Sky-Troopers 3 - Piraten!

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Aus der Reihe: Sky-Troopers #3
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Kapitel 5

Kommandoraum Sky-Command, Direktoratsschiff D.C.S. Trafalgar,

im geostationären Orbit über Neuwstat.

Das Sky-Command war in zwei Ebenen angelegt. In der unteren befand sich der riesige Kartenschirm, der mit seinen dreißig Metern Durchmesser alles dominierte. Er glich einem kreisrunden Tisch, um den die Arbeitsstationen der Controller angeordnet waren, so dass diese ihn im Auge behalten konnten. Ihre Aufgabe war es, jede ankommende Information umzusetzen und auf der Karte darzustellen. Die Größe des Schirms war erforderlich, um die Fülle an Details umsetzen zu können.

Auf der Galerie standen die Pulte der Kommandooffiziere, die als Operator fungierten. Von hier aus befehligten sie die Bodentruppen oder Flugeinheiten und teilten ihnen einzelne Ziele und Aufgaben zu. Ein kleiner Teil der Galerie war den Hoch-Offizieren vorbehalten. An den Wänden befanden sich große Bildschirme und ganze Gruppen kleiner Monitore. Mit ihnen konnte man Details der Einsätze aufrufen und die Statusmeldungen einsehen.

Colonel Fred Carruthers sah von der Galerie auf die große Lagekarte hinunter. Über das Realbild in Echtzeit waren die taktischen Zeichen projiziert. Im Augenblick konzentrierte sich alles auf die zweihundert blinkenden Symbole der Fast Landing Vehicles. Das würde sich ändern, sobald diese die Bodentruppen abgesetzt hatten.

Die Geschwindigkeit der Landungsboote war nicht gleich und die Piloten waren vollauf damit beschäftigt, die massigen Raumfahrzeuge sicher zu Boden zu bringen. Ihre Kopiloten navigierten und achteten darauf, dass die FLV ausreichenden Abstand zueinander einhielten. Die Controller an Bord der Trafalgar unterstützten sie dabei.

Trafalgar Sky-Command an FLV 6-24: Fallen Sie etwas zurück, Sie dringen in den Flugkorridor von FLV 6-22 ein.“

„Roger, Trafalgar Sky-Command, FLV 6-24 korrigiert Flugbahn und Geschwindigkeit“, kam die Bestätigung des Piloten.

Colonel Carruthers sah mit Sorge auf die Lagekarte. „Die Windgeschwindigkeit scheint zuzunehmen. Die Rauchfahne über der Stadt bekommt eine seitliche Ausdehnung und zerfasert. Wir müssen schnell handeln, damit da unten überhaupt noch etwas übrig bleibt.“

Lieutenant-Colonel Fillprot, Stellvertreter von Susan Kling, tippte ein paar Daten in seinen Mini-Comp und verglich das Ergebnis mit der projizierten Lageentwicklung. „Die FLV werden ziemlich dicht runterkommen, aber wir brauchen die Landepunkte noch nicht nach hinten zu korrigieren. Für unsere Leute besteht noch keine Gefahr, die sind durch die Kampfanzüge geschützt, und ich denke mal, entscheidend wird sein, möglichst schnell bei den ungeschützten Siedlern zu sein, um die da herauszuholen.“

„Sehe ich genauso“, meinte Carruthers.

Die FLV würden in einem weit gezogenen Halbkreis vor dem sich ausbreitenden Feuer landen. Dies sollte in drei Linien geschehen. Vorne die Einheiten des fünften Regiments mit der Ausrüstung für die Brandbekämpfung, dahinter die siebente Raumkavallerie mit der Bergungsausrüstung. Die Sechste musste sich in der dritten Linie aufteilen. Zwei Bataillone sollten die medizinische Erstversorgung und den Transport Verletzter vornehmen, wobei sie natürlich von den anderen Truppen, so weit wie möglich, unterstützt wurden. Das dritte Bataillon der Sechsten musste die fünf mobilen Hospitäler aufbauen und eine Reihe von Betreuungspunkten errichten. Eine Herkulesaufgabe, aber die Rettung von Menschen aus der Gefahrenzone hatte absoluten Vorrang. Sobald Kräfte an der „Feuerfront“ frei wurden, wollte Carruthers sie zur Unterstützung der Sechsten abstellen. Doch das mussten die jeweiligen Einsatzleiter, unten am Boden, entscheiden.

Auf der Lagekarte blinkten neue Symbole auf. Einer der Controller wandte sich an Carruthers. „Wir haben Bodenaktivitäten, Sir. Sogar eine ganze Menge. Offensichtlich gibt es Tausende von Überlebenden und auch einiges an Fahrzeugverkehr, meist in Richtung aus der Stadt hinaus. Aber es gibt zwei Hotspots, wo sich die Aktivitäten ballen.“

„Ja, ich sehe es.“ Carruthers und die anderen Offiziere betrachteten die holografische Karte, auf der die taktischen Zeichen über das Echtbild projiziert wurden. „Zwei Stellen mit besonders viel Aktivität. Eine befindet sich an diesen großen Hallen. Vermutlich befinden sich darin wertvolle Güter oder Vorräte, welche die Siedler unbedingt schützen wollen, denn die sind ziemlich nahe an der direkten Gefahrenzone. Der zweite Hotspot ist ein gutes Stück außerhalb der Stadt.“

Einer der Adjutanten nickte. „Wohl der Sammelpunkt der Geretteten und der Standort ihrer medizinischen Hilfe.“

„Eine Menge verstreuter Echos. Einige in Nähe der Gefahrenzone. Wahrscheinlich Leute, die noch immer versuchen, ihre Stadt zu retten.“

Der Controller meldete sich erneut zu Wort. „Wir haben zwei Shuttles in der Ortung und ungefähr dreißig Atmosphäreflieger. Die meisten pendeln zwischen diesem Fluss dort und der Stadt.“

„Besorgen Trink- und Löschwasser“, vermutete Carruthers. „Sie tun, was sie können. Höchste Zeit, dass wir ihnen endlich helfen können.“

General Hastings trat neben Carruthers und reichte diesem einen Becher mit heißem Kaffee. „Ich schlage vor, eine Staffel Superbolts rauszuschicken. Die könnten über dem Gefahrengebiet kreisen und uns aus niedriger Höhe zusätzliche Detailinformationen besorgen.“ Hastings nippte an seinem Becher. „Und mit den Scannern auch nach Siedlern Ausschau halten, die sich vielleicht in die Wälder oder umliegenden Felder geflüchtet haben.“

Fred Carruthers nahm seinen Becher dankbar entgegen und nickte. „Eine gute Idee, Sir. Wenn Sie das bitte veranlassen wollen?“

Hastings lächelte. Er trat zu einem der Controller und stellte eine Verbindung her. „Hier Hastings, Trafalgar Sky-Command. Achtung, Trafalgar Strike Force Eins zum sofortigen Einsatz. Über dem Gefahrengebiet kreisen und beobachten. Auftragspriorität: Search and Rescue. TSF-1 bestätigen, wenn startbereit.“

Die Piloten der betroffenen achtzehn Jagdbomber würden froh sein, wenigstens einen kleinen Beitrag zur Rettung der Menschen dort unten leisten zu können.

Kapitel 6

FLV 5-01, nahe dem Stadtzentrum von Neuwstat.

„Okay, Major, es wird ein bisschen holperig.“ First-Lieutenant Fritz Wenders hatte eine Hand am Leistungshebel der Triebwerke und die andere am Joystick der Steuerung. „Das erinnert mich an die Übungslandung auf Casper-7, Ma´am, und der verdammte Planet ist nun wirklich berüchtigt für seine extremen Winde. Wenigstens bei uns Piloten. Himmel noch mal, Mireille, gib mir mehr Leistung auf die Backbordseite. Ich muss das verdammte Gewicht von den verdammten Containern ausgleichen.“

„Leistung für Backbordtriebwerk jetzt auf hundertdreißig Prozent“, sagte Master-Sergeant Mireille Delonge. „Können wir aber nicht allzu lange aufrechterhalten. Ist so viel Dreck in der Luft, dass die Turbinen früher oder später verstopft werden.“

„Dann filtere den Scheiß raus“, knurrte Wenders.

„Meinst du, ich drehe hier Däumchen? Ich habe die Ersatzfilter vor fünf Minuten einfahren lassen.“ Die Technikerin betrachtete missmutig die Anzeigen auf ihren Systemkontrollen. „Koslov sollte den Wartungsteams auf der Trafalgar mitteilen, dass die mit dem zweiten Schwung Ausrüstung auch gleich Filtersätze für die FLVs einpacken.“

Wenders sah kurz zu seinem Kopiloten. „Kos?“

Der Kopilot nickte. „Ich gebe das an Sky-Command durch.“

FLV 5-01 Sharky befand sich in der Endphase der Landung und schwebte noch knapp zwanzig Meter über dem Boden. Ein fähiger Pilot brachte die Masse eines Landungsbootes, unmittelbar vor dem Aufsetzen, im Schwebeflug senkrecht nach unten. Wenders war fraglos ein solcher Pilot, aber er musste gegen tückische Verwirbelungen ankämpfen. Die extrem aufgeheizte Luft über den zahlreichen Bränden erzeugte schwer vorherzuberechnende Strömungen. Der Captain der 5-01 brauchte all sein Fingerspitzengefühl, um diese auszugleichen, denn der vorgesehene Landeplatz reichte gerade aus, das Landungsboot aufzunehmen.

Joana Redfeather sah durch den Klarstahl des Cockpits hinaus. Rechts und links des FLV setzten andere zur Landung an und kämpften mit ähnlichen Problemen. Eine Handvoll hatte bereits aufgesetzt, andere suchten einen geeigneten Landepunkt, da der vorgesehene mit Trümmern versperrt war oder die Straße zwischen den Gebäuden einfach nicht genügend Platz ließ. Eine Beschädigung der Häuser musste jedoch vermieden werden, da man nicht wusste, ob dort nicht Menschen Schutz suchten. Lieutenant Koslovs Kopf mit dem VR-Helm bewegte sich hektisch hin und her. Der Kopilot suchte nach Anzeichen für Überlebende, was jedoch schwierig war. Es gab Unmengen von Trümmerteilen, die das Radar irritierten. Die Thermoscanner, die normalerweise die Körperwärme eines Menschen anzeigten, wurden durch die Hitze der Feuer beeinflusst. Also verließen sich Koslov und die Beobachter in den anderen Booten überwiegend auf ihre Augen. Mit ihnen einen Überlebenden zu erblicken, war nicht einfach. Immer wieder trieb dichter Rauch durch das Gesichtsfeld. Zudem hatte die Druckwelle des Absturzes so viel Erdreich und Staub mit sich geführt, dass alles am Boden damit gepudert zu sein schien. An einigen Stellen war die Straße von Fahrzeugen blockiert. Manche waren von der Druckwelle umgeworfen worden, keines machte auf den ersten Blick einen funktionsfähigen Eindruck. Unter all dem Schmutz hoben sich gelegentlich Konturen ab, die auf menschliche Überreste hinwiesen.

 

Joana Redfeather erkannte Bewegung am Boden und ging auf die allgemeine Frequenz der Sky-Troopers. „Erstes Bataillon Fünfte an alle: Überlebende im Bereich der Landepunkte. Achtung, die Leute sind derart mit Dreck und Staub gepudert, dass man sie nur schwer ausmachen kann. Das wird es schwieriger machen, Bewusstlose unter Trümmern zu finden. Redfeather Ende.“

Sie hörte Bestätigungsmeldungen der anderen Bataillone und Regimenter. Joana presste die Lippen aufeinander. Es würde tatsächlich sehr schwierig werden, hilflose Personen unter den Trümmern auszumachen und dabei drängte die Zeit. Die Feuer breiteten sich immer weiter aus. Sie schaltete auf die Frequenz, die der internen Kommunikation des fünften Regiments vorbehalten war. „Erstes Bataillon an Zweites und Drittes: Die Ausbreitung der Brände muss so schnell wie möglich gestoppt werden. Vermutlich befinden sich Überlebende in jenen Trümmern, denen sich die Feuer nähern. Ich empfehle zwei Drittel der Trooper direkt mit den Impuls-Löschkanonen einzusetzen, jedoch ein Drittel zur Suche nach Überlebenden abzustellen. Bis die Sechste, die hinter uns landet, mit der Bergung beginnen kann, könnte es für einige schon zu spät sein.“

Colonel Carruthers Stimme war plötzlich zu hören. „Alle Bataillone: Sehen Sie das als Befehl.“

„Festhalten, Leute“, rief Wenders. „Das wird jetzt ein wenig hart.“

Die 5-01 wankte unvermittelt heftig von rechts nach links und zurück und Joana klammerte sich instinktiv an ihrem Notsitz fest, obwohl die Gurte noch geschlossen waren. Das Landungsboot befand sich noch rund zehn Meter über dem Boden und der Pilot ließ es nun durchsacken. Der massige Rumpf setzte mit den drei Kufen auf, deren hydraulische Elemente bis zum Äußersten beansprucht wurden.

Noch während das FLV zurückfederte, löste Sergeant-Major Basari seine Gurte. „Alles auf, Troopers. Vergesst euren Plunder nicht. Galley, mach die Heckrampe auf. Riordan, deine Gruppe lädt die Container aus, und zwar schnellstens.“

Überall schnappten Gurtschlösser auf. Sergeant June Galley sprang zur Schaltung der Heckrampe und hieb mit der flachen Hand darauf. Summend begann sich die Rampe zu senken, während sich der Zug Sky-Trooper formierte. Die breite Klappe hatte den Boden noch nicht berührt, da sprang Galley bereits hinaus und die anderen folgten ihr, mit Ausnahme der sechs Trooper, die zu Riordans Gruppe gehörten. Diese begannen die Befestigungen der Frachtcontainer zu lösen.

Joana klopfte Wenders aufmunternd auf die Schulter und verließ dann das Cockpit. Sie verzichtete auf die Benutzung der Personenschleuse, da ihr dies zu lange gedauert hätte und die Heckrampe bereits offen war. „Basari?“

„Bin vorne am Bug, Ma´am. Sieht hier ziemlich trostlos aus.“

„Bin auf dem Weg“, versicherte Joana.

Wer seinen Helm noch nicht geschlossen hatte, tat es spätestens beim Verlassen des Landungsbootes. Die Luft schien schwer vom Rauch, der die Atemwege reizte. Joana stellte eine Verbindung zum siebten Regiment her. „Erstes Bataillon Fünfte an Siebentes: Starke Rauchentwicklung und Brandgase am Einsatzort. Wir müssen mit sehr vielen Rauchvergiftungen rechnen. Schickt an Sauerstoffmasken und Beatmungsgerät, was ihr entbehren könnt.“

Sie schaltete ihr Helmdisplay ein. Ein Symbolgitter legte sich halbtransparent über ihre Realsicht und sie sah die tetronischen Echoimpulse ihrer Trooper und der Einheiten im Umfeld. Sergeant Galley dirigierte ihre Trooper zu einer auseinandergezogenen Linie, mit jeweils fünf Metern Abstand zwischen den einzelnen Troopern. Es war keine beeindruckende Linie, aber mehr war nicht zu machen, wollte man, wenigstens in diesem Abschnitt, effektiv gegen das Feuer vorgehen.

„Okay, Leute, stellt die Impulskanonen auf maximale Reichweite und höchste Schussfolge. Diesem Mistfeuer müssen wir mit der groben Kelle begegnen“, war die Stimme der Sergeantin zu hören. „Wir gehen parallel und gleichzeitig vor. Achtet auf die Anzeigen. Wer auf fünfzig Schuss runter ist, fällt ins zweite Glied zurück. Bremer, Laumer und Keller ... Ihr holt neue Tornister für alle, wenn ihr auf Null runter seid.“ Die drei genannten waren die kräftigsten Trooper in Galleys Löschgruppe und würden die Reservetornister notfalls sogar ohne bionische Verstärkung holen können.

Die für die Brandbekämpfung vorgesehenen Männer und Frauen trugen große Tornister auf dem Rücken. In diesen befanden sich eine Pressluftflasche und ein Wasserbehälter mit zweihundert Litern. Ohne die bionischen Verstärkungen der Kampfanzüge hätte sich keiner der Trooper noch bewegen können. Zwei gepanzerte und hitzegeschützte Schläuche führten zu der Impuls-Löschkanone. Im Grunde ein unterarmlanges Rohr mit zwei Handgriffen. Am hinteren befand sich der breite Hebel, mit dem die Kanone ausgelöst wurde. Das Prinzip des Löschvorgangs war einfach und schon auf der Erde bewährt gewesen.

Wasser war noch immer eines der effektivsten Löschmittel. Durch sein hohes Wärmebindungsvermögen kühlte es Brandgut ab und brachte es damit unter eine Temperatur, in der es noch brennen konnte. Dafür verwendete man drei verschiedene Verfahren. Der massive und durchgehende Vollstrahl förderte Wasser über weite Strecken und drang aufgrund seiner Wucht tief in Brandgut ein. Ihn verwendete man, wenn man sich dem brennenden Objekt nicht genug nähern konnte, um stattdessen den Sprühstrahl einzusetzen. Bei diesem wurde das Wasser, wie der Name schon verriet, versprüht, wodurch es einen siebenfach stärkeren Abkühleffekt hatte, als ein Vollstrahl. Allerdings fehlte dabei die Wurfweite und man musste nahe an das Feuer heran. Bei beiden Methoden wurde das Wasser mit einem Überdruck zwischen fünf und acht Atmosphären eingesetzt. Das fünfte Regiment würde hier jedoch das Impuls-Löschverfahren nutzen. In die rohrartigen Löschkanonen wurde ein Liter Wasser eingelassen, der dann, in Form eines Impulses, mit rund fünfundzwanzig Atmosphären Überdruck „abgeschossen“ wurde. Die Schussweite war erbärmlich, aber der extrem feine Wassernebel entzog dem Feuer enorme Hitzemengen. Eigentlich hätte man dieses Verfahren bei den brennenden Häusern von Neuwstat nicht anwenden können, da die Hitze, Flammen- und Rauchbildung immens waren, aber die Sky-Trooper trugen ihre Kampfanzüge und konnten sehr dicht heran.

Von Sergeant Galleys Truppe war das dumpfe Abschussgeräusch der Impuls-Löschkanonen zu hören. Die modernen Geräte erlaubten es, alle zwei Sekunden einen „Wasserschuss“ abzugeben. Die Sky-Trooper schienen sich in einer eigenen Nebelwand aus Wasserdampf zu bewegen, während sie langsam, Schritt für Schritt, auf die Feuer zugingen.

„Auf die Temperaturanzeigen achten, Troopers“, mahnte Sergeant-Major Basari. „Die Anzüge sind zwar für knapp tausend Hitzegrade gut, aber das gilt nicht für eure Löschtornister.“

Inzwischen zog Sergeant Riordans Trupp die beiden Container aus dem Laderaum. Riordan sah sich kurz um, ob jemand im Gefahrenbereich war, und stellte dann die Verbindung zu Wenders her. „Okay, Kutscher, das Gepäck ist draußen. Gefahrenbereich ist geräumt. Guten Flug.“

„Roger. 5-01 meldet sich ab. Sind wahrscheinlich in fünfzig Minuten zurück. Viel Glück, Troopers.“

Riordan und die anderen duckten sich, als die im Leerlauf befindlichen Triebwerke des Landungsbootes zu dröhnen begannen. Eine Wolke aus Dreck und Staub wirbelte auf und hüllte alles ein, bis sich sie langsam senkte, als das FLV an Höhe gewann.

„Also los, Leute, holen wir die Schätzchen aus dem Geschenkpapier.“ Der Sergeant eilte zu einem der Container und schlug auf die Verriegelung. „Na los doch, Galley kann das Feuer mit ihren Spielzeugkanonen nur begrenzt aufhalten. Wir brauchen das schwere Gerät.“

Die anderen kamen herbei und halfen ihm die beiden Flügelklappen zu öffnen. Ein gedrungenes Fahrzeug wurde sichtbar, welches den Innenraum fast vollständig ausfüllte. Einer der Männer kroch über die Frontpartie zu der offenen Mannluke. Augenblicke später erwachte die Turbine des Ungetüms zum Leben und es rollte auf breiten Gleisketten aus seinem Gefängnis hervor. Das Fahrwerk war multifunktional und konnte mit verschiedenen Aufbauten versehen werden. Die grellrote Lackierung dieses Fahrzeugs wies auf seine Bestimmung zur Brandbekämpfung hin, noch bevor man den schwenkbaren Turm mit der schweren Wasserkanone sah.

Ein zweiter Trooper bestieg das Fahrzeug, um den Wasserwerfer zu bedienen. Dumpf brummend rollte der Löschpanzer in die Richtung von Galleys Truppe, während Riordan und der Rest das zweite Fahrzeug einsatzbereit machten.

Hätte Joanas Abteilung es noch mit den Bränden von mehrgeschossigen Häusern zu tun gehabt, so wäre das Impuls-Löschverfahren nicht nutzbar gewesen. Die Trooper mussten sehr dicht an das brennende Objekt heran, um noch effektiv zu sein, und die Gefahr, dass ein Gebäude über ihnen einstürzte, wäre einfach zu groß gewesen. Die Kampfanzüge machten die Männer und Frauen stark und ausdauernd, und schützten vor vielen Gefahren, aber sie machten nicht unverwundbar.

Die beiden Löschpanzer waren ein anderes Kaliber. Ihre Hochdruckkanonen förderten das Wasser über bis zu zweihundertfünfzig Meter und mit großer Wucht.

„Achtung, Löschpanzer“, wandte sich Joana an die Fahrzeugführer. „Schlagt Schneisen in die Feuerfront und dämmt die Brände ein, Galleys Leute kümmern sich dann um die Glutnester.“

„Negativ, Ma´am“, meldete sich June Galley prompt. „Von den Holzhäusern bleiben nur große Scheiterhaufen. Um da an die Glutnester zu gelangen, brauchen wir Wasser, dass mit großer Wucht und tief eindringt. Das schaffen wir mit den Impulskanonen nicht.“

Joana stieß einen unhörbaren Fluch aus. Galley hatte recht. „Achtung, Löschpanzer, Befehl zurück. Panzer Eins schlägt Schneisen, Panzer Zwei unterstützt Sergeant Galleys Truppe beim Ablöschen der Glutnester.“

Sie hörte die Bestätigung und wie June Galley die Trooper Bremer, Kelly und Laumer zurückbefahl, um Reservetornister zu holen.

Aus den Augenwinkeln sah sie eine Gruppe von Gestalten, die geisterhaft wirkten. Alles an ihnen war schwarz und grau, und starrte von Schmutz. Augen und Münder wirkten surreal sauber. Die Leute schrien erregt, als sie die Trooper so unerwartet vor sich sahen. Hastig kamen sie heran. Aus der Nähe wurde deutlich, dass zwei der Überlebenden nahezu unbekleidet waren. Die Trooper kannten die Auswirkungen von Druckwellen und wunderten sich kaum. Der Mensch erwies sich oft als zäher als die Kleidung, die er trug.

Eine Frau, die offensichtlich die Wortführerin war, dankte Joana überschwänglich, dass endlich Hilfe eingetroffen war. Ein Mann in ihrer Begleitung stand einfach nur da und weinte hemmungslos. Die Tränen hinterließen helle Furchen in seinem Gesicht. Ein junges Paar hielt sich an den Händen und starrte die Trooper ungläubig an.

Basari winkte zwei Trooper aus Riordans Gruppe heran, damit diese den Leuten Wasser gaben.

„Ihr seid vom Militär?“, fragte die Wortführerin schließlich und setzte dankbar die Flasche ab. „Mein Gott, ihr glaubt nicht, wie froh wir sind, dass ihr gekommen seid. Wir dachten nicht, dass überhaupt jemand kommen würde. Ich meine, ihr kommt ja sicher von weit her. Und dann diese elend langen Flugzeiten, nicht wahr?“

Die Frau war erleichtert und der Schock der bisherigen Ereignisse löste sich. Für den Moment. Er würde wiederkehren, zu einem späteren Zeitpunkt, und dann möglicherweise noch sehr viel schwerer ausfallen. Alle Überlebenden mussten daher intensiv betreut werden. Doch im Augenblick hatte Joana andere und weit dringlichere Probleme.

„Raumkavallerie des Direktorats“, sagte sie leise und eindringlich. „Wir sind von der fünften Sky-Cav, aber es sind noch zwei weitere Regimenter im Einsatz. Wir kamen mit der Trafalgar. Die steht direkt über uns im Orbit.“ Sie legte ihre Hand auf die Schulter der Frau. „Wir wollen helfen. Wir wollen allen helfen, verstehen Sie? Ich muss wissen, ob Sie irgendwo Leute gesehen haben, die sich in einer akuten Notlage befinden. Haben Sie andere Leute gesehen?“

Das Gesicht der Frau wurde nachdenklich, dann seltsam geistesabwesend. „Die Familie Stretwald. Ja, die habe ich gesehen. Die sind alle tot. Wie das Haus. Das ist auch tot. Und die Merkers und die Gretfells ... Aber die sind auch tot. Glaube ich. Aber das Haus von den Smetjes ... Das ... Das ist auch weg ... Aber da habe ich Schreie gehört.“

„Wo ist dieses Haus, in dem Sie Schreie gehört haben?“

„Das ist da.“ Die Frau wandte sich um und sah in Richtung des Feuers. „Da, wo es brennt.“ Ihr Gesicht verzerrte sich. „Es brennt! Mein Gott, wir werden alle verbrennen! Alle verbrennen ...!“

„Niemand wird mehr verbrennen“, sagte Joana eindringlich. „Wir sind da und wir helfen Ihnen. Ihnen und den anderen. Keiner wird mehr verbrennen.“ Joana zog die Überlebende herum und deutete in die entgegengesetzte Richtung, wo gerade ein Landungsboot der zweiten Welle aufsetzte. „Gehen Sie dorthin. Dort wird man Ihnen helfen. Schaffen Sie es, dorthin zu gehen?“

 

Das junge Paar kam näher. „Wir schaffen das“, versicherte der Mann. „Wir bringen sie und die anderen dorthin, wo die Schiffe landen.“

Joana hatte kein besonders gutes Gefühl, als sie der Gruppe noch ein paar Wasserflaschen aushändigen ließ und dann zusah, wie die Überlebenden in Richtung der aufsetzenden FLV gingen. Es wäre besser gewesen, wenn jemand sie begleitet hätte, aber sie konnte keinen ihrer Trooper entbehren. Sie waren hier die vorderste Linie und die mussten sie halten, damit die anderen Regimenter ihre Arbeit machen konnten, ohne vom Feuer bedroht zu werden.

Sie warf einen Blick zu Mario Basari, der Daten in seinen Mini-Comp eingab, und blickte dann auf ihr Display. Sie waren erst ein paar Minuten auf der Oberfläche von Neijmark, und wenn sie sich die Ergebnisse der Scans und die taktischen Daten ansah, dann schien es im Augenblick noch nicht so, als wären die Trooper in der Lage, die Oberhand zu gewinnen.

***

Lieutenant Bradshaw landete mit der sechsten Raumkavallerie in der zweiten Welle. Hier gab es kaum Brände, aber er und seine Troopers waren von einem Trümmerfeld umgeben. Aus einiger Entfernung war das Prasseln der Brände zu hören. Gelegentlich trieb eine Rauchschwade heran, doch insgesamt blieben sie verschont. Der Lieutenant hörte, wie die Sergeants seine Bergungseinheit formierten und das Gerät aus dem FLV luden. Er versuchte, mit zunehmender Verzweiflung, Ähnlichkeiten zwischen der Satellitenaufnahme der ursprünglichen Stadt und dem derzeitigen Chaos zu finden. Er war von beschädigten oder zusammengebrochenen Holzhäusern umgeben. Nur rechts von ihm stand ein Bau, der aus gebrannten Lehmziegeln errichtet worden war. Unter anderen Umständen hätte sich Bradshaw für diese archaische Bauweise interessiert, doch im Augenblick war er dankbar, dass die Siedler wenigstens ein Gebäude zuwege gebracht hatten, welches nicht nur aus Holz bestand. Viel war davon allerdings nicht übrig. Zwei der Außenwände waren noch intakt, die anderen in sich zusammengestürzt. Dabei hatten sie die beiden Stockwerksebenen mit sich gerissen. Ein paar Dachbalken reckten sich empor und erinnerten an Finger, die sich anklagend gen Himmel richteten.

Über allem hing Staub und überall lagen größere und kleinere Fragmente von Holz. Dazwischen, wie Bradshaw mit Schaudern erkannte, die Überreste von Menschen. Es war schwer, sie unter all dem Dreck zu erkennen. Selbst das geronnene Blut wirkte grau und schwarz. Einige der Toten schienen unverletzt und wirkten seltsam friedlich, so als schliefen sie nur. Andere waren verstümmelt oder zeigten schwere Wunden. Münder waren in einem letzten Schrei oder einem erbarmungswürdigen Stöhnen erstarrt. Augen stierten blicklos in den Himmel und Bradshaw war froh, dass der Staub sie bedeckte und ihm die Illusion vermittelte, als seien sie doch geschlossen.

Man hörte das Knacken von Holz, wenn Trümmerteile nachgaben und ins Rutschen gerieten.

Auf den ersten Eindruck schien es nicht so, als könne es hier Überlebende geben, aber Bradshaw wusste, dass dies täuschen konnte. So verletzlich die menschliche Spezies auch sein mochte, ihr Körper erwies sich immer wieder als überraschend zäh und widerstandsfähig. Wenn es Überlebende gab, und darauf setzten Bradshaw und seine Truppe all ihre Hoffnung, dann würden sie diese auch finden und retten.

Der Lieutenant und sein First-Sergeant, José Fernandez, teilten sich die Aufgabe. Während sich die Bergungstruppe hinter ihnen formierte, gingen die beiden Männer auf jeweils einer Straßenseite entlang, hatten die Scanner ihrer Kampfanzüge auf maximale Leistung geschaltet und suchten das Umfeld zusätzlich mit ihren Augen ab. Da es hier keine Brände gab, lieferten die Thermoscanner zuverlässige Ergebnisse. Sie registrierten mehrere Körper, deren Lebensfunktionen erloschen waren. Einer von ihnen gab eine abklingende Wärmestrahlung ab. Bradshaw seufzte schwer. Wären sie doch nur früher eingetroffen, vielleicht hätten sie den Unglücklichen noch retten können.

Der First-Sergeant schob mit der Stiefelspitze etwas Schmutz von der Straße. „Kein normaler Belag, Sir. Was ist das für ein Zeug? Sind das Steine?“

„Ich weiß es nicht. Sieht in etwa so aus, wie das Zeug, aus dem sie die festeren Häuser gebaut haben. Ich halte es für gebrannte Ziegel.“

„Hätten diese Idioten guten Bauschaum bei den Gebäuden benutzt, wären die Schäden nicht so schwerwiegend und es gäbe auch kaum Brände.“

„Auf dem Mars soll es ein paar Leute geben, die ihre Häuser inzwischen auch aus Holz errichten lassen, um damit ihren Wohlstand zu zeigen. Allerdings ist das Material zusätzlich imprägniert und damit stabiler und feuerfest.“ Bradshaw zuckte die Schultern. „Die Siedler haben genommen, was ihnen die Natur hier überreichlich bietet.“

Einige der Holzhäuser waren zwar angeschlagen und ihre Wände wirkten verschoben, doch sie standen noch. Bei anderen waren kaum mehr als zwei oder drei Außenwände intakt geblieben und der Rest war nach innen gestürzt oder von der Druckwelle fortgeschleudert worden. Dazwischen waren sogenannte Trümmerkegel, bei denen die Reste von Haus und Inventar ein wildes Durcheinander bildeten.

„Die Leute haben recht stabil gebaut“, räumte Fernandez ein. „Massive Balken und die Wände sind sehr dick. Ist das alles massives Holz, Sir?“

„Dann müssten die hier eine Menge mordsmäßiger Bäume haben“, erwiderte der Lieutenant. „Nein, das Gerüst des Hauses besteht aus massiven Balken, der Rest sind dicke Bretter. Die Wände wirken nur so dick, weil sie die Hohlwände mit Isoliermaterial ausgestopft haben. Da, an der Wand dort, können Sie das sehr gut erkennen, Sarge.“

„Ist aber eine Menge von dem Isolierzeugs, Sir.“

„Schätze, die haben hier sehr kalte Winter.“ Bradshaw tippte ein paar Daten in sein taktisches Display. „Wir müssen auf die Keller achten“, erinnerte er. „Ein paar sind sicherlich intakt geblieben und bieten recht gute Überlebenschancen. Da, wo die Trümmer der oberen Stockwerke hineingestürzt sind, haben die Leute kaum eine Chance gehabt. Doch selbst da kann es Überlebende geben.“

„Roger, Sir. Ich würde empfehlen, dass Sie an den Gebäuden scannen, bei denen alles nach unten eingebrochen ist. Ihre Scanner sind stärker.“

„Guter Vorschlag, Sarge. Machen wir es so.“ Die Kampfanzüge der Offiziere waren mit besseren Scannern und Kommunikationseinrichtungen versehen, was sie allerdings erheblich verteuerte und somit nicht zum Ausrüstungsteil der Unteroffiziere und Trooper machte.

Beide aktualisierten die Lagekarte kontinuierlich mit den Ergebnissen ihrer Scans und markierten die beschädigten oder zerstörten Gebäude mit den entsprechenden Symbolen. Seit Jahrhunderten gab es taktische Zeichen, mit denen man die Zerstörungen einfach und doch bildhaft darstellen konnte. Für die Bergungskräfte ein wichtiges Mittel, um einschätzen zu können, welche Hilfsmittel sie benötigten und welche Gefahren bestanden, wenn man die Trümmer absuchte.

„Ich habe hier drei Echos, Fernandez!“, rief Bradshaw erregt und gab seinem Unterführer einen Wink. „Hier, an diesem Haus.“

Der Lieutenant stand an einem Holzhaus, das ursprünglich aus Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss bestanden hatte. Drei der Wände standen noch, auch wenn sie stark beschädigt waren. Die vierte war nach außen gestürzt. Dach und Böden der Stockwerke waren nach innen eingebrochen, hatten dabei die Kellerdecke durchschlagen und lagen nun schräg, wie die Karten eines Spiels gestapelt, übereinander. Trümmer und die Einrichtung der drei Etagen waren in den Keller hinabgerutscht.