderen sofort zu begrüßen.

Wenige Minuten später enterte Hasard an Bord der „Estrella de Málaga“ auf und ließ den Sturm der Begrüßung über sich ergehen. Bei ihm waren Ribault, Dan und Carberry. Die Jolle wurde um die mitgebrachten Kisten, Truhen und Säcke geleichtert, dann legte sie wieder ab, und Mac Pellew und Bob Grey pullten zurück ans Ufer, um die nächste „Fuhre“ zu holen.

Ben Brighton schüttelte seinem Kapitän die Hand, dann sagte er: „Wir haben uns natürlich ziemlich gesorgt. Immerhin sind fast zwei Monate vergangen, seit ihr aufgebrochen seid.“

„Ja“, sagte Hasard. „Und ich wünsche euch allen nachträglich, ein schönes neues Jahr.“

„Gleichfalls!“ schrien die Männer.

„Potosi ist vorbei“, sagte der Seewolf. „Es war ein voller Erfolg, ich werde darüber noch genau berichten. Auch der Rückmarsch ins Tal von Tacna hat reibungslos geklappt.“

„Es ist keiner von euch verletzt worden?“ fragte Araua.

Hasard zog sie zu sich heran und drückte sie kurz an sich, dann begrüßte er die Zwillinge und schüttelte nacheinander allen Männern einzeln die Hand.

„Fred hat sich unterwegs den Knöchel gebrochen“, entgegnete er. „Noch bevor wir Potosi erreicht hatten. Wir haben ihn deshalb bei einer Indiofamilie zurücklassen müssen, die sich aufopfernd um ihn bemüht hat. Der Fuß ist wieder geheilt. Wir haben Fred abgeholt, uns bei der Familie bedankt und sind weitergezogen.“

„Und das eine kann ich euch versichern“, sagte Carberry grimmig. „Ich bin heilfroh, daß wir diesen Fettsack Don Ramon nicht mehr mit uns rumschleppen müssen. Der war für uns wie ein Klotz am Bein.“

„Der Provinzgouverneur?“ fragte Ben.

„Ja“, erwiderte Hasard. „Wir haben ihn als Geisel aus Potosi mitgenommen. Er wird dorthin nie wieder zurückkehren, er ist seines Amtes enthoben worden. Damit ist er genug gestraft.“

„Wo habt ihr ihn zurückgelassen?“ wollte Big Old Shane wissen.

„Auf dem Altiplano“, erwiderte der Seewolf. „Ich habe mich nicht befugt gefühlt, über ihn zu urteilen und zu richten. Darum habe ich ihm eine Chance zum Überleben gegeben. Er hat eine Muskete, eine Pistole, ein Messer, ein wenig Munition, Proviant und Trinkwasser bei sich. Soll er sich allein durchschlagen. Seine Rolle hat er, wie schon gesagt, ohnehin ausgespielt. Er hat versagt.“

„Hast du bemerkt, wie es inzwischen oben im Tacna-Tal aussieht?“ fragte Ferris Tucker.

„Natürlich. Ihr habt perfekte Arbeit geleistet.“ Hasard ließ seinen Blick über die Decks und über das Rigg wandern. Auch die Karavelle war tadellos in Schuß, und nicht anders sah es drüben an Bord der Galeone aus. Gefaulenzt hatten die Arwenacks und die Vengeurs weiß Gott nicht. „Wir haben bei den Padres Zwischenstation eingelegt, und auch Pater Aloysius war verständlicherweise froh, wieder zu Hause zu sein. Er ist uns übrigens ein ausgezeichneter Führer gewesen.“

Carberry lachte. „Und auch sonst ist er in Ordnung. Wie der zuhauen kann – das hätte ich nie gedacht!“

„Wir haben die Maultiere oben zurückgelassen“, sagte der Seewolf. „Das letzte Stück haben wir unsere Beute also selber tragen müssen.“

„Schwerarbeit“, sagte Dan. „Aber die Hauptsache ist ja, daß es sich gelohnt hat.“

„Hat es das denn?“ fragte Shane grinsend.

Kurz darauf nahmen die Männer die Beute in Augenschein – Silberbarren und Silbermünzen, die aus der Casa de la Moneda mitgenommen worden waren. Wieder jubelten die Männer. Der Schlag gegen die Silberstadt war ein unerhörter Erfolg – die Spanier würden sich nicht so schnell davon erholen.

Die neue Ladung Silberbarren wurde in den Rümpfen der „Estrella de Málaga“ und der „San Lorenzo“ untergebracht. Hasard hatte unterdessen genügend Zeit, die „Estrella“ einer ausgiebigen Inspektion zu unterziehen. Er suchte auch die Kapitänskammer auf, zog sich um und kehrte anschließend auf das Achterdeck zurück.

„Alle Achtung“, sagte er zu Ben und den anderen. „Ihr habt das Schiff ja total überholt.“

„Und die ‚San Lorenzo‘ auch“, entgegnete Ben nicht ohne Stolz. „Wir haben beide Schiffe sogar gekrängt, um den Muschelbewuchs an den Rümpfen zu beseitigen.“

„Ausgezeichnet“, sagte Hasard. „Ben, heute abend wird tüchtig gefeiert. Die Vengeurs kommen zu uns herüber, das habe ich mit Jean schon vereinbart.“

„Ja“, sagte Ribault. „Und Jan bringt einige Flaschen mit dem besten Rum mit. Zieht euch also warm an.“

„Das brauchen wir nicht, der Rum heizt von innen auf“, sagte Carberry. „Mal sehen, wer am längsten durchhält, wenn wir um die Wette laufen.“

„Was ist mit unserem Gefangenen?“ fragte Hasard plötzlich.

„Er lebt nicht mehr“, erwiderte Ben und wurde rasch ernst. „Er versuchte zu fliehen. Um ein Haar wäre es ihm gelungen. Ich verheimliche nicht, daß wir zu dem Zeitpunkt ein wenig unachtsam waren. Aber wir verfolgten ihn, und Plymmie biß ihm die Kehle durch.“

„Es ist besser so“, sagte Hasard. „Er wäre uns sonst auch zur Last gefallen wie Don Ramon de Cubillo. Es hätte uns wenig genutzt, Carrero irgendwo auszusetzen. Er wäre uns auch von dort aus noch gefährlich geworden.“

Shane stieß einen grimmigen Laut aus. „Der Hund war giftiger als ein Sack voll Schlangen. Er hat empfangen, was er verdiente.“

„Es gibt noch sehr viel zu erzählen“, sagte Ben. „Wir waren auch in Arica.“

„So?“ sagte Hasard überrascht.

„Und dort hat es mächtig gekracht und geraucht, wie ich annehme?“ fragte Dan lachend.

 

„So ist es“, bestätigte Ferris Tucker. „Aber darüber müssen wir noch ausführlich berichten.“

„Nachher“, sagte der Seewolf. „Jetzt laßt uns unsere Sachen verstauen. Dann essen wir – und anschließend wird gefeiert.“

Arwenack war inzwischen auch erschienen. Er ließ „seinen“ Dan nicht mehr los. Er umarmte ihn, stieß schnatternde und keckernde Laute aus und war völlig aus dem Häuschen.

Batuti grinste. „Mann, o Mann“, sagte er. „Da könnte ich ja fast eifersüchtig werden.“

„Dann werde es doch mal“, sagte der Kutscher.

„Ich bin doch kein Heuchler“, brummte der Gambia-Mann.

Und Sir John landete mit einem Krächzen auf des Profos’ Schulter und verging sich an dessen Ohrläppchen. Carberrys Protest nutzte nichts, auch der Papagei mußte seine Freude irgendwie äußern. Dafür ließ er sogar die Bordhühner der „Estrella“, mit denen er sich angefreundet hatte, im Stich.

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