Buch lesen: «Nature & Friends»

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ISBN 978-3-8442-6450-0

PERSONEN

DÖRTHE MULLAI

JOCHEN MULLAI

WERNER TAKGESELL

JUDITH (JULE) TAKGESELL

HORST TRINWITZ

MAGDA TRINWITZ

Verglichen mit den anderen, sind Magda und Horst ein deutlich älteres Paar aus sehr viel ärmerem Milieu. Sie sprechen nahe einer Lausitzer Mundart (das rollende „R“, die krude Grammatik usw.). Bitte nicht anschaffen! Entweder als Kunstdialekt nutzen oder durch die jeweiligen Mutterdialekte der Darsteller ersetzen.

1

Werner Takgesell besoffen und verwüstet in seiner Wohnung. Er schwankt auf und ab, klopft hin und wieder an eine Wand, schlägt schließlich verzweifelt die Fäuste dagegen.

Endlich wird an der Wohnungstür zurück geklopft. Er öffnet: Magda Trinwitz müde und verschlafen in einem elenden Morgenmantel.

MAGDA Ja?

WERNER Rein!

MAGDA Um diese ... Hören Sie, Herr Takgesell, die ein oder ooch andre Gefälligkeit tät ich ihm schonn gerne machn, wo er doch son prima Noachrichtensprecher sein tut, der Herr Takgesell. Da is man doch gern nachbarschaftlich zugange für den Herrn Takgesell: Post mithochbring', ooch mal den ein oder andren Müllsack mit runter, die vielen, schönen Pfandflaschen weg – alles gut möglich und gern. Nur, bei aller Liebe zur Noachrichtnsprecherei, - wissen Sie, wie späte es is?!

WERNER Halb vier. Seit null zwei Uhr betrügt mich meine Frau, jetzt wird zurückbetrogen.

MAGDA Ich mein: nicht dass ich partu nich ausn Federn kämen tät, überhaupt nich! Nur fünf Stunden und ich bin putzmunter, aber fünf Stunden müssen schon sein, sonst tu ich zu heftig altern, seh dann ganz aus wie meine Knautschlackledertasche, Herr Takgesell werdn sich erinnern: die, diewo Herr Takgesell mir aus Kenia oder Neu Jörg mitgebracht haben tät, wie bitte sagten Herr Takgesell?

WERNER Wein hab ich. Sekt, Champagner - was Sie wollen. Ich dachte, wir wählen die Couch.

MAGDA Die Couch.

WERNER Vielleicht wollen Sie vorher noch ein Häppchen essen?

MAGDA Häppchen.

WERNER Lachs, Zunge.

MAGDA Ah.

WERNER Die Couch ist prima. Man kann sie auch ausklappen.

MAGDA Unsere ebenfalls.

WERNER Bitte?

MAGDA Ausklappen.

WERNER Tatsächlich. lacht verlegen blöde

MAGDA Nebenan ist mein Horst. Er liebt Sie auch.

WERNER hüstelt Oh.

MAGDA Ihre Noachrichtensprecherei, den Tunneltalg.

WERNER Danke, das hört man gern. Wenn Sie vielleicht Ihren Morgenmantel einen Spalt breit öffnen würden.

MAGDA Was Mantel?

WERNER Vorn. Drei, vier Zentimeter, nur so als Starthilfe.

MAGDA Starthilfe.

WERNER Keine Sorge, mir genügt gewöhnlich ein Brustansatz.

MAGDA Herr Takgesell!!!

WERNER hektisch Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich können Sie sich vorher frisch machen, ich ...

MAGDA … Herr Takgesell!!!

WERNER Badezimmer gleich zweite Tür, wenn Sie die Matisse-Repros links liegen lassen - bedienen Sie sich, die blaue Zahnbürste bitte, Rasierzeug ist auf dem ...

MAGDA … Herr! Noach! rich! ten! sprech! cher!!!

WERNER kläglich Ja?

Magda stampft zur Tür, knallt sie hinter sich zu, er bricht wieder zusammen.

2

Dörthe Mullai, sehr elegant und frisch am Morgen. Werner Takgesell, übernächtigt, wimmert in ein Kissen und verbirgt beharrlich sein Gesicht.

DÖRTHE .... Die paar Tränchen! Mann, Take, alte Tunnelratte, wie lange kennen wir uns? Zehn Jahre, hundert? - Ich werds schon verkraften. Komm, kuck mich an.

Sehr zögerlich zeigt Takgesell ihr sein Gesicht.

DÖRTHE angewidert Uuaah!

Drückt ihm wieder das Kissen davor, steht auf, richtet sich, zündet sich eine Zigarette an. Wird pragmatisch.

DÖRTHE vermutet Das Bett, klar, auch kein Wunder; du hättest nicht die Morgensendung übernehmen sollen. Vier Uhr raus, Jesses, da würde nicht mal mein Mullai-Männchen stabil verwendbar sein. Und, Volksmund, klappts im Bett nicht ...

WERNER ... Im Gegenteil, im Gegenteil!

DÖRTHE Im Gegenteil? - Erzähle! Alles! Ich brauche Details, sonst kann ich dir nicht helfen.

WERNER Also ... ja ... naja …

DÖRTHE Nun zier dich nicht, betrachte mich ... betrachte mich gewissermaßen als deinen befreundeten Gynäkologen.

WERNER Na ja, also... zunächst sachlich und konzentriert, dann immer kläglicher Zuerst war da ein gewisser, getigerter Boxershort. Den sollte ich tragen, so Judith. Hab ich gemacht. Dann, irgendwann kurz nach Pfingsten, so eine Art Tanga. Sie, im Gegenzug, auch so eine Art Tanga. Dann, in schneller Folge: Kurzhaarfrisur – beide. Ich Leder, sie zog mit Latex nach. Handschellen, Handschellen wieder weg - du weißt, wir haben beide ein Schlüsselproblem. Dann den ganzen Versandhauskatalog rauf und runter. dünn, verzweifelt Und jetzt, jetzt ist sie weg und ich bin sexuell gesehen eine Kampfmaschine, zwanghaft, ein reißendes Tier. So lässt sie mich zurück: ein reißendes Tier ohne reißende Mutter. Darf man das? Das darf man nicht. Ich peitsch sie aus, ich verklag sie. Mensch, DÖRTHE Jule und ich, wir lieben uns! Wirklich! Wir haben das zigmal besprochen! weint

DÖRTHE Nu nu. täschelt ihn nachlässig, wischt sich die Handfläche ab Und an dem Abend?

WERNER Aufhängen und Fesseln.

DÖRTHE Sie war gefesselt und hat dich verlassen?!

WERNER Ich, ich war gefesselt. Ich hing kopfüber von der Decke.

DÖRTHE Großer Kott! - Hast du vielleicht irgendwas gesagt, irgendwas, was sie verletzen konnte. korrigiert Ich mein, irgendwas, was sie nicht so, wie sie, ich meine: nicht so verletzt … also im Rahmen eurer Spiele, also … gibt auf Hast du irgendwas gesagt?

WERNER Nein.

DÖRTHE Und sie?

WERNER Auch nicht, sie war ja zuerst noch geknebelt.

DÖRTHE Sie ist einfach so aufgestanden - oder hat sich abgehangen, was weiß ich - die Plünnen in den Koffer geworfen und ab?!

WERNER Jadoch!

DÖRTHE Donnerwetter, hätt ich Jule nicht zugetraut. - Tja, mein Lieber, Erfolg ist doch nicht alles. Ein bisschen, ein ganz klein bisschen, hast du dir das selbst zuzuschreiben. Ich hör dich noch: "Dörthe, Liebes, es kommt im Leben immer nur darauf an, auf der Seite des Schreibtisches zu sitzen, wo die Schubladen aufgehen." – Scheiße, Werner, Scheiße!

WERNER Ich hab doch was gesagt.

DÖRTHE Ja?

WERNER Ich hab gesagt: Schatz, ich glaube, das Stöfchen ist noch an.

DÖRTHE Das Stöfchen?

WERNER So'n Teewärmer mit Kerzen.

DÖRTHE Werner, ich weiß was ein Stöfchen ist. Aber du kannst doch unmöglich nackt von der Decke hängen und Stöfchen sagen! Das verschlägt einer Frau in der Situation doch die Sprache!

WERNER Sie war geknebelt.

DÖRTHE "Stöfchen" - nimms mir nicht übel, Werner Takgesell, aber Männer bleiben in der Liebe entweder dumme Jungen, oder werden Drecksäue. Viel mehr Möglichkeiten scheinen in euch nicht angelegt. "Stöfchen"… !

WERNER Ich schmeiß das Stöfchen in den Müll - sie soll nur wieder kommen.

DÖRTHE Ob tot oder lebendig, ich weiß. Ich weiß – überlegt Takgesell, ich mach das. Doch, ich mach das! Wozu sind wir befreundet, hä! knufft ihn Wenigstens wird sie sich dir erklären müssen. Und du, lieber Werner, du versprichst mir bis dahin, etwas mehr Würde zu zeigen, ja?

WERNER kläglich Würde.

DÖRTHE Sag es laut: WÜRDE!

WERNER nicht viel besser Würde.

DÖRTHE Ach, Mann …

Sie putzt ihm die Nase.

DÖRTHE Du musst ihr jetzt zeigen, dass du sehr gut ohne sie sein kannst.

Er jault auf.

DÖRTHE Vorübergehend, Werner. Vorübergehend Stolz, Selbstachtung Würde! Geh in die Morgennachrichten deines Lebens! Leide, aber leide wie ein Mann. Nein! Besser nicht. Oder doch: Leide, wie ein Mann vor – na, sagen wir – vor so siebzig, achtzig Jahren gelitten hat. Still, tapfer, attraktiv. Versprochen?

WERNER Ja.

DÖRTHE Ich bin sicher, du schaffst das!

WERNER Ja.

DÖRTHE Genau. Und sprich mit der Maskenbildnerin.

WERNER Ja.

DÖRTHE Und mit den Leuten vom Licht.

WERNER Ja.

DÖRTHE Und mit den …

WERNER … JA!

DÖRTHE Gut.

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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