Japanische Literatur

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Der erhabene Fürst Ninigi begegnete einem schönen Weib bei dem erhabenen göttlichen Vorgebirge Kasasa. Er forschte, wessen Tochter sie sei, und sie erwiderte: »Ich bin die Tochter des Gottes ›Herr vom Großen Berge‹ (Fuji) und mein Name ist ›Die Göttliche Prinzeß von Ata‹: doch mein andrer Name ist ›Die Prinzeß Blüte-wie-Baumblüte‹«. Er fragte sie danach: »Hast du auch Schwestern?« Und sie erwiderte: »Ich hab' noch eine Schwester, die Prinzeß vom langen Leben ›Während-wie-der-Fels‹.« Da redete er zu ihr: »Ich möchte mich dir vermählen, was sagst du dazu?« Und sie erwiderte ihm: »Ihre Dienerin weiß dazu nichts zu sagen. Der Vater Ihrer Dienerin, der Gott ›Herr vom Großen Berge‹, wird für sie antworten.« Er sandte also eine göttliche Werbung zu dem Vater, dem »Herrn vom Großen Berge«. Dieser freute sich höchlich. Er sandte zu ihm ehrfurchtsvoll die Jungfrau zusammen mit ihrer älteren Schwester, der Prinzeß »Während-wie-der-Fels«, und er ließ dazu auf Tischchen Hunderte von Geschenken bringen. Allein die ältere Schwester war ganz abscheulich, und er erschrak bei ihrem Anblick. Darum schickte er sie zurück, und er behielt bloß die jüngere Schwester, die Prinzeß »Blüte-wie-Baumblüte«, mit der er sich auf eine Nacht vermählte. Darauf sandte ihm der Gott »Herr vom Großen Berge«, geschmäht durch die Verschmähung der Prinzeß »Während-wie-der-Fels«, diese Botschaft:

»Sintemal ich dir ehrfurchtsvoll meine Töchter beide schickte, zu wissen zum ersten, die Prinzessin ›Während-wie-der-Fels‹, so wollte ich, daß die göttlich-erhabenen Sprößlinge Deiner himmlischen Gottheit bei Schneegestöber und bei Wirbelwind ewig und unerschütterlich wie die währenden Felsen leben sollen. Und zum andern: indem ich dir die Prinzeß ›Blüte-wie-Baumes-Blütenglanz‹ schickte, wollte ich, daß diese auch blühend wie die erblühten Blüten der Bäume leben. Um dir zu verbürgen beides, habe ich sie beide dir angeboten, nun aber hast du die Prinzessin ›Während-wie-der-Fels‹ zurückgeschickt und nur die Prinzessin ›Blüte-wie-Baumes-Blütenglanz‹ behalten. Darum wird die erhaben-göttliche Nachkommenschaft deiner himmlischen Gottheit so gebrechlich sein wie die Baumesblüten.« – Aus diesem Grunde sind seit alters her und bis zum heutigen Tag die erhabenen Leben der erhabenen Herrscher und Himmelssöhne von kurzer Dauer.

»Während wie der Fels« (Kimi ga yo wa) ist das traditionelle japanische Symbol der Dauer, auch in der noch heute als Kaiserhymne gesungenen Tanka. (Vergleiche S. 110) –

Die Prinzeß »Blüte« wird schwanger, der Himmelsenkel hegt aber Zweifel an seiner Vaterschaft. Die Prinzessin schließt sich deshalb in ein unterirdisches Gelass ein und besteht dort die Feuerprobe. Ihre Kinder sind der erhabene »Feuerglanz« (Glanzfeuer), der erhabene »Feuers-Wachsen« und der erhabene »Feuers-Ausgang« (Bodenfeuer). Im Original Hoderi, Hosuseri und Howori. »Glanzfeuer« tauscht dann mit seinen Brüdern die »Geschicke« (Geschicklichkeiten, Gewinne), nämlich seinen Bogen mit Pfeilen gegen den Angelhaken.

Der erhabene »Glanzfeuer« war ein Herr, dessen Geschick (Gewinn) auf dem Meere lag. Er erbeutete mit Geschicklichkeit (Gewinn) die breitflossigen wie die schmalflossigen Dinge. Der erhabene »Bodenfeuer« hingegen war ein Herr, dessen Geschick auf den Bergen war. Er erbeutete mit Geschick (Gewinn) das Rauchwerk sowie das Haarwerk. Da sprach der erhabene »Bodenfeuer« zu seinem älteren Älter-Bruder, dem erhabenen »Glanzfeuer«: »Laß uns tauschen, und es nehme ein jeder das Geschick des anderen.« Dreimal richtete er an ihn diese Bitte, doch er wollte nicht. Endlich erlangte er dennoch den Tausch mehr wider seinen Willen. Alsobald warf der erhabene »Erdenfeuer«, das Meergeschick aufnehmend, seine Schnur nach den Fischen. Jedoch er fing niemals auch nur einen einzigen Fisch. Und er verlor sogar den Haken im Wasser. Darum verlangte sein Älter-Bruder, der erhabene »Glanzfeuer«, von ihm seinen Haken wieder mit den Worten: »Ein Geschick (Gewinn) auf den Bergen ist eine Sache und ein Geschick (Gewinn) auf dem Wasser ist eine andere Sache. Laß einen jeden von uns wieder seine Sache nehmen.« Ihm erwiderte der jüngere Bruder, der erhabene »Erdenfeuer«, mit den Worten: »Indessen, deine Angel, mit der ich fischte, ohne daß ich einen einzigen Fisch fing, die hab ich im Wasser verloren.« Jedoch sein Älter-Bruder wollte sie immer wiederhaben. Endlich zerbrach darum der jüngere Bruder sein Schwert von zehn Handbreite (mit dem er erhaben umgürtet war) und machte daraus fünfhundert Fischhaken, zu seiner Buße. Doch jener wollte sie nicht nehmen. So machte er aufs neue eintausend Fischhaken, zu seiner Buße. Jedoch jener wollte sie wiederum nicht nehmen, und er sagte immer nur: »Ich brauche durchaus meinen echten, alten Fischhaken.«

Darüber beklagte der jüngere Bruder sich und weinte am Strande. Da kam der ehrwürdige »Gott der Salzflut« hinzu und befragte ihn: »Warum weint ›Hoch wie Himmelshöh‹, und warum klagt er so sehr?« Er erwiderte ihm: »Ich hab einen (Fisch)haken bei meinem Älter-Bruder eingetauscht, und ich hab ihn verloren. Da er ihn dann von mir wiederhaben wollte, gab ich ihm zahlreiche Fischhaken zur Buße. Jedoch er will sie nicht annehmen und sagt immer nur: »Ich will durchaus meinen alten Haken wiederhaben.« Wegen dieser Sache weine und klage ich.« Da redete nun der »Ehrwürdige Gott der Salzflut« die Worte: »Ich will deiner erhabenen Gottheit einen guten Rat geben!« Und er fertigte für ihn einen festgefügten kleinen Nachen, da setzte er ihn hinein und unterwies ihn also: »Sobald ich das Boot abgestoßen haben werde, rudere du eine kurze Zeit! Du wirst eine erhaben angenehme Gottesfahrt haben. Und wenn du diese Gottesfahrt fortsetzt, wird ein Schloß auftauchen wie aus Fischgräten gebaut. Dieses ist das Schloß des Gottes »Herr der Meere«! Sobald du an der erhabenen Göttertür angekommen bist, wirst du an dem Brunnen zu ihrer Seite einen mächtigen Judasbaum erblicken. Setze dich ganz oben in den Gipfel des Baumes, dann wird die Tochter des Meergottes zu dir kommen und dir einen Rat erteilen.« Also tat er, wie ihm geboten war, er ruderte eine kurze Zeit, und alles geschah so, wie man es ihm erklärt hatte; ohne ein Zaudern erklomm er den Judasbaum und setzte sich oben in seinen Gipfel. Da kamen die Mägde der Tochter des Meergottes – der Prinzeß ›Perlenreich‹ – und sie brachten (Perlen)gefäße, und als sie das Wasser heraufziehen wollten, da war ein Schein in dem Brunnen. Sie blickten in die Höh; da saß oben ein schöner Jüngling, und sie verwunderten sich sehr. Auch der erhabene ›Glanzfeuer‹ erblickte die Mägde und bat um ein wenig Wasser. Alsogleich schöpften die Mägde das Wasser, taten es in eines der (Perlen)gefäße und boten es ihm mit schuldiger Achtung. Er aber trank das Wasser mitnichten, und er nahm einen Stein von seinem erhabenen Halse, tat ihn in seinen Mund und spie ihn in das (Perlen)gefäß. Der Stein blieb an dem Gefäß haften, also daß die Mägde ihn gar nicht mehr lösen konnten. Darum nahmen sie Gefäß wie Edelstein und brachten beides der erhabenen Prinzeß ›Perlenreich‹. Da fragte die erhabene Prinzeß ihre Mägde: »Ist es möglich, daß irgend jemand an der Türe ist?« Sie erwiderten: »Jawohl, es sitzt jemand auf dem Gipfel des Judasbaumes, der über unserem Brunnen wächst. Es ist ein sehr schöner Jüngling, er beschämt an Glanz sogar unseren König. Und da er uns um Wasser bat, gaben wir ihm solches mit schuldiger Achtung. Er aber trank mitnichten von dem Wasser, vielmehr spie er diesen Stein hinein, und da wir ihn nicht mehr von dem Gefäße entfernen konnten, haben wir dir hier beides Stein wie Gefäß gebracht.« Da verwunderte sich die erhabne Prinzeß ›Perlenreich‹ und trat hinaus, um zu sehen. Sogleich wurde sie von seinem Anblick entzückt. Sie tauschten Blicke um Blicke, und danach redete sie zu ihrem Vater und sprach: »Es ist ein fremder, sehr schöner Mann an unsrer Türe.« Darum trat nun der Meergott selber hinaus, um zu sehen, und er redete und sprach: »Der Mann ist ›Hoch-wie-Sonnenhöh‹, der Erhabene Sproß von ›Hoch-wie-Sonnenbahn‹!« Und damit geleitete er ihn in das Innere. Er legte acht Lagen Robbenfelle übereinander, darauf legte er acht andere Lagen Seidenstoffe, darauf hieß er ihn sich setzen, und er setzte auf Tischen hunderte von Dingen vor und bereitete ein erhabenes (Götter)mahl. Und ohne zu verziehen vermählte er ihm seine Tochter, die Prinzessin ›Perlenreich‹. – Also wohnte er daselbst drei Jahre, in diesem Lande. Endlich aber, alter Dinge eingedenk, stieß der gotterhabene ›Erdenfeuer‹ 1 (der japanische Text schreibt gleichfalls die Ziffer) tiefen Seufzer aus. Den vernahm die erhabene Prinzeß ›Perlenreich‹ und berichtete ihn ihrem Vater mit den Worten: »Er hat drei Jahre bei mir gewohnt, ohne jemals zu seufzen. Heut nacht aber hat er einen Seufzer ausgestoßen. Was kann die Ursache davon sein?« Der große Gott, ihr Vater, forschte seinen Schwiegersohn aus mit den Worten: »Heut morgen vernahm ich, wie meine Tochter die Worte redete: ›Er hat drei Jahre bei mir gewohnt, ohne jemals zu seufzen. Heut nacht hat er aber einen Seufzer ausgestoßen. Was kann die Ursache sein?‹ Und sage nun auch: Aus welchem Grunde bist du zu uns gekommen?« – Darauf berichtete er dem großen Gott getreulich, wie sein Bruder ihn um den verlornen Angelhaken gequält. Der Meergott lud darauf alle Fische des Meeres, groß und klein, vor, und er befragte sie mit den Worten: »Ist hier vielleicht ein Fisch, der den Haken genommen hat?« Und alle Fische erwiderten: »Der Fisch Tai neulich hat sich beklagt, daß er eine Gräte in seinem Schlund stecken habe, die ihn am Essen hindere. Er ist's gewiß, der ihn genommen hat.« Darum untersuchte man den Schlund des Fisches Tai, und der Haken fand sich darin. Sogleich wurde dieser herausgenommen und gewaschen und mit schuldiger Achtung dem gotterhabenen ›Erdenfeuer‹ überreicht, den der Gott ›Großer Herr der Meere‹ danach unterwies mit den Worten: »Wenn du diesen Angelhaken deinem Bruder zu überreichen geruhst, so sage du ihm folgendes: »Dieser Haken ist ein grober Haken, ein ungeduldiger Haken, er ist ein armseliger Haken und ein ganz blöder Haken.« Wenn du so geredet, übergib ihn (aber halte dabei die Hand hinter deinen Rücken!). Und sobald du so geredet hast, falls danach dein Bruder die Felder am Berge bestellt, so bestelle deine erhabene Gottheit die Felder in der Niederung. Und falls dein Bruder die Felder in der Niederung bestellt, so bestelle deine erhabene Gottheit die Felder auf dem Berge! Wenn du also tust, so wird dein Bruder sicherlich in drei Jahren seinen Reis verloren haben, so wie ich die Wasser lenken will. Sollte darauf dein Bruder, im Zorn über dich, dir etwas antun, so enthülle hier diesen Stein, der die Wasser steigen macht, der wird ihn überschwemmen. Entschuldigt er sich aber wieder, so enthülle hier diesen andern Stein, der die Wasser wieder fallen macht, der wird ihn dann retten. Auf diese Art sollst du ihn quälen.« Damit übergab er ihm den Stein, der die Wasser steigen macht, und den Stein, der die Wasser wieder fallen macht, zwei im ganzen. Und danach berief er alle seine Krokodile, er befragte sie und redete: »›Hoch-wie-Sonnenhöh‹, der erhabene Sohn von ›Hoch-wie-Sonnenbahn‹, will sich nun in die Oberwelt zurückbegeben. Will einer von euch ihn mit schuldiger Achtung dahin begleiten und mir Nachricht von ihm wiederbringen? Und wie lange Zeit will er dazu gebrauchen?« Da redete ein jedes Krokodil und bestimmte die Zahl der Tage nach der Länge seines eigenen Leibes in Klaftern. Das eine unter ihnen, ein Krokodil von Klafterlänge, redete: »Dein Diener will mit ihm schwimmen und in einem einzigen Tage zurück sein.« Da redete er zu dem Krokodil von Klafterlänge: »Ist es also, so begleite du ihn mit schuldiger Achtung. Aber, wenn du inmitten des Meeres bist, beunruhige ihn nicht.« Alsobald ließ (er) sich nieder auf den Kopf des Krokodiles, und der Meereherr ließ ihn scheiden. Also schwamm (es) mit ihm einen einzigen Tag lang, wie es versprochen hatte, mit schuldiger Achtung, und als (das Krokodil) sich zur Heimreise anschickte, da nahm er den Dolch, mit dem er erhaben umgürtet war, und legte ihn auf den Hals des Krokodiles. Damit sandte er es heim. – Aus diesem Grunde heißet heutigen Tages das Einklafter-Krokodil der »Gott mit der Dolchscheide«.

 

Also übergab (er ihm) den Haken, genau wie der Gott der Meere ihm geraten hatte, und von Stund an wurde (der Bruder) immer ärmer, und in neuer böser Absicht wollt' er ihn angreifen. Aber wenn er ihn angreifen wollte, so enthüllte er den (Zauber), der die Wasser steigen macht, um ihn zu überschwemmen, und wenn er sich wieder entschuldigte, so enthüllte er wieder den (Zauber), der die Wasser fallen macht, um ihn zu retten. Als er ihn so mehrmals gequält hatte, da beugte er ihm sein Haupt mit den Worten: »Von Stund an wird dein Diener über deine erhabene Gottheit Tag und Nacht wachen, und er wird dir mit schuldiger Achtung dienen.« – Aus diesem Grunde werden alle seine Handlungen, während er ihn überschwemmte, immer neu wiederholt bis zum heutigen Tag.

Da Prinzeß ›Perlenreich‹ sich schwanger fühlt, wünscht sie, das Kind des Himmelsenkels außerhalb der Wasser zu gebären. Sie errichtet darum am Strande an der Wellengrenze eine Gebärhütte, die sie mit Kormoranfedern bedeckt. Doch, noch ehe dieses Rohr gefügt ist, gebiert sie das Kind, das darauf den Namen bekommt: ›Gotterhabener Herr Hoch wie Sonnenhöh, Grenze der Wellen, Recke, Rohrkormoran, unvöllig gefügt‹. (Im Japanischen 25 Silben ... Ama-tsu-hi-dako-hiko-nagisa-take-u-gaya-fuki-ahedsu-no-mikoto). Im Augenblick der Geburt, wo sie ihre natürliche Gestalt annehmen muß, soll sie der Gemahl nicht betrachten. Da er es aber dennoch tut, erblickt er ein Krokodil, vor dem er erschreckt flüchtet. Da läßt Prinzeß ›Perlenreich‹ beschämt den Neugeborenen (Sohn) im Stiche und verschwindet (wie die Nixen und Schwanenjungfrauen unserer Märchen) in den Wellen. Aus dem Wasserschloss herauf schickt sie dem Himmelsenkel ein Abschiedsgedicht, das dieser mit den Versen beantwortet:

Mein Leben lang

Nicht vergeß ich mein junges Gemahl,

Mit der ich schlief

Dort auf der Brutinsel der Wildente,

Dort auf der Meervogelinsel.

›Glanzfeuer‹ lebt dann noch fünfhundertachtzig Jahre, der Sohn wird von einer Schwester seiner Mutter erzogen, von der »Guten Prinzeß-Perle«. Er heiratet dann ›Gute Perle‹, die ihm vier Kinder schenkt. Das jüngste dieser Kinder ist der »Erhabene-göttliche Herr von Ihare vom göttlichen Yamato«, das ist der von der Nachwelt Jimmu »Gotteskraft« genannte Begründer des »Weltalters der Menschen« und der bis auf den heutigen Tag herrschenden japanischen Dynastie.

Aus dem zweiten Buch

(Weltalter der Menschen)

Jimmu und sein älterer Bruder verlassen das Schloß von Takachiho, um im Osten einen neuen Sitz zu begründen. Der Bruder fällt im Kampf mit einem autochthonen Häuptling. Jimmu setzt den Zug fort, ein göttliches Schwert in der Rechten, geleitet von einem himmlischen Raben, begegnet zuerst einigen geschwänzten, aber wohlwollenden Landesgöttern, danach einer Reihe von gleichfalls zumeist geschwänzten Gegnern, nach deren Unterwerfung er zu Kashihabara (»Eichsfeld«) in der Landschaft Yamato die erste Residenz Japans gründet. Der nächste Sitz wird dann, nach den religiösen Anschauungen primitiver Völker, von jedem Regenten neu gewählt. Erst mit dem Eindringen chinesischer Vorstellungen und Einrichtungen wird die Pfalz ständig, zuerst in dem Flecken Nara, dann in Kioto. Das »Kojiki« erzählt die Geschichte von Jimmus Heirat und seiner Regierung, sowie der nachfolgenden Wirren. Es folgen kurze Angaben in der Art ältester Chronologen über die Herrscher der nächsten fünfhundert Jahre. Unter dem Kaiser Sujin im ersten Jahrhundert vor Chr. wütet eine Epidemie, gesandt von dem »Großen Gott von Niwa«, einer der mehreren Gestalten des alten »Landesherrn«. Kaiser Suinin besänftigt den Geist des alten Gottes, führt den Orangenbaum aus dem »ewigen Lande« ein und ersetzt die bisherigen Menschenopfer der Häuptlingsgräber durch Tonbilder. Zu diesem Zwecke gründet er eine Kaste der Töpfer. Es folgt, unter Kaiser Keiko, der »Recke Japans«, Erbprinz Wouso, Yamatodake, der Held berühmter Legenden. Er tötet den eigenen Bruder, der gegen den Kaiser unehrerbietig gewesen ist, und kämpft dann gegen die Kumaso-Rebellen im Westen. Listig verkleidet er sich dort, als derbe Dirne. Das Motiv des weibisch gewordenen Recken (Herakles, Simson, Achill auf Skyros).

Da kam er nun zum Sitze der »Kumaso-Räuber«, der erhabene Wouso. Dort sah er vor der Burg eine dreifache Reihe Krieger, die sich zu ihrer Wohnung eine Höhle ausgehöhlt hatten. Und indem sie lärmend ein Fest besprachen für die erhabene Höhle, bereiteten sie eben ihre Mahlzeit. Darum begab er sich in die Umgebung, bis das Fest herankam. Und als das Fest kam, da kämmte er, wie Mädchen es tun, sein erhabenes hochgestecktes Haupthaar abwärts und legte die erhabenen Gewänder seiner Base an, also daß er auf das Haar einem Mädchen glich. Er mengte sich unter die Dirnen und ging hinein in die Höhlung. Da setzten ihn die beiden »Kumaso-Räuber«, der ältere und der jüngere, von seinem Anblick trunken, in die Mitte zwischen sich und freuten sich und lärmten ganz gewaltig. Als die Freude aber ganz hochgestiegen war, da zog er sein Schwert aus seinem Busen und ergriff den älteren Bruder an seinem obern Gewandsaum. So stieß er ihm die Waffe in die Brust. Da floh der jüngere Bruder erschrocken, er aber verfolgte und griff ihn an auf der höchsten Stufe des Eingangs. Er zerrte ihn an seiner Rückenhaut und stieß ihm das Schwert ein unterhalb der Lenden. Da redete der Kumaso zu ihm: »Halt' stille dein Schwert! Ohne, dein Diener hat dir etwas zu sagen.« So gab er ihm einen Augenblick Frist, doch dabei hielt er ihn am Boden fest. – Und er fragte: »Wer ist deine Erhabenheit?« Er erwiderte: »Ich bin der erhabene Sohn des erhaben regierenden Herrn, des ›Vollkommenen Großen Fürsten‹ (Name des Kaisers Keiko), des ›Himmelsfürsten‹, der vom Schloß zu Hishiro in Makimuku das Große Land der acht Inseln beherrscht. Und mein eigener Name ist: ›Der Edel-König, Jung-Herr von Yamato‹. Der ›Erhabene Herr‹ hat vernommen, daß ihr beiden erbärmlichen Räuber aufständisch und aufsässig seid. Darum hat er mich mit dem Befehl entsandt, euch zu ergreifen und zu töten.« Da redete der räuberische Kumaso: »Das ist gewißlich wahr. Denn hier im Westen erreichte uns noch Keiner an Mut und Stärke. Nur im Großen-Yamato soll es einen noch Stärkeren geben denn uns beide. So laß mich dir einen erhabenen Namen verleihen: Von diesem Tag ab sollst du dich billigerweise den erhabenen Fürsten ›Yamato-dake‹ rühmen.« Und als er noch kaum ausgeredet hatte, spaltete er ihn entzwei wie eine reife Melone. Also gab er ihm den Gnadenstoß. Und von diesem Tag an rühmt man ihn stets den Erhabenen Yamato-dake.

Nach weiteren Siegen wird der Rebellenbezwinger in den Osten entsandt. Zu seinem Schutze übergibt ihm seine Base, die Oberpriesterin von Ise, das altheilige Schwert »Grasmäher« und einen »erhabenenen« Sack.

So gelangt' er in das Land Sagamu. Der Herzog des Landes redete da vor ihm lügnerischerweise: »Hier in dieser Heide ist ein großer Salzteich. Der Gott, der diesen bewohnt, ist ein gar gewalttätiger Gott.« So begab er sich denn, um den Gott zu schauen, in die Heide. Der Herzog aber legte Feuer an die Heide. Da gewahrte Yamato-dake den Betrug und er öffnete die Öffnung des Sackes, des Lehens seiner Base, der erhabenen Fürstin von Yamato. Und er ersah in seinem Innern ein Feuerzeug. Da mähte er mit dem erhabenen »Mäher« zuerst die Steppe, danach nahm er das Feuerzeug und ließ Feuer daraus hervorgehen. So entflammte er ein Gegenfeuer, es brannte und schlug zurück. So entkam er selber und tötete und brachte um alle Herzöge dieses Landes. Er legte ohne Verzug Feuer an sie und verbrannte sie.

Danach drang er weiter vor, er überschritt das Meer. Der Gott dieser Straße empörte die Wogen und rüttelte das Schiff, alsosehr, daß es nicht fürder kam. Da redete seine Kaiserin, die mit Namen »Herrin Junge Orange«, vor ihm: »Dein Kebsweib wird an deiner Statt in die See gehen. Der Erhabene Herr soll die Sendung, mit der er gesandt ist, beendigen und, rückgekehrt, Bericht erstatten.« Indem sie sich anschickte, in das Meer hinunterzugehen, breitete sie zuvor acht Lagen Rohrmatten, darauf acht Lagen Felle und darauf acht Lagen Seidenstoffe auf den Wogenkamm. Auf diese ließ sie sich nieder. Alsogleich versanken die tobenden Wogen mit einem Male, also daß das erhabene Schiff weitersegeln konnte. Da sang die Kaiserin ein Lied: »Ganz anders war ich einst unruhig, als du inmitten der Flammen lodernden Feuers warst, in der niedern Steppe, den Blick gerichtet auf den wahren Gipfel.« – Sieben Tage danach wurde der erhabene Kamm der Kaiserin an den Strand gespült. Alsogleich fischte man diesen Kamm auf und brachte ihn in ein erhabenes für ihn errichtetes Grabmal.

Der Recke aber klagte um seine »Kaiserin« die in Japans Dichtung hochberühmte Klage:

»Da er nun die wilden Emishi bezwungen, all die wilden Gottheiten der Berge und der Ströme, nun heimkehrend in den Paß, da er sein erhabenes Mahl verzehrte, da kam der Straße Gott als ein fleckenloser Dam und stand vor ihm. Und alsogleich, da er ihn mit einem wilden Lauch warf und traf in sein Auge, fiel der Dam zu Boden. Da er nun auf des Passes Höhe war, seufzt' er zu dreien Malen: Adsuma ha ya! (das ist: Ach, mein Weib!). Darum benannte man das Land mit Namen Adsuma.«

Der hier erscheinende Damhirsch ist eine in der ostasiatischen (zumal der späten buddhistischen) Legende sehr häufige Verwandlung. Aus den Rissen in dem (dem lebenden Tier entnommenen) Schulterblatt wird, wie oben bei der himmlischen Sonnenfinsternis (und wie noch heute bei den Nordostasiaten), vorzugsweise geweissagt.

Yamato-dake vermählt sich dann mit einer anderen Prinzessin. Dieser hinterläßt er sein Schwert, um waffenlos den Gott des Berges Ibuki anzugreifen, einen Eber, so groß wie ein Stier. Der Berggott aber läßt ihn in die Irre gehen und schließlich in einem Schneegestöber umkommen. Lange schleppt der Recke sich hin. In den Bericht sind zahlreiche Lieder eingestreut. Vor den Augen seiner Gattinnen und seiner Kinder verwandelt sich dann des Recken Leib in einen großen Regenpfeifer, der zum Meer entschwebt. Alle eilen ihm nach, »Lieder seufzend«, und errichten ihm am Strande ein Mal. Der Vogel aber verliert sich im hohen Himmel. (Das Nihongi berichtet übrigens wiederholt von anderen ähnlichen »Metamorphosen«.)

Auf des Recken Vater folgen die Kaiser Seimu und Chuai, welch letzterer in seiner Hauptstadt Kiushu ein berühmtes Ende findet:

Zu jener Zeit war die Kaiserin, die erhabene Fürstin Okinaga-Aarashi, von einem Gotte besessen. Und während der Himmelsfürst in seinem Schloß Kashiki zu Tsukushi daran ging, das Land der Kumaso zu schlagen, und in die erhabene Harfe griff, erforschte der Kanzler, der edle (Greis) Takeuchi, in dem »Reinen Hofe« den Willen der Götter. Da gab ihm die gottbesessene Kaiserin den Rat: »Es ist ein Land gelegen im Westen, und dieses Land hat die Fülle der Schätze, im Aug' erglänzend; Gold und Silber und alles Sonstige. Dieses Land will ich dir geben.« Da erwiderte der Himmelsfürst mit den Worten: »Wie hoch man auch steigen mag, so erblickt man doch im Westen kein Land, nur die hohe See.« Und er redete noch: »Die Götter lügen mitunter.« Er stieß die erhabene Harfe von sich und spielte nimmer, so saß er in Schweigen. Da erzürnten die Götter und redeten abermals: »Jenes Reich, es ist kein Land, über das du herrschen sollst. Es ist nur der ›Einzige Pfad‹.« Der Kanzler, der edle Takeuchi, rief (aus): »O, mein Himmelsfürst! Furcht (ergreift mich). Schlage doch lieber weiter die erhabene große Harfe!« Da nahm der Himmelsfürst auch langsam die erhabene Harfe wieder an sich und spielte wiederum, jedoch klagend. Aber bald danach wurde der Ton der erhabenen Harfe gar schwach, und man vernahm sie nicht länger. – Sie steckten ein Licht an, und sie sahen: Da war er tot.

 

Die Kaiserin und der greise Kanzler (der Methusalem Japans, dem eine Lebensdauer von drei Jahrhunderten zugedichtet wird) forschen zunächst, ob nicht irgendein Frevel im Lande ungesühnt geblieben ist. Darum werden die Götter, die den Kaiser getötet haben, neuerlich befragt. Es sind dies die Sonne und drei der einst aus Idsanagis Reinigungsbad hervorgegangenen Gottheiten. Die Götter antworten: die Kaiserin wird einen Sohn gebären, und die kaiserliche Flotte wird nach genau angegebenen Sühnungen das Reich Shiragi auf Korea erobern. Beides geschieht. Darauf unterwirft die Kaiserin noch die unbotmäßigen Fürsten von Yamato durch eine List, ein in der Art des trojanischen Pferdes mit Kriegern heimlich bemanntes Schiff, und die Residenz wird in dieses Land verlegt. Das Kojiki bringt Trinklieder zu Ehren des Erbprinzen. Dieser wird danach der Kaiser Ojin. Er führt chinesische Bücherrollen und Gewerbe ein. Der legendäre Charakter der Chronik ändert sich aber nicht allzu sehr. So bildet den Schluß des Zweiten Buches des Kojiki die Erzählung von einem Gewölbe, bei dessen Bau Bogen und Pfeile eines Gottes in Glyzinien verwandelt werden.

Von dem Kaiser Nuntoku, der das ganze vierte Jahrhundert lang regiert haben soll, berichten Kojiki und Nihongi beide einen »sozialen« Zug, der hier in beiden Fassungen wiedergegeben werden soll.

Kojiki: (National-japanisch) Der Himmelsherr bestieg einen hohen Berg und sah vor sich das Land ringsum. Da redete er: »Aus dem Land ringsum steigt kein einziger Rauch auf! Das ganze Land ist von Armut geschlagen! Ich will alle Steuern (und Fronden) des Volkes auf drei Jahre lang aufheben!« So geschah es denn, daß das große Schloß des Kaisers verfiel. Es regnete allerorten hinein. Und dennoch wurde nichts wiederhergestellt. Man schöpfte das Regenwasser in Gefäße. Und man hielt sich an Stellen auf, wo es keine Risse gab. Als man danach wieder auf das Land hinabsah, da stieg der Rauch überall reichlich auf. Da er nun wiederum das Volk reich sah, stellte er die (Fronden und) Steuern wieder her. So ging es dem Landmann gut und die Fron schreckte ihn nicht. Seine Regierung zu rühmen, hieß man sie die »Regierung des Weisen Kaisers«.

Nihongi: (Sino-Japanisch) (Der Kaiser sieht den Rauch wieder aufsteigen.) »Nun ist da Wohlstand.« – Die Kaiserin: »Was begreift Ihr unter Wohlstand?«

Der Kaiser erwiderte ihr: »Dies ist sonnenklar. Wenn der Rauch sich über das Land zieht und die Bevölkerung ungehindert zum Wohlstand gelangt.« Die Kaiserin fuhr fort: »Der Wall um den Palast liegt in Trümmern, wir können ihn nicht wiederherstellen. Alle Baulichkeiten sind in ganz schlechtem Zustand, unser (Schuhwerk) schon leidet darunter. Will man dieses Wohlstand nennen?!« Der Kaiser sagte: »Der Himmel beruft den Fürsten – zum Wohl seines Volkes! Das Volk muß darum die Grundlage von allem bleiben. Des Volkes Armut ist meine eigene Armut, des Volkes Wohlstand ist mein eigener Wohlstand. Ein reiches Volk und ein armer Prinz, dieses gibt es nicht.« (Das Nihongi datiert das Gespräch post 319.)

Der nächste Kaiser Richu ist der erste auch von der modernen Geschichtsforschung festgestellte Herrscher. Unter ihm werden »Berichterstatter für die einzelnen Provinzen ernannt zur Aufzeichnung der Reden und Ereignisse«. – Die Ereignisse unter dem darauffolgenden Kaiser werden mit vielen, auch sittengeschichtlich bedeutenden, Einzelheiten vorgeführt, die Zeit der letzten elf Kaiser jedoch in bloßen Daten. Das Kojiki schließt seine Erzählung 628 n. Chr. Die darauffolgende Zeit der Einführung des Buddhismus kann nur aus dem Nihongi studiert werden.

Die Gauumrisse (Fudoki)

Die Gauumrisse, ein offiziell geographisches Werk, wurden von der Kaiserin Gemyo (die auch die Niederschrift des Kojiki veranlaßte) zu Anfang des achten Jahrhunderts angeordnet. Aus jeder Provinz sollten an den Hof Angaben über Lage, Einteilung, Bodenbeschaffenheit, Mineralschätze, pflanzliche und tierische Produkte, Namensursprünge und alte Überlieferungen eingeschickt werden. Das Werk ist nur zum Teil und indirekt in einigen späteren Schriften enthalten, vollständig allein der »Umriß« der Provinz Idsumo. Ein in Mythenphantasie schwelgendes und in eigentlich unübersetzbaren Wortspielen blühendes Stück dieses Idsumo-Fu-doki ist die Legende des »Kunibiki«, des Landziehens.

Das Landziehen

Das gilt aber vom Boden: Man nennt diesen Gau O-u darum:

Der erhabne Yatsukamidsuomitsunu verkündete: »Der Idsumogau, Achtwolkenschemel, ist fürwahr ein Gau, noch junger dünner Stoff. Das Ursprungsland reicht nicht zu. Also will ich ein neues Stück Lands dranheften.« Sprach's. Und wie er gegen die Shiraginase sich umtat, die maulbeerbastweiße: »Hier ist des Landes noch ein Rest.« So trennt' er da von einer Maid Busens Zwischenraum (Landbusen). Mit vielen Schlägen, wie man einen großen Fisch auf die Kiemen schlägt, so zerschlug er's in Grasnarben, blühend grasfarben »Hamp-Hamp« (primitive Onomatopoesie).

Sein dreimalgewundenes Tau schlang er darum, zog ganz leise (wie an frostschwarzer Tsusurafruchtwolle). Still zog er daran, wie ein Kahnzieher am Fluß: »Komm du, Land! Komm du, Land!«

Das also angeheftete Land liegt zwischen der Endspitze Kodsu und der Landspitze Kidsuki, der achtmal gebauten. Der Ankerpfahl ist der hohe Sahime an der Gemarkung der Gaue Ihami und Idsumo. Das Tau aber ist der Leinpfad von Sono.

Danach tat er sich noch gen Sakiland um, an dem Nordens-Tor, nach noch weiterem Land-Rest. »Hier ist auch ein Übriges.« Und: »Komm du, Land!« – Der also gezogene und geheftete Gau ist Sada von der Endspitze Taku an. So tat er sich noch um gen Sunamiland an dem Nordens-Tor, nach noch weiterem Land. »Hier ist auch ein Übriges.« Und: »Komm du, Land!« Das also gezogene und geheftete Land ist der Kuramigau von der Endspitze Taguhi an. So tat er sich noch nach der Landspitze Tsutsu um nach noch weiterem Land. »Hier ist auch ein Übriges.« Und: »Komm du, Land!« – Das also gezogene und geheftete Land ist der Mihofels. Das Tau, daran es gezogen ward, aber bildet die Yomi-Insel. Der Pfahl ist der Okari im Hahakigau.