Träumereien und Albdrücke

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Träumereien und Albdrücke
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Nico Oelrichs

Träumereien und Albdrücke

3 Poeme - 3 Kurzgeschichten

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Alles Nichts…

Nachtgedanken

Weltenirrsinn

Wahres Glück

Die Ballade von der wertlosen Blume

Im Fieber

Impressum neobooks

Alles Nichts…

War ein Junge, sprach zu seinem Vater: „Werde gehen.“

Sprach der Vater: „Warum wirst du gehen?“

Sprach der Junge: „Werde gehen um zu verstehen.“

Sprach der Vater: „Was willst du verstehen?“

Sprach der Junge: „Warum ich bin.“

Ging der Junge mit dem Sonnenuntergang davon

Kam der Junge an ein Feld und erntete mit den Bauern, und ging müde

Kam der Junge an einen Markt und verkaufte mit den Händlern, und ging arm

Kam der Junge an ein Bordell und küsste mit den Huren, und ging einsam

Kam der Junge an ein Kloster und betete mit den Mönchen, und ging leer

Kam der Junge an eine Berghöhle und schwieg, und ging wieder als Mann

Kam der Mann an ein Kloster und belächelte die Mönche, und ging wortlos weiter

Kam der Mann an ein Bordell und zeugte einen Sohn mit den Huren, und ging mit ihm

Kam der Mann an einen Markt und kaufte dem Sohn ein Spielzeug, und beide lachten

Kam der Mann an ein Feld und rastete mit den Bauern und dem Sohn, und kehrten heim

Kam der Mann, sprach zu seinem Vater: „Bin zurückgekehrt.“

Sprach der Vater: „Was hast du getan?“

Sprach der Mann: „Vieles.“

Sprach der Vater: „Was hast du verstanden?“

Sprach der Mann: „Nichts.“

Lebte der Mann mit dem Sohn beim Vater bis dessen Sonne sank

Sprach der Vater im Totenbett: „Werde nun sterben.“

Sprach der Mann am Totenbett: „Kannst sterben.“

Sprach der Vater: „Weißt du nun den Sinn?“

Sprach der Mann: „Gibt keinen Sinn. Alles ist.“

Schloss der Vater die Augen und lächelte

Kam der Junge, sprach zu seinem Vater: „Werde gehen.“

Sprach der Vater: „Du wirst gehen.“

Sprach der Junge: „Möchte verstehen.“

Sprach der Vater: „Du hast bereits verstanden.“

Sprach der Junge: „Nichts habe ich verstanden.“

Sprach der Vater: „Du hast bereits verstanden.“

Nachtgedanken

Nimm den grauen nassen Regentag ab von mir

Der so trüb ist wie meine Seele

Und so tränenschwer von all meinem Schmerz

Und nimm mir den Schwindel

Lass meine Augen aufgehen zu jeder roten Sonne

Die immerneu ist weil du bei mir bist

Und lass mich mit dem lichten Tage einschlummern

Und mich dich mit hinüber nehmen

In meinen taufrischen Schlaf und den Silbertraum

Und lass mich dir Traum sein

Und weiche nicht von meiner Seite vorm Abgrund

Sondern lass uns aufsteigen und fliegen

Und die Last, den Schmerz und die Sorge

Zurücklassen

Und lass mich keinen Stern mehr leuchten sehen

Um deiner Augenleuchten einziger Geliebter zu sein…

Weltenirrsinn

Der Weltenirrsinn schlägt meinen Magen

Macht meinen Kopf zerspringen

Wer kann denn heute noch wagen

Aus Leidenschaft zu verbrennen

Wer, so frage ich euch, kann heut denn noch reden?

Und wer, mag er’s mir vergeben, will denn noch sehen?

Und wer wagt denn noch vor den Spiegel zu gehen?

Und wer kann sagen, er ist sein eigen Spiegelbild?

Wer, wenn nicht ich?

Und sei es allein nur für mich

So sei’s doch mehr als für die ganze Welt

Dass ich mich mir vor Augen stell’

Meine Kehle brennt wie Feuer

Bis tief hinunter in den Gallenmagen

Und der Galgenhaken baumelt über mir

Und der Rabe wartet unter schwarzem Himmel

Die Sonne brennt nicht mehr, sie scheint

Der Mond silbert nicht mehr, er friert

Das Gras riecht nicht mehr, es steht gerade

Und das Wasser tanzt nicht mehr, es pfuhlt

Geht ihr nur weiter ihr Lämmer

Ich bleibe zurück, allein für mich, allein

So allein, so leer, so übervoll von Wahrheit

Allein bleibe ich und ich weiß dass ich nicht sterb’

Wie kann einer sterben, in einer Welt ohne Leben?

Und wie kann einer sehen dessen Augen von Geburt

Mit Blindheit beschlagen wurden, Tag für Tag

Und wie kann einer gehen ohne Beine?

Die Amputiertenkarawane mahlt weiter

Ich sehe nicht mehr hin

Gott, vergib mir, ich hasse etwas dass es nicht gibt

Ich bin mein eigner Sinn

Wahres Glück

Es war einmal ein Tal in dem ein kleines Bauerndorf lag. Man erzählte sich, dass dort ein alter Mann lebte, der es in seinem langen Leben zu besonderer Weisheit gebracht hatte, da ihm scheinbar alles gelang und nichts aus der Ruhe brachte.

Auf dem Gipfel des Tales stand ein uraltes Mönchskloster und dessen Abt meditierte jeden Tag sehr oft, weil er an dieselbe sagenhafte Gelassenheit und Geschicktheit des Alten aus dem Dorf rühren wollte.

Als ihm dies jedoch nicht gelang, schickte er einen seiner Schüler hinunter ins Tal, da dieser sich die Weisheit des Alten drunten einmal aus der Nähe betrachten sollte. Der Abt beauftragte den jüngsten aller Mönche, da dieser ihm am wenigsten beeinflusst schien und wie ein leeres Gefäß wirkte, welches begierig neue Weisheiten aufnehmen wolle.

Am Morgen traf der junge Mönch im Tal ein und fragte die Dorfbewohner nach dem Alten.

„Du meinst den Wagner, der, der immer Glück hat und glücklich ist?“, sagten sie und zeigten ihm den Weg. Da kam der junge Mönch an das Haus des Alten und es machte den Eindruck, als würde es bald in sich zusammenstürzen. Demütig trat er ein und grüßte den Alten, welcher gebeugt in einer Ecke des Hauses saß und an einer Speiche für ein neues Rad schnitzte. Das Holz in seinen Händen war verdreht und knorrig und niemals hätte man denken können, dass daraus einmal eine brauchbare und gerade Speiche werden könne.

Wortlos bedeutete der Alte dem Mönch, dass er sich setzen solle. Stunden vergingen und niemand sprach ein Wort. Am Abend legte der Alte das Holz beiseite, zündete ein Räucherstäbchen an und legte sich schlafen. Auch der junge Mönch legte sich schlafen. Als die Sonne stieg, schnitzte der Alte weiter an der Speiche, und siehe, sie war gerade und fest und als er sie in das Rad einsetzte, drehte es sich ganz vorzüglich und ohne Fehl.

„Wie kann das sein, ehrwürdiger Alter. Die Speiche war ganz verdreht, nun passt sie vollkommen in das Rad und alles dreht sich sicher und fest ohne Tadel. Eure Schnitzkunst muss die eines wirklichen Meisters sein. Wo habt ihr sie erlernt?“

„Nirgends habe ich sie erlernt und kein Meister bin ich. Die Speiche ist gerade und fest, weil ich sie nicht gezwungen habe gerade und fest zu sein.“

Im Laufe des Tages fing es zu regnen an und das tiefe Tal ließ die schwarzen Wolken nicht ziehen, sodass vielerlei Gehöfte und Schuppen überschwemmt wurden. Nur das windschiefe Haus des Alten blieb fast gänzlich trocken und wenn trotzdem Wasser durch das löchrige Dach herein troff, so blieb der Alte still sitzen und stand den Regen aus.

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