Regentschaft Des Stahls

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Aus der Reihe: Ring der Zauberei #11
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Doch das Blatt wendete sich schnell, als die McClouds Verstärkung erhielten, und die Jungen auf immer stärkeren Widerstand stießen. Merek und Ario steckten Schwerthiebe ein, konnten sich jedoch auf ihren Pferden halten und ihrerseits ihre Gegner zu Fall bringen. Doch dann wurden beide von Kriegslegeln getroffen, und gingen zu Boden. O’Connor, der neben Merek ritt, schoss einige Pfeile ab und schaltete die Krieger um sie herum aus, bevor er von einem Hieb mit einem Schild in die Seite getroffen wurde und selbst vom Pferd fiel. Elden, vollständig eingekreist, verlor schließlich den Vorteil des Überraschungsangriffs, und musste neben einem heftigen Schlag mit einem Kriegshammer gegen seine Rippen, einen Schwerthieb gegen seinen Unterarm einstecken.

Er fuhr herum und zerrte die Männer von ihren Pferden – doch sofort kamen vier weitere nach. Conven, am Boden, kämpfte verzweifelt. Er schwang seine Axt wie wild gegen die Männer und Pferde die an ihm vorbeiritten – bis er schließlich von hinten mit einem Hammer getroffen wurde und mit dem Gesicht voran in den Schlamm fiel.

Immer mehr Männer kamen zur Verstärkung der McClouds herbei, ließen von den Toren ab, um sie zu unterstützen. Elden sah immer weniger seiner eigenen Männer, und wusste, dass sie bald alle tot sein würden. Doch das war ihm egal. King’s Court wurde angegriffen, und er war bereit sein Leben für die Verteidigung seiner Heimat zu geben, und für diese Jungen, die sich so tapfer als Rekruten der Legion bewiesen hatten, und auf die er so stolz war. Ob sie Jungen oder Männer waren, war nun egal – sie alle gaben an seiner Seite ihr Blut, und das machte sie alle –tot oder lebendig – zu Brüdern.

*

Kendrick stürmte den Berg hinab, gefolgt von tausend Silver, die alle schneller als je zuvor auf die schwarzen Wolken am Horizont zuritten.

Kendrick schalt sich und wünschte sich, die Tore stärker bewacht zurückgelassen zu haben. Er hätte an einem Tag wie heute nie mit einem Angriff gerechnet, und schon gar nicht von den McClouds, von denen er geglaubt hatte, dass sie unter Gwendolyns Herrschaft friedfertiger geworden waren. Er würde jeden einzelnen dafür zahlen lassen, dass sie diesen heiligen Tag dazu missbraucht hatten, King’s Court anzugreifen.

Seine Brüder um herum strahlten den ganzen Zorn der Silver aus. Aus ihrer heiligen Pilgerfahrt herausgerissen waren sie wild entschlossen, den McClouds zu zeigen, wozu die Silver im Stande waren. Sie würden sie ein für alle Mal zur Strecke bringen. Kendrick schwor, dass er nicht einen einzigen McCloud am Leben lassen würde. Die McCloud’sche Seite der Highlands würde sich nie wieder erheben.

Als Kendrick sich der Stadt näherte, sah er dass die Rekruten der Legion tapfer an der Seite von Elden, O’Connor und Conven kämpften, zahlenmäßig schrecklich unterlegen, doch nicht einer von ihnen war bereit aufzugeben. Sein Herz schwoll vor stolz. Doch es stand nicht gut um sie.

Kendrick schrie und gab seinem Pferd noch stärker die Sporen, in einem letzten Spurt auf die Kämpfenden zu.

Als er nahe genug war, hob er einen langen Speer auf, und warf ihn. Einer der feindlichen Generäle drehte sich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie der Speer auf seine Brust zuflog und sie durchbohrte. Kendricks Wurf war stark genug gewesen, selbst seine Rüstung zu durchdringen.

Die Krieger hinter Kendrick mischten sich mit einen lauten Kampfschrei ins Getümmel: Die Silver waren da.

Die McClouds fuhren herum, und zum ersten Mal hatten zeichnete sich echte Furcht in ihren Gesichtern ab. Tausend Silver in glänzenden Rüstungen strömten wie eine Welle mit gezogenen Waffen den Berg hinab. Die McClouds wandten sich ihnen zu, doch nicht ohne Angst.

Die Woge der Silver stürzte sich auf sie und schwappte nach King’s Court hinein. Kendrick führte den Angriff. Er zig seine Axt und mit meisterlichem Schwung mähte er mehrere feindliche Krieger von ihren Pferden; dann zog er mit der anderen Hand sein Schwert, ritt in die Menge und rammte nacheinander mehreren Gegnern sein Schwert durch wunde Punkte ihrer Rüstung.

Die Silver mähten als Welle der Zerstörung durch die Feinde, jeder von ihnen ein ausgezeichneter Krieger, und keiner von ihnen glücklich, bis er von Feinden umringt war. Die Silver fühlten sich in der Schlacht zu Hause.

Sie hieben und stachen auf die McClouds um sich herum ein, die wie Amateure wirkten im Vergleich zu ihnen. Die Schreie wurden lauter, als sie in allen Richtungen McClouds zu Fall brachten.

Niemand konnte die Silver aufhalten. Sie waren zu schnell, zu geschickt und zu stark und zudem war jeder von ihnen ein Experte auf seinem Gebiet. Sie kämpften als Einheit, so wie sie es trainiert hatten, seitdem sie gelernt hatten, zu laufen.

Ihr Schwung und ihre Fähigkeiten jagten den McClouds Furcht und Schrecken ein, die alle nicht mehr als einfache Krieger waren, im Vergleich mit diesen hoch trainierten Rittern. Elden, Conven, O’Connor und die verbliebenen Rekruten der Legion, die durch die unerwartete Verstärkung gerettet worden waren, rappelten sich auf, und warfen sich trotz ihrer Verletzungen wieder in den Kampf, was den Silver noch weiteren Schwung gab.

Binnen weniger Augenblicke lagen hunderte von McClouds tot auf dem Feld, und die, die übrig waren, wurden von Panik erfasst.

Einer nach dem anderen suchten sie ihr Heil in der Flucht. Einer nach dem anderen strömten die McClouds aus der Stadt heraus und versuchten aus King’s Court zu fliehen.

Kendrick war fest entschlossen, das nicht zuzulassen. Er ritt gefolgt von seinen Männern zu den Toren der Stadt, und versperrte den Feinden den Fluchtweg. Wie durch einen Trichter blickten die fliehenden McClouds ihren überlegenen Gegnern entgegen, als sie durch die engen Tore strömten – dieselben Tore, durch die sie vor wenigen Stunden hineingestürmt waren.

Kendrick kämpfte mit zwei Schwertern gleichzeitig, mähte Männer zu allen Seiten nieder, und wusste, dass bald alle McClouds tot sein, und King’s Court wieder ihnen gehören würde. Während er sein Leben für seine Heimat riskierte, erkannte er erneut, was es hieß, am Leben zu sein.

KAPITEL DREI

Luandas Hände zitterten, als sie langsam einen Schritt nach dem anderen über die gigantische Querung des Canyons lief. Mit jedem Schritt wurde ihr stärker bewusst, dass ihr Leben, wie sie es bisher gelebt hatte, zu Ende ging, spürte, dass sie ihre Welt hinter sich ließ, und dabei war, eine neue Welt zu betreten. Nur wenige Meter bevor sie die andere Seite erreicht hatte, hatte sie das Gefühl, als ob das ihre letzten Schritte auf Erden wären.

Nur wenige Meter vor ihr stand Romulus und hinter ihm seine Millionen Männer starke Armee. Über ihnen kreisten dutzende von Drachen und schrien schauerlich. Es waren die wildesten Kreaturen, die Luanda je gesehen hatte, und sie schienen sich selbst vor dem Schild nicht zu fürchten, denn sie flogen immer wieder gegen die unsichtbare Barriere. Luanda wusste, dass in wenigen Schritten, sobald sie den Ring verließ, der Schild für immer fallen würde.

Luanda sah dem Schicksal entgegen, das sie erwartete, dem sicheren Tod von Romulus Händen und denen seiner grausamen Männer. Doch diesmal war es ihr egal. Alles, was sie liebte, war ihr genommen worden. Ihr Gemahl Bronson, der Mann, den sie über alles geliebt hatte, war ermordet worden – und alles nur wegen Gwendolyn. Sie gab Gwendolyn die Schuld an allem. Nun, endlich, was die Zeit für ihre Rache gekommen.

Luanda blieb vor Romulus stehen und sie sahen einander über die unsichtbare Grenze hinweg an. Er war ein Mann von grotesker Statur: Doppelt so breit wie ein Mann sein sollte, schien er nur aus Muskeln zu bestehen, so viel Muskeln, dass er keine Schultern und keinen Hals zu haben schien. Sein Gesicht wurde von einem markanten Kiefer dominiert mit wachen, großen schwarzen Augen. Sein Kopf schien insgesamt zu groß für seinen Körper zu sein. Er starrte sie an wie ein Drache, der auf seine Beute hinabblickt, und sie war sich sicher, dass er sie in Stücke reißen würde.

Sie sahen einander unter angespanntem Schweigen an, ein grausames Lächeln umspielte seine Lippen, zusammen mit einem Ausdruck der Überraschung.

„Ich hätte nicht gedacht, dich jemals wieder zu sehen“, sagte er. Seine Stimme war tief und knurrend und hallte über den Canyon hinweg.

Luanda schloss ihre Augen und wollte Romulus verschwinden lassen. Sie wollte ihr ganzes Leben verschwinden lassen.

Doch als sie ihre Augen öffnete, stand er immer noch vor ihr.

„Meine Schwester hat mich verraten“, sagte sie sanft. „Nun ist es an der Zeit gekommen, dass ich dasselbe tue.“

Luanda schloss ihre Augen, und mit einem letzten Schritt verließ sie die Brücke und stand wieder auf festem Boden – außerhalb des Rings.

Dabei hörte sie ein donnerndes Brausen hinter sich; Nebelschwaden schossen vom Grund des Canyons in die Höhe, wie eine riesige Welle die sich erhob, und brach so plötzlich, wie sie erschienen war wieder in sich zusammen. Es klang, als ob die Erde auseinanderbrechen wollte, und Luanda wusste mit Sicherheit, dass der Schild für immer gefallen war – und dass sie nun nichts mehr von Romulus und seiner Armee trennte.

Romulus blickte auf Luanda herab, die mit dem Mut der Verzweiflung unerschrocken vor ihm stand und ihn trotzig ansah. Sie hatte Angst, doch sie wollte sie nicht zeigen. Sie wollte Romulus diese Genugtuung nicht gönnen. Sie wollte, dass er sie tötete, während sie ihm ins Gesicht sah. Sie wollte, dass endlich alles vorbei war.

Doch stattdessen wurde Romulus‘ Lächeln breiter, und er sah ihr in die Augen, anstatt auf die Brücke, wie sie es erwartet hatte.

„Du hast, was du wolltest“, sagte sie verwirrt. „Der Schild ist gefallen. Der Ring gehört dir. Willst du mich jetzt nicht töten?“

Er schüttelte den Kopf.

„Du bist nicht, was ich erwartet habe“, sagte er schließlich, nachdem er sie eine Weile lang abschätzend angesehen hatte. „Vielleicht werde ich dich am Leben lassen. Vielleicht werde ich dich sogar zu meiner Gemahlin machen.“

 

Bei dem Gedanken daran wurde Luanda übel. Das war nicht die Reaktion, die sie sich gewünscht hatte.

Sie holte tief Luft und spuckte ihm ins Gesicht, in der Hoffnung, dass sie ihn damit so sehr provozieren würde, dass er sie töten würde.

Romulus wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und Luanda machte sich auf den Schlag gefasst, der nun folgen würde – sie erwartete, dass er sie schlagen würde, wie er es zuvor getan hatte, dass er ihr dabei vielleicht sogar den Kiefer brechen würde – sie rechnete mit allem, nur nicht damit, dass er freundlich sein würde. Doch stattdessen machte er einen Schritt auf sie zu, zog sie zu sich heran, riss ihren Kopf an den Haaren zurück, und küsste sie.

Sie spürte seine Lippen, grotesk, spröde, muskulös, wie eine Schlange und er presste sie immer fester an sich, so fest, dass sie kaum atmen konnte.

Endlich ließ er von ihr ab – und als er es tat, versetzte er ihr eine schallende Ohrfeige, so hart, dass ihre Haut brannte.

Luanda sah ihn entsetzt und voller Abscheu an. Sie verstand ihn nicht.

„Fesselt sie und haltet sie in meiner Nähe“, befahl er. Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als seine Männer auch schon vortraten und ihr die Hände hinter ihrem Rücken fesselten.

Romulus Augen waren vor Freude geweitet, als er seinen Männern voran den ersten Schritt auf die Brücke tat.

Da war kein Schild mehr, der ihn aufhalten konnte. Er stand sicher und wohlauf mitten auf der Brücke.

Romulus grinste breit, dann lachte er und streckte seine Arme zur Seite aus, während er den Kopf in den Nacken warf. Er brüllte vor Lachen, triumphierte, und der Klang seiner Stimme hallte durch den Canyon.

„Es gehört mir!“, polterte er. „Alle meins!“

Das Echo seiner Stimme wurde von den Wänden des Canyons zurückgeworfen und hallte bedrohlich.

„Männer! Auf zur Invasion!“

Seine Krieger strömten an ihm vorbei, und ihre Jubelschreie wurden von den Drachen hoch oben in der Luft beantwortet, die über den Canyon hinwegglitten. Sie flogen in die wabernden Nebelschwaden hinein, kreischten, und ließen die Welt wissen, dass der Ring nie wieder so sein würde wie früher.

KAPITEL VIER

Alistair lag am Bug des riesigen Schiffs in Erecs Armen. Auf den Wellen des Ozeans rollte es sanft auf und ab. Sie blickte fasziniert zu den unzähligen roten Sternen auf, die in der Ferne am Himmel glitzerten. Eine warme Brise umwehte sie sanft, und lullte sie in den Schlaf. Sie fühlte sich zufrieden. Einfach nur gemeinsam mit Erec in der lauen Nacht zu liegen, gab ihr ein Gefühl des Friedens. Hier, in diesem Teil der Welt, auf dem riesigen Ozean, schien es ihr, als wären alle Sorgen der Welt verflogen. Endlose Hindernisse hatten sie voneinander ferngehalten, doch nun, endlich, wurden ihre Träume war. Sie waren zusammen, und nichts und niemand stand mehr zwischen ihnen.

Sie hatten bereits die Segel gesetzt auf dem Weg zu seinen Inseln, in seine Heimat. Und wenn sie erst einmal dort angekommen waren, würde sie ihn heiraten. Es gab nichts, was sie sich auf dieser Welt mehr wünschte.

Erec drückte sie an sich und sie legte ihren Kopf an seine Schulter, während sie sich zurücklehnten und gemeinsam gen Himmel blickten, während der sanfte Nebel des Ozeans sich wie ein Laken über sie legte. Ihre Augenlider wurden schwer.

Während sie gen Himmel blickte, staunte sie, wie riesig die Welt war; sie dachte an ihren Bruder, Thorgrin, der irgendwo da draußen war, und sie fragte sich, wo er gerade war. Sie wusste, dass er auf dem Weg zu ihrer Mutter war. Würde er sie jemals finden können? Wie war sie? War sie noch am Leben?

Alistair hätte ihn so gerne auf der Reise begleitet, denn auch sie wollte ihre Mutter kennenlernen; sie vermisste den Ring bereits, und wünschte sich zurück in ihre gewohnte Umgebung. Doch die Aufregung überwog. Sie war aufgeregt, gemeinsam mit Erec ein neues Leben an einem neuen Ort, in einem neuen Teil der Welt zu beginnen.

Sie war aufgeregt, seine Familie und sein Volk zu treffen, und zu sehen, wie seine Heimat war. Wer waren die Menschen, die auf den Südlichen Inseln lebten? Fragte sie sich. Wie war sein Volk? Würde seine Familie sie aufnehmen? Würden sie sich über ihre Anwesenheit freuen, oder würden sie sich von ihr bedroht fühlen? Würde ihnen der Gedanke an ihre Hochzeit gefallen? Oder hatten sie sich jemand anderen, vielleicht aus ihrem eigenen Volk für Erec vorgestellt?

Doch was sie am meisten fürchtete war, was sie über sie denken würden, sobald sie von ihren Kräften erfuhren. Wie würden sie reagieren, wenn sie herausfanden, dass sie eine Druidin war? Würden sie sie für eine Missgeburt halten, wie alle anderen?

„Erzähl mir mehr von deinem Volk“, bat sie Erec.

„Was möchtest du wissen?“

„Erzähl mir von deiner Familie“, sagte sie.

Erec dachte eine ganze Weile still nach. Schließlich sagte er:

„Mein Vater, er ist ein großartiger Mann. Er ist König meines Volkes, seit er in meinem Alter war. Sein Tod wird unsere Insel für immer verändern.“

„Hast du noch andere Familienmitglieder?“

Erec zögerte, dann nickte er schließlich.

„Ja. Ich habe eine Schwester… und einen Bruder.“ Er zögerte. „Meine Schwester und ich standen uns in unserer Kindheit sehr nahe. Doch ich muss dich warnen. Sie ist sehr besitzergreifend uns wird leicht eifersüchtig. Sie ist Außenstehenden gegenüber argwöhnisch und mag keine Fremden in unserer Familie. Und mein Bruder…“ Erec schwieg.

Alistair hakte nach.

„Was ist mit ihm?“

„Du wirst nie einem besseren Kämpfer als ihm begegnen. Doch er ist mein jüngerer Bruder und für ihn war immer alles ein Wettstreit mit mir. Ich habe ihn immer als meinen Bruder angesehen, doch er sieht mich als Konkurrenz, als jemanden, der ihm im Weg steht. Ich weiß nicht warum, doch so ist es eben. Ich wünschte wir stünden uns näher.“

Alistair sah ihn überrascht an. Sie konnte nicht verstehen, wie jemand in Erec etwas anderes als einen liebevollen Menschen sehen konnte.

"Und es ist immer noch so?", fragte sie.

Erec zuckte mit den Achseln.

"Ich habe keinen von ihnen gesehen, seit ich ein Kind war. Es ist meine erste Rückkehr in meine Heimat; fast dreißig Sonnen-Zyklen sind vergangen. Ich weiß nicht, was mich erwartet. Ich bin heute vielmehr ein Geschöpf des Rings. Und doch, wenn mein Vater stirbt… bin ich sein ältestes Kind. Mein Volk wird von mir erwarten, dass ich den Thron übernehme. "

Alistair hielt inne, sie wollte nicht neugierig erscheinen.

"Und wirst du es tun?"

Erec zuckte die Schultern.

„Es ist nicht gerade etwas, was ich angestrebt habe. Doch wenn mein Vater es wünscht, kann ich nicht ablehnen.“

Alistair studierte seine Miene.

„Du liebst ihn sehr.“

Erec nickte, und sie konnte im Sternenlicht sehen, wie sich seine Augen mit Tränen füllten.

„Ich bete nur, dass unser Schiff rechtzeitig ankommt, bevor er stirbt.“

Alistair dachte über seine Worte nach.

„Und was ist mit deiner Mutter?“, fragte sie. „Denkst du, sie wird mich mögen?“

Erec lächelte.

„Wie ihre eigene Tochter“, sagte er. „Denn sie wird sehen, wie sehr ich dich liebe.“

Sie küssten sich. Alistair lehnte sich zurück und während sie gen Himmel blickte, ergriff sie Erecs Hand.

„Du darfst eines nie vergessen – ich liebe dich. Mehr als alles andere. Das ist alles was zählt. Mein Volk wird die größte Hochzeit ausrichten, die die Südlichen Inseln je gesehen haben. Sie werden uns mit Festlichkeiten überschütten. Und du wirst von allen geliebt werden.“

Alistair betrachtete die Sterne, wobei sie Erecs Hand festhielt und nachdachte. Sie zweifelte nicht an seiner Liebe zu ihr, doch sie fragte sich, wie sein Volk zu ihr stehen würde, ein Volk, das er selbst kaum kannte. Würden sie sie akzeptieren, so wie er es annahm? Sie war sich nicht sicher.

Plötzlich hörte Alistair schwere Schritte. Sie sah sich um und sah, wie das Besatzungsmitglied an der Reling stand und einen großen toten Fisch über Bord warf. Sie hörte ein leises Platschen, gefolgt von einem lauteren, als ein anderer Fisch hochsprang und ihn vertilgte. Dann hörte sie ein furchtbares Geräusch aus dem Wasser, das wie Stöhnen oder Weinen klang, gefolgt von weiterem Platschen.

Alistair beobachtete den Seemann. Er war unrasiert, trug abgerissene Kleider und ihm fehlten einige Zähne. Mit einem dümmlichen Grinsen lehnte er sich über die Reling. Er drehte sich um und sah sie an. Sein Gesicht wirkte böse, geradezu grotesk im Sternenlicht. Alistair hatte ein ungutes Gefühl dabei.

„Was hast du da über Bord geworfen?“, fragte Erec.

„Die Innereien eines Simkafischs“, antwortete er.

„Warum?“

„Sie sind giftig“, antwortete er grinsend. „Jeder Fisch, der sie frisst, stirbt auf der Stelle.“

Alistair sah in entsetzt an. „Doch warum willst du die Fische töten?“

Der Mann grinste noch breiter.

„Ich sehe ihnen gerne beim Sterben zu. Ich höre gerne ihre Schreie, und mir gefällt es zu beobachten, wie sie mit dem Bauch nach oben an der Oberfläche treiben. Es mach Spaß.“

Der Mann drehte sich um und ging langsam zurück zu Rest der Besatzung. Während Alistair ihm dabei zusah, bekam sie eine Gänsehaut.

„Was hast du?“, fragte Erec sie.

Alistair wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf. Sie versuchte das ungute Gefühl zu vertreiben, doch es ließ sich nicht abschütteln; es war eine finstere Vorahnung, doch sie war sich nicht sicher wofür.

„Nicht, mein Geliebter.“

Sie lehnte sich wieder an ihn, und versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung war. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass nichts in Ordnung war.

*

Erec erwachte mitten in der Nacht. Er spürte, wie das Schiff langsam auf und ab dümpelte, und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Der Krieger in ihm, der Teil von ihm, der ihn schon immer gewarnt hatte, wenn etwas Schlimmes bevorstand. Er hatte immer einen Gespür dafür gehabt, schon seit er ein kleiner Junge war.

Er setzte sich auf, und sah sich um. Alistair schlief tief und fest neben ihm. Es war noch immer dunkel, das Boot tanzte immer noch auf den Wellen, doch etwas stimmte nicht. Er sah sich um, doch er sah kein Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte.

Welche Gefahr sollte es hier draußen, mitten im Nirgendwo, schon geben? Hatte er nur geträumt?

Erec vertraute seinem Instinkt und griff nach seinem Schwert. Doch bevor er es ergreifen konnte, spürte er plötzlich, wie ein schweres Netz über ihn geworfen wurde und festgezogen wurde.

Bevor er reagieren konnte, wurde er in die Höhe gezogen, wie ein Fisch im Netz, die Maschen des Netzes so eng um ihn, dass er sich nicht bewegen konnte.

Er wurde immer höher gezogen, bis er schließlich, wie ein Tier in der Falle, fünf Meter über dem Deck baumelte.

Erecs Herz pochte wild in seiner Brust, während er versuchte zu verstehen, was vor sich ging. Er blickte auf Alistair herab, die nun ebenfalls aufgewacht war.

„Alistair!“, schrie Erec.

Sie blickte sich nach ihm um, und als sie endlich nach oben sah, war sie geschockt.

„EREC!“, schrie sie verwirrt.

Erec sah, wie ein paar Dutzend Besatzungsmitglieder mit Fackeln auf sie zukamen. Alle hatten ein zu grotesken Fratzen verzogenes, böses Grinsen im Gesicht, als sie sich ihr näherten.

„Es ist an der Zeit, dass du sie mit uns teilst“, sagte einer von ihnen.

„Ich werde dem Prinzesschen zeigen, was ein Seemann alles kann!“, knurrte ein anderer.

Die Gruppe brach in Gelächter aus.

„Du bist nach mir dran“, sagte ein anderer.

„Nicht vor mir!“, brüllte der nächste.

Erec versuchte, sich mit aller Kraft zu befreien, als sie immer näher kamen. Doch es hatte keinen Sinn. Seine Schultern und Arme waren zu sehr festgezurrt, er konnte nicht einmal seinen kleinen Finger rühren.

„ALISTAIR!“, schrie er verzweifelt.

Er konnte nicht mehr tun, als hilflos von oben zuzusehen. Drei der Seemänner stürzten sich von hinten auf Alistair. Sie schrie, als sie sie von den Füssen rissen, ihren Rock hochzerrten und ihre Arme hinter dem Rücken festhielten. Die Männer hielten sie fest, während andere mit lüsternen Mienen auf sie zukamen.

Erec suchte das Schiff nach dem Kapitän ab. Er fand ihn auf dem Oberdeck, in Ruhe die Szene beobachtend.

„Kapitän!“, schrie Erec. „Das ist dein Schiff. Tu etwas!“

Der Kapitän sah ihn an, dann wendete er sich langsam ab, als wollte er die Szene nicht mitansehen.

Erec sah verzweifelt zu, wie ein Seemann sein Messer zog und es Alistair an den Hals hielt. Sie schrie.

 

„NEIN!“, schrie Erec.

Es war, als würde sich unter ihm ein Alptraum abspielen – doch am schlimmsten war für ihn, dass er nichts dagegen tun konnte.

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