Adrian Babelssohn

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Adrian Babelssohn
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Paul Baldauf

Adrian Babelssohn

Aus dem Nachlass eines Übersetzers

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

ADRIAN BABELSSOHN

Kapitel 1

Kapitel 2: Der entscheidende Termin bei der IHK

Kapitel 3: Nie vergessen: Kundenfreundlichkeit!

Kapitel 4: Jetzt bewirbt man sich bei mir!

Kapitel 5: Und wenn sie gerade kellnert?

Kapitel 6: Ganz schön clever

Kapitel 7: Wo blieb der Absatz?

Kapitel 8, oder: BIC

Kapitel 9: Das kommt mir aber spanisch vor

Kapitel 10

Kapitel 11: Ich hätt‘ da nämlich was …

Kapitel 12: Kooperation?

Kapitel 13: Marsch, marsch, an die Arbeit, Kopf runter und zur Probe übersetzen

Kapitel 14: Guuten Tach, Gelbe Seide, hier iss der Herr Würgel …

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18: Bis morgen früh um 8 Uhr?

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21: Der Auftrag ist so groß, oh, je!

Kapitel 22: Schon wieder naht das Wochenende ...

Kapitel 23

Kapitel 24: Ab in die Notaufnahme

Kapitel 25: Wo soll das noch hinführen?

Kapitel 26: Aufgemerkt:

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32: Qualität garantieren wir nicht

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Nachwort

Über den Autor

Impressum neobooks

ADRIAN BABELSSOHN

PAUL BALDAUF

Aus dem Nachlass eines Übersetzers

Kapitel 1

Heute war ich beim Arbeitsamt. Eine großartige Sache, dieses Überbrückungsgeld!

Ein paar Monate Anschubfinanzierung und schon verschwinde ich aus der Kartei der Arbeitsuchenden. Die streng gescheitelte Sachbearbeiterin ließ sich meine Zeugnisse zeigen. Dann warf sie einen Blick auf mein Französisch-Diplom (DELE) sowie das IHK-Zertifikat in Englisch. Sie blickte mich anerkennend an. Mich beschlich auf einmal das Gefühl, daß sie den Wert dieser Qualifikationen vielleicht gar nicht richtig einschätzen könne. Aber − wenn ich es mir genau überlege − vielleicht war es ein Wink des Schicksals. So war sie nicht vorbelastet und konnte unvoreingenommen agieren: „Prima! Sprachen...Da haben Sie ja schon Diplome. Die Voraussetzungen sind gegeben.“

Sie fackelte nicht lange. Dafür hatte sie ja auch gar keine Zeit. Andere wollten schließlich auch noch bei ihr vorsprechen. Man muß es als Deutscher mit der Gründlichkeit auch nicht übertreiben. Ein anderer wäre den Dingen vielleicht auf den Grund gegangen. Und wozu führt das am Ende? Nur zu kleinlichen Fragen (skeptisch musternder Blick: Und Sie meinen, d a s reicht?), die eher hemmen als hilfreich sind. Es blieben ja ohnehin noch Jahrzehnte bis zur Rente. Da kann man sich die ein oder andere Qualifikation noch rückwirkend aneignen.

Die Sachbearbeiterin – „Ach, übrigens...“ – ergänzte: „Jetzt müssen Sie nur noch zur IHK in Ludwigshafen, zur Begutachtung Ihres Geschäftsplanes.“ Geschäftsplan? Davon hatte sie doch gar nichts gesagt...Oder hatte ich das überhört? Man lernt doch immer dazu.

Kapitel 2: Der entscheidende Termin bei der IHK

Der entscheidende Tag war gekommen. Termin in Ludwigshafen am Rhein:

Der Existenzgründungs-Spezialist − ein graumelierter Herr mit guten Umgangsformen,

der sehr kompetent wirkte − brachte es gleich auf den Punkt:

„Geschäftspläne sehen n o r m a l e r w e i s e anders aus..“

Diese Deutschen müssen doch für alles eine DIN-Norm einführen...Dabei setzte er – bei dezentem Fingertrommeln – eine Miene auf, die zunächst beinahe abschreckend und dann fast triumphal wirkte:

„Und w i e, meinen Sie, überbrücken Sie die schwierige Anfangsphase? Wenn keine oder kaum Aufträge eingehen, aber die Kosten weiterlaufen?“

Wie der die Dinge beim Namen nannte! Ich verwies darauf, dass ich ja ’stark reduzierte Grundkosten habe’: Verzicht auf ein Auto. Dies konnte er rechnerisch unmittelbar nachvollziehen: Wiegen des Kopfes, kritischer Prüferblick, begleitet von: Hm, hm...

Ich denke, der Verzicht auf ein Auto ist unbedingt sinnvoll, zumal ich ja gar keinen Führerschein habe. Habe ich ihm natürlich nicht verraten. Aber er war mit dieser unternehmerischen Denkweise noch nicht zufrieden. Er fuhr einen Finger aus und deutete mit kritischem Blick auf meinen improvisierten und etwas armseligen Geschäftsplan:

„Schön und gut: Damit haben Sie zwar diesbezüglich keine finanzielle Belastung, aber…

Da habe ich sogleich Initiative gezeigt, bevor er seinen Gedankengang weiter ausführen konnte und ihn auf mein ’Büro in der eigenen Wohnung’ verwiesen. Er schien die Büroräume-Kosten-Ersparnis sogleich durchzurechnen. Aber so schnell war ja so ein Kostenstellen-Fuchser nicht zu überzeugen. Ich setzte noch einen drauf und argumentierte damit, daß ich – zumindest in der Anfangszeit von 25 Jahren – keine Sekretärinnen einstellen werde. Ebenso bekommen Mitarbeiter strikterweise weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld (welche Mitarbeiter?) Nun schien es, daß er mir mehr zutraute. Er diagnostizierte, daß ich ‘sprachlich sicher gut‘ sei. Im kaufmännischen Bereich müsse ich aber dazulernen (Mir blieb nur rätselhaft, warum er an dieser Stelle vielsagend die Stirn runzelte). Ich schloß mich, aus taktischen Gründen, seiner Ansicht an. Am Ende zückte er seinen goldrandigen Kugelschreiber und unterzeichnete mit motivierendem Gesichtsausdruck (ob d a s mal gut geht?) den Antrag: BEFÜRWORTET! Wer sagt es denn? Er drehte sich um, flugs wie ein beweglicher Bürosessel. „Äh, Fräulein Müller...? Wenn Sie den jungen Mann bitte zum Ausgang begleiten...“

Kapitel 3: Nie vergessen: Kundenfreundlichkeit!

Nun sind bereits einige Wochen ins Land gegangen. Entscheidend wichtig, so scheint mir, ist die Kundenfreundlichkeit. Gestern rief wieder einer dieser zahlreichen Katalog-Versender an:

 

„Einen schönen guten Tag! Nervansky mein Name. Wir stehen für Büromaterial und mehr: Sie haben doch sicher zwei Minuten…?“

Mit der Zeit sammelt man unschätzbare Erfahrungen. Ich habe deshalb heute den Entschluß gefasst, diese weiterzugeben. Schließlich bin ich schon eine ganze Weile auf einem schwerumkämpften Markt.

Aufgemerkt:

Am Telefon immer freundlich sein. Man weiß nie, wen der Anrufer alles kennt. Und wenn es der siebte Katalog-Anbieter ist, der anruft. Signalisiere unbedingt Einverständnis und laß dir den Katalog schicken. Zumal du sowieso keine Zeit haben wirst, die Preise für 500 g Kopierpapier bei 7 Händlern zu vergleichen. Sicher, die Kataloge nehmen Platz weg.

Sei aber nicht kleinlich. Bedenke vielmehr, wieviel Platz die erst bei den Herstellern wegnehmen.

Also, zier dich nicht. Notfalls kannst du auch ein paar im Wohnzimmer zwischen die Bücher ins Regal stellen. So sieht jeder Besucher gleich, daß du kein weltfremder Schöngeist bist.

Die ’Gesammelten Werke von Hermann Hesse’ wolltest du sowieso ausrangieren.

Was sagt dir – der du dich auf dem rauen Markt freier Dienstleister behauptest – noch ein neo-romantischer Arbeitswelt-Drückeberger und lyrischer Nebelkerzen-Spaziergänger wie Hesse?

Kapitel 4: Jetzt bewirbt man sich bei mir!

Heute bekam ich die Bewerbung einer Übersetzerin: Sie’sei ‘Spanierin – aus Valladolid – spreche und verstehe fließend Spanisch und könne von daher natürlich entsprechende Schriftstücke übersetzen’. Außerdem habe sie ’einige Kurse’ absolviert und wohne schon lange in Deutschland. Sie verfüge zudem über ’Erfahrung in der Gastronomie (Kellnerin)’ und sei ’nunmehr entschlossen, ihr Berufsziel gezielt anzusteuern’. Anbei ihr Lebenslauf. In Erwartung meiner Antwort, danke sie für die wohlwollende Prüfung ihrer Bewerbung durch die geschätzte Geschäftsführung und freue sich auf erste, sicher sehr interessante Projekte.

Donnerwetter! Ich bekomme Bewerbungen...Wer hätte das gedacht?! Früher habe ich mich immer beworben und jetzt drehen die den Spieß um. Ein schönes Gefühl. Habe ich gleich zweimal gelesen, mir auf der Zunge zergehen lassen und dabei jedes Wort genau unter die Lupe genommen. Besonders die geschätzte Geschäftsführung. Obwohl, geschätzter Geschäftsführer wäre noch treffender gewesen.

Aufgemerkt:

Übersetzungsbüros anschreiben und sich auf die Qualifikation ’Muttersprachler/-in’ berufen, macht durchaus Sinn. Also, Pizzabäcker, nehmt euch ein Beispiel, wenn ihr gerade bei eurer PIZZERIA keine berufliche Zukunft mehr seht. Nur frisch ans Werk! Wie wäre es mit ’Übersetzer’? ’Entschlossen sein’, das ist ja schon mal was; darauf kann man aufbauen.

Als Muttersprachler die eigene Sprache können, darauf kommt es grundlegend an und wie bereichernd ist doch oft die Kenntnis von Dialekten. Und wo das Wörterbuch fehlt, wird improvisiert. Dies war doch schon immer eine Stärke der Italiener.

Sollte ich vielleicht bei Pizzerien anfragen?

Vielleicht sollte ich da überhaupt einmal nachfragen, bei den Pizzerien, ob da der ein oder andere Interesse hat? Immer ’Pizza Funghi’ oder ’Tonno’ servieren, das muß auf Dauer langweilig sein. Diese Pizzabäcker sind doch äusserst wendig. Wenn ich an diese Pizzeria in Perugia denke, wie der mit dem Teig auf dem Finger jonglierte, ihn nach oben warf, sich dabei noch wie ein Wirbelwind umdrehte, regelrechte Piruetten vollführte, schneller als dieser Brian Joubert bei der Eiskunstlauf EM, und ihn wieder auffing...! So ein Mann eignet sich doch rasend schnell ein Fachgebiet wie ’Lebensmitteltechnik’ an. Wendig sein muß man als Übersetzer auch. Vielleicht gar keine schlechte Idee… Die sind auch gewohnt zügig zu arbeiten und sind bestimmt nicht so weltfremd wie macher hochnäsige Akademiker, der nur Hörsäle kennt.

Aber zurück zu dieser Spanierin: Erfahrung in der Gastronomie (Kellnerin)...Sehr gut!

Das weiß man doch, mit wie vielen Leuten Kellnerinnen ständig in Kontakt kommen.

So wird die Kommunikation permanent geschult. Und dann dieser bescheiden-unauffällige Hinweis auf ’Gastronomie’. Das ist natürlich ein Fachgebiet. Sie wollte es nicht demonstrativ herausstellen. Sympathisch eigentlich...

Kellnerinnen sind doch auch eine Art Mittler, genau wie Sprachmittler. Und wenn bei denen ein Sachse oder Saarländer am Tisch hockt und etwas bestellt, müssen die das auch erst mal in eine andere Sprache übersetzen. Eigentlich ein verwandtes Berufsbild... Die hast Du gleich richtig taxiert. Außerdem: Sie wohnt schon lange in Deutschland...Sehr gut! Da kennt die die deutsche Mentalität bald aus dem eff-eff. Das alleine sollte ausreichen, um ihr eine Chance zu geben...’Kurse gemacht hat sie auch schon’. Da sieht man doch gleich die richtige Einstellung: Fortbildung – die weiß, wo es langgeht. Gleich in die Kartei freiberuflicher Mitarbeiter aufnehmen und Vermerk ’Gastronomie’ nicht vergessen. Wenn da mal was kommt, rufst Du die an und sie kellnert gerade. Die Übersetzung wird sie nebenher mit links ausführen. So flexibel wie die als Kellnerin ist...Da muß sie ja auch Bestellungen aufnehmen und gleichzeitig abräumen. Ich glaube, das passt!

Kapitel 5: Und wenn sie gerade kellnert?

Oder hat sie Übersetzer mit Dolmetscher verwechselt? Da sollte man nicht zu pingelig sein. Klar, das ist die Erklärung. Wenn die gerade kellnert, hat sie ja im Fall des Falles kein Wörterbuch zur Hand. Da rufe ich den Kunden an und erkläre ihm, dass die Übersetzung heute fernmündlich kommt. Da muß der eben auch beweglich sein. Das kann man verlangen.

Heute rief eine charmante Dame an. Erstaunlich, wie viele Leute gleich auf mein Büro aufmerksam werden. Dieser Bummel-Student aus dem Badischen muß meine provisorische Schmalspur-Website gut angemeldet haben. Sie sei von einer Schule, bei der ’baulicherseits einiges im Argen liege’ – das habe ich ja vermutlich auch den Medien entnommen, daß es um den baulichen Zustand unserer Schulen nicht zum Besten stehe – und nun suche man Sponsoren, die sich an den Renovierungskosten beteiligen, vielleicht auch an Sportgeräte-Ausstattung (Fußbälle). Da wolle sie einfach einmal anfragen, ob ich mich beteiligen wolle und auf diese Art meinen guten Namen...

Da war ich aber beeindruckt! Woher die mich kennt? Da ist man im ersten Moment schon überrascht. Und dann noch der Hinweis auf meinen guten Namen. Muß sich ganz schön rumgesprochen haben, meine Existenz-Gründung. Ich habe natürlich so getan, als würde ich ein grösseres, termingebundenes Übersetzungsprojekt unterbrechen, einmal kurz bedeutungsschwer und gut hörbar aufgeseufzt (Um was geht es denn? Passt gerade nicht wirklich, aber den Anruf kann ich gerade noch einschieben). Die Erfahrung des Gespräches mit ihr muß ich gleich weitergeben.

Aufgemerkt:

Falls Vertreter von Schulen oder ähnlichen Institutionen anrufen und dich als Sponsorin oder Sponsor werben wollen: Gehe darauf ein! Die damit verbundene Imagesteigerung kann man kaum hoch genug schätzen. Wenn du Glück hast, erscheint dein Name in der Schülerzeitung in einer Fußnote:

’Wir danken Büro X für die Spende von 10 Fußbällen oder Büro Y für die Beteiligung an

der Erhaltung der Bausubstanz.’ Bedenke die hohe Auflage solcher Zeitungen. Vielleicht ist es auch einem kleinen Lokal-Redakteur eine noch kleinere Meldung wert, wenn er einen guten Tag hat.Hier das Geld zusammenzuhalten, wäre ganz verkehrt. Du bist schließlich in der Anfangs- und Aufbauphase. Zum Aufbau gehört auch das Image. Wenn du zuviel springen lässt, stellt sich zwar mit Sicherheit ein finanzieller Engpaß ein. Aber an dem kommst Du sowieso nicht vorbei.Spende grossherzig, zumal solche Instandhaltungsarbeiten ja eigentlich zu den kommunalen Aufgaben gehören oder die Landespolitik sich darum kümmern sollte. Da kannst du als Dienstleister ruhig mal einspringen, wenn die gerade andere Prioritäten haben. Eine Hand wäscht die andere!

Nun – aus Erfahrung – noch eine Erklärung zu dem Hinweis auf den ’guten Namen’.

Zweifele nicht daran, daß sie es ernst meint. Wenn du dir in so kurzer Zeit einen guten Namen gemacht hast, dann verdienst du das auch. Wieso sollte sie dir auch Honig um den Bart schmieren wollen? Zeige durch deine übertriebene Spende gleich, daß der gute Name mehr als berechtigt ist. Setze noch einen drauf und frage sie, ob sie nicht auch noch jemand in der eigenen Verwandtschaft kennt, der sich in einer Notlage befindet.Wenn man mit deinem Unternehmen’soziales Engagement’ verbindet, kann dir das nur recht sein. So zeigst du nebenbei deine Vielseitigkeit: Du hättest auch das Zeug zum Sozialarbeiter. Davon abgesehen: Wer da spendet, der kann es sich leisten. Dessen Firma muss folglich florieren, folglich gute Arbeit leisten ...Ganz schön scharfsinnig, wie?!