Buch lesen: «Erfolgreich als Solo-Trainer und -Berater», Seite 3

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Man bleibt solange Nobody-Solo, bis man von einem bekannten Klienten als seriöser Wertschöpfungspartner »bestätigt« oder »legitimiert« wird – nicht als »Einmal-Auftrag«, sondern als Tendenz, die anzeigt, dass man jetzt in einer neuen Liga spielt. Dazu muss man vorab aus seinen Produkten und Klienten ein finanziell tragfähiges Geschäftsmodell konzipiert haben, das Aussicht auf längerfristigen finanziellen Erfolg verspricht, und man muss dieses Geschäftsmodell in wirksamer Form im potentiellen Markt kommuniziert haben.

Man verlässt die Phase des Nobody-Solos, wenn man sich im Markt einen Namen als »legitimierter Wertschöpfungspartner« gemacht hat und dieser Meilenstein in einer Solo-Karriere Dauerhaftigkeit verspricht, auf der eine Freiberufler-Karriere ohne Existenzängste basieren kann. Bis dahin oszilliert man zwischen Prekariat auf der einen Seite und momentaner Umsatzzufriedenheit auf der anderen Seite, die jedoch keine immanente Verstetigung aufweist. Diese Schwelle des »Geschafft-Habens« wird in dem jungen Entrepreneurship-Fachgebiet als »legitimacy threshold« bezeichnet (RUTHERFORD / BULLER 2007, S. 78 ff.).

Was sind die häufigsten Nachlässigkeiten und Fehler in der Phase des Nobody-Solos?

• Man hat alles angenommen, was Umsatz bringt, ohne daraus Ideen für ein dauerhaftes Geschäftsmodell zu entwickeln.

• Wenn man zu unerwarteten Umsatzspitzen kommt, wird in Büro-Hardware (neuestes I-Phone etc.) und Demonstrationsluxus (größeres Auto) investiert, aber nicht in die Entwicklung von neuen Fachkompetenzen oder – besser – in die Vertiefung von vorhandenen Fachkompetenzen.

• Man ist aufgrund seiner engen finanziellen Ausstattung so auf das »Umsatz-machen-Müssen« fixiert, dass man seine Familie vernachlässigt, so dass Scheidungen in dieser Phase keine Seltenheit sind.

• Durch ein zu großzügiges »Kosten-Kleid« wird man zum permanenten Umsatz gezwungen, was sehr nachteilige Folgen für die eigene »work life-balance« hat.

Das häufigste schwellenüberwindende Ereignis im beruflichen Leben eines Trainers oder Beraters ist der Erhalt eines größeren Projekts von einem bedeutenden Klienten. Damit wird anderen Stakeholdern im Markt angezeigt, dass es ein Trainer oder Berater geschafft hat und dieser jetzt jenseits der »Legitimationsschwelle« operiert. Mit der »Legitimierung« als seriöser Wertschöpfungspartner folgen nun andere Aufträge, und man wird im Markt als interessanter Partner wahrgenommen. Zugleich verlässt man den Bereich der Arbeit mit gelegentlichen Nobody-Klienten unterhalb der »Legitimationsschwelle«, die erforderlich war, um genügend existenzsichernden cash flow zu generieren.

Die Themenkreise des »legitimierten Solos«

Der Aufstieg eines Nobody-Solos in die nächste Gruppe ist kein Automatismus. Es gibt genügend Nobody-Solo-Schicksale, die in der Zukunft im Freiberufler-Prekariat stehen bleiben und als »Feld-Wald- und-Wiesen-Trainer« alt werden. Oft noch ohne besondere finanzielle Vorsorge, sind diese Vertreter im Alter dann darauf angewiesen, von einem Partner unterstützt zu werden.

Wenn man den Sprung zu den »legitimierten Solos« geschafft hat, geht es um neue Themen, die nun aktiv angegangen werden müssen.

Der neue finanzielle Erfolg, den man jetzt erlebt, ist eine große Versuchung, die schon zu manchem »entgleisten Karrierezug« geführt hat. In dieser Phase sind Solos für Entgleisungen besonders anfällig. Jetzt steht das Thema an, wie man die finanziellen Erfolge investiert, um langfristig eine finanzielle Unabhängigkeit zu erzielen. Der jüngere »legitimierte Solo« kann dabei mit größerem Risiko investieren als sein älterer Kollege, dem bei Fehlentscheidungen weniger Zeit bleibt, um diese wettzumachen. Die Sicherung der finanziellen Unabhängigkeit verlangt i. w. S. eine Kompetenz im Umgang mit Geld, die nicht delegierbar ist.

Ein zweiter Themenkreis betrifft die Weiterentwicklung des bis anhin erfolgreichen Geschäftsmodells zu einer Themenführerschaft im Markt. Statt auf neue umsatzattraktive Geschäfte zu springen, gilt es, das bisherige Geschäftsmodell abzusichern und so zu ergänzen, dass der Markteintritt für Mitbewerber bei den Klienten erschwert wird. Falls das bisherige Geschäftsmodell noch nicht durchgängig »flow«-erzeugend war, sondern auch noch Einsätze enthielt, die nur Umsätze generierten, muss an diesen »Baustellen« der Feinjustierung gearbeitet werden. Es gibt somit eine Beschäftigung mit dem bisherigen Geschäftsmodell nach außen, das die Erhöhung der Anbieterautorität zum Ziel hat, und es gibt eine Beschäftigung mit dem bisherigen Geschäftsmodell nach innen, die den Grad der »flow«-Aktivitäten bei gleichbleibendem finanziellem Erfolg erhöht.

Ein besonderes Thema des »legitimierten Solos« ist der Umgang mit der großen Nachfrage nach seinen Produkten und Serviceleistungen in dieser Phase. Hier geht es darum, wie man die Falle der Anstellung von Mitarbeitern vermeidet, ohne auf den Umsatz zu verzichten. Jetzt zahlt sich die Investition in ein gepflegtes Netzwerk aus, aus dem man Partner für Projekte unter Vertrag mit finanzieller Beteiligung nehmen kann. Damit kann man als Solo einen hohen Umsatz mit großem finanziellem Erfolg generieren, ohne seine bisherige Infrastruktur zu verändern. Da diese Überlegung auch von anderen »legitimierten Solos« verfolgt wird, ist auch die Frage zu beantworten, wie man sich als Solo gegenüber kompetenten Netzwerkpartnern so attraktiv macht, dass diese bei einem selbst und nicht bei anderen Solos Projekte übernehmen.

Im beruflichen Kontext gilt es, bei der Verstetigung des bis anhin erfolgreichen Geschäftsmodells auch eine Strategie zu entwickeln, die keine Abhängigkeit von einem einzelnen Auftraggeber entstehen lässt und persönliche Präferenzen des Solos berücksichtigt (z. B. Auslandseinsätze zur Befriedigung interkultureller Interessen; keine Hotelaufenthalte wegen Familienorientierung und damit Bevorzugung von Klienten im nahen Mobilitätsradius etc.)

In dieser finanziell erfolgreichen Phase des »legitimierten Solos« taucht auch die Frage des steuerlichen Standorts auf, die man jetzt im Blick auf die Zukunft und auch mit der Perspektive, dass die Kinder das Haus bereits verlassen haben oder bald auf eigenen Füßen stehen, neu stellen muss.

Der finanziell erfolgreiche Solo schießt ein Eigentor, wenn er sich in dieser Phase nicht auch aktiv um seine anderen Life Styling-Interessen bemüht, die man gerne dem guten Geschäft opfert, speziell dann, wenn es ohnehin noch größtenteils »flow« generiert. Dazu gibt es vielerlei Überlegungen, u. a. auch die, dass man jetzt verstärkt danach sucht, seinen Partner in die eigenen beruflichen und persönlichen Projekte einzubinden – wenn man es nicht bereits getan hat.

Die Phase des »legitimierten Solos« ist auch eine Phase, in der besonders viele gravierende Fehler begangen werden, die ihren Ursprung im finanziellen Erfolg haben. Der Luxus der allmählich eintretenden finanziellen Unabhängigkeit muss dazu verwendet werden, um den ganz persönlichen Life Styling-Korridor zu finden und sich nicht an dem Verhaltensrepertoire von anderen Leistungseliten zu orientieren, die in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden.

Der Profi-Solo und seine Themenkreise

Mit der Auseinandersetzung um die Suche nach dem persönlich richtigen Life Styling-Korridor als zentrale Frage beginnt die Phase des Profi-Solos.

Die aus der vorgängigen Phase eingeleitete finanzielle Unabhängigkeit gilt es dauerhaft zu sichern. Wer die Situationen im volkswirtschaftlichen Umfeld in der Vergangenheit verfolgt hat, weiß, wie wichtig die vorrangige Vermögenssicherung gegenüber einer vordem verfolgten Vermögensmehrung ist.

Ein wichtiges Thema ist die Einrichtung von Zeitsouveränität in dieser für die meisten Solos fortgeschrittenen Lebensphase, in der Zeit das wichtigste Gut überhaupt geworden ist. Der Einsatz von Zeit ist zu verbinden mit Fragen danach, mit wem man sie verbringt, was man damit für Aktivitäten verfolgt oder für welche Projekte man sie noch einsetzt.

Man stellt als Profi-Solo die Arbeit nicht ein, sondern führt noch Projekte durch, die »flow« versprechen. Dabei ist wichtig, dass man bei den Projekten jeweils von einem jüngeren kompetenten Solo assistiert wird, denn es gibt immer Teile in einem Projekt, die erfolgskritisch sind, aber nicht unbedingt »flow« generieren. Für den noch aktiven Profi-Solo steht die intrinsische Befriedigung aus dem Projekt im Vordergrund – das Fakturieren gehört zur Ernsthaftigkeit der Projektdurchführung, nicht mehr jedoch primär zur Umsatzgenerierung.

Da man als Profi-Solo auch in dieser Phase wahrscheinlich mehr Nachfragen gegenübersteht, als man noch bereit ist, als Projekte anzunehmen, gibt es das Thema des »qualifizierten Nein-Sagens«, um dem Klienten die erlebte Wertschätzung adäquat zu vermitteln. Dazu gehört, dass man auch als Profi-Solo noch über ein Netzwerk von kompetenten Partnern verfügt, die man einem Klienten empfehlen kann.

Die wichtigsten Projekte in dieser Phase sind jedoch die, die ganz direkt die persönlichen Life Styling-Bedarfe befriedigen. Da man sich als Profi-Solo mit erfolgreicher Beratervergangenheit und bereits gelebter Zeitsouveränität in einer einzigartigen Situation befindet, sollte man darauf achten, sich nicht vom »mainstream«-Verhalten anderer Zeitgenossen in dieser Phase beeinflussen zu lassen.

Ein besonderes Thema des Profi-Solos ist die Frage, wie früh man daran denken sollte, in diese Phase einzutreten. Mit meiner heutigen Erfahrung würde ich darauf antworten, dass man mit dem Übergang in diese Phase mit den ersten Indikatoren von finanzieller Unabhängigkeit beginnen sollte. Der Wert eines beruflichen und persönlichen Lebens entsteht aus »flow« und erlebter subjektiv wichtiger Lebensqualität – und nicht im Maximieren des Ökonomischen. Dass es dazu auch notwendig ist, im Kopf einige Schalter umzulegen und Lebensprämissen zu überdenken, ist für viele kein vordergründiges Thema, aber deshalb umso bedeutsamer.

»Was können Sie einem Solo als persönliches Erfolgsmanagement aus Ihrer Erfahrung empfehlen?«

Das Leben ist nicht völlig planbar und soll auch nicht total verplant werden, aber man kann sich durchaus damit auseinandersetzen, welche positiven Erfahrungen und Entwicklungsrichtungen man bewusst in seinem Leben verfolgen will. Ich möchte Sie bei diesem Vorhaben mit dem »magischem Life Styling-Dreieck« unterstützen, mit dem Sie eine gesamthafte Sicht auf Ihre Lebenssituation vornehmen können.

Das magische Life Styling-Dreieck ist eine sehr krude Vorlage, an der man sich orientieren kann, um negative Überraschungen zu vermeiden und um ein Leben zu verfolgen, das in seinem Ablauf den positiven Erwartungen nahekommt.


Das magische Life Styling-Dreieck besteht aus drei Bestandsstücken und dem Umfeld:

Lebensqualität und ihre Optimierung

Dazu gehört beispielsweise:

• Zeitsouveränität (oder wie frei ist man, über die wichtigste Ressource im Leben zu verfügen?)

• Beziehungen zu den wichtigen Anderen in seinem Umfeld

• Gesunde Lebensführung

• Bedürfnisadäquater Lebensstil

• Eine persönliche Lebensphilosophie als Werteplattform

Arbeit als Lebenselixier

Zu jedem Leben gehört Arbeit oder eine sinnstiftende Betätigung. Damit Arbeit zu einer positiven Erfahrung wird, kann man sich beispielhaft mit den folgenden Themen befassen:

• Berufliche Höhepunkte planen

• Negative Hygienefaktoren und ihre Minimierung

• Art, Umfang und Selbstbestimmung der Dosis (oder wie viel möchte ich arbeiten?)

»Flow«-basiertes Portfolio von Aktivitäten

Finanzen als Voraussetzung

Ohne Verfügung über Geld geht wenig in unserer Gesellschaft. Damit Sie sich grob orientieren können, lohnt ein Blick auf die finanziellen Aggregatzustände:

• Chronisch finanzielle Engpässe

• Regelmäßige »Break-even«-Hoffnungen

• Finanzielles Auskommen

• Finanzielle Sicherheit (in kurz- und mittelfristiger Sicht)

• Finanzielle Unabhängigkeit (in längerfristiger Sicht)

Ökonomisch-politisches Umfeld

Zu jedem Leben gehört immer ein Umfeld, das die Bestandsstücke im magischen Life Styling-Dreieck beeinflusst – sei es die wirtschaftliche Situation im Beruf oder in der Branche oder die politische Großwetterlage, die individuelle Life Styling-Entscheidungen tangieren.

Das magische Life Styling-Dreieck möchte Entscheider dazu anregen, ein Leben in Balance zu führen. Da eine bestimmte finanzielle Situation jedoch sehr häufig den Bedingungsrahmen für Entscheidungen hinsichtlich der Arbeit und einer optimierten Lebensqualität bildet, kann es notwendig sein, vorübergehend mehr in den Aufbau einer stabilen finanziellen Situation zu investieren. Diese Position beziehe ich mit einem gewissen Vorbehalt, weil ich sonst durchaus ein Leben im »Hier und Jetzt« bejahe und gegen den Aufschub von verfolgter Lebensqualität bin – beispielsweise sollte man einen Ausstieg auf Zeit oder ein Sabbatical dann wahrnehmen, wenn man dazu die innere Disposition und Neigung hat und nicht, wenn das Konto diese Lebensqualitätsmaßnahmen zulässt.

Strategische Positionierung

Strategie, strategische Positionierung und Geschäftsmodell sind zwischenzeitlich recht abgenützte Begriffe. Gleichwohl muss sich jeder Solo ab irgendeinem Zeitpunkt mit fünf grundsätzlichen Facetten seiner Geschäftstätigkeit befassen, deren Beantwortung dann seine strategische Positionierung oder sein Geschäftsmodell abgeben. Ich lehne mich dabei an einen Beitrag in der Harvard Business Review an:

»Who is the customer?

What does the customer value?

How do we make money in this business?

What is the underlying economic logic that explains how we can deliver value to customers at an appropriate cost?

A competitive strategy explains how you will do better than your rivals. And doing better… means being different.«

(MAGRETTA 2002, S. 87 ff.)

Im Markt der PE und FKE ist das Spektrum der Leistungen, mit denen man bei Klienten Umsätze fakturieren kann, überschaubar. Umso mehr kommt es deshalb darauf an, wie man sich als Solo gegenüber Mitanbietern differenzierend positioniert und seine Einzigartigkeit dann auch kommuniziert.

Im Folgenden beantworte ich die Fragen, die sich mit den häufigsten Geschäftsmodellen von Solos im Markt der PE und FKE ergeben haben.

Einige Überlegungen zur Wahl der strategischen Positionierung

»Was sollten Solos über Bedarfe vor einer strategischen Positionierung wissen?«

Ich stelle immer wieder fest, dass Solos, die auf ihrem Fachgebiet durchaus kompetent sind, sich über die Bedarfsfelder in Unternehmen, die sie bearbeiten wollen, falsche Vorstellungen machen.

Nehmen Sie beispielsweise einen Führungstrainer, der sich auf die Behandlung von Führungsproblemen und auf die Weiterbildung von Fach- und Führungskräften in KMU-Strukturen spezialisiert hat. Hier gibt es einen natürlichen Bedarf, weil es keinen ausgewiesenen Fachmann in diesen Unternehmensgrößen gibt, der dafür zuständig ist. Das Problem in seinem Fall liegt nicht in dem zweifellos vorhandenen Bedarfsvolumen; er muss vielmehr den Markt in der Weise bearbeiten, dass man in den betroffenen Unternehmen diese Bedarfe erkennt und in Angriff nimmt – und nicht als Schwachstelle bei guten Ergebniszahlen toleriert.

Bei einem Solo, der sich als Change-Management-Experte versteht, stellt sich das Problem wieder anders dar. Auch hier gibt es Bedarf, man traut jedoch einem Solo nicht zu, derartige Projekte zu stemmen und wendet sich stattdessen größeren Beratergruppen zu, die über mehr Kapazität verfügen. Seine Herausforderung wäre eigentlich, sich nicht um totale Change Management-Projekte zu bemühen, sondern Klienten deutlich zu machen, dass ihr Bedarf für seine spezifische Arbeit in der Präzisierung des Bedarfsfelds liegt und dass es ihm um die Erarbeitung einer Design-Architektur für das nachfolgende Projekt geht, für dessen Durchführung das Unternehmen bei der Auswahl der passenden Berater- und Trainergruppe unterstützt wird. Sicherlich kein leichtes Unterfangen, aber passend für Solos mit überdurchschnittlicher Change-Management-Kompetenz.

Etwas anders sieht die Bedarfssituation bei einem Solo aus, der Marketing-Strategie auf seine Fahnen geschrieben hat. In seinem Fall verfügen fast alle Unternehmen über eine Fach- oder Führungskraft, die für strategische Fragen im Marketing zuständig ist. Bedarf für diesen Solo setzt voraus, dass der verantwortliche Mitarbeiter im Unternehmen seinen Aufgaben nicht oder nur ungenügend nachkommt und einen Berater als Nachhilfe braucht. Der Bedarf für Solos mit dieser Ausrichtung ist entsprechend klein. Was für Solos mit Marketing-Expertise gilt, trifft auch für andere Fachgebiete zu, bei denen es im Unternehmen ausgewiesene Fachleute gibt (außer in P- und PE-Abteilungen).

Natürlich haben diese betrieblichen Experten Bedarf, der jedoch nicht darin besteht, dass andere die Aufgaben erledigen, für die sie eingestellt wurden. Sie haben vielmehr als oft alleinige Spezialisten im Unternehmen den Bedarf nach einem »Schatten« oder einer »Tenniswand«, um ihre Konzepte auf den Prüfstand zu stellen. Der Sparring-Bedarf eines betrieblichen Spezialisten ist jedoch in der Art, im Volumen, in der Marktbearbeitung und in den dafür notwendigen Kompetenzen völlig anders als der Bedarf nach der Entwicklung einer Marketing-Strategie, für die ein Marketing-Profi zum Einsatz kommen will.

Wieder anders sieht es bei einem Solo aus, der sich auf Produktivitätssteigerung in Krankenhäusern und Krankenhaus-Management spezialisiert. Der zweifellos vorhandene riesige Bedarf ist kaum in Projekte umzusetzen, weil die Verantwortlichen dafür schwer erreichbar sind und oft auch wenig incentives für Veränderungen haben.

Ein Führungstrainer positioniert sich für die Bearbeitung der neuen modischen Leadership-Bedarfe, die als Bedarfe der Führung von Unternehmen im Wandel ein riesiges Volumen in der Wirtschaft haben. Er übersieht jedoch dabei, dass Leadership-Programme im Wesentlichen mit oberen Führungskräften durchgeführt werden, für die er als Zielgruppe nicht das notwendige Persönlichkeitsformat hat. Der Bedarf bleibt für ihn unbearbeitet.

In internationalen Unternehmen gibt es einen wachsenden Bedarf, für dessen Bearbeitung nur wenige kompetente Berater in Frage kommen. Solos, die sich dieser Bedarfe annehmen, tun sich jedoch gleichwohl schwer, aus diesen großen Bedarfen und der geringen Zahl der Beraterkonkurrenten Projekte zu generieren, weil die »ownership« der Bedarfe unklar ist und PE-ler in internationalen Unternehmen als Adressaten für allfällige Bedarfslöser oft zu »schlafmützig« sind und mit den Bedarfen nichts anfangen können.

Erschwerend kommt bei der Bearbeitung der sehr heterogenen Bedarfe als Folge der Internationalisierung hinzu, dass dahinter jeweils sehr unterschiedliche »Bedarfsverantwortliche« stehen, die zwar ein Budget für die Bedarfsbearbeitung zur Verfügung stellen könnten, denen jedoch der Bedarf noch gar nicht bewusst ist. Wenn ein objektiv vorhandener Bedarf noch nie als Bedarf wahrgenommen und bearbeitet wurde, hat man es als Trainer oder Berater immer schwer, seine innovativen Produkte und Serviceleistungen als Bedarfslöser in finanziell attraktive Projekte umzusetzen. Solos, die mit ihren Bedarfslösern am Beginn einer »Produkt-/ Lebenskurve« stehen, müssen davon ausgehen, dass sie überdurchschnittliche Marktbearbeitungsenergien einsetzen müssen, die zwar die potentiellen Klienten auf der AIDA-Treppe (attention – interest – desire – action) etwas voranbringen können, ohne dass jedoch der vorhandene Bedarf sich immer gleich in bedarfsbearbeitenden Projekten niederschlägt. Solos, die ausschließlich mit innovativen Produkten für jungfräuliche Bedarfe auftreten, tun sich im Markt sehr schwer und gehören deshalb nie zu den finanziell besonders erfolgreichen Vertretern.

Viele Solos begehen den Fehler, dass sie den Teil des Bedarfs, den sie aus ihrem Expertenwissen ableiten, im Volumen und in der Bearbeitungsdringlichkeit überschätzen und die Teile des Bedarfs, die aus einer Prozess- und Coaching-Kompetenz befriedigt werden, unterschätzen. Bedarfe oder scheinbare Bedarfe müssen immer aus der Klientenperspektive verstanden werden.

Zudem habe ich bei meinen Gesprächen mit Solos erkennen können, dass der Grad des Widerstands, der in einem Bedarfsfeld bei Klienten vorhanden ist, wenig Beachtung erfährt. »Was löse ich mit meiner Positionierung aus?« ist eine Frage, die ich jedem Solo stelle, wenn er sich mit einem bestimmten Geschäftsmodell im Markt aufstellen möchte. Bedarfe sind keine reifen Äpfel, die es nur zu pflücken gilt, wenn man an sie herankommt. Hinter jedem Bedarfsfeld sind Kräfte verborgen, die bis jetzt verhindert haben, dass dieser Bedarf bearbeitet wurde. Dieses Bild ist vielen Beratern unbekannt. Der Erfolg eines Solos hat nicht nur mit vorhandener inhaltlicher Fachkompetenz zu tun, sondern mit der Verdeutlichungskompetenz, worin eigentlich der Bedarf von Klienten besteht und welchen Wertschöpfungsbeitrag ein Solo in der Lage ist zu leisten. Und Wertschöpfungsbeitrag verlangt gleichzeitig auch eine entsprechende Wertschätzung dessen, was ein Berater beim bearbeiteten Bedarf erbringt. Ohne Stimulierung der Wertschätzungsdimension bleiben Bedarfe oft unbearbeitet.

»Welche Bedeutung hat die minimalinvasive Arbeitsmethodik für die strategische Positionierung?«

Der Begriff der minimalinvasiven Bearbeitung von Bedarfen ist dem Bereich der Chirurgie entlehnt. Dort steht die sog. »Schlüsselloch-Chirurgie« für eine Vorgehensweise, bei der ein Patient mit einer besonders schonenden Methode operativ behandelt wird. Die minimalinvasive Appendektomie entfernt den Blinddarm mit einer chirurgisch eher unaufwändigen Methodik, führt zu einer geringeren Belastung des Patientenorganismus, verkürzt dessen Hospitalaufenthalt und reduziert die potentiellen Nebeneffekte, die bei größeren Eingriffen und dadurch bedingter längerer Verweildauer im Hospital (z. B. Ansteckung durch Krankenhauskeime) immer auftreten können.

Ich habe dieses Bild der minimalinvasiven Chirurgie auf die Bearbeitung von Bedarfen im Unternehmen übertragen. Damit soll vermittelt werden, dass man mit einer möglichst schonenden Methodik Bedarfe im Unternehmen bearbeiten sollte, um mit der Bedarfsbearbeitung keine weiteren Bedarfe als Nebeneffekte zu generieren, die oft durch ihre Evidenz einen Bearbeitungszwang bei den Mitarbeitern veranlassen.

Die minimalinvasive Bearbeitungsmethodik habe ich Unternehmen als Alternative zur Vorgehensweise größerer Trainer- und Beratergruppen vorgeschlagen, die oft mit einer massiven Breitseite von diagnostischen und bedarfsbearbeitenden Methoden (Seminare, Coaching, Tests, Feedback-Systeme etc.) im Unternehmen auftreten. Ob es sich immer um eine ausgemachte Gaunermethodik handelt oder ob es hier nur um professionelle Kunstfehler geht, kann ich als Frage offen lassen. In jedem Fall führt die Bedarfsbearbeitung durch größere Gruppen zu massiven Interventionen im Unternehmen, bei denen man nicht mehr weiß, ob eigentlich noch das Klientensystem oder primär die Auslastung der eigenen »monkeys« im Fokus der verfolgten Nutzenstiftung steht.

Gegenüber dieser Arbeitsweise von größeren Gruppen habe ich Solos empfohlen, ihre Klienten mit einer wesentlich schonenderen Bedarfsbearbeitungsmethodik zu bedienen und nur dort, wo es unbedingt notwendig ist, mit einer passenden Interventionstiefe einzugreifen. Damit man einem Unternehmen bei den richtigen bearbeitungsbedürftigen Bedarfen helfen kann, muss man das Klientensystem auch diagnostizieren – allerdings nicht mit reaktiven Datenerhebungsmethoden, die bei einem Klienten immer einen Bearbeitungszwang für seine Bedarfe auslösen.

Ein Solo als Vertreter der minimalinvasiven Bearbeitungsmethodik hält sich während der Diagnosephase unauffällig im System auf, um es zu verstehen. In der Fachliteratur wird dieses Vorgehen in der diagnostischen Datenerfassung auch als »Colombo-Methode« bezeichnet – im Unterschied zu der »Sherlock Holmes-Methode«, die durch eine analytisch begründete Fragenkaskade Bedarfe freilegen will.

Die minimalinvasive Bearbeitungsmethode ist speziell für KMU interessant, die sich nicht erlauben können, für Trainings- und Beratungsinterventionen ein Honorarvolumen zu budgetieren, das dem Umsatz von mehreren Monaten entspricht. KMU sind immer Ansammlungen von Unvollkommenheiten, die ein sehr verantwortliches Agieren auf Seiten eines Beraters verlangen. Der Einsatz der minimalinvasiven Bearbeitungsmethodik gehört gerade bei dieser Klientenkategorie zu einem besonderen Gütesiegel. Sie können den Einsatz dieser Methodik in etwas salopper Diktion aber auch so umschreiben: Wer mit einer minimalinvasiven Bearbeitungsmethodik bei Klienten arbeitet, ist mit Sicherheit kein Gauner!

»Gibt es einen Zusammenhang zwischen der strategischen Positionierung und der eigenen Karrierepersönlichkeit eines Solos?«

Ich habe regelmäßig in meiner »Strategischen Woche« den Indikator von DERR (1986) zur Bestimmung der Karrierepersönlichkeit von PE-lern verwendet, um den Teilnehmern aufzuzeigen, wie die eigene Karrierepersönlichkeit die im Unternehmen angebotenen Produkte und Serviceleistungen bestimmt. Demnach ist es beinahe zwangsläufig, dass beispielsweise ein »gettingahead«-PE-ler sich eher mit klassischen Assessment-Instrumenten beschäftigt, während ein »getting high«-PE-ler seine Präferenz in anspruchsvollen Förderungsprogrammen sieht. DERR hat in einem wenig beachteten Kapitel seines Buchs (S. 243 ff.) auf den Zusammenhang von Karrierepersönlichkeit und PE-Produkten aufmerksam gemacht.

Was für PE-ler mit ihrem Freiheitsgrad im Unternehmen gilt, wird noch bedeutsamer für Solo-Berater am Beginn ihrer Beratungstätigkeit. Man wählt nicht einfach Produkte und Serviceleistungen nach der SWOT-Analyse (»strengths – weaknesses – opportunities – threats«) aus, sondern macht sich zunächst die bestimmenden Persönlichkeitsmerkmale klar.

Ein Berater mit einer starken »getting ahead«-Orientierung (nach DERR) wird sich vor der Wahl seiner Positionierung vorab intensiv damit beschäftigen müssen, ob sich seine Persönlichkeitsdisposition überhaupt mit einer Solo-Beratertätigkeit verträgt. Die Versuchung, »größer« zu werden, Mitarbeiter zu beschäftigen und bei Spannungen zwischen Lebensgestaltung und beruflichen Vorteilen die persönliche Lebensqualität hintanzustellen, ist bei einem »getting ahead«-Typ recht ausgeprägt. Wenn die »getting ahead«-Orientierung mit einer ausgeprägten »getting high«-Orientierung kombiniert ist, bei der der Berater durch die Faszination seiner Beratertätigkeit selbst und nicht durch die ausgelösten Effekte motiviert wird, können sehr leicht Rollenkonflikte entstehen.

Auch die Wahl einzelner Produkte hat eine Beziehung zu den Werten eines Beraters. Die Durchführung eines überbetrieblichen Programms passt insbesondere zu den Werten von Autonomie, Unabhängigkeit (»getting free«) und fachlichem Anspruchsniveau (»getting high«). Einem Berater, der sich als Coach etablieren will, muss demgegenüber klar sein, dass er mit seiner Beraterhilfe andere Werte und Bedürfnisse befriedigt.

Die Opportunitäten im Markt sind für den Solo-Berater nicht die entscheidende Bestimmungsgröße für die Wahl seiner Strategie.

Wichtiger als Marktchancen ist die Kenntnis der eigenen Persönlichkeit für eine Deduktion der strategischen Positionierung: »Bringing who you are to what you do« lautet der Untertitel eines bekannten Beraterbuchs (BELLMAN 1990); dieser Standpunkt gehört auch zu den essentiellen strategischen Leitsätzen eines Solo-Beraters.

Natürlich muss sich auch ein wertgeleiteter Solo-Berater fragen, wie er mit seiner strategischen Positionierung und seinem Geschäftsmodell Geld verdient – aber auch diese Frage wird durch die persönlichen Verhältnisse und Werte bestimmt. Ich stelle in meinem Solo-Berater-Coaching immer sehr früh die Frage nach den finanziellen Bedürfnissen und Werten, die jemand als Berater leben möchte, um Eckpunkte zu erhalten, innerhalb denen sich ein Solo-Berater strategisch positioniert.

Viele Berater trauen am Beginn ihrer Arbeit nicht dem Modell der wert- und persönlichkeitsgeleiteten Positionierung und »knallen« sich mit allem, was sie kriegen können, den Kalender voll. Ein kleiner Teil davon kommt nach einiger Zeit zur Besinnung und stellt dann gerade jene Fragen, die man besser zu einem früheren Zeitpunkt behandelt hätte. Der größere Teil jedoch bleibt im »Paradies« des vollen Kalenders und beklagt gleichzeitig die persönliche Lebenssituation!

»Wie kann man Lebensqualität mit einer gewählten strategischen Positionierung verbinden?«

Solo-Beratung unterscheidet sich von anderen Organisationsformen in der Beratung besonders dadurch, dass man als eigener Unternehmer auftritt und mit diesem unternehmerischen Anspruch beruflichen Erfolg und Lebensqualität gleichzeitig anstrebt. Während man als angestellter Berater in großen Beratergruppen seine Projekte abarbeitet, die dann fakturiert werden und für den »Zahltag« Boni-Punkte bringen, hat ein Solo-Berater zumindest immer die theoretische Möglichkeit, bei einem angebotenen Projekt »nein« zu sagen. Die Option, Projekte auszuwählen, macht den Solo-Berater zum überlegeneren Berater für einen Auftraggeber – vorausgesetzt, der Solo-Berater hat sich die Bedingungen geschaffen, überhaupt Projekte ablehnen zu können.

Finanzielle Unabhängigkeit ist eine dieser Bedingungen, mit denen man sich die angesprochene Wahlentscheidung erleichtert. Dabei ist finanzielle Unabhängigkeit nicht lediglich eine Frage des Habenstands auf dem Bankkonto. Finanzielle Unabhängigkeit beginnt zunächst im Kopf – sie ist ein mentales Konstrukt. Sicherlich hilft es, wenn man zuvor eine Art »Kassensturzübung« gemacht hat und man auch weiß, was die persönlichen »cash flow«-Erfordernisse sind. Am Ende steht jedoch immer – egal wie hoch das eigene Vermögen ist – die persönliche Einstellung, dass man einen gewissen Grad an finanzieller Unabhängigkeit erreicht hat, der einem die Freiheit und Lust vermittelt, sich ausschließlich am Inhalt von neuen Projekten und an den Personen, für die man arbeitet, zu orientieren. Und dadurch entsteht »flow« in Serie und konkurrenzüberlegene Qualität und Einzigartigkeit in der Bearbeitung von Projekten für einen Auftraggeber.

Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
469 S. 16 Illustrationen
ISBN:
9783897976566
Rechteinhaber:
Bookwire
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Teil der Serie "Strategieumsetzende PE und Führungskräfte-Entwicklung; Hg. Rolf Th. Stiefel"
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