Buch lesen: «Kishou IV», Seite 5

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„Wow!“, staunte Kishou in ehrlicher Bewunderung. „Dann scheint aber eure Ordnung doch nicht so ganz reibungslos zu funktionieren – oder?“, konnte sie sich die kleine Provokation nicht verkneifen.

„Nein!“, reagierte der Breene nüchtern. „Die Organisation hat natürlich auch klare Strukturen! Wir erzeugen allerdings unmerklich eine Unordnung innerhalb der bestehenden Ordnung. Wenn wir eines Tages die alte Ordnung überwunden, und eine neue eingeführt haben, wird sich das natürlich ändern. Wir kennen ja die Schwachstellen!“, lächelte er.

Kishou verkniff sich eine Antwort darauf, und widmete sich wieder ihrem Existenznachweis. Es gab eine Menge, was sie sich in kürzester Zeit einprägen musste. Es war schon schwierig genug, bei der Ungewissheit der Lage ihrer Freunde, den Kopf dafür frei zu bekommen. Den kristallenen Wegweiser hatte sie Undolf überlassen. Er kannte sich gut aus in der Umgebung von Trital, und wusste die richtigen Wege zu wählen, um den Kurs halten zu können.

Der Wagen hielt plötzlich. „Wir müssen nahe am Ziel sein!“, meinte er und schaute zu seiner Rechten in den Wald. „Dein Richtungsgeber zeigt in dieses Gebiet hier hinein, und es gibt hier keinen weiteren Weg mehr, der uns näher heranbringen könnte!“

„Das heißt, wir müssen zu Fuß weiter!“, erriet Kishou.

„Ja!“, sagte er nur, und lenkte das Pferd in das Unterholz hinein. „Wir werden den Wagen hier verstecken!“

Das Tier schnaubte unwillig, während es die wankende Pritsche unter Mühen über den unebenen Waldboden in das Dickicht hinein zog. Kurz darauf sank eines der Räder so tief in den Boden ein, dass es sich weigerte, weitere Anstrengungen auf sich zu nehmen.

„Es sollte reichen!“, meinte Undolf und sprang ab. Er nahm ein Schild mit einer darauf eingezeichneten Zahlenreihe und Symbolen aus seiner Halterung am Ende des Wagens, und schob es ein Stück weiter unter einen Farn in die Erde. „Sicherheitshalber!“, meinte er nur. Kishou nahm ihren Bogen von der Pritsche und ließ das Tuch, in dem er eingeschlagen war, am Ort. Hier brauchte sie es nicht. Dann machten sie sich auf den Weg in die Richtung, die ihnen die kleine Scheibe wies.

„In den Nachrichtenblättern lass ich heute morgen, dass gestern ein Gleim getötet wurde – ganz in der Nähe, wo ich dich aufgegriffen habe. Ein Pfeil! – mitten zwischen die Augen!“ Er wies mit seinem Finger auf seine Nasenwurzel und schaute Kishou dabei lauernd an.

„Er ließ mir keine andere Möglichkeit. Es ging alles sehr schnell!“, entschuldigte sich Kishou.

Undolf nickte nur, während er aufmerksam die Gegend in der Laufrichtung musterte. „Wie werden die Chemuren auf mich reagieren?“, fragte er nun offenbar etwas angespannt. „Welche Regeln muss ich beachten!“

„Nichts dergleichen – alles kein Problem!“, beruhigte ihn Kishou. „Die kennen ja das Drom und euch noch von früher. Sie wissen nur eben nicht, was heute so läuft bei euch. Suäl Graal wird allerdings auch schon wissen, das wir inzwischen hier angekommen sind!“

Der Breene schüttelte nur verständnislos den Kopf. Eine Suäl Graal existierte in seinem Land nicht. Wer und wo sollte sie sein? Aber ganz sicher war er sich nun auch nicht mehr – immerhin durfte es diese Chemuren ja auch nicht wirklich geben … „Und die Chemuren …“, setzte er noch einmal an. Er schien langsam nervös zu werden. „Es heißt, sie wären mächtige Herrscher ganzer Drome … Und sie hören auf dich?“

„ja klar!“, wunderte sich Kishou über die Frage. „Ich ja auch auf sie. Es sind meine besten Freunde! Sie reden ’n bisschen komisch – also ich meine irgendwie anders. Aber daran gewöhnt man sich!“

„Ich habe gelesen, dass …“

„Der Lichtpunkt …!“, wurde er von Kishou unterbrochen.

„Ja?...“, reagierte der Breene gespannt.

„Er wandert zur Mitte!“

„Zur Mitte?“

„Ja!“, wunderte sich Kishou. Sie blieb stehen und sah sich um. Aber sie sind nicht hier!?“

Undolf drehte sich um sich selbst und suchte gebannt die nähere Umgebung ab, soweit es die wuchernde Natur zuließ …

Ein harter Schlag auf den Boden hinter Kishou ließ sie herumwirbeln. Ein Pfeil lag im selben Augenblick weit gespannt in seiner Sehne und richtete sich auf das Ziel …

„Boorh!“, rief sie in tiefer Erleichterung.

„Boorh entscheidet: Boorh sollte vorsichtiger sein. Ihr seid ein Dompteur!“, grinste der bis über beide Ohren.

Kishou ließ Pfeil und Bogen fallen und sprang ihm freudig in die Arme. „Wo sind die anderen?“, fragte sie, und schaute zwischen seinen großen Pranken hängend ahnend über sich. Sie sah aber nur Lui auf einem Ast hockend, auf sie herab blicken. In diesem Moment landete Mo mit einem leichten Aufleuchten neben ihnen. Es folgten Habadam und Madame KA – die allerdings geschickt am Stamm des Baumes herunterstieg, in dessen dichter Krone sie versteckt waren.

„Boorh, ich komme!“, war endlich eine etwas quäkige Stimme zu vernehmen. Gleich darauf schlug das Untere Squatsch unsanft in den Waldboden ein. „Das hat er mit Absicht gemacht! Das hat er absichtlich gemacht!“, schimpfte er während er sich aufrappelte und den Schmutz von seinem Sakko klopfte. „Dieser gehörlose Ohrenträger hat mich einfach fallen lassen, … hat mich einfach fallen lassen, obwohl ich laut und deutlich vom Allsein verdrängt hatte, das …“

„Du hättest sehen müssen, dass er gerade keine Hand frei hatte, die deinem Verhalten dienen konnte!“, grinste Habadam verschmitzt, während Boorh Kishou wieder vor sich abstellte.

Undolf war einige Schritte zurückgewichen und beobachtete das Geschehen mit großen erschrockenen Augen. Er machte den Eindruck eines gehetzten Tieres …

„Es gibt unheimlich viel zu erzählen!“, eröffnete Kishou, und wandte sich zu dem verstörten Breenen. „Das ist Undolf. Er hat mich gerettet, als ein paar von den Gleim hinter mir her waren!“

~

Undolf bei den Chemuren

K

ishou berichtete ausführlich über den Verlauf ihres Ausfluges nach Trital, und erfuhr andererseits von ihren Gefährten, das diese rechtzeitig die Gefahr erkannten, als sich die Horde der Gleichen näherte. Sie zogen sich daraufhin zurück. Im Gesicht Boorhs war abzulesen, das der letzte Teil des Berichtes nicht unbedingt in seinem Sinne war. Der Breene hatte sich inzwischen etwas beruhigt, als sich nun die Aufmerksamkeit auf ihn richtete.

„Wir haben nun nicht ohne Erstaunen erfahren, dass ihr euch nicht zu Suäl Graal verhaltet!“, wandte sich Habadam an den Breenen. „Aber euch ist doch sicherlich der Ort im Tal eures Droms bekannt, zu dem sich das ‚Felsental’ verhält!“

„Ich selbst war niemals dort, aber der Name ist mir bekannt!“, bestätigte Undolf sofort.

„Und die Stadt Krahna? Sie befindet sich nahe dem Felsental!“, forschte Habadam weiter. „Eine gewaltige und recht ungewöhnliche Burg verhält sich zu diesem Ort! Auf einem Felsenhügel erbaut, der dem Tal den Namen gab …!“

„Ja!“, reagierte Undolf auch hier sogleich. „Es ist das Domizil der Kaste der OHIB. Es wurde schon vor Urzeiten für sie erbaut!“

Habadams buschige Augenbrauen stiegen nach oben, und setzten seine kleinen, wachen Augen frei. „Interessant – höchst interessant!“, ließ er sich vernehmen und schaute verschmitzt zu Madame KA hinüber, die ihm gegenübersaß. „Es spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, das Suäl Graal gewissermaßen nach unbekannt verzogen ist!“

„Kein Problem!“, sie wird sicherlich einen Nachsendeantrag bei der Post vom Allsein verdrängt haben – wird sie doch wohl!“, kicherte das Untere Squatsch leise vor sich hin. „Ihr verdrängt doch bestimmt ein Postamt hier vom Allsein – sicherlich! Gab es damals auch …“ Ein nicht sonderlich freundlicher Seitenblick Madame KAs ließ ihn mit einer halbherzig entschuldigenden Geste verstummen.

„Die Gemeinschaft der ONO misstraut den Verhältnismäßigkeiten der Ordnung …“, nahm nun Madame KA den Breenen ins Verhör, „… wie sie von den OHIB bestimmt, und von den Gaunen verwaltet wird. Ihr fandet also in alten Schriften, dass sich die Ordnung des Belfelland anders verhält, als man sie euch erklärt – doch ihr misstraut auch ihnen. Da aber nichts sein kann ohne Ordnung, so muss auch in euch jenseits allen Misstrauens eine Ordnung bestimmt sein. Erzähl uns von ihren Verhältnismäßigkeiten!“

Kishou wunderte sich über diese Frage. Sie schien ihr wenig hilfreich zur Lösung ihrer Probleme zu sein. Andererseits kannte sie Madame KA inzwischen gut genug, um zu wissen, dass ihre Fragen immer ins Ziel führten.

„Der Breene überlegte einen Moment und wirkte noch immer etwas scheu. Er hatte sich dicht neben Kishou gesetzt, als erhoffte er Schutz von ihrer Seite. Immerhin war sie ihm ja schon etwas vertraut. „Die meisten von uns erkennen in den Schriften alte Legenden, in der die Botschaft der wahren Ordnung des Belfellands bestenfalls verschlüsselt ist!“, begann er etwas zögerlich – fast entschuldigend. „Wie sollten wir annehmen können, dass es … dass ihr wirklich existiert?“

„Es ist nicht von Bedeutung für die Ordnung, was die Wahrheit ist!“, beruhigte Madame KA mit einem verständnisvollen Lächeln. „Für die Ordnung ist nur von Bedeutung, das ihr ihre Regeln und Gebote mit Namen verseht, damit ihre Wahrheit somit jedermann benennen und annehmen kann. Welche also sind die Verhältnismäßigkeiten der Ordnung, die ihr in der Botschaft der Krypte fandet und für Wahr annehmen wolltet!“

Die Gesichtszüge des Breenen entspannten sich etwas. Ohne Zweifel verstand diese Madame KA etwas von Ordnung, und so fühlte er sich offenbar in seiner Lage verstanden. „Wir beobachten, wie sich schon vor langer Zeit entstandene Steppen im Belfelland weiter ausbreiten, wo einst dichte Wälder lagen. Sie trocknen mehr und mehr aus, und Wüsten entstehen, wo nichts mehr wachsen will. … Ich bin kein Experte auf dem Gebiet der Kryptenforschung, und kann nur in allgemeinen Worten sagen, welche Ordnung von unseren Experten in ihren Botschaften erkannt wird!“, relativierte er seine Kenntnisse. „Unsere Experten meinen also, dass es im Belfelland eine gewaltige Quelle geben könnte – einen Urquell – aus dem alle Gewässer gespeist werden – sie hat in den Büchern auch einen bestimmten Namen, der mir aber gerade nicht einfällt – und das die Ordnung der Quelle durch noch unverstandene Naturgewalten, die in den Schriften als ‚Chemuren’ bezeichnet werden, gestört wurde, so das die Wasser einen anderen Verlauf nahmen, oder gar langsam versiegen!“

„Faszinierend!“, ließ sich Habadam vernehmen. „Ihr werdet doch dieses, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit behaftete Verhalten der Natur daraufhin untersucht haben!? ...

Undolf Augen suchten etwas nervös nach Kishou ....

„Habadam meint, dass ihr dann wohl nach dieser Quelle gesucht habt!", übersetzte sie.

„Nein!“ Der Breene schüttelte den Kopf. „Es ist ja nicht einmal sicher, ob es eine solche Quelle tatsächlich gibt. Sollte es sie geben, so wird sie von den Experten am ehesten im Tal des Belfellands, in einem bestimmten Gebiet seiner äußersten Grenze vermutet. Riva Udus ist dessen Name. Es ist der einzige Ort im Belfelland, der noch unbekannt ist. Es ist bis heute auch noch keine Möglichkeit gefunden worden, dorthin vorzudringen!“

„’Sphäre des Ursprungs’, übersetzte Kishou nachdenklich. „Warum nicht?“, fragte sie nun, und begann langsam zu erahnen, wo Madame KA mit ihrer Frage hinzielte.

„Das Gebiet liegt in einem undurchdringlichen Nebel – ein Problem, dass vielleicht lösbar wäre – aber eine schon sehr alte Grundverordnung verbietet zum Schutz der Ordnung das bearbeiten ungelöster Fragen, sofern sie die Ordnung gefährden könnten. Dieses Gebiet war schon immer zu einer solche ungelösten Frage erklärt worden, und so können wir es nicht offen erforschen!“

„Was ist das denn?“, meinte Kishou sich verhört zu haben „Man darf keine offenen Fragen klären? – um die Ordnung zu schützen?...“

„Nun – eine gewisse Logik werdet ihr dem Verhalten nicht absprechen können, wenn ihr erlaubt!“, reagierte Habadam. „Bedenkt: die Lösung einer Frage könnte sich möglicherweise zur Ordnung verhalten, wie die Axt Boorhs zu einem bis dahin flugfähigen ‚Teller’ – wenn ihr versteht, was ich meine! Eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines solchen Resultats ist niemals vollkommen auszuschließen!“

Kishou verstand nach kurzem Nachdenken – Boorh glücklicherweise nicht. Er schaute nur einmal kurz auf, beschäftigte sich dann aber wohl lieber mit dem Reinigen seiner Axt.

„So ist der Aufenthaltsort Suäl Graals entschieden und vom Allsein getrennt!“, bemerkte Mo in ihrer unnachahmlichen klaren Weise.

„Ja!“, schloss sich ihr Madame KA an. „Sie hat sich dorthin zurückgezogen, wo alle Verhältnismäßigkeit des Großen Belfellands seinen Anfang nimmt!“

„Zu den Großen Toren der Großen Wasser! …“, dachte Kishou laut überlegend.

„Ja!“, blitzte es in Undolf auf. „Genau das war der Name, der mir entfallen war!“

„Ihr kennt doch bestimmt die Gegend da – oder?“, fragte Kishou in die Runde ihrer Gefährten.

„So ist es entschieden!“, antwortete Mo.

„Seine Verhältnismäßigkeiten sind von beeindruckender Vielfalt, wie ihr sie sonst nirgends findet im Großen Belfelland!“, ergänzte Madame KA. „Es ist nicht vollkommen – wie nichts vollkommen sein kann, was das Auge erblickt – doch in euren Augen wird es euch als ein Paradies erscheinen!"

„Nun ja …“, schaltete sich das Untere Squatsch mit wiegendem Kopf ein. „sehr vielfältig! Tatsächlich sehr vielfältig! Alles findet ihr dort … alles, was sich an Natur vom Allsein verdrängen lässt! Tatsächlich! Alles! Aber kein Nebel! Nein ... kein Nebel! Nebel verdrängt nicht das Allsein an diesem Ort! … zumindest nicht in alten Zeiten. Nicht in alten Zeiten, wenn ihr versteht - nur ein Berg ... ein hoher Berg verdrängt dort das Allsein. ... Eben die ...“

Na gut!", wurde er von Kishou unterbrochen. „Aber dazu müssen wir erstmal über die Grenze zum Vierten Tal der Vierten Ebene des Vierten Droms!“, bemerkte sie. „Kann man da einfach so rübergehen?“, wandte sie sich zu Undolf.

„Ja, natürlich. In der Regel schon!“, antwortete der. Wenn man als Braanin in das Tal zurückkehrt, braucht man nur seinen Existenznachweis, und natürlich die Abmeldebestätigung – wir Breenen müssen uns in einem Formular erklären. Nur das übliche: Ziel, Grund, Dauer usw. Alles andere steht ja im Existenznachweis!“

„Stimmt!“, erinnerte sich Kishou „Das war also damit gemeint!“ „Ich muss mich irgendwie abmelden. Und wie geht das?“

„Man brauchst nur den Existenznachweis. Wenn du sagst, dass du zurückkehrst, bekommst du ein Bestätigung, das du dich abgemeldet hast, und in angemessener Zeit das Land der Breenen verlässt – dass ist im allgemeinen innerhalb einer Woche. Aber man muss innerhalb von 24 Stunden aufbrechen!“

„24 Stunden?“, fragte Kishou

„Ja. 24 Stunden!“, bekam sie zur Antwort.

„Nein – ich meine, was ist 24 Stunden?“

Undolf erinnerte sich erst jetzt, dass Kishou ja nichts mit diesen Zeitbezeichnungen anfangen konnte, und suchte nach einer Übersetzung ...

„Es ist entschieden im Vierten Drom des Belfelland, den unermesslichen Fluss der Zeit in kleine Pakete zu teilen, um ein Maß der Zeit vom Allsein zu trennen!“ klärte Mo auf.

„Echt?“, staunte Kishou. „und wieviel Zeit sind 24 Pakete?“

„Genau 1 Tag!“, beeilte sich der Breene aufzuklären. Es war ja doch in diesem Falle sehr einfach. „Also 1 Tag sind 24 Stunden. Der große Zeiger der Uhr durchläuft das Ziffernblatt daher 24 Mal an einem Tag!“

„Uhr?“, frage Kishou.

„Ja …!“ Er begann umständlich in einer Tasche seines Mantels zu wühlen, und zog einen Gegenstand hervor, den Kishou schon einmal bei dem Breenen bemerkte, der sie nach Trital mitgenommen hatte. „Eine Uhr – so etwas hier!“

„Oh … ein Besonderer Apparat!“, staunte Kishou. „Er erinnert mich an den Besonderen Apparat, der über dem Portal des Hauses mit der Glocke zu sehen ist – weißt du, was ich meine?“

„Die Meldestelle – ja!“, erriet der Breene sofort.

„Und warum macht ihr das – also ich meine, die Zeit in kleine Pakete packen?“

„Also …“, stammelte Undolf verunsichert. „Ich habe noch nicht darüber nachgedacht … Aber … wie sollte man die Zeit nutzen, ohne jede Regel? Die Zeit ohne ein Maß ist ohne jede Ordnung …!“

„Die Zeit ohne Maß ist keine Zeit. Es sind immer die Verhältnismäßigkeiten der inneren Kräfte einer Ordnung, die eine ‚Zeit’ bestimmen!“, erklärte Madame KA.

„Aha!“, überlegte Kishou stirnrunzelnd, winkte dann aber ab. „Na gut, dass musst du mir irgendwann nochmal in Ruhe erklären. Und was ist eine Woche?“

„Das sind … nun ja … eben 7 mal 24 Stunden!“, versuchte der Breene sich an einer Erklärung.

„Puh…!“, seufzte Kishou. „Na gut … und wo bekomme ich diese Abmeldebestätigung? Bei dieser Meldestelle?“

„Ja! … Nein!“, meinte Undolf. Man sah im deutlich an, das er große Probleme damit hatte, die doch eigentlich selbstverständlichsten Dinge des Belfellands zu erklären. Und das kam nun noch zu den sowieso bestehenden Problemen dazu, mit dieser ganzen Situation zurecht zu kommen. Er sprach immer nur sehr zögerlich, als würde er einen Verrat begehen, sich aber nicht dagegen erwehren können. „Es gibt da ein Problem … Unsere Verbindungen innerhalb der Gaunen werden im Register eine Anmeldung von dir platzieren können – die ja zur Gegenprüfung da sein muss, wenn du dich abmeldest. Aber es fehlt noch das Ausreiseersuchen an der Grenze zum Tal des Droms, das du ja gestellt haben musst, bevor du hier eingereist bist, und das bei einer Wiedereinreise in das Tal mit der Abmeldebestätigung gegengeprüft wird. Die Gaunen in der Grenzbehörde sind aber Braanen. Verbindungen zu den Braanen bestehen zwar, sind aber sehr weitmaschig. Ich kann nicht sagen, ob wir derzeit jemanden an der Grenze haben!“

„Das heißt, sie würden an der Grenze merken, dass ich garnicht von dort zu euch gekommen bin!?“, versuchte Kishou zu verstehen.

„Sie würden keine Bestätigung dafür finden – und dann würden sie eine Untersuchung beantragen. Man darf in der Zeit den Grenzbereich nicht verlassen …“

„Und das wär’s dann wohl!“, stellte Kishou enttäuscht fest.

„Nur wenn wir keine Möglichkeit haben, das entsprechende Formular dort zu platzieren!“, relativierte der Breene Kishous Befürchtung. „Ich werde eine Anfrage machen!“

„Mit Hilfe meiner Wenigkeit … meiner Wenigkeit, könnte der Besenreiniger da hinten diesen Gaunen an der Grenze beim Untersuchen etwas behilflich sein – könnte er ja, wenn es sein muss!“, meinte das Untere Squatsch.

Boorh blickte auf, und seine Augen weiteten sich. Es kam sicherlich nicht oft vor, ein solches Angebot ausgerechnet vom Unteren Squatsch zu vernehmen.

„Um von da an die gesamte Horde der Gleichen an den Fersen kleben zu haben? So dürfte es sich dann wohl verhalten. Vergiss es!“, bemerkte Habadam knapp.

„Können wir auf die Hilfe der ONO zählen?“, fragte Madame KA noch rechtzeitig, bevor das Untere Squatsch auf Habadams Zurückweisung reagieren konnte.

Der Breene zögerte … „Ja … ich weiß nicht … Es ist sehr viel geschehen in den letzten Stunden. Es steht kein Stein mehr auf dem anderen … Die gesamte Ordnung …“ Er rieb sich mit den Händen über sein kantiges Gesicht und schaute hilfesuchend in die Baumkronen über sich. „Ich muss das alles Berichten. Der Vorstand muss darüber entscheiden … Aber was soll ich berichten über das, was nun geschehen soll? Was soll denn geschehen?“, fragte er nun sichtbar ängstlich.

„Boorh entscheidet: Kishou, die Bezwingerin Suäl Graals und Befreierin der Großen Wasser wird die Großen Tore der Großen Wasser öffnen!“

Man sah dem Breenen an, dass diese Auskunft seinen Geist nicht gerade erhellte.

„Kishou wird euren Urquell befreien, damit die Sterbenden Welten wieder zum Leben erwachen können, und auch eure Welt gerettet sein wird!“, versuchte Madame KA es mit seinem Verständnis der Ordnung. Ist das nicht auch euer Bestreben?“

„Ja … Ja … schon! ... aber …“, Er wusste offenbar nicht mehr, was er denken sollte und suchte hilflos nach einem Verständnis der Situation.

„Doch dafür muss Suäl Graal bezwungen sein!“, schob Madame KA nach.

„Es kommt alles so plötzlich. Wir sind nicht darauf vorbereitet … bis jetzt waren es alles nur Gedanken wider der Ordnung … Möglichkeiten …“

„Jede Ordnung fürchtet die Zukunft, denn sie kennt deren Verhältnismäßigkeiten nicht!“, bemerkte Madame KA. „Auch wenn die neue Ordnung schon fest in den Gedanken existiert, so ist sie nicht geprüft und als Wahr erfahren, solange sie nur in den Köpfen ist. Deine Angst hat also eine wahre Ursache – doch die Zukunft hatte bereits begonnen, als du auf Kishou trafst, und sie ist von diesem Moment an unumkehrbar, wie jeder gesetzte Samen in der Zeit aufgeht, und sein erwachen unumkehrbar ist!“

Der Breene nickte nur stumm. „Ich werde jetzt aufbrechen. Kishou sollte aber mitkommen und in Trital sein. Man wird sie sehen und befragen wollen in der ONO – sie wird auch ein kleines Heim dort haben!“

„Stimmt!“, reagierte Kishou sofort „Straße 147 Nr. 6! – hab’ ich da wirklich ein Zuhause? Ich dachte, das stände da nur so drin im Existenznachweis.“

„Die Zentrale der Organisation verbirgt sich hinter einer großen Unternehmung!“, meinte Undolf zögerlich, vielleicht damit schon zuviel zu verraten. „Sie verfügen in den größeren Städten immer über einige Wohnstätten für reisende Kunden, die auch als Zuflucht für besondere Fälle dienen können!“

„Also gut!“, meinte Kishou, und sah nicht besonders glücklich dabei aus. Es war das erste Mal, dass sie auf ihre Weggefährten mehr oder weniger freiwillig gänzlich auf unbekannte Zeit verzichten, und sich gar Fremden anvertrauen musste. Das sie es dennoch widerspruchslos akzeptierte, lag wohl einfach daran, dass sie inzwischen längst nicht mehr die kleine wehrlose Kishou von einst war. „Wo sind eigentlich die Biesel?“, bemerkte sie über all die Aufregung erst jetzt, und sah verwundert um sich.

„Sie lagern nicht weit von hier im einem dichten Buschwerk!“, erklärte Madame KA.

„Ach so!“, war Kishou beruhigt. „Boorh sollte uns zum Wagen begleiten!“, fiel ihr nun auch noch ein. „Er ist ziemlich rettungslos im Waldboden eingesunken, glaub’ ich!“

Der Genannte stand an ihrer Seite, eh sie den Satz noch beendet hatte.

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