Buch lesen: «Die Macht der Meinungsführer: von Celebrities bis zu Influencern»

Schriftart:

Alexander Schimansky

Shamsey Oloko

Die Macht der Meinungsführer

Von Celebrities bis zu Influencern


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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.


Copyright: FAZIT Communication GmbH

Frankfurter Allgemeine Buch, Frankenallee 71 – 81,

60327 Frankfurt am Main

Umschlag: Stefanie Schwary

Titelgrafik: VasjaKoman / Getty Images

Grafikdesign & Satz: Zarka Ghaffar

Druck: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

1. Auflage, Frankfurt am Main 2020

ISBN 978-3-95601-226-6

eISBN 978-3-96251-105-0

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.

Inhalt

Die Macht der Meinungsführer

A. Celebrities und Influencer – was macht sie aus und warum wirken sie?

Die Bedeutung von Celebrities und Top-Influencern für das moderne Marketing

Prof. Dr. Alexander Schimansky, Dr. Shamsey Oloko & Dr. Magdalena Bekk

Was bewegt uns an Celebrities? Eine psychologische Reise zu den neuen Meistern der „Pröffentlichkeit“

Jens Lönneker, rheingold salon, Köln

Besser für die Marke – Celebrity-Selektion mit dem Human-Brand-Ansatz

Daniel Althaus, Splendid Research, Hamburg

Mit Celebrity zum Werbeerfolg? Eine Analyse der Effie-Siegerkampagnen

Simone Reifenberger, GWA, Frankfurt am Main

B. Prominente in Werbung und Marketing – was spricht dafür, was dagegen?

Das Ich der anderen - Sinn und Unsinn im Geschäft mit Marken-Persönlichkeiten

Thomas Strerath, Berater, Hamburg

Hand aufs Herz: Warum braucht eine gute Werbestrategie (k)eine Celebrity?

Stephan Rebbe, Gründer von Kolle Rebbe, Hamburg

Zahlt sich Prominenten-Werbung für meine Marke aus? Das „Celebrity - Credo“ von Grey

Alessandro Panella, Grey, Düsseldorf / Serviceplan Consulting Group, Berlin

Die größten Irrtümer im Celebrity-Marketing

Henner Mamane, Think Out of the Box, Berlin

C. Die neue Celebrity-Elite? Fußballer und Musiker als Top-Werbestars

Celebrities im Sport – Fußballer zu Top-Marken aufbauen

Toan Nguyen, Jung von Matt/sports, Hamburg

Celebrities in der Musik – Musikstars gewinnen den Super Bowl

Jan Voss, Universal Music Group & Brands, Berlin

D. Influencer als neue Celebrities – wer sind sie und was macht sie besonders?

Top-Influencer – erfolgreiches Marketing mit den neuen Celebrities

Mandy Sarnoch-Möller, Territory webguerillas, München

Die wahren Stars der Marke – Mitarbeiter als Influencer

Dr. Kerstin Hoffmann, www.markenbotschafterschmiede.de

Nano-Influencing – Jeder ist ein Star

Mark Leinemann, MR. WOM | Word of Mouth Marketing, Schweiz

E. Celebrity-Marketing im Recht – was geht in der Promi-Werbung, wo liegen die Grenzen?

Vertrauen ist gut, ein guter Vertrag noch besser. Einvernehmliche Vertragsgestaltung zwischen Unternehmen und prominenten Testimonials

Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M., Schickhardt Rechtsanwälte, Ludwigsburg

Wenn es hart auf hart kommt. Zur Haftbarkeit von Celebrities bei werblichen Auftritten

Christian-Oliver Moser, IRLE MOSER Rechtsanwälte, Berlin

Epilog: Ich in der Werbung – Reflexionen eines Prominenten

Günther Jauch

Die Macht der Meinungsführer - von Celebrities bis zu Influencern

In einer sich immer schneller drehenden Welt sind es Stars, die vielen Menschen Halt, Mut und Glaube geben. Sie bieten die Projektionsfläche für vielfältige Wünsche und Sehnsüchte. Dafür werden sie geliebt und verehrt. Wie die Sterne am Firmament sind sie weithin sichtbar und doch unerreichbar. Wahrnehmung und Rollenverständnis von Celebrities mögen sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt haben, aber die Asymmetrie zwischen dem bekannten und beliebten Star einerseits und den Menschen andererseits bleibt als wesentliches Merkmal bestehen.

Dieses Beziehungsverhältnis trifft auch auf das noch junge Phänomen der Influencer zu, weshalb Unterschiede zwischen Celebrity und Influencer im Grunde kosmetischer Natur sind. Beiden ist gemein, dass sie aus der breiten Masse, aus den vielen herausstechen – und beiden ist gemein, dass ihnen daraus eine Deutungshoheit erwächst, was Zeitgeist ist. Ob es sich um das Outfit bei einer Oscar-Verleihung, einer Hochzeit des britischen Königshauses oder einem selbstgedrehten YouTube-Video handelt, in jedem Fall wird ein Statement zum Lifestyle gesetzt, das großen Einfluss haben kann. Dieser Einfluss bleibt nicht auf Moden beschränkt, sondern kann ebenso die politische Meinung betreffen, die Haltung zu Klimawandel, zu Frieden oder gesunder Ernährung – zum Zeitgeist eben.

In unserer modernen Konsumgesellschaft spielt eine solche Deutungsmacht eine sehr große Rolle, lenkt und verstärkt sie doch die Bedürfnisse und Vorlieben der Menschen. Selbst wenn die roten Teppiche der Oscar-Verleihung nur noch in Teilen der Gesellschaft Bedeutung haben, während sie in anderen Teilen den humorvollen „Pranks“ der Influencer gewichen sind, so gilt doch nach wie vor, dass jede Kooperation zwischen Celebrity oder Influencer und Marken(-Unternehmen) bestimmten Erfolgsregeln folgen muss, denen wir in diesem Buch nachgehen wollen. Wir laden Sie herzlich ein, Marketing mit Celebrities und Influencern aus den verschiedenen Perspektiven und Positionen zahlreicher Meinungsmacher und Experten zu erfahren.

Da Celebrity-Marketing und Influencer-Marketing für uns als Celebrity#Influencer-Marketing zusammengehören, beginnen wir mit einer Systematik, die beide vereint, und zeigen strategische Potenziale und neue Inszenierungsmöglichkeiten auf. Jens Lönneker, Daniel Althaus und Simone Reifenberger folgen mit vertiefenden Betrachtungen zur Wirkungsweise und zum erfolgreichen Einsatz von Celebrities und Influencern. Das Für und Wider von Prominenten in Werbung und Marketing steht dann im Mittelpunkt der ausgewiesenen Experten Thomas Strerath, Stephan Rebbe, Alessandro Panella und Henner Mamane. Da in heutigen Zeiten Fußballer und Musiker zu den gefeierten Stars zählen, befassen sich Toan Nguyen und Jan Voss mit deren Besonderheiten für das Marketing. Weiter geht es zu den neuen Göttern im Olymp, den Influencern. Auf die Superstars in den sozialen Medien, die Top-Influencer, geht Mandy Sarnoch-Möller ein. Kerstin Hoffmann begibt sich zu den Mitarbeitern in Unternehmen und entdeckt die wahren Stars der Marke. Den Influencer-Schwerpunkt rundet Mark Leinemann mit der steilen These ab, ob Nano-Influencing nicht die kopernikanische Wende im Marketing bedeutet. Im Anschluss wird Recht gesprochen von Ralf Kitzberger und Christian-Oliver Moser. Die beiden Juristen erläutern, was ein Vertrag berücksichtigen sollte, um Streitigkeiten bei einer Markenkooperation zu vermeiden, und behandeln die derzeit viel diskutierte Frage nach den Grenzen der Werbeaktivitäten von Celebrities und Influencern im Hinblick auf deren Haftbarkeit. Wir freuen uns, dass mit Günther Jauch die bei den Deutschen über Jahre beliebteste Celebrity den Reigen mit seinem Nachwort versöhnlich schließt.

Viel Freude und Erkenntnis für mehr Meinungsführerschaft wünschen Ihnen ganz herzlich

Alexander Schimansky & Shamsey Oloko

A. Celebrities und Influencer – was macht sie aus und warum wirken sie?

Die Bedeutung von Celebrities und Top-Influencern für das moderne Marketing

Prof. Dr. Alexander Schimansky, Dr. Shamsey Oloko & Dr. Magdalena Bekk

Was bewegt uns an Celebrities? Eine psychologische Reise zu den neuen Meistern der „Pröffentlichkeit“

Jens Lönneker, rheingold salon, Köln

Besser für die Marke – Celebrity-Selektion mit dem Human-Brand-Ansatz

Daniel Althaus, Splendid Research, Hamburg

Mit Celebrity zum Werbeerfolg? Eine Analyse der Effie-Siegerkampagnen

Simone Reifenberger, GWA, Frankfurt am Main

Die Bedeutung von Celebrities und Top-Influencern für das moderne Marketing

Prof. Dr. Alexander Schimansky, Dr. Shamsey Oloko & Dr. Magdalena Bekk

1. Celebrity#Influencer-Marketing – ein Streiflicht zum Status quo

Wissen Sie noch, welche Marken Sie in den letzten Tagen gesehen haben? Wenn ja, haben diese Marken etwas Entscheidendes besser gemacht als alle anderen, die ebenfalls um Ihre Aufmerksamkeit und Gunst buhlten. Sie haben es geschafft, aufzufallen, aus der Masse hervorzustechen, sich merklich von der Konkurrenz zu differenzieren. Dieses Ziel ist in Zeiten von Information Overload, Attention Economy, Ad Blockern und Multi-Channeling ungleich schwerer zu erreichen als noch vor wenigen Jahren, zumal Internet, Mobile Apps und Social Media im Lebensalltag nicht nur da, sondern omnipräsent geworden sind. Umso stärker müssen Unternehmen Mittel und Wege finden, um ihre Angebote noch erfolgreich bei den Menschen zu positionieren.

Von den zahlreichen Marketinginstrumenten zählt der Einsatz prominenter Persönlichkeiten als werbende Fürsprecher von Marken zu einer der bevorzugten Maßnahmen: 2005 arbeitete jede fünfte Kampagne der 500 größten werbetreibenden Unternehmen mit einem Prominenten, 2015 war es in einer Untersuchung von TV-Spots sogar annähernd die Hälfte.1 Der Grund: Von dem hohen Aufmerksamkeits- und Sympathiefaktor einer Celebrity soll die Wahrnehmung und Differenzierungskraft der beworbenen Marke profitieren.2 Ganz gleich, ob es sich im Einzelnen um George Clooney oder Lukas Podolski, um Helene Fischer oder Kim Kardashian handelt, es wird immer zur Kenntnis genommen, mit welcher Marke das persönliche Idol auftritt – und mit welcher nicht.

Das gute Geschäft mit der Begeisterung für Stars und Sternchen wird durch zahlreiche TV-Formate belegt, die erfolgreich auf den Promi-Faktor gesetzt haben – von Reality Shows (Promi Big Brother, Promi Dschungelcamp) über Game Shows (Wer wird Millionär? Das Prominenten-Special) und Soaps (Der Bachelor, Die Geissens) bis hin zu Talent-Castingshows (Germany’s Next Topmodel, The Voice of Germany). Diese massenmedialen Laufstege für Prominente haben sicherlich ein Mehr an Präsenz und Nähe zwischen den Menschen und ihren Stars gefördert und einer breitenwirksamen Begeisterung Vorschub geleistet. Dass Promis in der Gesellschaft ein begehrtes Thema geworden sind, ist wiederum bedeutsam für Werbetreibende, denn je größer das Interesse an Stars und Sternchen, desto beliebter ist auch Werbung mit Celebrities. So finden zwei von drei Deutschen Prominente in der Werbung interessant und jedem vierten Deutschen gefällt Werbung mit Prominenten besser als normale Werbung.3

Die mediale Popularisierung des „Promitums“ hat in der jüngsten Vergangenheit zusätzlichen Schub durch den weltweiten Siegeszug des Internets erfahren. Der freie Zugang zu Twitter, YouTube, Facebook und Instagram mit schier unbegrenzten Reichweiten beschert nicht nur klassischen Stars wie Ronaldo, Jay-Z oder Heidi Klum nahezu ubiquitäre Rund-um-die-Uhr-Präsenz, sondern ermöglicht jedem Menschen quasi über Nacht ein gewisses Maß an Berühmtheit.

Das Aufblühen von Social Media in den letzten Jahren hat eine neue Art Star hervorgebracht, den (Top-)Influencer. So war Justin Bieber 2007 noch ein unbekannter kanadischer Junge von 13 Jahren und ist heute ein globales Jugendidol. Allein mit seinen 76 Millionen Fans auf Facebook bietet er werbetreibenden Unternehmen Zugangsmöglichkeiten zu jungen Menschen auf der ganzen Welt, wie es kaum ein Medienkonzern bewerkstelligen kann.4 Immer mehr Celebrities und Influencer verfügen über eigene reichweitenstarke Online-Kanäle, die wiederum von werbenden Unternehmen genutzt werden können, woraus neue Spielarten der Medienproduktion als auch der Markeninszenierung resultieren.

Neben Promi-Hype, neuen Stars und Markenkanälen ist die Erkenntnis wichtig, dass sich die Art und Weise der Kommunikation zwischen Celebrities und Menschen grundlegend verändert hat. Seit den Anfängen prominenter Testimonialwerbung vor fast 100 Jahren mit Ginger Rogers und Marlene Dietrich für die Seife Lux bis in die heutige Zeit lässt sich ein Wandel im Erfolg versprechenden Auftreten des Fürsprechers einer Marke nachzeichnen: Nach und nach ist die Rolle des dominant auftretenden Meinungsführers verlassen worden, der weiß, was für andere gut ist, hin zu einer Art freundschaftlichem „Buddy“-Multiplikator, der nichts vorschreibt, sondern unprätentiös vorlebt.

Spätestens mit dem Aufkommen der Influencer geht es werblich nicht mehr um schnödes Anpreisen, Ausloben, Behaupten und Beweisen. Vielmehr hat sich Markenkommunikation wie die Empfehlung eines lieben, guten, alten Freundes anzufühlen. Um diese Rolle glaubwürdig zu füllen, hat sich die Form der (Selbst-)Inszenierung weiterentwickelt. Für ein authentisches Erscheinungsbild geben immer mehr Prominente insbesondere in den sozialen Medien mitunter tiefe Einblicke in ihr Privatleben. Die Teilhabe am Alltag der Stars befriedigt das in der Gesellschaft gewachsene Bedürfnis nach „Pröffentlichkeit“ (wie Jens Lönneker in seinem Beitrag erläutert).

Für Marketingverantwortliche, die nach einem Erfolg versprechenden Werbepartner für die eigene Marke suchen, wird die Entscheidung nicht nur durch die unüberschaubare Zahl an Celebrities und Influencern erschwert, sondern auch durch die Vielzahl an Medien-, Format- und Inszenierungsmöglichkeiten. Daher wollen wir zunächst vorstellen, welche Arten von Celebrities und Influencern bei einem werblichen Einsatz für Marken sinnvollerweise unterschieden werden sollten, um uns dann einer wirkungsbezogenen und strategischen Betrachtung für ein modernes Celebrity#Influencer-Marketing zuzuwenden.

2. Influencer, Celebrities & Co. – ein systematischer Blick

Als „Prominente“ bzw. „Celebrities“ können Persönlichkeiten gelten, die einer breiten Öffentlichkeit nicht nur bekannt sind, sondern sich zudem einer hohen Popularität erfreuen, was auf verschiedenen Faktoren wie Lebensleistung, Expertise, Reputation, Aura, Status, Herkunft, Ruhm oder Charakter beruhen kann.5 Celebrities im klassischen Sinne sind Berühmtheiten wie Schauspieler, Sportler, Musiker oder Modeikonen, aber auch bekannte Politiker, Wissenschaftler und Unternehmergrößen. So hat Mike Krüger für Hagebau als Hobbybastler renoviert, Cristiano Ronaldo zeigt sich seinen 320 Millionen Followern in Jubelpose für Nike, Gorbatschow bereiste für Louis Vuitton die Welt, Unternehmer Claus Hipp preist die von ihm hergestellte Babykost, und Thomas Gottschalk hat für Haribo alle Langzeitrekorde als Markenbotschafter gebrochen.

Auch fiktionale Charaktere können als Celebrities aufgefasst werden, wenn beispielsweise ein Schauspieler, der als James Bond berühmt geworden ist, diesen auch in einer Werbung verkörpert. Im weitesten Sinne können selbst abstrakte Figuren, die mediale Beliebtheit erlangt haben, werblich eingesetzt werden, wie etwa Meister Yoda, Sponge Bob oder Homer Simpson. Hinzu kommen prominente Markenikonen, die extra für kommerzielle Zwecke geschaffen worden sind, wie Ronald McDonald oder Meister Proper.6 Im Folgenden soll es aber ausschließlich um reale Personen gehen.

Der Begriff „Influencer“ (to influence: beeinflussen) bezeichnet Personen mit starker Präsenz in den sozialen Medien, die neben einer mittleren bis hohen Reichweite in aller Regel auch über große Wertschätzung in ihrer Community bzw. bei den eigenen Followern verfügen, so dass daraus ein hohes Einflusspotenzial für die Bewerbung und Vermarktung von Marken und deren Produkten resultiert.7 Im Werbekontext hat sich für Celebrities und Influencer als Oberbegriff „Testimonial“ (to testify: bezeugen, empfehlen) eingebürgert, der sich auf bekannte wie unbekannte Personen bezieht, die in klassischen wie digitalen Werbeformaten auftreten, um ein Produkt oder eine Dienstleistung vorzuführen, zu testen und zu empfehlen, wodurch die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Werbebotschaft bzw. Markenversprechen erhöht werden soll.8

Dieser Zuordnung wird aus Gründen der Konvention in diesem Buch gefolgt. Allerdings soll zumindest an dieser Stelle herausgearbeitet werden, dass eine andere Gliederung und Bezeichnung sinnvoller wäre. Trotz seiner häufigen Verwendung ist „Testimonial“ kein geeigneter Oberbegriff, da er in Zeiten klassischer Werbung eingeführt worden ist und auf die Beeinflussungsart der konkreten Fürsprache für ein (Marken-)Produkt beschränkt bleibt, das offiziell und direkt empfohlen wird. In dieser Fassung wird der Terminus weder indirekten, subtilen Formen der Beeinflussung wie Branded-Content-Formaten im Social-Media-Bereich gerecht, noch kann er Gültigkeit für komplexe Engagements beanspruchen, wie es längerfristige, medienübergreifende Aktivitäten von Markenbotschaftern darstellen.

Als Oberbegriff wäre „Influencer“ sinnvoll, weil er auf jegliche Form der Einflussnahme abhebt, die Personen im werblich-persuasiven Kontext ausüben, unabhängig davon, ob die werbende Person berühmt ist (Celebrity) oder aber ein wenig bekannter Kunde oder Mitarbeiter, und ebenso unabhängig davon, ob es sich um eine offizielle Empfehlung handelt (Testimonial) oder um eine Brand Appearance bei einem Gala-Empfang oder einen freundschaftlichen Rat. Testimonials, die sich werblich für die Qualität, Nützlichkeit oder Preiswürdigkeit eines Produkts aussprechen, stellen demnach einen Subtyp des Influencers dar. Als Ersatzbezeichnung für (Social-Media-)Influencer hat es Sinn, den in jüngster Zeit immer häufiger verwendeten Begriff „(Content-)Creator“ aufzuwerten, der mit der Erstellung von persönlichen Inhalten und deren Verbreitung über Online-Kanäle viel stärker auf das Wesen der (Social-Media-)Influencer abhebt.9

Eine Systematik, die „Influencer“ als übergeordnete Klammer begreift, kann verschiedene Beeinflussungstypen integrieren, die über das klassische Werbe-Testimonial hinausgehen, wie etwa der Experten-Blog eines Mitarbeiters oder der selbst produzierte Trailer eines Creators, der sich als Markenenthusiast outet. An die Stelle der klassischen Testimonials, die als Star, Experte oder Laie werben, treten vier Beeinflussungstypen: Celebrity, Creator, Customer und Colleague.10 Bei nahezu jedem dieser vier Typen können Stars, Experten und Laien auftreten. Durch weitere Binnendifferenzierung enthält die Systematik Merkmalskategorien, die für die Werbe- und Marketingpraxis relevant sind, wie Abbildung 1 zeigt.

Abb. 1: 4C-Systematik werblicher Beeinflussungstypen

Der Influencer-Typ der Celebrity zeichnet sich ganz besonders durch den erreichten Berühmtheitsgrad aus, der das Produkt aus hoher (Gesichts-)Bekanntheit und Beliebtheit bildet. Im Unterschied zu den anderen Typenbezeichnungen erlaubt der Begriff Celebrity eine Aussage zu der Art der Beziehung zwischen Prominenten und Gesellschaft: Angesehen, mitunter bewundert oder sogar verherrlicht, kann eine Celebrity durch Worte und Taten eine Vielzahl von Menschen beeinflussen. In der Systematik sind deshalb in der Celebrity-Spalte die wesentlichen Bereiche und Funktionen aufgeführt, in denen werblich auftretende Personen zu Berühmtheit gelangen. Der Berühmtheitsgrad kann aus unterschiedlichen Quellen stammen, aber er speist sich bei klassischen Celebrities üblicherweise aus den Bereichen Sport, Musik, Mode sowie Film & Fernsehen.

Zu den beliebtesten Celebrities zählen bei den Deutschen prominente Schauspieler, gefolgt von Musikern und schließlich Fußballern.11 International wird die Celebrity-Landschaft überwiegend von Musikern und Schauspielern dominiert, die durch Hochglanzveranstaltungen wie Grammy oder Oscar global gefeiert werden (wobei Jan Voss in seinem Beitrag besonders die Musikstars behandelt). Seit David Beckham und Cristiano Ronaldo auch neben dem Spielfeld als Weltstars auftreten, drängen immer mehr Fußballer als Marke ins Rampenlicht (wie Toan Nguyen in seinem Beitrag erläutert).

In der Systematik zeigen Celebrity-Subkategorien wie Model, Starlet, Reality Star und Show-Koch, dass Prominenz als Produkt aus Bekanntheit und Beliebtheit ein immer leichter zu erreichendes Gut geworden ist. So wird der Begriff „prominent“ inzwischen recht weit gedehnt. Oft haben TV-Moderatoren, Society-Darlings und Finalisten von Castingshows überschaubare Fan-Zahlen und eine geringe Bekanntheit in der breiten Bevölkerung vorzuweisen. Für einen Werbeauftritt kommen sie aus Sicht vieler Unternehmen dennoch in Frage, denn mitunter geht es nicht um eine strategische Aufwertung der Marke mit „Ruhm, Glanz und Glamour“, sondern um eine taktische Markenaktualisierung durch Nutzung des Momentums. Promis, die nur kurzzeitig im Rampenlicht stehen, sind kostengünstiger und deren Popularität muss meist nur wenig länger vorhalten als die Dauer der Werbekampagne. Dass deren Name und Promi-Hintergrund dann als Untertitel in der Werbung zusätzlich angegeben werden muss, stört Werbetreibende in diesen Fällen wenig.

Als Creator sollen hier die klassischen Influencer gelten, die in erster Linie durch Aktivitäten in Social Media bekannt geworden sind und eine mittlere bis hohe Reichweite in ihrer Fanbase erzielen. Kommt einem Creator sogar Experten- oder Vorbildstatus durch hohe Anerkennung und Wertschätzung bei vielen Followern zu, wird er auch als Key Influencer bezeichnet. In Deutschland haben die erfolgreichsten Creators Einfluss auf mehrere Millionen Follower. Als Creator sind u. a. Politiker, Sportler, Journalisten, Prominente und Schauspieler aktiv.

Wichtige Charakteristika sind der Content-Schwerpunkt, das Selbstverständnis des Creators und der Hero-Kanal. Je nach Leitmedium unterscheiden sich zum Beispiel Blogger (schriftlich) von Vloggern bzw. YouTubern (audiovisuell), was zwangsläufig das Format bei einer Markenkooperation bestimmt. Hinzu kommt die thematische Affinität zu einem bestimmten Genre wie Lifestyle, Mobilität oder Ernährung, für das ein Creator in erster Linie bekannt ist, weil sich daraus die Art des Contents ableitet, der im Falle einer Zusammenarbeit mit einem Markenunternehmen produziert wird. Denn nur relevanter Content erzeugt auch die nötige Resonanz bei der Community, um sich intensiver mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Ein Creator entfaltet mit seinem Content die größte Wirkungskraft für eine Marke, wenn Reichweite, Relevanz und Resonanz in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.12

Genauso entscheidend ist das Selbstverständnis des Creators, denn es macht einen großen Unterschied, ob ein Creator als „Reichweitenbringer“ auftritt oder als „Markenenthusiast“ begeistert für eine Marke aktiv wird (wie Mandy Sarnoch-Möller in ihrem Beitrag über Top-Influencer aufzeigt). Als reiner Multiplikator kann ein Creator Produkten zum schnellen Durchbruch verhelfen, als Enthusiast das Image eines Unternehmens und seiner Marke stärken. Ebenso wichtig für ein Unternehmen bei der Planung einer Markenkooperation ist die Klärung, ob ein Creator von seinem Rollenverständnis her eher als „Experte“ in einer Produktkategorie auftritt oder aber eher als „Kritiker“ fungiert.

Der Customer ist ein weiterer wichtiger Influencer-Typ, da Kunden oft andere Kunden beeinflussen. Zwar haben Customers nicht annähernd so eine große Reichweite wie Celebrities oder Creators, dafür wird ihnen von Konsumenten in aller Regel die größte Glaubwürdigkeit zugesprochen. Ihre Meinung wirkt gerade wegen ihrer Normalität näher am Kunden. Customer werden vor allem im Innovationsmanagement und für Word-Of-Mouth-Advertising eingesetzt. So können Customer als Co-Creator, Lead User oder Early Adopter wichtige Unterstützung bei der Entwicklung, Testung und Einführung von innovativen Markenprodukten leisten.

Auch in der werblichen Kommunikation sind Customers in vielfältiger Weise einsetzbar. Die klassische Form stellt der Testimonial-Einsatz als fiktiver oder realer Kunde dar, wie in den Werbespots von Fielmann oder wirkaufendeinauto.de. Weitergehende Möglichkeiten ergeben sich für eine Marke, wenn sich ein Customer als Nano-Influencer engagiert und andere Menschen aus seinem persönlichen Netzwerk „evangelisiert“ (wie Mark Leinemann in seinem Beitrag ausführt). Zudem sind Nano-Influencer meist von einer Marke überzeugt und begeistert, so dass es für den Wirkungserfolg von Celebrity-Werbung für die Marke bedeutsam ist, dass die Customer auch Fans der eingesetzten Celebrity sind (wie Daniel Althaus in seinem Beitrag belegt). Im schlimmsten Fall wenden sie sich als Hater der Celebrity von der Marke ab.

Dem Influencer-Typ des Colleague wurde von Unternehmen lange Zeit zu wenig Bedeutung beigemessen. Statt in den eigenen Reihen zu suchen, wurden Testimonials und Celebrities für teures Geld von außen angeheuert. Eine Ausnahme bilden Unternehmer, die als Gesicht ihrer Firma in PR und Werbung auftreten. Dabei können Mitarbeiter durch ihre Persönlichkeit, Expertenmeinung und Erfahrung die Meinungsbildung und Kaufentscheidung von Kunden wirkungsvoll beeinflussen.13 Ähnlich wie beim Customer zeichnet sich auch der Colleague durch eine geringe Reichweite aus, kann aber potenziell eine hohe Authentizität und Nähe erreichen, weshalb er auch als Peer Influencer bezeichnet wird.

Naheliegende Einsatzformate von Colleagues ergeben sich aus den Unternehmensfunktionen als Sprachrohr und Kontakter, also in Werbung, PR und Sales. So setzte die Commerzbank in ihrer Werbung lange Zeit auf Lena Kuske, eine Filialleiterin aus Hamburg, um ihre Werbebotschaften authentisch zu inszenieren. Nicht selten verfolgt das Unternehmen damit die Absicht, sich auf diese Weise als menschlich und nahbar zu präsentieren. In Zukunft sollten Mitarbeiter insbesondere in den Bereichen Rockstar, Weiser und Faces noch systematischer zu Markenbotschaftern aufgebaut werden, um gezielt starke Personenmarken, Autoritäten und gut vernetzte Persönlichkeiten im Unternehmen zu fördern (wie Kerstin Hoffmann in ihrem Beitrag fordert).

Die Kategorisierungen zeigen wesentliche Charakteristika für jeden Typus auf, die natürlich auf der Individualebene nicht trennscharf sind. So verschmilzt die „alte Welt“ der Celebrities mehr und mehr mit der „neuen Welt“ der Social-Media-Influencer – die Celebrity will Influencer werden und umgekehrt. Während es Influencern um mehr Sichtbarkeit über den Tellerrand von YouTube, Instagram & Co. hinaus geht, wollen Celebrities eigene Reichweiten aufbauen, um neben einem zweiten beruflichen Standbein höhere Gagen bei Werbekampagnen fordern zu können. Hinzu kommt, dass mit einer eigenen hohen Reichweite die Wahrscheinlichkeit steigt, als Schauspieler neue Rollen oder als Sportler bessere Gehälter zu erhalten. Denn Regisseure wie Vereinsmanager achten zunehmend darauf, in welchem Ausmaß der neue Star eine eigene vermarktungsrelevante Reichweite mitbringt, die zusätzlich den Kinobesuch oder die Trikotumsätze steigert.

Mit dieser Systematik werden vier verschiedene Typen, die das Markt- und Kommunikationsgeschehen gezielt beeinflussen können, transparent gemacht, um strategische Entscheidungen zu Art und Einsatz von Celebrities, Creators (Influencer), Customers und Colleagues zu unterstützen. Im Folgenden wollen wir aufzeigen, warum Celebrities bzw. Influencer als werbliche Fürsprecher von Marken überhaupt wirken und was es für den Wirkungserfolg zu beachten gilt.