re:publica Reader 2015 – Tag 3

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re:publica Reader 2015 – Tag 3
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Die Macher

Das schnellste Buch der Welt geht in die nächste Runde: Gemeinsam mit der Berliner Zeitung, der Deutschen Journalistenschule (DJS) und der Self-Publishing-Plattform epubli vertreibt die re:publica drei eBooks mit den wichtigsten Trends und Themen von einer der größten Digital-Konferenzen weltweit. Unterstützt von Redakteurinnen und Redakteuren der Berliner Zeitung dokumentieren die Nachwuchsjournalisten der DJS auch in diesem Jahr die Top-Themen der re:publica jeden Tag in einem re:publica Reader (#rdr15). Für alle, die nicht an der re:publica teilnehmen konnten und für jene, die die Highlights noch einmal in Ruhe nachlesen möchten.

Die Partner des re:publica Readers

Deutsche Journalistenschule

Die DJS ist die renommierteste Journalistenschule in Deutschland. Seit 1949 wurden hier mehr als 2000 Studenten zu Redakteuren ausgebildet. Absolventen arbeiten heute in Redaktionen aller Medien, in Agenturen, als Korrespondenten im In- und Ausland oder als freie Autoren.

epubli

Die Self-Publishing-Plattform epubli ist Initiator des re:publica Readers und vertreibt die eBooks z.B. über Amazon, Apple, Google und Kobo. Über epubli können Bücher und eBooks unabhängig und zu Top-Konditionen weltweit veröffentlicht werden. Auch Journalisten und Bloggern bieten sich so zahlreiche Möglichkeiten, ihre Inhalte zu veröffentlichen.

Berliner Zeitung

Die Berliner Zeitung ist die meistverkaufte Abonnement-Zeitung in Berlin und damit Reichweitenführerin der Abonnement-Zeitungen im Großraum Berlin-Brandenburg. 2013 bekam die häufig ausgezeichnete Tageszeitung einen Preis für die beste mobile App. Auf Facebook hat sie die größte Fangemeinde unter den Berliner Abo-Tageszeitungen.

Die Show geht zu Ende

Schlussakkord in Moll. Nach drei Tagen ist die re:publica 2015 jetzt vorbei. Es wurde debattiert, gelacht und gefeiert. Wir haben einige Besucher nach ihren Highlights gefragt.

Stadt der Zukunft
Vorwort

W enn Prognosen stimmen, dass in 35 Jahren rund Zweidrittel der Weltbevölkerung in und um die Metropolen dieser Welt leben werden, dann muss die Subkonferenz der re:publica uns alle aufrütteln: Hält uns die Gegenwart in den Städten nicht viel zu sehr in Schach, als dass wir – die Stadtgesellschaften – uns mit der „Zukunftsstadt“ beschäftigen?

Leistungsfähige Infrastrukturen fehlen weltweit, aber wir brauchen sie als Lebensadern unserer Gesellschaft. Erst recht in der Zukunft. Für Lebensqualität, Sicherheit und aber auch für richtig verstandenen Wohlstand. „Zukunftsstadt“ ist immer auch ein Thema der Medien, auch im Sinne der Zukunft der Medien in unserer digitalen Welt. Denn die Stadtstrukturen, das wird die Subkonferenz einmal mehr zeigen, werden nicht einfacher sondern komplexer. Um so wichtiger, die Menschen weltweit aber auch vor ihrer eigenen Haustüre, in ihrer Stadt abzuholen. Zu erklären, zu übersetzen, anzuregen, Meinungen aufzugreifen, in Dialoge einbeziehen, nachzufragen, zu sortieren, einzuschätzen und immer wieder alles zu hinterfragen. Aber eben auch in die Zukunft zu führen. Eine großartige Aufgabe, gerade für Medien.

„Ohne die Gegenwart hat die Zukunft keine Zukunft“, hat ein kluger Mensch einmal festgehalten. Auf der Subkonferenz werden sie, die Teilnehmer vor Ort hier in Berlin und jene, die sich weltweit „zuschalten“, in der Gegenwart über die Zukunft diskutieren, Erfahrungen und Ideen austauschen. Begleitet von Medien, wie der „Berliner Zeitung“. Was wir alle brauchen: viel Erfolg!


Stefan Hilscher Geschäftsführer Berliner Verlag @shilscher

Stadt der Zukunft
Die urbanen Rückeroberer

Text: Christine Dankbar @C_Dankbar

Die Zukunft der Menschen wird in den Städten entschieden. Das ist weniger eine philosophische Frage als vielmehr eine Abstimmung mit den Füßen: In Deutschland lebt nur noch ein Drittel der Einwohner auf dem Land, Tendenz abnehmend. International ist der Trend ähnlich. Immer mehr Menschen zieht es in die Metropolen. Die Stadt der Zukunft war daher eines der großen Themen auf der re:publica. Wer im Zuschauerraum von Stage 2 einfach sitzen blieb, konnte sich eine Reihe interessanter Vorträge dazu anhören. Die Bandbreite reichte von technischen Vorschlägen zur Verbesserung der innerstädtischen Demokratie über die Vorstellung kultureller Projekte zur (Rück)eroberung des Lebensraumes in der Stadt bis hin zum anarchisch-komischen Projekt Gold Ground aus München, das bei seiner Präsentation Lach- und Beifallsstürme erntete.

Spree als Badegewässer?

Aber zuerst zum Ernsthaften. "Hack your City" (Speaker: Yannick Haan, Thomas Bartoschek, Thorsten Witt) heißt die Initiative, die Bürgern mittels Technik den Zugang zur Demokratie erleichtern will. Wir reden jetzt aber nicht von Hacker-Attacken aufs Bürgeramt. Im Gegenteil: Hier baut der Bürger selbst an seiner Stadt mit. Unter dem Motto "Citizen Participation 3000" (Speaker: Julia Kloiber, Fiona Krakenbürger) werden an Interessierte sogenannte Sense Boxes ausgeteilt, mit denen sie sich zum Beispiel ihre eigene kleine Klima-Messstation bauen können. Die so ermittelten Messwerte werden auf einer eigenen Webseite gesammelt und ergänzen die wenigen offiziellen Messungen der Wetterstationen um sinnvolle Werte wie UV-Strahlung oder Feinstaubbelastung. Wer sich in Berlin dafür interessiert, ob man die Spree wieder zum Badegewässer machen kann oder Apps entwickeln will, die helfen, den Fahrradverkehr zu optimieren, kann am kommenden Sonntag am Berliner Hackthon teilnehmen (www.hackyourcity.de/berlin).

Weniger Spielplätze, weniger Parks

Aber es geht auch viel unmittelbarer. Und grundsätzlicher. Wem gehört die Stadt? Die Folgen der Landflucht sind ja wohl klar: Wo jeder hinwill, wird der Platz knapp. Und teuer. Es gibt weniger bezahlbare Wohnungen, weniger Spielplätze und weniger Parks, die für alle gleichermaßen, also kostenlos, zugänglich sind. Dafür ufern die Shopping Malls aus. Wer sich im öffentlichen Raum bewegt, soll Geld ausgeben. Und anschließend brav nach Hause gehen. Herumlungern auf der Straße ist nicht vorgesehen. Das kann man sogar im Berliner Straßengesetz nachlesen. Dort steht, dass Straßen nur zum "Gemeingebrauch" vorgesehen sind: „Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr genutzt wird.” Wer sich also nicht brav von A nach B bewegt, handelt ungesetzlich!

Das ist die Lage der Dinge, wie sie der Berliner Künstler Sebastian Quack aus Berlin und die Kulturaktivistin Gilly Karjevsky aus Tel Aviv in ihrem Referat "Negotiating Playful Commons in Public Spaces" schildern und danach sofort Tipps geben, wie man sich den öffentlichen Raum (zurück)erobert. Initiativen treffen sich zum gemeinsamen Spielen auf der Straße - wir reden hier von Erwachsenen. Verbotsschilder in Parks werden überklebt mit freundlichen Hinweisen, was man alles darf.

Noch einen Schritt weiter ist der Münchner Aktivist Alex Rühle gegangen. Er gründete vor drei Jahren "aus psychischer Notwehr" zusammen mit zwei Freunden ein - natürlich fiktives - Immobilienunternehmen. Sie nannten es Gold Ground und entwickelten eine Webseite, auf der die "Gentle Fication" eines Spielplatzes an der Münchner Freiheit angekündigt wurde - ein riesiger Wohnkomplex mit Luxuswohnungen statt spielender Kinder. Rühle wollte mit der Aktion die öffentliche Debatte über die Missstände in der Wohnungspolitik auf sich ziehen und diese Energie nutzen.

Statt Luxuswohnungen: Flüchtlingsheim

Im Internet wurden Apartments für acht Millionen Euro angeboten. „Auf das Angebot meldeten sich auf Anhieb acht Makler, die das Konzept toll fanden und die Wohnungen für uns verkaufen wollten”, erzählte Rühle grinsend. Es meldeten sich aber vor allem die aufgeschreckten Anwohner und sorgten mit ihrem Protesten für reichlich Öffentlichkeit. Was die nächsten Projekte der entlarvten Satire-Firma erschwerte. Die verlagerte ihre Geschäftsaktivitäten und prangerte nun den Leerstand der städtischen Wohnungen an. Mit Erfolg. In der Müllerstraße soll nun aus drei ursprünglich zum Abriss freigegebenen Häusern ein Muster-Flüchtlingsheim entstehen. Was mal wieder zeigt: Es geht doch.

Stadt der Zukunft
Grüne digitale Welt

Text: Bastian Hosan @BastiHosan

Speaker: Anna Galder, Constantin Alexander, Julia Jaroschewski, Sonja Peteranderl

E in Hochhauskomplex in Hannover, das Ihmezentrum, ist für Constantin Alexander Sinnbild für den Wandel in den Städten. „Das ist das größte Betonfundament Europas”, sagt der Stadtplaner, der selbst in dem Gebäude wohnt. Der Klotz, der inzwischen ganz schön runtergekommen ist, wurde in den sechziger Jahren gebaut, heute gehört er einer Firma. Große Teile stehen leer. „Die offiziellen Stellen der Stadt sprechen nicht mehr über das Ihmezentrum”, sagt er. Der Grund: Der Betonklotz habe einen schlechten Ruf bei den Bürgern, die Einwohner gelten als kriminell – viele Hannoveraner hoffen, dass das Beton-Monster bald dem Erdboden gleich gemacht wird.

Gentrifizierung im Block

Alexander aber liebt den Ort, an dem er wohnt. „Ich weiß nicht, wer hier schon alles gelebt hat. Aber ich will da nicht mehr raus.” Die Nachbarn seien entgegen aller Gerüchte nett, hilfsbereit und freundlich. Akademiker leben neben Arbeitern. Die Wohnungen: modern, zweckmäßig und komfortabel. Kurz: Das Leben dort sei gut.

 

Nur, viele der Geschäftsräume stehen leer. Also, was tun? Alexanders Antwort darauf ist „Privatwirtschaft”. So könne sich jeder um das Gebäude kümmern, die Verantwortung läge nicht, wie jetzt, bei einer Firma, sie läge bei allen – um aus dem alten Klotz eine neue Wohn-Welt zu machen, sei die Initiative aller gefragt.

2012 neue Gärten für London

Aus Grau mach Grün - das gilt nicht nur in Hannover. Die Stadtplanerin Anna Galder hat ein Ziel. Sie will die Ernährungssysteme von Städten verändern. Galder nennt die Stadt London als Beispiel. „Im Jahr 2006 hat Bürgermeister Boris Johnson ein Programm ausgerufen, nach dem zukünftig jeder Bürger Zugang zu gesunden, lokalen und ökologischen Lebensmitteln haben soll”, sagt sie. Die Stadt der Zukunft: In London ist wenigstens ein Teil von ihr schon im Jahr 2012 Wirklichkeit geworden. „Das Ziel war, 2012 neue urbane Gärten bis zu den olympischen Spielen im Jahr 2012 zu schaffen.” Gesagt, getan. Doch sei Urban Gardening nur ein Anfang, das Ernährungssystem von Städten vom Kopf auf die Füße zu stellen. „Die Londoner haben das an administrativ hoher Stelle aufgehängt”, sagt sie. Neben den neuen Gärten in den Städten habe die Stadt auch das Kantinenessen umgestellt. Von Massenfraß zu regionalem Bio-Essen. Utopia is already there: Zwei Konzepte aus Europa, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch ein Ziel haben. Die moderne Stadt.

Ab in die Favela

In Brasiliens Großstädten geht es weniger ums Essen, als um die Sicherheit. „In Städten wie Rio leben bis zu einem Viertel der Menschen in Favelas”, sagt Julia Jaroschwski. Sie ist gemeinsam mit Sonja Peterandel in eine Favela gezogen, um zu erforschen, was das Leben der Menschen dort ausmacht. Ihre Beobachtung: Soziale Netzwerke machen das Leben sicherer. Ging die Gewalt von rivalisierenden Banden oder der Polizei vorher unter, weil sich niemand für die Favelas interessierte, haben die Menschen mit Facebook, Twitter und Co. eine eigene Öffentlichkeit geschaffen.

Bei Schießereien reagiere die digitale Gemeinde sofort, stelle Ort und Zeit der Gewalteskalation online – „die Menschen meiden diese Orte dann”. Das Leben wird sicherer. Doch es geht auch in den Favelas um mehr: „Die größten Favelas Rios wurden früher bei Google-Maps nicht angezeigt”, sagt Sonja Peterandel. Totschweigen, das Problem unter den Teppich kehren. Die alte Devise klappt nun nicht mehr.

Digitaler Aufschrei

Der Schrei aus der digitalen Welt der Favelas habe dafür gesorgt, dass die Behörden reagieren mussten. „Die Menschen haben inzwischen legalen Strom. Auch dort wo sie ihn sich vorher illegal beschafft haben”, erklärt Peterander. Infrastruktur entstehe, die Bewohner der Favelas schafften sich ihre eigene Perspektive. Drei Konzepte, wie gesagt, ein Ziel: Die Stadt von morgen. In London, Rio und Hannover entsteht sie. Schon heute.

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