re:publica Reader 2014 – Tag 2

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re:publica Reader 2014 – Tag 2
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Einleitung

Das schnellste Buch der Welt geht in die nächste Runde: Gemeinsam mit der Deutschen Journalistenschule (DJS) und der Self-Publishing-Plattform epubli vertreibt die re:publica drei eBooks mit den wichtigsten Trends und Themen von einer der größten Digital-Konferenzen weltweit. Nach dem erfolgreichen Auftakt 2013 dokumentieren die Nachwuchsjournalisten der DJS auch in diesem Jahr die Top-Themen der re:publica jeden Tag in einem re:publica Reader (#rp14rdr). Für alle, die nicht an der re:publica teilnehmen konnten und für jene, die die Highlights noch einmal in Ruhe nachlesen möchten.

Die Partner des re:publica Readers:

Deutsche Journalistenschule

Die DJS ist die renommierteste Journalistenschule in Deutschland. Seit 1949 wurden hier mehr als 2000 Studenten zu Redakteuren ausgebildet. Absolventen arbeiten heute in Redaktionen aller Medien, in Agenturen, als Korrespondenten im In- und Ausland oder als freie Autoren.

epubli

Die Self-Publishing-Plattform epubli ist Initiator des re:publica Readers und vertreibt die eBooks z.B. über Amazon, Apple, Google und Kobo. Über epubli können Bücher und eBooks unabhängig und zu Top-Konditionen weltweit veröffentlicht werden. Auch Journalisten und Bloggern bieten sich so zahlreiche Möglichkeiten, ihre Inhalte zu veröffentlichen.

Editorial
Into the wild - auf ins "Neuland"!

Die Wildnis ist rau, unerforscht und manchmal gefährlich. Ein wunderbares Feld für junge, neugierige Forscher und Entdecker: 15 Schülerinnen und Schüler der Klasse 52B der Deutschen Journalistenschule (DJS) schildern in diesem Reader ihre Beobachtungen, die Menschen, Themen und Projekte der re:publica14. Es ist dies aber kein wissenschaftlicher Forschungsband, keine reine Tagungsdokumentation. Denn dafür sind die angehenden Journalisten einerseits zu wenig fachlich ausgebildet, andererseits wiederum zu gute und ambitionierte Autoren.

Mit dem re:publica-Reader, dem "schnellsten Buch der Welt", wollen wir Ihnen einen Eindruck von der wohl spannendsten und facettenreichsten Medienkonferenz der Republik geben. Denjenigen, die nicht dabei sein konnten und denen, die das, was in Vorträgen und Panels gesagt wurde, verpasst haben oder einfach in einer journalistisch aufbereiteten Fassung nachlesen wollen. Für mich als Journalistenausbilder eine großartige Gelegenheit, zwei Ziele zu erreichen: Die Vermittlung von spannenden und gesellschaftlich relevanten Inhalten und die Produktion eines journalistischen Textes unter großem Zeitdruck. In diesem Jahr mit einer zusätzlichen Herausforderung: dem Berliner Fenster. Denn die re:publica-News im Info-System der Berliner U-Bahn kommen ebenfalls von der 52B der DJS. Möglich gemacht haben das Projekt die Veranstalter der re:publica und das Team von epubli - denen ich an dieser Stelle sehr herzlich dafür danke!

Viel Vergnügen bei der Reise in die Wildnis wünscht

Jörg Sadrozinski

Leiter und Geschäftsführer der DJS

Vorwort
"re:publica auf allen Kanälen!" - Der re:publica Reader (#rp14rdr)

Nachdem der re:publica Reader 2013 erfolgreich an den Start gegangen ist, wagt die re:publica für 2014 wieder neue Wege. Die Schüler der Deutschen Journalistenschule (DJS) erstellen auch in diesem Jahr an jedem der drei Konferenztage ein eBook mit den spannendsten Inhalten des jeweiligen Tages. Darüber hinaus produzieren die Nachwuchsjournalisten die News für die 3.800 Berliner U-Bahn-Screens und tragen damit die Agenda der digitalen Gesellschaft an eine breite Öffentlichkeit heran: von Portraits inhaftierter Blogger über die Kernthesen der Speaker bis zu nützlichen Tipps für jeden User zur Datensicherheit oder E-Mail-Verschlüsselung.

Gleichzeitig liefern die Schüler mit diesem Reader eine umfassende Hintergrundberichterstattung zu den wichtigsten Themensträngen auf der Konferenz. Die Artikel zum Motto INTO THE WILD und den Schwerpunktthemen Aktivismus, Überwachtes Netz, Geschichtsschreibung, re:health, re:mobility, science:lab Open Science und Global Innovation Gathering sind als schnellstes Buch der Welt bereits am nächsten Morgen erhältlich. "Der re:publica Reader ist das erste eBook, das nach Druckerschwärze zu duften scheint – keines ist frischer, schneller, näher dran!" sagt Tanja Haeusler, Gründerin der re:publica. Und Andreas Gebhard, Gründer und Geschäftsführer der re:publica, fasst zusammen: "Neben Live-Stream, Videos und Podcasts von allen Sessions der re:publica 2014 sind die eBooks seit dem letzten Jahr Bestandteil unserer Veranstaltungsdokumentation. Zusammen mit unserer Social Media-Kommunikation und unserer Kooperation mit dem Berliner Fenster bei der Nachrichtenverbreitung bieten wir einen einmaligen Medienmix. Ich freue mich sagen zu können: re:publica auf allen Kanälen!"

Verena Dauerer

Projektleiterin bei der re:publica 14 für Berliner Fenster und epubli

INTO THE WILD
Rein ins Chaos

Text: Jana Felgenhauer

Mit seinen Enthüllungen zeigte Edward Snowden im Jahr 2013 der Internetgemeinde erneut, dass ihre Daten im Netz so schutzlos sind wie offene Herzen. Hilflosigkeit machte sich breit. Was kann man tun gegen die permanente Überwachung im Internet? Mit ihrem Motto "Into The Wild" möchte die re:publica ihren Besuchern in diesem Jahr zeigen, wie sie sich wehren können. Der Lösungsansatz heißt deshalb: Weg vom gewohnten Nutzungsverhalten, rein ins Chaos. Die Menschen sollen Neues wagen, unberechenbar sein – sich durch eine digitale Wildnis schlagen wie durch einen undurchdringlichen Wald, wo sie niemand mehr beobachten und kontrollieren kann. Was zu tun ist, wenn die Zivilisation tatsächlich wegbricht, damit beschäftigt sich zum Beispiel die Wissenschaftsjournalistin Annalee Newitz, die in ihrem Buch Scatter, Adapt, and Remember: How Humans Will Survive a Mass Extinction Untergangsszenarien vergangener Erdzeitalter untersucht hat. Auf der re:publica spricht sie über nichts Geringeres als den Fortbestand der Menschheit.

Das Motto "Into The Wild" lenkt den Blick auch darauf, wie Internet und Gesellschaft in naher Zukunft verstanden und verbessert werden können. Dazu gehören auch die Aspekte Umweltschutz und Nachhaltigkeit – veranschaulicht in einem Workshop, in dem eine Sau zerlegt wird. Denn im Gegensatz zu einem Schwein, das in qualvoller Massentierhaltung aufwächst und als Billigfleisch im Discounter landet, können alle Teile eines Tieres sinnvoll verarbeitet werden. Unterschwellig wird hier eine Brücke zum Datenschutz geschlagen: Denn genauso wenig wie wir wissen, was mit unseren Daten passiert, wenn sie im digitalen Limbus herumwabern, genauso wenig kennen wir die genaue Herkunft unserer Nahrungsmittel.

Speaker im Track "Into The Wild" heute: Constantin Seibt, Gesche Joost, Saskia Sassen, Kate Miltner, Ole Reißmann und Hakan Tanriverdi.

INTO THE WILD
Ein großer Irrtum
Statt mit der Zeitung Fliegen zu erschlagen, versuchen wir heute, Tablets in der Badewanne vor dem Ertrinken zu retten. Unsere Gewohnheiten haben sich geändert. Bedeutet das den Untergang der Tageszeitungen? "Nein, aber wir müssen für sie kämpfen", sagt der Schweizer Journalist Constantin Seibt.

Speaker: Constantin Seibt

Text: Rabea Zühlke

Das sogenannte Internet werde zu einem harmlosen Büromüll, schrieb Seibt 2001. Ein Irrtum. "Das Schöne in dem Beruf ist, dass wir uns irren dürfen", sagt Seibt in seinem Vortrag. Was dem Journalismus im 21. Jahrhundert aber fehle, seien neue Routinen und eine neue Produktlinie, sagt er.

"Früher fühlten wir uns ohne Zeitung zum Kaffee und zur Zigarette schlecht.” Das habe sich jetzt geändert, sagt Seibt. "Heute verkaufen wir keine Gewohnheiten mehr." Doch lange funktionierte es, das Gewohnheitspublikum zu bedienen. Mit einem einfachen Rezept: Mache keine Fehler, keinen großen Ärger und enttäusche deine Leser nicht. Über Jahrzehnte dachten Journalisten, sie verkaufen Nachrichten mit einem Schuss Meinung und Unterhaltung. Ein Irrtum. Sie verkauften Gewohnheiten, erklärt Seibt.

Heute haben sich die Routinen geändert. Die jungen Leute brauchen mehr, sie sind anspruchsvoll. Aber was heißt das für die Zeitung? "Das Produkt ist jetzt die Geschichte", sagt Seibt. "Die Leser wollen keine Neuigkeiten hören, sondern eine Geschichte." Und zwar eine gute. Nicht voller Fakten, sondern eine Geschichte mit Stil. "Fakten sind Dreck”, so Seibt.

Für eine gute Geschichte brauchen Journalisten im 21. Jahrhundert eine Haltung. "Eine richtige Haltung und keine Meinung", sagt Seibt. "Meinungen sind billige Ware, deswegen werden sie gedruckt." Dann zählt Seibt auf, welche drei Zutaten eine Haltung formen. "Das Erste ist Kühnheit", sagt Seibt. "Eine kühne Recherche, eine kühne Formulierung – sowas wie: Er war so auffällig wie ein Skorpion auf einer Sachertorte." Das Publikum lacht.

"Das Zweite ist die Aufrichtigkeit.” Ein Journalist müsse nicht nur nach außen schauen, wo die Fakten sind. Er müsse auch auf sein Herz hören. "Nach innen horchen, das ist manchmal viel schwieriger", sagt Seibt.

Zum Schluss brauche eine Haltung noch Debatten um neue Routinen. "Eine Haltung ist kein Zustand, sondern ein Prozess und er ist kompliziert", sagt Seibt. In Zukunft müsse es Debatten zu den einfachen Fragen geben: Wer sind wir? Was wollen wir? "Die Zeitung muss damit ganz neu gedacht werden: Als Projekt, als Club und als Expeditionsteam."

Ob das den Journalismus rettet, weiß auch Seibt nicht. "Aber wenn man schon untergeht, dann mit einem harten Kampf, mit einem Knall – nicht mit einem Winseln." Denn der Journalismus ist ein toller Beruf, um den es sich lohnt, zu kämpfen. Das Publikum freut sich, applaudiert. Mit einem leisen "Merci” verschwindet Seibt schließlich von der Bühne.

 

INTO THE WILD
Gemeinsam, statt einsam
Die Designforscherin Gesche Joost präsentiert Ideen, wie Menschen nicht mehr länger vom Internet ausgeschlossen werden.

Speaker: Gesche Joost

Text: Felix Hütten

Es funktioniert! Taubblinde Menschen können seit wenigen Wochen an der digitalen Welt teilnehmen. Das war lange anders: Taubblinde – also Menschen, die weder sehen, noch hören – kommunizieren über ein Morse-Alphabet. Sie tippen mit den Fingern in die Handflächen ihrer Gesprächspartner. Doch die sogenannte Lorm-Sprache hat zwei gravierende Nachteile: Die wenigsten Menschen beherrschen das Lorm-Alphabet – taubblinde Menschen kommunizieren so gut wie ausschließlich unter sich. Zudem basiert das Lorm-Alphabet auf körperlichem Kontakt – Taubblinde sind von jeglicher Online-Kommunikation ausgeschlossen.

Genau das wollen Gesche Joost und ihr Team ändern. An der Berliner Universität der Künste leitet die Professorin das Design Research Lab. Die Ideen ihrer Arbeitsgruppe drehen sich um gesellschaftliche Herausforderungen, man könnte auch sagen: Um Offline-Probleme, um Alltagssorgen. Die Frage ist: Wie kann das Internet helfen, diese Probleme zu lösen? Gesche Joost’ Antwort lautet: Partizipatives Design.

Niemand dürfe vom Internet ausgeschlossen werden, mahnt Gesche Joost. "Ich sehe eine tiefe digitale Spaltung und ich sehe das sehr kritisch", sagt sie. Am Beispiel von taubblinden Menschen zeigt Joost, wie es der Designforschung gelingt, die digitale Kluft zu überwinden: Mit ihrem Team entwickelte sie einen mit Drucksensoren bestückten Handschuh, der die Lorm-Berührungen des Kommunikationspartners registriert und in digitalen Text codiert. Per Bluetooth wird der Text an Smartphones gesendet und somit einem breiten Publikum zur Verfügung gestellt. Mit dem Handschuh haben Taubblinde erstmals die Möglichkeit mit Menschen zu kommunizieren, die das Lorm-Alphabet nicht verstehen. Und das an jedem Ort der Welt, via Twitter, Facebook – oder offline im Café.

Die Designforscherin Joost steht für Vernetzung, für ein Internet der Chancen. Sie steht für Barrierefreiheit und Inklusion – online gedacht. "Ich denke komplett pragmatisch", sagt Joost. "Wir müssen weg von tollen Ideen, die nicht funktionieren."

Mit dem Handschuh bewegen sich Joost und die Designforschung an der Schnittstelle zwischen Form und Funktion. Joost selbst bezeichnet sich als "Forscherin zur Mensch-Maschine-Interaktion" – mit dem Ziel, zwischen den Sphären zu vermitteln und zusammenzubringen, was auf den ersten Blick nicht zusammen passt. Dieser Aufgabe widmet sich Joost seit März auf höchster politischer Ebene: Als Internetbotschafterin der Bundesregierung berät sie die EU-Kommission in Fragen der digitalen Agenda. Es geht um das Ziel, allen Bürgern einen Zugang zum Netz zu ermöglichen. Egal ob jung oder alt, stumm, taub oder blind.

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