Buch lesen: «Sky-Navy 21 - Raumpatrouille», Seite 2

Schriftart:

„Entfernung noch zweitausend Kilometer und aufkommend, Sir“, meldete Francine von der Brücke. „Alles ruhig. Die Summer of 69 folgt den Anweisungen und hat ihren Weihnachtsbaum eingeschaltet. Ich melde, wenn wir auf Position sind.“

„Danke, Eins-O.“

Niemand brauchte Francine Wachsamkeit einzuschärfen. Mit Weihnachtsbaum waren die Positionsblitzer gemeint sowie zusätzliche Scheinwerfer, welche die verschiedenen Schleusen des Schiffes anstrahlten. Im Fall der Conestoga-Klasse galt dies für die kleine Fracht- und Personenschleuse der Bugkugel.

Ein Conestoga bestand aus Bug- und Heckmodul. In der Bugkugel lagen alle Steuerelemente und die Aufenthaltsbereiche der kleinen Flugmannschaft. Das kantige Heckmodul beinhaltete die Energieversorgung sowie die Triebwerke, inklusiver zweier Ausleger, in denen die starken Bremstriebwerke untergebracht waren. Zwischen diesen beiden Modulen gab es nur ein dreieckiges Gittergerüst, in dem ein luftdichter Verbindungsgang entlangführte. Die Länge des Gerüstes wurde der Menge an Fracht angepasst. Vom Verbindungsgang aus konnten die einzelnen Frachtcontainer erreicht werden. Es waren Standardcontainer, deren Anzahl bis zu fünfzehntausend betragen konnte. Ein Zugriff auf sie, auch während des Fluges, hatte sich im Einzelfall schon als rettend für ein Frachtschiff erwiesen. Gelegentlich wurde gefährliche Fracht transportiert oder es kam zu Beschädigungen durch kosmische Vagabunden, wie größere oder kleinere Meteoriten, denen das Schiff nicht rechtzeitig ausweichen konnte.

„Entfernung zweitausend Meter und abnehmend“, war Francines Stimme zu hören. Wenig später: „Entfernung zweihundert Meter und konstant. Kurs und Geschwindigkeit synchron. Summer of 69 öffnet Schleuse.“

„Verstanden, Eins-O. Wir beginnen mit Entervorgang.“ Sean nickte Phuong zu. „Es kann losgehen, Sarge.“

Sie brauchte nicht viele Worte. „Corporal.“

Man sagte dem ungewöhnlich großen und muskulösen Corporal Jeremy Walters ein intimes Verhältnis mit Phuong nach. Wenn man beide nebeneinander sah, war das anatomisch kaum vorstellbar, da Jeremy den zierlichen Sergeant um anderthalb Kopfeslängen überragte. Jetzt nickte er dem neben ihm stehenden Trooper Tobias Fellmer zu. Beide stießen sich vom Rand der Schleuse ab und schwebten gemächlich zu dem Frachter hinüber, dessen Bugmodul wie eine gewaltige Wand vor ihnen aufragte.

Im Licht der Scheinwerfer war die weiße Hülle des Conestoga gut zu erkennen. Zahllose Schrammen von Mikrometeoriten hatten ihr zugesetzt. Zwei Rumpfplatten in relativ frischem Lack zeigten, wo unlängst eine Reparatur vorgenommen worden war. Knapp unter dem Äquator des Bugmoduls zeichnete sich in der Wölbung das gerundete Rechteck einer offenen Schleuse ab.

Gekonnt bremsten Walters und Fellmer ihren Flug mit den Flugmodulen, die sie zusätzlich an ihren Kampfanzügen angebracht hatten.

„Sauber“, meldete der Corporal und nur einen Augenblick später nahmen Phuong und ein weiterer Trooper Sean McIntosh zwischen sich. Die übrigen Trooper folgten in Zweiergruppen.

In der Personenschleuse der Summer of 69 angekommen, konnte Sean durch das transparente Fenster im Innenschott die Gestalt eines Besatzungsmitgliedes des Frachters erkennen. Dann war der letzte Trooper an Bord und leitete den Schleusenvorgang ein. Das Außenschott schloss sich lautlos, Atemluft strömte ein und schon bald zeigte das Leuchtelement über dem Innenschott, dass der Druckausgleich hergestellt war.

Während die Trooper ihre Kampfhelme geschlossen hielten, öffnete der Captain seinen Folienhelm und faltete ihn auf den Rücken zurück. Dann betätigte er den Öffner.

Das weibliche Besatzungsmitglied trug ebenfalls den schmucklosen Einteiler von Waldron. Sie starrte mit finsterem Gesicht auf die gepanzerten Gestalten hinter McIntosh.

Der Captain lächelte betont freundlich. „Captain Sean McIntosh von der D.S. Aberdeen der Sky-Navy. Gemäß den Direktiven des Direktorats führen wir eine routinemäßige Überprüfung durch. Wenn Sie mich freundlicherweise zu Ihrem Captain bringen würden?“

„Nur Sie oder auch Ihre gesamte Sturmtruppe?“

Das Lächeln von McIntosh vertiefte sich. „Trooper sind sehr ängstliche Wesen und fürchten sich unglaublich, wenn sie alleine sind.“

Ihr Gesicht verfinsterte sich noch mehr. „Folgen Sie mir. Ich bringe Sie zu Mister Alexander.“

„Besten Dank. Gehen Sie bitte voraus, damit wir uns nicht verlaufen.“ Sean gab Phuong einen verstohlenen Wink, worauf sie den Troopern mit einer weiteren Geste befahl, die Karabiner zu sichern und in die Halterung des Brustgurtes zu hängen.

Die Brücke des Frachters lag im Bugbereich der Äquatorialebene. Auf dem Weg dorthin registrierte Sean McIntosh, dass man an Bord keinen sonderlichen Wert auf Behaglichkeit legte, es sei denn, dass man eine gewisse Unordnung und Schmutzbelastung als solche erachtete. Doch alle für das Schiff wichtigen Systeme und Gerätschaften wirkten gut gepflegt. Offensichtlich legte Waldron Galactic Enterprises durchaus Wert auf die Funktionalität seiner Schiffe. Die Besatzung mochten entsprechende Schecks oder die Sehnsucht nach dem Weltraum locken.

Die Brücke war deutlich größer als die der Aberdeen, obwohl es hier nur vier Arbeitsplätze gab, den Kommandanten eingeschlossen. Ein niedriges, aber sehr breites Panoramafenster erlaubte auch hier den direkten Blick in den Weltraum. Raumfahrer waren eine besondere Spezies, die es nicht akzeptierte, wenn dieser Blick durch Kamerabilder ersetzt wurde.

Die Plätze auf der Brücke waren zur Hälfte besetzt. Das würde sich wohl erst wieder ändern, wenn sich das Schiff zum Entladen bereit machte. Entweder würde es an einer Orbitalstation anlegen und dieser die Container übergeben oder man würde sie per Shuttle vom Boden holen.

Mister Alexander wirkte noch immer ein wenig schmuddelig, nun jedoch bedeutend freundlicher als bei der ersten Kontaktaufnahme. Er hielt das vom I.T.S.B. vorgeschriebene schriftliche Logbuch bereit, das auch dann noch über das Schicksal eines Schiffes berichten konnte, wenn es als energieloses totes Wrack durch den Weltraum trieb. Daneben war natürlich auch die tetronische Datei verfügbar.

„Logbuch, Schiffspapiere und die Frachtpapiere“, sagte er durchaus freundlich, während er sie an Sean übergab. „Tut mir leid, wenn ich vorhin ein wenig ruppig war, aber wir haben schon zwei anstrengende Touren hinter uns und sind froh, wenn wir nach Fairchild wieder heimwärts dampfen können.“

„Durchaus verständlich, Captain Alexander.“ Sean setzte sich in einen freien Sitz und deutete um sich. „Etwas dagegen, wenn sich meine Jungs ein wenig umschauen? Sie wissen ja sicher, wie das geht. Ein paar Blicke auf die Sicherheitsinstallationen, Vorräte, die Bordküche, die Lebenserhaltung und in den Maschinenraum sowie ein oder zwei Stichproben der Fracht. Ganz nach Vorschriften der Raumsicherheit.“

„Ja, ich kenne die Vorschriften des I.T.S.B.“, brummte Alexander. „Durchaus lästig, aber natürlich erkennt jeder Raumfahrer an, dass die Sicherheit in der Raumfahrt gewährleistet sein muss. Ich habe schon einige Trampdampfer gesehen, deren Verkehrstüchtigkeit durchaus fragwürdig war. Aber Sie werden sehen, McIntosh, dass auf unserem Kahn alles in Ordnung ist.“

„Da bin ich mir sicher, Captain“, versicherte Sean lächelnd. „Ist eben reine Routine. Die übliche Stichprobe auf Raumpatrouille.“

„Ja, klar.“ Alexander sah, wie Phuong und ihre Trooper Anstalten achten, die Brücke zu verlassen. Nur einer von ihnen, Trooper Wolkov, postierte sich neben dem Schott. Die Helmscheibe seines Helms war auf transparent geschaltet und man konnte sehen, dass der Kavallerist einen eher schläfrigen Eindruck machte.

„Flora, sei so gut und zeige den Troopern, wo alles ist“, bestimmte Alexander der Frau, die ihm zunickte und den Soldaten rasch folgte.

Sean musste ein Grinsen unterdrücken, als er den verächtlichen Ausdruck im Gesicht des Frachterkapitäns sah. Falls der Mann tatsächlich glaubte, Wolkov sei nicht in höchstem Maße alert, dann konnte er eine ausgesprochen böse Überraschung erleben. Die scheinbare Schläfrigkeit war Wolkovs „Dienstgesicht“ bei Enterungen, mit dem es ihm durchaus gelang, den Eindruck zu vermitteln, das gesamte Enterkommando sei schludrig und unaufmerksam. Schon manchen hatte das in falsche Sicherheit gewiegt.

„Tragen die Burschen eigentlich immer ihre volle Montur mit geschlossenen Helmen?“, erkundigte sich Alexander. „Kaffee oder Tee oder etwas anderes?“

„Ja und nein“, antwortete Sean, der sich auf die Eintragungen konzentrierte. Dann hob er kurz den Blick. „Die tragen sie immer. Macht der Gewohnheit. Und Danke, aber ich benötige nichts. Sehr freundlich.“

Natürlich blieben die Helme geschlossen. Nicht wegen der verschiedenen individuellen Duftnoten, die es auf Raumschiffen durchaus gab, sondern aus praktischen Gründen, denn die Scanner und vor allem Sensoren in den Kampfhelmen waren aktiv und hatten schon manche illegale Substanz erschnüffelt.

Die Besatzungsmitglieder der Summer of 69 schienen McIntosh und den Trooper zu ignorieren, doch Sean kannte die Gepflogenheiten ziviler Mannschaften und dass sie sich gewöhnlich nicht durch die Anwesenheit der Raumpatrouille beeindrucken ließen. Die schwatzten fröhlich miteinander und wurden allenfalls dann schweigsam, wenn es etwas zu verschweigen galt und sie sich nicht verplappern wollten. Die Brücke dieses Frachters fühlte sich derzeit wie das Zentrum einer fröhlichen Party von Taubstummen an. Lediglich Alexander versuchte jovial zu wirken.

„Wie ich sehe, hatten Sie vor drei Monaten Probleme mit dem Cherkov-Antrieb?“, erkundigte sich Sean.

„Wie Sie sicher lesen können, gingen wir zwei Wochen ins Orbital-Dock. Unser Cherkov ist brandneu. Na ja, generalüberholte Austauschanlage“, korrigierte sich Alexander. Er zuckte mit den Schultern. „Als Modul-Schiff haben wir ja keinen Hiromata und da unterliegt der Cherkov einer erheblichen Dauerbelastung.“

„Ja, ist in Ordnung“, bestätigte Sean nach kurzem Blättern. „Die Abnahme durch die I.T.S.B. liegt vor. Schiffslog und Schiffspapiere sind soweit in bester Ordnung.“

„Sagte ich doch.“

„Eine kleine Frage zu den Frachtpapieren … Da steht ‚organisches Material, 2.000 Einheiten Shadowneck‘, der Begriff ist mir nicht bekannt.“

„Es handelt sich um eine Fleischlieferung. Shadowneck ist bestes Rindfleisch. Wird auf vier Beinen auf Gelldorf gezüchtet.“ Alexander grinste. „Natürlich auch von Waldron.“

„Hm, natürlich.“ Sean McIntosh erhob sich und ging gemächlich über die Brücke. „Das hier ist die Systemüberwachung, nicht wahr?“

„Äh, sicher, ja“, murmelte Alexander, der sein ewiges Lächeln ein wenig verlor. „Wie Sie sehen, ist alles in bester Ordnung und funktioniert.“

„Ja, Sie halten Ihr Schiff in Schuss.“

„Will ich meinen.“

„Hm. Diese 2.000 Einheiten bestes Rindfleisch … Wie ich sehe, sind hier keine großflächigen Kühlanlagen in Betrieb.“

„Äh, es ist eine Lebendlieferung“, ließ Alexander nun die sprichwörtliche Katze aus dem Sack. „Die Viecher werden auf Fairchild sofort zu Dosennahrung verarbeitet. Die können nicht mal ‚Muh‘ sagen, so schnell geht das.“

„Captain Alexander, Ihnen und Ihrer Firma sind fraglos die Direktiven für den Handel bekannt, nicht wahr? Es dürfen keine fremden lebenden Organismen, seien es nun Insekten, Pflanzen oder Tiere, auf eine andere Welt transferiert werden.“

„Verdammt, Mister Navy, wie ich schon sagte … Die landen sofort in der Dose.“

Sean schüttelte den Kopf. „Die Gefährdung durch eine invasive Lebensform ist einfach zu hoch. Lebend kann sie sich oft unkontrollierbar durchsetzen, weil sie keine einheimischen Feinde hat. Sie wissen sehr genau, dass diese Bestimmungen überlebensfähige und fruchtbare Keimzellen, Spermien und alles umfassen, dass der Vermehrung dient. Es gab schon genug verheerende Erfahrungen. Auf der alten Erde ebenso wie auf einigen bedauernswerten Kolonialwelten.“ Er warf Wolkov einen kurzen Blick zu. „Der Sarge hat mitgehört?“

Trooper Dimitri Wolkov nickte.

Sean wandte sich Alexander zu. „Mein Sergeant wird der Sache auf den Grund gehen.“

„Die wird wohl kaum viel von Fleischlieferungen verstehen“, knurrte der Captain des Frachters.

„Dafür versteht sie sehr viel von guten Steaks“, versicherte McIntosh.

Er schlenderte zu seinem Sitz zurück und spürte, wie die Anspannung auf der Brücke sprunghaft anstieg. Die Frachterbesatzung wusste sehr wohl, dass sie einen Verstoß gegen die Direktiven beging.

Eine knappe halbe Stunde später trat Sergeant Phuong Nguyen auf die Brücke. Diesmal nahm sie den Helm ab, zeigte ihr hübsches Gesicht und verführerischstes Lächeln und meldete Sean McIntosh weit mehr, als dieser befürchtet hatte.

„Wir haben zwei der Container mit dieser lebenden organischen Fracht untersucht, Sir, soweit dies in der Kürze der Zeit möglich war. In jedem stehen zehn Fleischportionen vom Typ Shadowneck. Automatische Entsorgung von Mist, automatische Melkanlagen, automatische Versorgung mit Wasser, Nahrung und Wärme. Besonders interessant ist ein separierter Bereich, in dem ein Zuchtbulle steht.“

„Zuchtbulle?“

Der Sergeant grinste Alexander an. „Vielleicht hat die Firma Waldron ein Verfahren erfunden, wie man Fleischkonserven züchten kann.“

Sean sah Alexander noch immer freundlich an. „Offensichtlich geht es hier um etwas mehr als nur eine Fleischlieferung. Kann es sein, dass Ihre Firma auf Fairchild eine lohnende Rinderzucht plant?“

„Diese ganze Direktive zu invasiven Lebensformen ist großer Mist und schränkt die freie Entwicklung der Marktwirtschaft ein“, entgegnete Alexander, sichtlich um Ruhe bemüht.

„Ja, das mag Ihre Meinung sein, aber diese Direktive schützt die Welten davor, von fremden Lebensformen übernommen zu werden“, hielt McIntosh dagegen. „Sehen Sie, Mister Alexander, alle Direktiven werden im hohen Rat auf dem Mars nach demokratischer Mehrheit beschlossen. Wobei ich persönlich der Auffassung bin, dass die schlimmste invasive Lebensform sicher der Mensch selbst ist.“

„Dann dürften auch keine Menschen auf fernen Welten siedeln. Da sehen Sie ja selbst, welcher Blödsinn diese Bestimmung ist. Der hohe Rat des Direktorats sollte sich um wirkliche Probleme kümmern und nicht private Unternehmen drangsalieren, deren Wirtschaftskraft immerhin erheblich zur Finanzierung des Direktorats beiträgt. Auch zur Finanzierung Ihrer verdammten Navy, Mister Captain.“

Sean McIntosh liebte Schottland, sein Schiff und er liebte die Navy. Sein freundliches Lächeln wich nun einem ernsten Gesicht, während er sich kurz durch den Bart strich. „Da Sie keine Einsicht zeigen, Mister Alexander, bin ich bedauerlicherweise gezwungen, das Recht des Direktorats durchzusetzen.“ Er nannte die betreffende Direktive, gegen die hier verstoßen worden war, und deren Ausführungsbestimmungen in knapper Form und fuhr dann fort. „In Übereinstimmung mit geltendem Recht bestimme ich im Namen des Direktorats folgendes: Der Anflug auf Fairchild ist Ihnen hiermit verboten. Sie werden augenblicklich Ihre Heimatwelt Gelldorf anfliegen und die Fracht dort entladen. Ferner bestimme ich, dass die Summer of 69 für einen Zeitraum von sechs Monaten Standardzeit Flugverbot hat. Alle Beweismittel für den Verstoß werden dokumentiert und den zuständigen Behörden übermittelt, welche die Höhe der finanziellen Strafe für Ihre Firma festlegen werden.“

„Sie sind ja irre, Mann“, fuhr Alexander auf. „Das lasse ich mir nicht bieten!“

„Gegen diesen Bescheid, den ich Ihnen gleich als rechtskräftiges Dokument ausstellen werde, können Sie auf Ihrer Heimatwelt, innerhalb vierzehn Standardtagen nach Ankunft, Widerspruch bei der dortigen Vertretung des Direktorats einlegen.“

„Ich werde den Teufel tun!“, brüllte Alexander auf.

„Sollten Sie meiner Anweisung nicht Folge leisten, so bin ich bevollmächtigt, Ihr Schiff auf der Stelle zu beschlagnahmen. In dem Fall wird innerhalb von wenigen Stunden ein Langstrecken-FLV von der nächsten Sky-Base eintreffen und ein Kommando aus Sky-Troopern sowie eine Flightcrew der Navy das Schiff übernehmen und nach Gelldorf überführen. Sie und Ihre Crew werden für ein Jahr unter Hausarrest gestellt, natürlich unter tetronischer Überwachung.“

Alexanders Gesicht war stark gerötet, doch er fing sich. „Schön, Mister Navy-Captain, ich beuge mich der Gewalt und werde Ihre Anweisungen ausführen.“ Er wandte sich halb zur Seite. „Rudergänger, sobald wir diese Elitetruppe los sind, setzen wir Kurs auf Gelldorf.“

Die üblichen Formalitäten und Dokumentationen wurden erledigt, dann dankte Sean McIntosh dem Frachterkapitän für dessen Kooperation und das Enterkommando machte sich auf den Weg zurück zur Aberdeen.

Während I.T.S. Summer of 69 auf Gegenkurs ging, beschleunigte der Kreuzer, um seine Raumpatrouille fortzusetzen.

Captain Sean McIntosh nahm wieder in seinem Kommandosessel Platz. „Getränkefreigabe für die Brücke. Wenn mir jemand bitte das Grauenhafte bringen würde?“

Francine Dykes ging persönlich zu dem kleinen Getränkespender, der neben dem Zugang zur Brücke stand. Sie kannte die Gewohnheiten der diensthabenden Brückenbesatzung und füllte ein Tablett mit den Bechern und jeweiligen Getränken. McIntosh hatte bei der Indienststellung des Schiffes für jedes Besatzungsmitglied einen solchen Becher anfertigen lassen, der das Logo des Schiffes und den Namen des Besitzers zeigte. Rasch verteilte sie Tee oder Kaffee an die Brückenbesatzung, nahm sich selbst einen stark gesüßten und starken Navy-Kaffee und reichte Sean den Becher mit dem „Grauenhaften“.

„Schrecklich“, knurrte Sean verdrießlich, während er an dem garantiert originalen und alkoholfreien schottischen Whiskey nippte.

Francine nickte. „Ja, Sir, ich frage mich auch immer wieder, wie Sie dieses Zeug trinken können.“

„Verdammt, Eins-O, ich meine doch nicht das Grauenhafte. Ich meine diesen verdammten Mister Alexander und seine verdammte Fracht. Sie haben doch mitgehört?“

„Aye, Sir, jede einzelne Silbe wurde von Ihrem Gerät an uns übertragen und aufgezeichnet“, bestätigte sie.

„Irgendetwas ist oberfaul“, sagte Sean nachdenklich. „Noch vor Kurzem hätte kein Frachterkapitän derart gegen einen Patrouillenbefehl aufbegehrt. Nein, irgendetwas verändert sich gerade im Direktorat.“ Er nippte erneut an seinem Getränk, verzog das Gesicht und wandte sich dann Chief Brady zu. „Don, eine private Frage … was halten Sie von der Sache?“

Der Radio Operator brauchte nicht lange zu überlegen. „Da braut sich eine miese Stimmung gegen das Direktorat zusammen, Sir. Ich habe ja des Öfteren Kontakt zu meinen Eltern auf Gelldorf und die haben gelegentlich durchblicken lassen, dass es eine Bürgerinitiative gibt, die für die Unabhängigkeit Gelldorfs vom Direktorat eintritt. Das wäre damals, als der Krieg zwischen den Norsun und den Negaruyen tobte, noch undenkbar gewesen.“

Francine sah den Captain ernst an. „Das High-Command und der hohe Rat auf dem Mars werden das sicher ebenso wissen und im Auge behalten.“

„Vermutlich“, stimmte er zögernd zu. „Unser nächster Routinehalt ist Fairchild, das eigentliche Ziel der Summer of 69. Ich werde diese Sache bei meinem Treffen mit dem planetaren Chief-Constabler ansprechen. Ich kenne Maurice Margon seit vielen Jahren. Bin gespannt, was er davon hält.“

An diesem Abend kam die Besatzung erneut in den Genuss einiger traditioneller schottischer Musik, bei denen gelegentliche Zwischentöne ein Beleg für die Interpretationsfähigkeit des Captains waren.

3. Die Verzerrung

Area Control Center, Fairchild, Colween-System

Mit knapp einer Million Einwohnern gehörte Fairchild zu den aufstrebenden Kolonialwelten, die bereits einen eigenen Sitz im hohen Rat des Direktorats innehatten. Der Planet ähnelte der Erde und bot nahezu identische Lebensbedingungen, wobei der Anteil der Landmasse mit siebzig Prozent allerdings deutlich höher war. Neben der Hauptstadt Fairchild, mit rund 300.000 Bewohnern und dem Sitz der bescheidenen Industrie, existierten rund zwei Dutzend größerer und kleinerer Siedlungen sowie eine Vielzahl von Farmen. Es gab zwei Ranches, auf denen eine einheimische, rinderähnliche Rasse gezüchtet wurde, deren Fleisch allerdings als nicht besonders schmackhaft galt.

Der kleine Raumhafen lag einige Kilometer südlich von „Fairchild auf Fairchild“ und bestand aus mehreren Landezonen, deren Oberflächen mit Plas-Beton beschichtet waren, einer Ansammlung von Lagerhallen und Gebäuden sowie dem Kontrollturm, der die Area Control, das Zentrum der Luft- und Raumüberwachung, enthielt. Mehrere geostationäre Satelliten überwachten Wetter und Verkehr, und über den Polen standen die beiden Plattformen, deren Scanner eine umfassende Raumüberwachung ermöglichten. Fairchild gehörte zu jenen Welten, denen es gelungen war, bereits die Nullzeit-Scanner zu erhalten, die über eine Reichweite von dreißig Lichtjahren verfügten. Die teuren Scanner waren weiterhin selten und im Falle von Fairchild eine Freundschaftsgabe der Firma Waldron Galactic Enterprises.

Luft- und Raumverkehr verliefen in noch bescheidenem Maße, da die planetare Verwaltung auf bodengebundene Transportmittel setzte. Die einzigen zugelassenen Luftfahrzeuge gehörten dem medizinischen Notfalldienst, der Brandwache und der planetaren Polizei. Das freundliche Klima ließ es zu, den Energiebedarf ausschließlich mit Wind- und Sonnenenergie zu decken, wozu ein effektives Versorgungsnetz und die riesigen Energiespeicher beitrugen.

Ranjid Punjabi war der diensthabende Chief-Controller in der Area Control Fairchild und teilte sich die Arbeit in dieser Schicht mit zwei Kollegen. In dieser Woche wurden die I.T.S. Summer of 69 und zwei kleine Langstrecken-FLVs erwartet, die freien Händlern gehörten. Fairchild war noch zu unbedeutend, um in regulären Passagierverkehr oder sogar in eine der Kreuzfahrtrouten eingebunden zu sein.

Ranjid kehrte gerade von den Hangars zurück, in dem die drei FLVs standen, die Fairchild als Zubringer zu jenen Schiffen dienten, die nicht auf der Oberfläche landen konnten. Er ging zu der sanft blubbernden Kaffeemaschine hinüber und nahm zwei gut geschäumte Milchkaffee mit Schokoladenstreuseln, bevor er sich in den freien Sitz neben dem Kollegen setzte. Er reichte den einen Becher weiter und erntete einen dankbaren Blick.

Ranjid schlürfte behaglich und ignorierte den Bart aus Milchschaum, der dabei entstand. „Ich habe kurz mit den Flightcrews unserer FLVs gesprochen. Alles in Ordnung. Die Fehlfunktion der Venturi-Düsen an Nummer Drei ist behoben. Die Summer of 69 kann kommen.“

„Wird sie aber nicht“, brummte der andere Controller.

„Äh, wird sie nicht?“

„Nein, wird sie nicht.“ Der andere nippte an seinem Milchkaffee und deutete zur Kommunikationskonsole hinüber. „Vorhin traf eine Hiromata-Nachricht ein. Die Summer hat illegale Fracht an Bord und muss nach Gelldorf umkehren.“

„Illegale Fracht? Verdammter Dung.“

„Ja, vorläufig ist es nichts mit erstklassigen Steaks.“

Ranjid Punjabi zuckte mit den Schultern. Natürlich wussten sie von der Fracht, denn schließlich musste man ja deren Transport auf die Oberfläche sicherstellen. „Vielleicht besser so. Offen gesagt, ganz wohl war mir bei der Sache nicht. Die Direktiven haben ja schließlich ihren Sinn.“

Der andere grinste. „Ein gutes Steak auch.“

„Stimmt. Aber das Syntho-Fleisch oder das der Pullwokks ist durchaus genießbar, wenn man es ausreichend und richtig würzt.“

„Die indische Küche deiner Frau ist unübertroffen.“

Ranjid verstand die Anspielung. „Fühle dich eingeladen. Tikka Masala?“

Der andere leckte sich über die Lippen. „Werde ich unter keinen Umständen versäumen. Ich besorge die passenden Getränke.“

Ein leises Piepen lenkte ihre Aufmerksamkeit auf einen der Monitore.

Ranjid runzelte die Stirn. „Raumüberwachung Nord. Schon wieder eine dieser merkwürdigen Störungen.“

Der andere Controller gab ein paar Befehle in die Tastatur ein.

Ranjid lächelte halbherzig. „Das bringt nichts. Habe ich die letzten beiden Male auch schon versucht.“

„Was, zum Teufel, ist das?“ Der Controller strich sich über das Kinn. „Als würde der Scanner einen Echoimpuls empfangen, der dann wieder verschwindet.“

„Kein wirklicher Echoimpuls. Sieht wie eine Verzerrung aus. Vielleicht ist es ein kleiner Eiskomet, der den Suchstrahl des Scanners zerstreut oder unscharf reflektiert. Wir wissen inzwischen, dass Hiromata-Suchstrahlen in bestimmten Winkeln vom Eis reflektiert und in anderen Winkeln zerstreut oder durchgelassen werden. Man hat bloß noch nicht herausgefunden, warum das so ist.“

Der Controller sah Ranjid zweifelnd an. „Ist wohl wie beim Hiromata-Antrieb. Jeder weiß, dass das Ding funktioniert, aber keiner kann erklären, warum das so ist. Ich weiß nicht recht. Für so einen kosmischen Wanderer haben wir diese Verzerrungen eigentlich zu häufig. Wie oft hatten wir dieses Phänomen schon?“

„Sieben Mal im letzten halben Jahr“, antwortete Ranjid. „Das hier ist das achte Mal.“

„Eine komische Sache. Kommt in unregelmäßigen Abständen, aber immer im gleichen Sektor. Bist du sicher, dass diese neuen Nullzeit-Scanner einwandfrei funktionieren?“

„Du weißt doch selbst, dass letzten Monat zwei Spezialisten von Mars Tetronics und Mars Military Industries da waren und die Dinger gecheckt haben. Die funktionieren.“

Der Controller seufzte. „Ich zeichne es auf und trage es ins Log ein. Du bist hier der Boss und solltest bei Gelegenheit mal mit jemandem über diese komischen Verzerrungen sprechen.“

Ranjid Punjabi seufzte missmutig. „Ja, bei Gelegenheit.“

1,49 €
Genres und Tags
Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
220 S. 1 Illustration
ISBN:
9783753194356
Verleger:
Rechteinhaber:
Bookwire
Download-Format:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip