Medien in Deutschland

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Heinz Pürer

Medien in Deutschland

Presse – Rundfunk – Online

UVK Verlagsgesellschft mbH · Konstanz

mit UVK/Lucius · München

Prof. Dr. Heinz Pürer lehrte 1986–2012 Kommunikationswissenschaft an der Universität München.

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.shop.de.

Im Buch werden bei Berufsbezeichnungen nur die männlichen Formen verwendet. Selbstverständlich sind die weiblichen Formen jeweils mit gemeint.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2015

Einband: Atelier Reichert, Stuttgart

Einbandfoto: © psdesign1 · Fololia.com Satz: Klose Textmanagement, Berlin

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

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Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz

Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98

www.uvk.de UTB-Nr. 4262 eBook-ISBN 978-3-8463-4262-6

Inhalt


Vorwort
1Medienforschung
1.1Begriff »Medium«
1.1.1Medien – gesellschaftliche Instrumente
1.1.2Medien – (neue) Begriffsdifferenzierungen
1.1.3Medium – Dienst(e) – Diensteanbieter
1.2Zur Geschichte der Massenmedien
1.3Eigengesetzlichkeiten der Medien
1.4Organisationsformen der Massenmedien
2Medienstrukturen in Deutschland
2.1Presse in Deutschland
2.1.1Presse in der Bundesrepublik 1945–1989
2.1.2Presse in der DDR
2.1.3Presse zwischen Wende und Wiedervereinigung
2.1.4Presse nach der Wiedervereinigung
2.1.5Entwicklungen der Presse ab 1995
2.1.6Gegenwärtige Lage der Tagespresse
2.1.7Zeitschriften
2.2Rundfunk in Deutschland
2.2.1Zum Rundfunkbegriff
2.2.2Öffentlicher Rundfunk ab 1923
2.2.3Rundfunk im Nationalsozialismus (1933–1945)
2.2.4Der Rundfunk der Besatzungsmächte
2.2.5Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
2.2.6Privater Rundfunk
2.2.7EU und Rundfunk
2.3Die »neuen Medien« in Deutschland
2.3.1Multimedia, Digitalisierung, Datenkompression
2.3.2Internet
2.3.3Web 2.0, Social Web, User-generated Content
2.3.4Onlinezeitungen – Onlinezeitschriften
2.3.5Rechtliche Aspekte von Multimedia
3Zur Finanzierung der Medien
3.1Finanzierung der Presse
3.2Finanzierung des Rundfunks
3.2.1(Misch-)Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
3.2.2Finanzierung des privaten Rundfunks
3.3Finanzierung der Onlinemedien
3.4Marktzutritt in gesättigten Medienmärkten
Abbildungen
Literatur
Links
Personenindex
Sachindex

Vorwort

 

Die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft hat einen umfassenden Untersuchungsgegenstand: Sie befasst sich als Sozialwissenschaft primär mit allen Formen öffentlicher Kommunikation, insbesondere mit klassischer Massenkommunikation (Print, Radio, Fernsehen) sowie mit öffentlicher und teil-öffentlicher Kommunikation in und mittels Onlinemedien. Im Zentrum des Lehr- und Forschungsfeldes stehen in Analogie zum Ablauf publizistischer bzw. massenkommunikativer Prozesse die Kommunikator-, die Aussagen-, die Medien(struktur)- sowie die Rezipienten- und Wirkungsforschung. Diesen Feldern kann man sich aus unterschiedlichen Fachperspektiven nähern wie etwa der politologischen, der psychologischen und soziologischen Perspektive. Zur Klärung offener wissenschaftlicher Fragestellungen bedient sich das Fach weitgehend quantitativer und qualitativer sozialwissenschaftlich-empirischer Forschungstechniken.

In meinem 2003 erstmals publizierten sowie 2014 umfassend überarbeiteten und erweiterten Lehrbuch »Publizistik- und Kommunikationswissenschaft« habe ich versucht, das Lehr- und Forschungsfeld dieser Disziplin inhaltlich zu strukturieren und möglichst umfassend aufzubereiten. Es erscheint nun, neu konfektioniert, auch in Teilbänden. Der vorliegende Band enthält den Abschnitt über »Medienforschung – Medienstrukturen«, der sich mit Presse, Rundfunk (Radio, TV) und Onlinemedien in Deutschland befasst. Eingangs beschäftige ich mich mit dem im Fach teils unterschiedlich definierten und gebrauchten Begriff Medium. Es folgt ein kurz gehaltener Blick auf die Geschichte öffentlicher Kommunikation, insbesondere der (Massen-)Medien. Ausführungen über die weitgehend technisch bedingten Eigengesetzlichkeiten der Print-, Funk- und Onlinemedien schließen daran an, ehe im Weiteren wichtige Organisationsformen der Massenmedien in westlichen Demokratien vorgestellt werden. Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf einer Beschreibung der gegenwärtigen Strukturen der Medienlandschaft Deutschlands sowie der Finanzierung von Druck-, Funk- und digitalen Medien. Die Daten geben, sofern nicht anders vermerkt, den Stand zur Jahreswende 2012/13 wieder; stellenweise konnten darüber hinaus noch Ereignisse und Daten aus dem ersten Halbjahr 2013 berücksichtigt werden.

Neben zahlreichen Hinweisen im Text auf weiterführende Literatur enthält der Band ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie Links zu ausgewählten Institutionen und Organisationen der Massenmedien und deren Online-Auftritte, denen aktuelle Daten und Informationen über das deutsche Medienwesen und seinen raschen Wandel zu entnehmen sind.

Weitere Teilbände sind Grundbegriffen der Kommunikationswissenschaft, der Kommunikator- bzw. Journalismusforschung, der Rezipientenforschung sowie der Kommunikationswissenschaft als interdisziplinärer Sozialwissenschaft gewidmet. Ebenso gibt es einen Band zu den empirischen Forschungsmethoden. Alle Bände erscheinen auch als E-Books. Mit diesem Publikationsprogramm sollen Interessenten angesprochen werden, die sich ein Teilgebiet der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft erschließen wollen.

Ich danke Rüdiger Steiner, dem Verlagslektor von UVK, für die gute Zusammenarbeit bei der Entstehung des vorliegenden Buches.


München, im Januar 2015Heinz Pürer

1 Medienforschung

Der Begriff »Medienforschung« wird im allgemeinen Sprachgebrauch nicht selten als Synonym für Massenkommunikationsforschung generell gebraucht. Dies ist hier nicht gemeint. Im Hinblick auf die dieser Publikation zu Grunde gelegte Systematik von Kommunikationsprozessen befasst sich die Kommunikationswissenschaft im Bereich Medienforschung vielmehr mit den – nicht nur technischen – Mitteln und (Ver-)Mittlern der Kommunikation, deren man sich bedient, um anderen etwas mitzuteilen. In der Face-to-face-Kommunikation sind diese Mittel, wie erwähnt, primär die Sprache sowie eine Vielzahl nonverbaler Ausdrucksformen, die den Austausch von Informationen zwischen zwei oder auch mehr Kommunizierenden ermöglichen. In der technisch vermittelten Individualkommunikation (Telefon, Fax, SMS), in der Massenkommunikation (Print, Funk) sowie – mit notwendigen Differenzierungen – auch in der computervermittelten Kommunikation (Internet, Onlinekommunikation) sind Medien primär technische Geräte und organisationelle Infrastrukturen, mit deren Hilfe Botschaften und Mitteilungen generiert und ausgetauscht bzw. öffentlich vermittelt werden. In der Massenkommunikation sowie zu einem großen Teil auch in der computervermittelten Kommunikation werden diese technischen Medien in aller Regel von komplexen Organisationen wie Zeitungs- und Zeitschriftenbetrieben, Radio- und Fernsehanstalten, Film- und Videoproduktionsunternehmen, kommerziellen und nichtkommerziellen Onlineanbietern etc. betrieben. Da zahlreiche Medienunternehmen inzwischen Medienprodukte und Mediendienste unterschiedlicher Art anbieten, ist bei solchen Unternehmen auch von Medienhäusern bzw. Multimediakonzernen die Rede.

1.1 Begriff »Medium«

Im Zusammenhang mit dem Medien-Begriff ist zu erwähnen, dass die Kommunikationswissenschaft de facto über keine eindeutige bzw. einheitliche Begriffsbestimmung verfügt. Es gibt jedoch zahlreiche Bemühungen, zu einer Begrifflichkeit zu finden. Drei Themenkreise sollen mit Blick auf den Begriff Medium kurz erörtert werden: zunächst der Aspekt, dass technische Medien keine neutralen Instrumente sind; zum Zweiten Vorschläge deutschsprachiger Kommunikationsforscher zur Klärung und Ausdifferenzierung des Medienbegriffes; sowie schließlich drittens der Umstand, dass infolge neuer Entwicklungen im Kommunikationssystem (Multimedia, Digitalisierung, Konvergenz, Onlinekommunikation) herkömmliche Begriffe in Frage gestellt werden und über neue (Medien-)Begriffe nachgedacht werden muss.

1.1.1 Medien – gesellschaftliche Instrumente

Die Kommunikationswissenschaft ist lange Zeit von einem technischen Medienbegriff ausgegangen (das Druckmedium Zeitung, die Funkmedien Hörfunk und Fernsehen, der Film etc.) und hält z. T. noch immer daran fest. Darin ist jedoch eine unzulässige Verkürzung des Verständnisses von Medium bzw. Massenmedium zu sehen. Die deutschen Medienforscher Günter Bentele und Klaus Beck weisen zu Recht darauf hin, dass »technische Medien […] in mehrfacher Hinsicht ohne den Menschen nicht vorstellbar (sind): Sie wurden von Menschen in einem sozialen Prozess erfunden und entwickelt, über das ob und wie ihrer Anwendung wird beraten und gestritten. Technische Medien sind ohne eine soziale Form des Gebrauchs wirkungs- und bedeutungslos, denn sie sind im Wortsinne ›Mittel‹ und ›Vermittler‹« (Bentele/Beck 1994, S. 40). Der Wiener Kommunikationswissenschaftler Roland Burkart merkt an, dass ein kommunikationswissenschaftlicher Medienbegriff »nur dann nicht zu kurz (greift), wenn er berücksichtigt, dass das Vorhandensein einer technisch-kommunikativen Infrastruktur und auch die Art und Weise ihrer Nutzung erst dann angemessen erfasst werden kann, wenn man die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht übersieht, unter denen es zur Ausbildung, zur Bereitstellung und auch zur Nutzung dieser technischen Einrichtung kommt« (Burkart 1999, S. 67). Dies heißt, dass die Medien neben ihren technischen Ausprägungen und Bedingtheiten von der Art und Weise ihrer politischen, sozialen und ökonomischen Organisation und Implementation in das System der Massenkommunikation sowie von ihren Nutzungsweisen im Alltag nicht zu trennen sind.

Diese Überlegungen sollen am Beispiel der klassischen Massenmedien kurz konkretisiert werden. Um zunächst bei technischen Aspekten zu bleiben: Auf Grund ihrer unterschiedlichen technischen Eigengesetzlichkeiten und Zwänge erfordert und bedingt das statische Druckmedium Zeitung andere Produktionsweisen, Darstellungsmöglichkeiten und Kommunikationsmodi als etwa der flüchtige Hörfunk (auditives bzw. Tonmedium) und dieser wieder andere als die audiovisuellen Medien Film und Fernsehen (Bild und Ton). Ähnliches gilt für Onlinemedien, die sich oft multimedialer Gestaltungsmöglichkeiten bedienen. Oder, um etwa politische Aspekte anzusprechen: Im dualen Rundfunksystem z. B. resultieren aus rechtlich-politischen Gründen für die gemeinwohlverpflichteten öffentlich-rechtlich verfassten Rundfunkanstalten – z. T. zumindest – andere Aufgaben (Stichwort »Grundversorgung«; Postulat »Public Value«: öffentlicher Mehrwert der Programme) als etwa für die privat-kommerziellen Radio- und Fernsehsender. Oder, um ein weiteres Beispiel zu erwähnen: Boulevardzeitungen bieten formal wie inhaltlich in aller Regel andere Kommunikationsangebote an als etwa lokale und regionale Abonnementzeitungen, und diese wieder andere als überregional verbreitete Tageszeitungen. Schon gar nicht übersehen werden kann, dass allein aus der jeweiligen Blattlinie von Zeitungen und Zeitschriften jeweils auch unterschiedliche Kommunikationsziele verfolgt werden (vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 272ff). Der amerikanische Medienphilosoph Herbert Marshall McLuhan hat in den 1960er-Jahren mit dem viel zitierten Satz »The Medium Is the Message« (Das Medium ist die Botschaft) recht treffend auf die direkte Abhängigkeit von der zu transportierenden Aussage vom jeweils transportierenden Medium hingewiesen und damit auch den konkreten Gebrauchs- und Verwendungskontext thematisiert (McLuhan 1968).

1.1.2 Medien – (neue) Begriffsdifferenzierungen

Was den Medienbegriff betrifft, so gibt es v. a. in jüngerer Zeit mehr oder weniger überzeugende Versuche zu differenzieren, was man darunter alles verstehen kann. Dazu einige Beispiele:

 Klaus Merten etwa unterscheidet in Anlehnung an Fritz Heider zwischen physikalischen Medien der Wahrnehmung (wie etwa Sprache und Schrift) und technischen Medien, die auf Sprache und Schrift zurückgreifen (und von Merten daher als unechte Medien gesehen werden) (vgl. Merten 1999, S. 141ff).

 Günter Bentele und Klaus Beck halten es für sinnvoll, zwischen folgenden Typen von Medien zu unterscheiden: Materielle Medien wie Luft, Licht, Wasser, Ton, Stein, Papier, Zelluloid; kommunikative Medien oder Zeichensysteme wie Sprache, Bilder, Töne; technische Medien wie Mikrofone und Kameras; institutionelle Medien, also einzelne Medienbetriebe wie Zeitungen oder Fernsehanstalten; sowie die Gesamtmedien (z. B. Film, Hörfunk, Fernsehen etc.) (vgl. Bentele/Beck 1994, S. 40).

 Für Siegfried J. Schmidt »bündelt der abstrakte Medienbegriff eine Reihe von Faktoren«, nämlich: semiotische Kommunikationsinstrumente (z. B. natürliche Sprachen); Materialien der Kommunikation (z. B. Zeitungen); technische Mittel zur Herstellung und Verbreitung von Medienangeboten (z. B. Kameras, Mikrofone, Computer etc.); soziale Organisationen zur Herstellung und Verbreitung von Medienangeboten (z. B. Verlage oder Rundfunkanstalten samt ihren juristischen, sozialen und politischen Handlungsvoraussetzungen); schließlich die Medienangebote selbst (also Zeitungsartikel, Hörfunkbeiträge und Fernsehsendungen) (vgl. Schmidt 1996, S. 3).

 Ursula Ganz-Blättler und Daniel Süss unterscheiden zwischen Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Buch), szenischen Medien (Theater, Oper, Musical, Musikkonzerte etc.), audiovisuellen Medien (Radio, Fernsehen, Film, Tonband, Video) sowie »neuen Medien« bzw. Multimedia (Internet, WWW, CD-ROM etc). Sie halten ferner fest, dass sich Medien auf vier Zuschreibungen reduzieren lassen, nämlich: Medien sind Kommunikationskanäle, die bestimmte Zeichensysteme transportieren; Medien sind Organisationen, also zweckerfüllende oder zumindest zweckgerichtete Sozialsysteme; publizistische Medien bestehen im Allgemeinen aus verschiedenen Subsystemen und sind dementsprechend komplex; Medien sind in ihrer funktionalen Bedeutung gesellschaftliche Institutionen (vgl. Ganz-Blättler/Süß 1998).

 Ulrich Schmid und Herbert Kubicek schlagen vor, zwischen technischen und institutionellen Medien zu unterscheiden. Technische Medien dienen als Produktions- und Übertragungssysteme; institutionelle Medien nutzen die technische Infrastruktur und selektieren, strukturieren und produzieren für ein Publikum (vgl. Schmid/Kubicek 1994, S. 403).

 Auch sei in Erinnerung gerufen, dass Harry Pross zwischen primären Medien (ohne Technikeinsatz, z. B. Sprache), sekundären Medien (Technikeinsatz nur auf Produktionsseite, Printmedien) sowie tertiären Medien (Technikeinsatz auf Produktionsund Rezeptionsseite) unterscheidet (Pross 1972). Zu ergänzen ist diese Typologie um die quartären Medien: gemeint sind vernetzte, computerbasierte Medienanwendungen, die auf Digitalisierung und Konvergenz basieren und die Möglichkeiten der interpersonalen Kommunikation, der Gruppen- und der Massenkommunikation integrieren.

 

 Für Ulrich Saxer sind Medien »komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen« (Saxer 1998, S. 54). Medien zeichnen sich Saxer zufolge »durch fünf mehr oder minder stark ausgeprägte Merkmale« aus (Saxer 1998, S. 54–56; Hervorhebung i. Orig.): Sie sind 1) »(technische) Kommunikationskanäle«, die »unterschiedliche Zeichensysteme (visuelle, auditive, audiovisuelle) mit unterschiedlicher Kapazität […] transportieren.« Sie erfüllen 2) »bestimmte Zwecke, müssen sich also organisieren, denn nur so bringen sie ihre jeweilige Medientechnik wirkungsvoll zum Tragen.« Sie bilden 3) »komplexe Systeme« unterschiedlicher Ausprägung: »Ein kleines Landblatt weist viel weniger komplexe Strukturen auf als eine große Fernsehstation.« Medienkommunikation wirkt 4) »in alle erdenklichen Schichten des individuellen und kollektiven Seins hinein: problemlösend und problemschaffend […], funktional wie dysfunktional, in kultureller, wirtschaftlicher und politischer wie sozialer Hinsicht.« Schließlich 5) »werden Medien um ihres umfassenden Funktionspotenzials willen in das jeweilige Regelungssystem eingefügt, institutionalisiert.« In demokratischen Systemen erfolgt diese Einfügung anders als etwa in totalitären Regimen, die Medien für ihre Zwecke instrumentalisieren.

 Klaus-Dieter Altmeppen meint, dass Medien (auch Onlinemedien) »über die Wechselwirkungen von Technik, Organisation und Funktion« zu definieren seien (Altmeppen 2000, S. 131). In der Technik sieht er »eine konstituierende Grundlage, um Medienkommunikation öffentlich zu machen« (ebd.). Die Organisation(sform) – das Zeitungsverlagshaus, die Rundfunkanstalt etc. – gewährleistet in aller Regel »medienspezifische Strukturierungen hinsichtlich publizistischer Leistungen […]. Zu den Merkmalen und Eigenschaften, die die traditionellen Medien auszeichnen, gehören konsentierte Entscheidungs-, Organisations- und Arbeitsprogramme, die publizistische Leistungen sicherstellen sollen« (ebd.). Mit Funktionen sind einerseits normative Anforderungen an die Medien gemeint wie Information, Kritik und Kontrolle, Bildung, Unterhaltung etc.; andererseits – auf einer abstrakteren Ebene und in Anlehnung an Luhmann – das »Dirigieren der Selbstbeobachtung des Gesellschaftssystems« (Luhmann 1996, S. 173). Die Funktion dieses Dirigierens liegt Altmeppen zufolge darin, »eine Orientierung für die Rezipienten zu bieten« (Altmeppen 2000, S. 131). Diese Aufgabe erfüllen die Medien auf Grund gesellschaftlich delegierter Zuschreibung und nicht – wie bei anderen Organisationen wie etwa Public Relations und Werbung – »im Auftrag bestimmter Interessen (auch wenn empirisch Interessenkollisionen in den Medien feststellbar sind)« (Altmeppen 2000, S. 131). Legt man die drei erwähnten und zusammengehörenden Aspekte (Technik, Organisation, Funktion) z. B. einer Definition auch von Onlinemedien zu Grunde, »können auch die Online-Ableger der traditionellen Medien als Online-Medien bezeichnet werden. Sie können legitimerweise die Selbstbeobachtung der Gesellschaft auf autonomer Basis leisten, nur bei diesen Online-Medien sind die Organisationsmuster des Journalismus deutlich ausgeprägt« (Altmeppen 2000, S. 132). Für Weblogs z. B., die – von Ausnahmen abgesehen – in aller Regel privat betrieben werden, gilt dies nicht.

 Für Siegfried J. Schmidt und Guido Zurstiege bündelt der Medienbegriff »vier Komponentenebenen« (Schmidt/Zurstiege 2000, S. 170): 1) ganz allgemein Kommunikationsinstrumente wie natürliche Sprachen und materielle Zeichen, die zur Kommunikation benutzt werden; 2) Medientechniken, mit deren Hilfe es möglich ist, Medienangebote etwa in Form von Büchern und Filmen, aber auch E-Mails herzustellen und zu verbreiten; 3) institutionelle Einrichtungen bzw. Organisationen wie Zeitungsverlage oder Fernsehanstalten, die Medientechniken betreiben, verwalten, finanzieren; sowie 4) »die Medienangebote selbst, die aus dem Zusammenwirken aller genannten Faktoren hervorgehen« (Zeitungsbeiträge, Hörfunk- und Fernsehsendungen etc.) (Schmidt/Zurstiege 2000, S. 170).

Aus den dargelegten Differenzierungsversuchen geht hervor, dass es an einer einigermaßen einheitlichen und überzeugenden Systematik für einen Medienbegriff immer noch fehlt bzw. sich die Frage stellt, ob eine solche Systematik (auch angesichts der Dynamik des Internets) überhaupt noch generell festgelegt werden kann. Eine der Ursachen dafür ist wohl in den je unterschiedlichen fachlichen Perspektiven und theoretischen Positionen zu sehen, aus denen heraus solche Systematisierungen erfolgen. Angesichts der Tatsache, dass sich in zunehmendem Maße auch andere Disziplinen mit Kommunikation und Medien befassen, ist in Zukunft vermutlich mit weiteren Medienbegriffen zu rechnen. Exemplarisch sei etwa auf den aus der Literaturwissenschaft kommenden Medienbegriff verwiesen. Dort versteht man unter Medien »Texte«, wobei nicht nur gedruckte Texterscheinungen, sondern auch Bilder, Fotos, Karikaturen, Hörspiele, Fernseh- und Filmkommunikate als »Texte« verstanden werden. Ähnlich weit wird dieser Textbegriff auch in der Denktradition der Cultural Studies gesehen.

1.1.3 Medium – Dienst(e) – Diensteanbieter

Was den Begriff Massenmedium im klassischen Sinne betrifft, so bezeichnet der Begriff »Medium« immer noch die technischen Mittel und die hinter diesen Mitteln stehenden organisatorischen und institutionellen Gebilde, die redaktionelle und zahlreiche andere Inhalte bereitstellen, um Massenkommunikation und gesellschaftlichen Austausch von Informationen (im weitesten Sinne des Wortes) zu realisieren. Im Allgemeinen wird dabei nach wie vor zwischen Druck- bzw. Printmedien sowie Funk- bzw. audiovisuellen Medien unterschieden. Wichtig für die klassischen Massenmedien Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen ist, dass physisches Trägermedium (z. B. eine Zeitung, eine Hörfunk- oder Fernsehsendung), die damit zugänglich gemachte Dienstleistung (z. B. auf Papier gedruckte bzw. über Radio oder Fernsehen gesendete redaktionelle und werbliche Inhalte bzw. Programme) sowie herstellendes Unternehmen (Zeitungsverlagshaus, bestehend aus Redaktion und Verlag, Hörfunk- oder Fernsehanstalt) eine organisatorische Einheit darstellen.

In den konvergenten Sektoren der digitalen computervermittelten Kommunikation muss diese Einheit nicht mehr zwingend gegeben sein, und dies im Wesentlichen aus folgenden Gründen:

Zum einen gibt es im Internet eine (stets größer werdende) Fülle von sog. Diensteanbietern, die sich nur noch digitaler Plattformen im WWW bedienen, um ihre Dienste entgeltlich oder unentgeltlich anzubieten wie: klassische massenkommunikative Angebote (etwa Onlinezeitung, Webradio oder Web-TV); E-Commerce (elektronischer Warenhandel); E-Banking (elektronischer Zahlungsverkehr); Teleteaching und Telelearning (elektronisch vermitteltes Lernen); diverse Service-Leistungen (wie etwa Termin- und Veranstaltungskalender, Fahrpläne öffentlicher Verkehrsmittel, Buchungsmöglichkeiten von Veranstaltungen etc.); neue, interaktive Kommunikationsformen (wie Teilnahme an Newsgroups, Mailing Lists, Chat-Foren, Social Media etc.). Der Kommunikationsforscher Hannes Selhofer schlägt daher vor, für den Bereich der neuen digitalen, computervermittelten Onlinekommunikation die folgenden Begriffe zu verwenden (vgl. Selhofer 1999, S. 102f): den Begriff Medium nur noch für die jeweilige Kommunikationsplattform; den Begriff (Medien-)Dienst für das jeweilige Angebot; und den Begriff Diensteanbieter für jene Person, Personengruppe oder Institution, die einen oder mehrere Dienst(e) über eine Plattform zugänglich macht. Im Übrigen werden auf neuen digitalen Plattformen eine Reihe bislang getrennter Medienformen angeboten, woraus sich multimediale Ensembles und sog. Hybridisierungen ergeben.

Zum anderen integriert, wie erwähnt, infolge der technischen Konvergenz von Informationstechnologie, Telekommunikation und Massenmedien die computervermittelte Kommunikation die für den Nutzer sich ergebenden Möglichkeiten der Individual-, Gruppen- und der Massenkommunikation. Die Grenzen zwischen diesen Kommunikationsarten werden unscharf, weil sie sich nicht mehr spezifischen Informations- und Kommunikationstechnologien zuordnen lassen. Beispielhaft sei hier das Mobiltelefon erwähnt: Man ist mit neueren Generationen des Handys in der Lage 1) im Internet zu »surfen« und über das Display z. B. Inhalte einer Onlinezeitung zu lesen oder Applikationen für mobile Endgeräte abzurufen (Massenkommunikation); 2) an einem Onlinechat, einer Newsgroup oder an Social-Media-Anwendungen teilzunehmen (Gruppenkommunikation); oder 3) einfach nur zu telefonieren, ein Fax zu verschicken oder eine SMS zu versenden (Individualkommunikation). Dies wirft zu Recht die Frage auf, ob und bei welcher Medien- bzw. Kommunikationsanwendung das Handy nun ein (Massen-)Medium oder »nur« ein technisches Kommunikationsinstrument ist (vgl. Selhofer 1999, ebd.): Es vereint beide Möglichkeiten in sich, ist je nach Medienanwendung jedoch jeweils etwas anderes. Hier wird ersichtlich, dass es schwierig ist, einen einheitlichen, gleichsam neutralen, allgemeingültigen Medienbegriff aufzustellen. Die durch die Konvergenzdynamik sich ergebende Transformationsentwicklung stellt zunehmend bislang gültige Trennungslinien (z. T. radikal) in Frage.

Nach diesen den Medienbegriff betreffenden Ausführungen werden im Folgenden überblicksartig Themenkreise angesprochen, die in den Bereich Medienforschung fallen. Es sind dies Ausführungen zur Geschichte der Massenmedien, zu den Eigengesetzlichkeiten der Medien, zu den Organisationsformen der Medien, sowie zu den Medienstrukturen in Deutschland (Presse, Rundfunk Internet) einschließlich ihrer wirtschaftlichen Grundlagen.

1.2 Zur Geschichte der Massenmedien

Es ist nicht möglich, die Geschichte der Massenmedien hier vollständig abzuhandeln. Allein für die Druckmedien ließen sich dazu tausende von Seiten füllen, ebenso jeweils für die Funkmedien (Hörfunk und Fernsehen), für den Film und für die »neuen Medien« (Multimedia bzw. Onlinemedien). Vielmehr sollen im Folgenden einige der wichtigsten Etappen der Entwicklung von Presse, Film, Hörfunk, Fernsehen und Onlinemedien im groben Überblick – und damit nur sehr rudimentär – dargestellt werden. Dabei kommen naturgemäß auch technische Errungenschaften und Entwicklungen zur Sprache, die wichtige Voraussetzungen für die industrielle Medienproduktion darstellen. Ein kurzer Blick in die Anfänge öffentlicher originärer, also nicht technisch vermittelter, Kommunikation im europäischen Sprachraum soll dabei nicht ganz fehlen. Erwähnenswert erscheint vorab zudem, dass technische Errungenschaften immer auch ökonomische Verwertungsprozesse zur Folge hatten, allgemeine kulturelle Entwicklungen begünstigten und nicht zuletzt politische Konsequenzen nach sich zogen. Die technische Erfindung des Buchdrucks um die Mitte des 15. Jahrhunderts stellt ein gutes Beispiel dafür dar: Sie hatte u. a. die Herausbildung und Ausdifferenzierung des Buchgewerbes mit seinen einzelnen Berufen zur Folge (ökonomischer Aspekt). Sie führte u. a. zur Vereinheitlichung der Schrift und der Druckformate, zur Entstehung und Ausdifferenzierung der periodischen Presse, begünstigte die Verbreitung der Technik des Lesens und war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Reformation und den Prozess der Aufklärung (kulturelle Aspekte). Nicht zuletzt zog sie eminente politische Konsequenzen nach sich, die zunächst zwar in Zensurmaßnahmen der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit mündeten, später jedoch zur Entstehung von Öffentlichkeit und ab Mitte des 19. Jahrhunderts schließlich zur Pressefreiheit führten (politische Aspekte).

Da Primärquellen zu diesen Themen auf eine überaus große Fülle von Literatur verteilt sind, fußen zahlreiche der nachfolgenden Ausführungen auf wissenschaftlichen Publikationen, die ihrerseits ebenfalls Überblickscharakter haben (siehe u. a. Wilke 2008; Stöber 2005; Faulstich 1994, 1996, 2004; Böhn/Seidler 2008; Dussel 2004; Lindemann 1969; Koszyk 1966, 2004). Und vorab sei auf Jürgen Wilkes Entwicklungsstufen der Kommunikationsgeschichte hingewiesen, deren Phasen- bzw. Epochenbildung und Abgrenzung sich an wechselnden Kommunikationsmodalitäten und medienspezifischen Eigenarten orientieren:


1)die Phase der ausschließlichen Oralität, also mündliche Überlieferung, das Auftreten der Sprache bis zur Erfindung der Schrift (34.000 v. Chr. bis ins 3. Jahrtausend v. Chr.);
2)Schrift und literalisierte Kommunikation (Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. bis ins Mittelalter);
3)druckbasierte Kommunikation (Druck mit beweglichen Lettern Mitte 15. Jahrhundert, u. a. Entstehen periodischer Medien wie Zeitung und Zeitschrift, Drucktechnik als Motor der Modernisierung);
4)Bild- und Tonmedien (Visualisierungsschub, Foto, Film, Radio Fernsehen; etwa Mitte 19. Jahrhundert bis spätes 20. Jahrhundert);
Multimedialisierung (Digitalisierung, Verschmelzung bisher getrennter Kommunikationsformen wie Sprache, Text, Video, Audio, Telekommunikation, Unterhaltungstechnik, Computer) (Wilke 2009a, S. 15ff).

Originäre öffentliche Kommunikation in der Antike

Die Geschichte öffentlicher Kommunikation allgemein reicht im europäischen Raum bis weit in die Antike zurück. Die Griechen und später die Römer verfügten über institutionalisierte Formen öffentlichen Gedankenaustausches (primär politischer Natur) auf Agora bzw. Polis und Forum vorwiegend in Form der öffentlichen Rede vor der politischen Elite. Die öffentliche Rede war durch die griechischen (Aristoteles) und römischen (z. B. Cicero, Quintilian) Regeln der Rhetorik – für Ratsrede, Gerichtsrede und Festrede – in hohem Maße entwickelt. Von Bedeutung für öffentliche Kommunikation waren in der Antike auch öffentlich sichtbare Inschriften auf öffentlichen Gebäuden. Zu erwähnen sind daneben v. a. aber die römischen »acta diurna« (auch »acta urbis«), eine Art römische Staatszeitung (acta diurna = tägliche Akten). Das waren auf Anschlagzetteln aus Papyrus für die Bürger (cives) öffentlich bekannt gemachte Informationen. Sie enthielten Protokolle der Senatsverhandlungen, Chroniken wichtiger Daten und Ereignisse im Jahresverlauf sowie durchaus auch Informationen aus amtlichen oder auch privaten Briefen (vgl. Wilke 2008, S. 7f). Weiterhin ist zu erwähnen, dass in Theater und Schauspiel, den szenischen Medien also, zweifellos auch Formen öffentlicher Kommunikation zu sehen sind. Das Theater geht noch weit vor die Antike zurück: Schamanen und Priester etwa und der sakrale Akt spielten dabei eine ebenso wichtige Rolle wie später Mythen und Epen, Sänger von Balladen, Märchenerzähler u. a. m. Bei den alten Griechen z. B. (z. B. Aischylos, Sophokles, Euripides) hatte das Drama eminente Bedeutung, den Römern etwa waren daneben u. a. auch Gladiatorenspiele wichtig (vgl. Faulstich 1994, S. 30f).