Sky-Navy 12 - Die Maske fällt

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Aus der Reihe: Sky-Navy #12
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Sky-Navy 12 - Die Maske fällt
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Michael Schenk

Sky-Navy 12 - Die Maske fällt

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Eine erfreuliche Nachtphase

Kapitel 2 Aktualisierungen

Kapitel 3 Rendezvous mit einem Schatten

Kapitel 4 Der Leftenant

Kapitel 5 In den Weiten des Alls

Kapitel 6 Schleichfahrt

Kapitel 7 Die kleine Mutter Narret

Kapitel 8 Der Plan des Todes

Kapitel 9 Auf der Suche

Kapitel 10 Eine verlockende Beute

Kapitel 11 Der Echo-Impuls

Kapitel 12 Ein verräterischer Sender

Kapitel 13 Der Meteoriden-Schwarm

Kapitel 14 Feuerschlag

Kapitel 15 Gefechtsbereitschaft

Kapitel 16 Der Notruf

Kapitel 17 Für die kleine Mutter

Kapitel 18 Vernichtungsfeuer

Kapitel 19 Kompetenzen

Kapitel 20 Die Stachel der Mutter

Kapitel 21 Die Residenz

Kapitel 22 Hinterhalt

Kapitel 23 Ein enges Zeitfenster

Kapitel 24 Cav Ho!

Kapitel 25 Feuerüberfall

Kapitel 26 Die Stachler kommen

Kapitel 27 In der Zwickmühle

Kapitel 28 Die Hornissen

Kapitel 29 Niederlage

Kapitel 30 Umzingelt

Kapitel 31 Die Erkenntnis

Kapitel 32 Die Überrumpelung

Kapitel 33 Belauern

Kapitel 34 Entkommen

Kapitel 35 Zuständigkeiten

Kapitel 36 Die Hüter der Eier

Kapitel 37 Auf dem Heimweg

Kapitel 38 Ankündigung Sky-Navy 13

Impressum neobooks

Kapitel 1 Eine erfreuliche Nachtphase

Sky-Navy 12

Die Maske fällt

Military Science Fiction

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2019

D.S. Nanjing, APS-Kreuzer, Beuteschiff der Negaruyen

Die Kabine des Captains lag direkt hinter der Brücke und verfügte über den Luxus eines Fensters, welches die direkte Sicht in den Weltraum erlaubte. Die schützende Panzerblende war geöffnet. Das farbige Leuchten des nahen Sternhaufens fiel ungehindert herein und tauchte alles in dezentes Licht.

Desara-dal-Kellon hatte die Beleuchtung ausgeschaltet. Sie genoss das sanfte Farbenspiel und sie genoss, was sie unter ihrer Hand spürte. Sie war zufrieden mit ihrer Wahl. Der Gardist war ungewöhnlich gut gebaut, ausdauernd und er war intelligent genug um zu wissen, dass sein persönlicher Dienst für die Primär-Kommandantin ihm, abgesehen von der eigenen körperlichen Befriedigung, keinen Vorteil brachte.

Sie spürte Bewegung unter ihrer schlanken Hand. Ja, ein ausdauernder und hungriger Gardist. Sie lächelte im Zwielicht und überlegte, ob sie den Mann ein wenig stimulieren sollte, obwohl dies kaum erforderlich zu sein schien.

Das leise Piepen des Kommunikators veränderte die Situation.

„Herrin.“ Der Mann schwang sich rasch aus der Koje und begann sich ohne weitere Worte anzukleiden. Er legte jedoch nicht die Uniformkombination der Garde der verborgenen Welt an, sondern Unterzeug und Bordoverall der menschlichen Sky-Navy.

Desara hingegen schritt, nackt wie sie war, zu dem kleinen Tisch, auf dem der Kommunikator stand. Sie wusste dass es sich nur um etwas Wichtiges handeln konnte, denn ihre Stellvertreterin Ontra war darüber informiert, dass die Primär-Kommandantin bei ihren Entspannungen nicht durch Nichtigkeiten gestört werden wollte.

„Ja?“

Das Konterfei von Ontra erschien in dem kleinen Monitor. Ontra war eine auf Waffen spezialisierte Wissende und für den Einsatz der Bewaffnung des eroberten Menschenschiffes verantwortlich. Sie war intelligent, zuverlässig und verschwiegen. „Lutänent Ontra spricht, Käpp-Tenn. Wir haben einen an uns gerichteten Funkspruch der verborgenen Welt empfangen.“

„Sprich.“

„Die oberste Matriarchin stimmt deinem Plan zu, Käpp-Tenn. Sie entsendet das Schattenschiff Sirandaar zu unserer Unterstützung. Es bringt Verstärkungen für unsere Gardeabteilung und die erforderliche zusätzliche Ausrüstung.“

Desara lächelte. „Das war nicht anders zu erwarten.“

Desara-dal-Kellon war als Primär-Kommandantin die Oberbefehlshaberin der Flotte der verborgenen Welt. Sie hatte ihre Position durch die erforderliche Kombination aus Fähigkeit, Zähigkeit und Rücksichtslosigkeit erlangt. Manche untergeordnete Frau neidete ihr die Position und Gewalt war auf der verborgenen Welt der Negaruyen ein probates Mittel, um in der Hierarchie aufzusteigen. Desara verfügte daher über eine eigene kleine Leibwache persönlicher Gardisten. Ihre Wahl für diese Nacht hatte ihr erneut bewiesen, dass diese Männer nicht nur zähe Kämpfer waren, sondern auch erheblich zu Desara´s Vergnügen beitragen konnten.

Desara-dal-Kellon war es zu verdanken, dass es nun gelang, einen Keil des Misstrauens zwischen den Erzfeind, die Eierlegenden Norsun, und jenes Volk zu treiben, welches sich als Menschen bezeichnete und zu einer weiteren Bedrohung für die Negaruyen werden konnte. Seit über achthundert Jahren lagen Negaruyen und Norsun in einem Krieg, der keine Entscheidung brachte. Die überlegen Technik der Negaruyen und der Umstand, dass ihre letzte Welt im Verborgenen existierte, hatte bislang die Niederlage gegen die zahlenmäßige Überlegenheit der „Eierlinge“ verhindert.

Negaruyen und Menschen waren sich überraschend ähnlich. Körperlich unterschied sie eigentlich nur die Tatsache, dass Negaruyen lediglich über eine angedeutete Nase verfügten, die zwei flachen senkrechten Schlitzen entsprach. Diese Ähnlichkeit hatte sogar dazu geführt, dass die Norsun die Menschen zunächst für eine Abart des Feindes hielten und diese angriffen. Jetzt hatte man diesen Irrtum erkannt und war zu einem Waffenstillstand gekommen. Ein Bündnis beider Völker konnte für die Negaruyen verheerende Folgen haben und so hatte Desara-dal-Kellon einen heimtückischen Plan ersonnen.

Es war ihr gelungen den menschlichen APS-Kreuzer D.S. Nanjing zu erobern. Nachdem die menschliche Besatzung ohne Erbarmen ausgelöscht worden war, übernahmen Desara und ihre Negaruyen deren Rolle. Die Primär-Kommandantin war Perfektionistin und gab sich nicht damit zufrieden, über ein Schiff der Sky-Navy zu verfügen. Nein, alle an Bord mussten Kleidung und Verhalten der Menschen übernehmen, bis hin zu künstlichen Nasen, welche die menschlichen imitierten.

Mit ihrer „menschlichen“ Besatzung und dem Menschenschiff hatte Desara-dal-Kellon die Norsun-Kolonie auf Kell´Nar überfallen und so den Norsun den Eindruck vermittelt, die Menschen seien für das dortige Massaker verantwortlich. Eine Verständigung oder sogar Frieden zwischen Norsun und Menschen rückte nun in weite Ferne und Desara war entschlossen, den Erzfeind in einen erbarmungslosen Krieg gegen die Menschen zu treiben. Sie hatte große Pläne und nun war der nächste Schritt von der großen Matriarchin genehmigt worden.

 

„Herrin?“

Desara schreckte aus ihren Gedanken. Der Gardist hatte die Kabine inzwischen schweigend verlassen und Ontra sah ihre Befehlshaberin fragend an.

„Ich bin zufrieden“, sagte Desara leise und lächelte. „Und denke künftig daran, dass wir keine Gardeabteilung an Bord haben, Lutänent Ontra, sondern eine Abteilung der menschlichen Skai-Truupers.“

Ontra erwiderte das Lächeln. „Ich werde daran denken, Käpp-Tenn. Der beste Plan kann an der Nachlässigkeit in einer Kleinigkeit scheitern.“

„So ist es, Ontra, so ist es. Bis die Eierlinge gegen die Menschen in den Krieg ziehen, ist dies ein menschliches Schiff mit menschlicher Besatzung. Vergiss dies niemals, soll unsere Täuschung perfekt sein.“

Ontra nickte und schaltete den Kommunikator aus.

Desara-dal-Kellon trat an das Sichtfenster und blickte in das Sternenfeld hinaus.

Achthundert Jahre Krieg gegen die Norsun… Desara war fest entschlossen, ihn zu Gunsten ihres Volkes zu beenden.

Kapitel 2 Aktualisierungen

Werft-Hangar 7, Arcturus-Sky-Base

Werft-Hangar 7 lag im unteren Bereich der Flottenbasis Arcturus. Der zehn Kilometer durchmessende Diskus mit den beiden aus den Polen heraus ragenden Türmen der Raumüberwachung und Kommunikationsanlagen war die Hauptbasis der Sky-Navy und Sitz des High-Command, des Hauptquartiers von Flotte und Kampftruppen. Die riesige Anlage diente jedoch nicht ausschließlich militärischen Zwecken, denn sie war zugleich noch immer einer der Umschlagplätze für die zivile Raumfahrt und den interstellaren Handel. Zwar war die Bedeutung für den Handel mit Entwicklung des Hiromata-Nullzeitantriebs gesunken, denn wozu sollte man eine Zwischenstation einlegen, wenn man das eigentliche Ziel in kaum einem Tag erreichen konnte, dennoch wurde Arcturus gerne von den großen Konzernen und kleinen freien Händlern angeflogen, da die Basis über Werft-Hangars verfügte. Hier konnten Schiffe der verschiedensten Typen gewartet, modernisiert oder instandgesetzt werden.

Werftanlagen waren selten. Eigentlich gab es sie nur im Orbit um den Mars, zwei der großen Kolonialwelten und auf der Arcturus-Sky-Base. Sie verschlangen Ressourcen und Credits und sie benötigten eine Menge hochqualifizierten Personals.

Seitdem man die kleinen Fast Landing Vehicles mit einem Nullzeit-Antrieb versehen konnte, dienten die ursprünglichen Landungsboote als kleine Frachter oder Passagierschiffe. Nur die ganz großen Konzerne, wie Hollmann, Nundagai oder United Mining Industries, nutzten große Frachtraumer, die normalerweise in Modultechnik konstruiert waren und in die man kilometerlange Tragekonstruktionen für die genormten Container einfügte. Seit einigen Jahren lebte der interstellare Tourismus auf. Auch hier ermöglichte der Hiromata-Antrieb Rundflüge von wenigen Wochen, in denen man die Sehenswürdigkeiten zahlreicher Planeten erleben konnte. Die Zeit des langsamen Überlichtfluges, mit den langen Kälteschlafphasen für Besatzungen und Passagiere, war unwiederbringlich vorbei.

Hangar 7 passte sich der Krümmung der Station an und war eine riesige Halle von 200 Metern Höhe, 360 Metern Tiefe und einer seitlichen Ausdehnung von fast anderthalb Kilometern. Ausfahrbare Trennwände erlaubten die Aufteilung in kleinere Sektionen, so dass das Einfliegen oder Ausfliegen eines Schiffes nicht die Arbeit an den anderen behinderte.

Die künstliche Schwerkraft in der Basis wurde nicht durch Rotation, sondern durch das Shriever-System erzeugt. Im Hangar hatte man die Leistung der Shriever-Platten auf fünfzig Prozent reduziert, um so die Arbeiten mit schweren Teilen zu erleichtern. Zur Ausbildung der Arbeiter gehörte auch das Fixieren von Schraubbolzen in der Schwerelosigkeit und so empfand man eine weitere Reduktion der Schwere als eher hinderlich.

Im Augenblick waren die Trennwände zurückgefahren. Alles war erfüllt von den Rufen der Arbeiter und den Geräuschen, die ihre Tätigkeiten begleiteten. Es roch nach Öl, Fetten, heißem Kunststoff und Metall sowie ionisierter Luft, die eine Folge einiger der Schweißarbeiten war.

Derzeit wurde in Werft-Hangar 7 an fünf Objekten gearbeitet: Den Modulen zweier Großraumfrachter, dem kleineren Frachter eines Freihändlers, einem modifizierten Langstrecken-FLV und einem modernen APS-Kreuzer der Sky-Navy, der D.S. Remington.

Die Remington gehörte zu jenen Schiffen welche Hoch-Admiral John Redfeather, Oberkommandierender der Streitkräfte, auf die Suche nach der Nanjing geschickt hatte, mit dem Befehl, das Schiff aufzubringen oder zu zerstören. Welche Bedrohung es für den brüchigen Waffenstillstand zwischen den Norsun und dem menschlichen Direktorat darstellte, hatte die Besatzung der Remington aus erster Hand erfahren. Sie hatte die Norsun-Welt Kell´Nar zu spät erreicht, die Nanjing verpasst und war von den wütenden Norsun prompt für den Angreifer auf ihre Kolonie gehalten worden. Captain Tangaroa hatte sein Schiff nur mit Mühe retten können, zumal er den direkten Kampf mit den Norsun meiden musste. Dennoch war es unter den, aufgrund ihrer Körperfarbe als „Greens“ bezeichneten, Fremdwesen zu Verlusten gekommen.

D.S. Remington stand in der zweiten Arbeitsbucht des Hangars. Sie war von Technikern und Geräten umringt, Arbeitsbühnen waren am Rumpf aufgestellt und unter der Decke fuhren zwei Krangondeln emsig vor und zurück. Teile der Hüllenpanzerung waren entfernt worden, hauptsächlich an den Flanken des Schiffes, da man dort an den riesigen Atmosphäretriebwerken arbeitete. Ausrüstung, Vorräte und Munition wurden durch die entsprechenden Luken und Schächte an Bord gebracht, externe Leitungen versorgten das Schiff mit Luft und Energie, damit dessen eigene Anlagen überprüft werden konnten. Zwei gesonderte Kabel verbanden die zentrale Tetronik des Kreuzers mit jener der Basis, so dass Dateien und Sternenkarten aktualisiert werden konnten.

Wartung und Instandsetzung dauerten nun schon sieben Tage, obwohl man mit Hochdruck daran arbeitete, die Remington wieder startklar zu machen. Doch die Schäden am Schiff waren, aufgrund der erfolgten Überbeanspruchung, nicht unerheblich. Die beiden unteren Atmosphäretriebwerke waren dermaßen in Mitleidenschaft gezogen worden, dass man sie vollständig austauschte. Man hatte die verschiedenen Triebwerksmodule bereits entfernt und brachte nun die neuen in Position.

Besatzung und Sky-Troopers hatten einige Tage frei bekommen. Die führenden Offiziere, darunter Captain Joe Tangaroa und Chief-Engineer Lieutenant Burns, ließen es sich jedoch nicht nehmen, die Arbeiten mit Argusaugen zu beobachten.

Der Leiter des Werft-Hangars dirigierte den Führer eines Laufkrans über ihnen, der gerade eine zwanzig Meter lange Hochleistungsturbine in den Rumpf des Kreuzers absenkte und konnte sich eine Kritik nicht verkneifen. „Ein Kreuzer ist für Starts und Landungen von Planeten konstruiert, Captain Tangaroa, aber er ist kein Landungsboot, welches man beliebig im Schwebeflug halten kann. Selbst ein FLV kann nur begrenzte Zeit in der Luft schweben.“ Er warf dem Captain einen vorwurfsvollen Blick zu. „Haben Sie eine Ahnung, wie viel Schubkraft erforderlich ist, um einen Brocken wie die Remington in der Luft zu halten?“ Als Tangaroa prompt die Werte nannte, war der Mann sichtlich überrascht, doch das änderte seine Meinung keineswegs. „Dann wissen Sie ja, was Sie ihren Triebwerken da zugemutet haben.“

Der Master konnte sich die Kritik durchaus leisten. Er war ein ziviler Angestellter von Hollmann Constructions, die im Orbit um den Mars drei große Werften unterhielt und die, aufgrund des neuen Flottenbauprogramms, hauptsächlich Schiffe der Sky-Navy baute.

„Es war eine besondere Situation, Master.“ Die Stimme gehörte zu Hoch-Admiral John Redfeather, der in Begleitung seines Adjutanten, Lieutenant Faso, in die Halle gekommen war. Beide hatten die Geräuschdämpfer aufgesetzt, die hier unverzichtbar waren und nur den Klang der menschlichen Stimme und eine bestimmte Warnfrequenz durch die Filter ließen. „Deswegen hat Captain Tangaroa auch keine Verwarnung oder Kritik verdient.“

„Nun, wenn Sie das sagen, Hoch-Admiral… Aber das alte Atmosphärentriebwerk der Remington wäre da sicher anderer Meinung.“ Er winkte mit einem Arm. „He, Steve, langsam! Du demolierst noch die Außenpanzerung des Triebwerkschachtes!“

Der Kranführer nickte, machte mit dem Mittelfinger der freien Hand jedoch zugleich ein Zeichen, welches den Master zu einer unfeinen Handlung aufforderte. Der revanchierte sich mit einem breiten Grinsen. Dann wandte sich der Master wieder den Navy-Offizieren zu. „Im benachbarten Hangar arbeiten unsere Jungs übrigens an einem FLV, das ähnlich ramponiert wie dieser Kreuzer ist. Ich glaube, das Ding trägt die Kennungen Ihres Schiffes, Captain Tangaroa.“

„Nun, Lieutenant Mendez musste ihr Boot auch ziemlich ran nehmen.“

„Gleich zu Gleich gesellt sich gerne, wie?“

Redfeather sah den Master freundlich lächelnd an. „Ihre Kritik wäre sicherlich schwerwiegender, wenn Sie über eigene Kampferfahrung verfügten und die schwierige Situation im Gefecht nachvollziehen könnten.“

Der Master errötete. „Hm, das habe ich wohl verdient, wie? Nichts für ungut, aber es ist ein Haufen Arbeit, die Sachen wieder in Ordnung zu bringen. Und bevor Sie mich jetzt fragen, Hoch-Admiral, der Kreuzer und das FLV werden heute noch fertig. Zumindest die Installationen. Die Testläufe können wir nur simulieren, denn wenn wir die Atmos hier drinnen starten, dann bläst es uns die Einrichtung in Stücke.“

Redfeather nickte. Natürlich konnte man die Atmosphäre-Triebwerke nicht in der geschlossenen Halle starten. „Sie und Ihre Leute machen hier einen verdammt guten Job, Master. Ich hätte mit mehr Zeit für Reparaturen und Überholung gerechnet.“

Der Master freute sich über das durchaus gerechtfertigte Lob. „Wir wissen ja, dass die Navy jede Einheit bitter nötig hat, Sir. Ich habe übrigens Verwandte auf Regan III. und die sind beim Angriff der Greens nur knapp mit dem Leben davon gekommen. Ich hoffe, die Navy tritt den Burschen kräftig in den Hintern.“

„Ich hoffe, dies wird nicht erforderlich sein“, entgegnete Redfeather, „doch wir bereiten uns auf alle Eventualitäten vor.“

Der Hoch-Admiral hatte nicht die Absicht, mit dem Master ein Gespräch über Strategie und Taktik zu führen. In den Medien gab es reichliche Spekulationen. Der Überfall der Norsun oder „Greens“ auf Regan III. hatte erhebliche Unruhe auf den besiedelten Welten hervorgerufen. Nur Wenige ließ die Vorstellung kalt, ihre Welt könne ebenfalls angegriffen werden. Der hohe Rat des Direktorats hatte verkündet, dass die Streitkräfte vorbereitet seien, man jedoch eine friedliche Lösung anstrebe.

Diese offizielle Stellungnahme trug nicht unbedingt zur Beruhigung bei, denn wer ein wenig rechnen konnte, der konnte sich auch vorstellen, welches Ungleichgewicht zwischen den Kräften des menschlichen Direktorats und dem gewaltigen Reich der Norsun bestand.

Die Turbine glitt in ihren Aufnahmeschacht. Ein Schwarm von Technikern machte sich daran die Halterungen des Krans zu lösen und das Triebwerksteil in seinen Lagern zu verankern, Anschlüsse herzustellen und die Außenpanzerung des Schachtes wieder zu schließen.

„Der Zwischenfall auf Kell´Nar war sehr unerfreulich“, wandte sich Redfeather an Captain Joe Tangaroa.

Der Maoriabkömmling mit den zahlreichen Tätowierungen, die sich auch über sein Gesicht zogen, nickte. „Dem muss ich leider zustimmen, Sir. Die Nanjing entkam und die Greens hielten uns für die Übeltäter. Wir konnten nur mit Mühe entkommen. Bei der nächsten Begegnung mit einem Navy-Schiff werden die Aliens wohl zuerst schießen, statt zu fragen.“

„Ich würde mich an ihrer Stelle wohl kaum anders verhalten“, gab der Oberbefehlshaber zu. „Wir müssen also die Norsun unbedingt davon überzeugen, dass das Direktorat nichts mit dem Massaker auf ihrer Welt zu tun hat.“

„Die Beweislage ist ungünstig, Sir. Wir fanden Beweise dafür, dass es ein APS-Kreuzer war, der die Kolonie angriff. Doch leider keine Belege dafür, dass dessen Besatzung aus Negaruyen besteht.“

„Ja, eine üble Situation, die es uns nicht gerade leicht macht, mit den Norsun in Verhandlungen zu treten.“

Lieutenant Faso räusperte sich. „Sir, der Translator und der Überlast-Sender…“

„Richtig. Danke, Faso, ich hätte das schon nicht vergessen.“ Der Hoch-Admiral strich sich über das Kinn. „Wir haben zwei große Probleme, Captain. Die Verständigung mit den Norsun und das Auffinden der Nanjing. Nun, unsere Hoch-Koordinatorin und ihre wissenschaftliche Abteilung waren nicht untätig und unser besonderer Gast war Ausnahmsweise sehr hilfsbereit.“

 

Der besondere Gast war auf der Basis noch immer ein gut gehütetes Geheimnis. Sker-Lotar war ein Norsun und eine Hand des Wissens. Er und die Besatzung seines Schiffes waren von einem Navy-Schiff auf dem Wrack-Planeten vor der Ermordung durch die Negaruyen bewahrt worden. Während der Rest der Besatzung von einem Hantelschiff gerettet wurde, hatte sich Sker-Lotar den Menschen angeschlossen, um mehr über diese zu erfahren. Für die meisten Menschen an Bord der Arcturus-Sky-Base war er ein „Geist“, da er sich nur in Begleitung und in dermaßen bauschiger Kleidung bewegen durfte, dass seine nichtmenschliche Statur im Verborgenen blieb. Der Wissende verfügte über relativ freien Zugriff auf die historischen Dateien der riesigen Datenbank. Redfeather hatte dies in der Hoffnung erlaubt, dass es zwischen beiden Völkern längst zu einem Frieden gekommen sein würde, wenn der Norsun eines Tages wieder zu seinem Volk zurückkehren konnte.

Sker-Lotar studierte die Aufzeichnungen mit enormer Wissbegierde, hielt sich allerdings mit Informationen über seine eigene Rasse zurück. Während er selbst die Sprache der Menschen recht gut beherrschte, hatte er bislang nicht dazu beigetragen, Informationen zum Idiom der Norsun zu geben. Auch zu den militärischen Aspekten schwieg er sich aus. Als ihm die Gefahr durch die Eroberung der Nanjing bewusst wurde, hatte er lediglich die zivile Funkfrequenz seines Volkes verraten. Die Sky-Navy hoffte, bei einem erneuten Überfall der Nanjing werde ein Notruf auf dieser Zivilfrequenz abgegeben und von den Suchschiffen der Navy aufgefangen werden.

Die Captains der Suchschiffe gehörten zu den Eingeweihten, die vom Aufenthalt Sker-Lotars auf Arcturus wussten.

„Sker-Lotar?“ Tangaroa sah den Hoch-Admiral sichtlich neugierig an

„Der Bericht über die Vorgänge auf Kell´Nar hat ihn wohl endlich überzeugt, dass er einen größeren Anteil leisten muss, wenn er dazu beitragen will, einen Krieg zwischen seinen Leuten und uns doch noch zu verhindern.“

„Vermutlich hat er aber keine militärischen Informationen herausgerückt, oder?“

„Er versucht nicht einmal, das vor uns zu verbergen“, knurrte Redfeather. „Er will wohl unter keinen Umständen als Verräter an seinem Volk dastehen. Nein, er hat uns nichts direkt Militärisches verraten, aber vielleicht etwas sehr viel Wichtigeres. Er hat mit Hilfe des Teams unserer Hoch-Koordinatorin, Professor Berger, eine tragbare Tetronik mit den Grundelementen seiner Sprache gefüttert. Es ist uns nun möglich, uns mit Hilfe dieses Tranlators mit den Norsun zu verständigen.“

„Verdammt gut das zu hören, Sir.“

„Derzeit wird das Sprachprogramm vervielfältigt. Jede Einheit unserer Streitkräfte bekommt es beim nächsten Kontakt mit einer Sky-Base als Update übertragen. Ihre Remington gehört zu den ersten aktualisierten Einheiten, da sie ja glücklicherweise gerade überholt wird. Zudem hat sich Professor Berger mit dem Problem befasst, wie wir die Nanjing vielleicht orten können.“

„Echoimpuls?“

Redfeather lächelte anerkennend. „Genau das. Jeder unserer Nullzeitsender verfügt über ein Programm, welches von der Besatzung nicht beeinflusst werden kann. Wird das Gerät von einem anderen Nullzeitsender angefunkt, so erwidert es automatisch mit der Kennung des eigenen Schiffes.“

Faso nickte. „Hilfreich zur Freund-Feind-Kennung oder wenn man einem Schiff zu Hilfe kommen muss, dessen Besatzung handlungsunfähig ist.“

„Wohl war.“ Tangaroa zuckte mit den Schultern. „Das Problem ist aber die extrem enge Bündelung eines Krachspruchs. Der Hiromata-Kristall bedingt, dass man den Standort des Empfängers recht genau kennen muss, soll der Nullzeitspruch dort empfangen werden.“

Es gab den Normalfunk, der Bild und Ton mit einfachen lichtschnellen Impulsen übertrug und den Cherkov-Überlichtfunk, der dies mit mehrfach lichtschnellen Wellen ermöglichte. Doch selbst mit dem schnellsten Übelrichtfunk oder Überlichtantrieb benötigte man Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre, sein Ziel zu erreichen. Nur die Hiromata-Kristalle ermöglichten die Übertragung von Impulsen ohne Zeitverlust. Leider war dies nicht mit Bild und Sprache möglich, sondern man musste sich mit kurzen und langen Impulsen begnügen. Man verwendete daher das alte Morse-Alphabet, weswegen man die Nullzerit-Funksprüche auch als „Krachspruch“ bezeichnete. Ein weiterer Nachteil war die extrem enge Bündelung des Hiromata-Funkstrahls. Man konnte ein sich bewegendes Objekt nur dann „treffen“, wenn man seine exakte Position, die genau Geschwindigkeit und den Kurs kannte. Auf Raumschiffen war es daher üblich, sich seinerseits mit einer Basis in Verbindung zu setzen und die erforderlichen Daten zu übermitteln, damit es zur Nullzeitkommunikation kommen konnte. Bei Patrouillen der Sky-Navy legte man einen richtigen „Funkhalt“ ein. Für das Direktorat bestand der wesentliche Nachteil der engen Bündelung darin, dass eine Nullzeit-Alarmierung der eigenen Einheiten extrem schwierig war, kannte man deren exakte Position nicht.

Redfeather wusste dass Tangaroa auf diese Fakten anspielte. „Das gilt nicht für den Überlast-Sender. Die Bezeichnung leitet sich von Überlastung ab. Im Grunde ist es ein Nullzeit-Sender, der bewusst überladen wird. Er strahlt einen einzigen Impuls ab, jedoch nicht als zielgerichteten Strahl sondern in Form eines halbkugelförmigen Feldes. Danach brennt er durch und die Hiromata-Kristalle sind zerstört.“ Redfeather zuckte mit den Schultern. „Ebenso wie der gesamte Sender. Ein Einmalsender für einen Einmalschuss, wenn Sie so wollen.“

„Ein Schuss ins Blaue“, meinte Carmen Alvarez, erster Offizier der Remington.

„Aber ein Schuss, aus dem man etwas machen kann“, entgegnete ihr Captain. „Wenn ich das richtig verstehe, dann gibt der Sender einen Impuls ab, der in Form einer halbkugelförmigen Welle ausgestrahlt wird. Trifft dieser auf einen normalen Nullzeit-Sender, dann antwortet der automatisch mit dem Echo-Impuls.“

„Exakt, Captain.“

„Wir suchen die berüchtigte Nadel im Heuhaufen“, sagte Lieutenant Faso, „aber mit dem Überlast-Sender hat man jetzt sogar eine fünfzigprozentige Chance, die Nanjing aufzustöbern.“

„Sofern man eine Kreuzpeilung bekommt und so ihre Position bestimmen kann. Sonst haben wir nur die Richtung, aus welcher der Echo-Impuls gekommen ist.“ Joe Tangaroa lachte. „Dürfte jedoch kaum ein Problem sein. Bevor wir den Überlast-Sender auslösen schicken wir ein paar Raumsonden aus. Mit ein bisschen tetronischer Rechenarbeit und unserem Gehirnschmalz dürften wir dann eine recht genaue Positionsbestimmung der Nanjing bekommen. Zumindest zu jenem Zeitpunkt, an dem sie den Echo-Impuls abgab. Damit haben wir die verdammten Negaruyen zwar noch nicht an den Eiern, aber wir haben eine echte Chance, sie zu erwischen.“

„Wir werden jeden für die Suche abgestellten APS-Kreuzer mit einem Überlast-Sender ausstatten und auch versuchen, ein paar zusätzliche Sender zu bauen“, erläuterte Faso. „Allerdings sind uns Grenzen gesetzt. Sie wissen ja alle, wie beschränkt unsere Vorräte an Hiromata-Kristall sind. Für einen Überlast-Sender benötigen wir so viel davon, wie für den Nullzeit-Antrieb eines Kreuzers.“

„Verdammt, das klingt nicht gut“, räumte Chief-Engineer Burns an. „Dann wird es nicht viele dieser Sender geben oder man kann weniger Schiffe bauen.“

„Was wir uns wegen der Bedrohungslage durch die Norsun und die Negaruyen nicht leisten können.“ John Redfeather verschränkte die Hände auf dem Rücken und sah zu, wie die ersten fehlenden Hüllenpanzerungen wieder in den Rumpf des Kreuzers eingefügt wurden. „Ich kann also nur hoffen, Captain Tangaroa, das Sie und die anderen Captains aus dem Schuss ins Blaue etwas machen.“

„Das werden wir, Hoch-Admiral“, versicherte Tangaroa.

Carmen Alvarez sah die beiden Offiziere nebeneinander stehen und dachte in diesem Moment daran, dass diese ein Symbol für die geeinte Menschheit waren. Der Eine, mit der dunklen Haut und den blauschwarzen Tätowierungen, ein Abkömmling der Maori, Redfeather hingegen, mit der kupferbraunen Haut und den beiden langen Haarzöpfen, ein reinrassiger Sioux-Indianer. Sie selbst hatte ihre Wurzeln in Mexiko, Burns im einstigen Europa und der Master des Werft-Hangars hatte zweifellos seine Vorfahren in Afrika. Trotz ihrer verschiedenen Ethnien standen sie hier für die geeinte Menschheit, mit allen ihren besiedelten Welten. So verschieden sie auch sein mochten, sie alle hatten dasselbe Blut und waren Menschen.

„Ich halte drei Trägerschlachtschiffe bereit“, versicherte Redfeather. „Ich will nach Möglichkeit vermeiden, die Norsun durch ihr Erscheinen zu beunruhigen, doch wenn es die Situation erfordert, Captain Tangaroa, dann werden sie kommen. Darauf können Sie und Ihre Crew sich verlassen.“

Der Master von Werft-Hangar 7 räusperte sich. „Ich schätze einmal, was ich da zu Ohren bekommen habe, soll nicht an die große Glocke gehängt werden?“

„Jetzt, wo Sie es erwähnen, Master…“

„Keine Sorge, Gentlemen, ich habe nichts gehört“, versicherte der Master mit ernstem Gesicht. Er wusste, dass der Hoch-Admiral ihn notfalls unter Arrest stellen konnte. Er hatte auch keinerlei Lust, sich vor den Bossen von Hollmann Constructions zu verantworten, wenn er sich verplauderte und die Firma dadurch Ärger bekam. „Ich hoffe, Sie finden diese verdammte Nanjing.“

„Dem kann ich mich nur anschließen.“ Redfeather nickte den Offizieren der Remington kurz zu. „Ich muss mich nun wieder um andere Dinge kümmern. Lady, Gentlemen… Auf eine gute Jagd.“

Der Hoch-Admiral und sein Adjutant verließen die Halle.

Der Master klatschte in die Hände. „Keine Sorge, Captain, in spätestens drei Stunden haben Sie Ihr Schätzchen wieder. Wie ich sehe kommen da gerade ein paar Navy-Matrosen mit einer Kiste. Ich wette, das ist der Überlast-Sender, von dem ich natürlich nie gehört habe.“

Tangaroa lächelte überaus freundlich. „Ansonsten müsste ich Sie zu einem Freiflug mit der Remington einladen.“

Der Master grinste breit. „So wie Sie mit den armen Triebwerken Ihres Schiffes umgehen…? Nee, verzichte lieber.“