Drug trail - Spur der Drogen

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„Gefällt dir, was du siehst?“, hauchte sie.

Zur Antwort nahm Philipp ihre Hand und liebkoste sanft jeden Einzelnen ihrer Finger mit der Zunge. Heidi lächelte leidenschaftlich. Dann stand sie auf, streifte sich in einem Zug das Nylon samt Slip von den schlanken Beinen und nahm die gleiche zurückgelehnte Sitzposition wie zuvor ein. Jetzt konnte Philipp unverhüllt ihre Schamlippen sehen. Gleich ihrer immensen Nippel, spitzte eine verhältnismäßig große Klitoris am oberen Rand ihrer Vagina glänzend hervor.

Nun war der Bann endgültig gebrochen. Wie in Trance öffnete Philipp erst den Gürtel, dann den Reißverschluss seiner Hose. Ebenso erregt wie erleichtert zog er seinen Penis aus den weißen Shorts hervor. Dabei verloren beide nicht für eine Sekunde den Blickkontakt zueinander. Wortlos gaben sich beide in gegenseitigem Vertrauen der empfundenen Erotik hin. Für Philipp eröffnete sich zu diesem Zeitpunkt eine neue Dimension der Lust. Noch nie zuvor hatte er eine Frau kennengelernt, die derart ungeniert ihre sexuellen Wünsche vor ihm ausbreitete. Als wäre es das Normalste der Welt, stillten beide ihr sexuelles Verlangen, indem sie ihrer Selbstbefriedigung freien Lauf ließen. Nicht die gegenseitige Berührung des anderen steigerte in diesen Minuten ihr Verlangen, es war die visuelle Offenheit, die einer völligen Hingabe von Körper, Geist und Seele gleichkam.

Ein raues Stöhnen drang aus Philipps Kehle, als er über seine Eichel rieb, kurz innehielt und sich das Ejakulat über Hand und Hosensaum verteilte. Noch während er die Augen lustvoll zusammenpresste, spürte er das Zittern von Heidis Fuß an seiner Wade. Er öffnete die Lider und ließ seinen Blick von Heidis weit aufgerissenen Augen und Mund zu ihrem Schoß wandern. Wenige Augenblicke später verebbte das Zittern ihres Körpers, wich dem Erschlaffen all ihrer Muskeln.

Minuten der Stille vergingen, in denen sie entspannt dalagen, sich ansahen und wussten, dass sich ihrer etwas schier Unglaubliches bemächtigt hatte.

„Wow, das war …“

„Psst, Philipp, nicht reden. Es ist zu schön, als dass wir es mit Worten beschreiben sollten.“

Heidi stand auf, zog an Philipps Hose, die um seine muskulösen Oberschenkel gespannt war, und streifte sie samt Shorts ab. Dann half sie ihm, sein Hemd über den Kopf zu ziehen. Anschließend stellte sie sich vor ihn, zog sich die rote Jacke über die Schultern, knöpfte den unter ihre Brüste gezogenen BH auf und legte sich splitternackt neben Philipp. Sanft berührte ihre Zunge seine Lippen. Er roch ihren Atem, die samtige Wolke ihres Parfums und fühlte den feinen Schweiß in ihrem Nacken. Hemmungslos erkundete Heidis Zunge die seine. Sie biss ihn sanft ins Ohrläppchen, während seine Hände ihren Nacken streichelten. Als seine Zunge zärtlich in ihrer Ohrmuschel spielte, erbebte ihr ganzer Körper. Erst zaghaft, dann heftig, pressten sich ihre Lenden ihm entgegen. Ihr entging nicht, dass sich sein Penis abermals versteifte. Sie setzte sich auf, umschloss mit ihrer Hand sein Glied und führte es zwischen ihre angeschwollenen, feuchten Schamlippen. Philipp betrachtete sie von der schlanken Taille aufwärts. Ihre kleinen Brüste wiegten sich im Takt, indes er neuerlich von ihren erregt aufgestellten Nippeln fasziniert war. Er winkelte seine Arme an, stützte sich auf und sog an der linken Brustwarze. Seine Stöße, die sie rhythmisch in der Feuchte ihres Schoßes entgegennahm, wurden heftiger. Mit einem Stöhnen ließ er sich wieder zurücksinken, ergriff mit beiden Händen ihre Lenden, während sie den Rücken leidenschaftlich nach hinten bog. Jeder ihrer Muskeln und Nerven war auf ein Maximum angespannt. Sie umschloss seinen Penis mit ihrer Vagina wie eine feuchte Schleuse, die unkontrolliert im Inneren zu zucken begann. Sie spürte ihre Kontraktionen, jene Energie, die sich mit einem Mal heftig entlud. Hemmungslos stöhnend erschauderte ihr gesamter Unterleib, während sie das Pulsieren seines Gliedes fühlte, als er sich in ihr ergoss. Schwer atmend ließ sich Heidi auf ihn sinken.

„Das war wirklich, wirklich gut“, flüsterte sie und bekam eine Gänsehaut, als die zärtlichen Finger Philipps ihre Wirbelsäule auf und ab strichen.

„Gut? Ehrlich, du bist der Wahnsinn. Ich …“

„Psst.“ Sie legte zwei Finger auf seine Lippen und betrachtete erschöpft sein gerötetes Gesicht. Einige Minuten verbrachten sie in dieser Stellung, ohne ein Wort zu sagen.

„Ich habe Durst. Wenn ich jetzt nicht gleich etwas zu trinken bekomme, kannst du auf meinem Grabstein die Inschrift lesen: Beim besten Sex seines Lebens leider verdurstet.“ Philipp stützte sich auf. „Auch einen Schluck?“

„Hast du Wasser da?“, fragte Heidi, stand auf und ging nackt zur Küche. Philipp betrachtete sie von hinten. Für seinen Geschmack hatte sie die wahrhaft perfekte Figur. Man sah ihr durchaus an, dass sie keine zwanzig mehr war, doch die kleinen, birnenförmigen Pobacken waren prall und gingen in einen langen, schlanken Rücken über.

Tall slender angel, hätte sein Bruder Robert gesagt.

„Tall slender angel“, flüsterte er daher in ihr Ohr, als er hinter ihr am Barhocker stand.

Sie fasste nach hinten und klatschte ihm auf den nackten Hintern. „Ich verdurste, hast du schon vergessen?“

„Kommt sofort.“

Philipp ging in die offene Küche zum Kühlschrank, füllte zwei Gläser mit eiskaltem Mineralwasser und reichte Heidi eines davon. Gierig leerte sie es in einem Zug.

„Kann ich mal ins Badezimmer?“, fragte sie und blickte sich um.

„Hinten rechts, die zweite Tür vor dem Schlafzimmer“, erklärte Philipp und bedeutete ihr mit dem Zeigefinger den Weg. Er ging gerade um die Theke, als er den gedämpften Klingelton seines iPhones hörte.

Heidi, die schon auf dem Weg ins Bad war, drehte sich fragend zu ihm um. „Jetzt noch?“

Philipp zuckte die Schultern, huschte zum Sofa, wo unter all den Kleidungsstücken auch sein Sakko lag. Er zog das Handy aus der Innentasche und meldete sich: „Baker.“

Philipp lauschte, dann unterbrach er den Anrufer: „Augenblick, Robert.“ Er nahm das iPhone vom Ohr, schirmte die Sprechmuschel mit einer Hand ab und flüsterte der noch immer fragend dreinblickenden Heidi zu: „Mein Bruder.“

Heidi nickte, verschwand im Bad und Philipp widmete sich wieder dem Anrufer.

„Hi, Robert, wie geht’s?“

Konzentriert hörte Philipp seinem Bruder zu, ohne selbst ein Wort zu verlieren. Fünf Minuten später verabschiedete er sich mit den Worten: „Geht klar. Ich melde mich.“

Das Display seines Handys zeigte kurz nach vier Uhr morgens. Er ahnte, dass dieser Anruf sein Leben verändern würde.

Ankunft Washington D.C.

Ein dumpfer Stoß riss Philipp aus seinem Schlummerzustand, als die Boeing auf dem Washington Dulles International Airport aufsetzte. Übermüdet lugte er durch das Bullauge und betrachtete das futuristische Flughafengebäude, das in ihm stets aufs Neue den Eindruck einer Science-Fiction-Architektur erweckte. Als wäre dieser Bau mit der über 180 Meter langen und 46 Meter breiten Stahlbetondecke irreal, schimmerten riesige Glasscheiben bläulich zwischen schräg stehenden Betonpfosten.

45 Minuten später stand er mit seinem Rollkoffer sowie einer Umhängetasche nach seinem Bruder Ausschau haltend am Ausgang des Airports. Er sah auf das Display seines Handys: kurz nach Mitternacht. In dem Augenblick, da er die Nummer seines Bruders Robert wählen wollte, hörte er ihn hinter sich: „Hi, Phil. Schön, dass du da bist.“ Philipp drehte sich um, als Robert ihn auch schon umarmte und fest an sich drückte.

„Gut siehst du aus, Alter. Lass uns gleich ins Hotel fahren. Dann können wir noch einen Scotch zu uns nehmen.“ Robert deutete auf eine schwarze Limousine, die direkt vor ihnen auf einer mit „VIP“ gekennzeichneten Parkbucht stand. Am Wagen wartete ein Chauffeur, der sich nach einer knappen nickenden Begrüßung ungefragt des Verladens des Koffers annahm.

„Und, wie war der Flug?“, fragte Robert, nachdem sie im Fond der Limo eingestiegen waren.

„Perfekt. Hab die meiste Zeit damit verbracht, Schäfchen zu zählen. Hat nichts gebracht, bis zirka eine Stunde vor Landung. Da bin ich dann endlich eingeschlafen.“

„Noch immer Flugangst?“, wollte Robert wissen.

„Du kennst mich, klar. Wird sich so schnell auch nicht ändern. Wie geht’s Dad?“, lenkte Philipp vom leidigen Thema seiner Aviophobie ab.

„Kann ich dir sagen. Wir hadern derzeit miteinander.“

„Hat es was mit dem Auftrag des Präsidenten zu tun?“

Robert nickte: „Ja. Der Vorschlag, über eine Legalisierung von Drogen nachzudenken, kam von mir. Sicher etwas unüberlegt in den Raum geworfen, doch die Ereignisse der letzten Wochen und Monate haben den Präsidenten dazu veranlasst, ihn aufzugreifen. Dad ist nicht überzeugt – aber Ober sticht Unter, wie es so schön heißt.“ Robert grinste.

„Das wird ein Riesenfass, bist du dir dessen bewusst?“

„Phil, noch mal“, versuchte sich Robert zu verteidigen, „es war zu Beginn nur der Fetzen eines Gedankens. Jetzt ist er zum Politikum geworden, einem Politikum, das sämtliche Werte und alle bisher verfolgten Strategien aus den Angeln hebt. Sollte sich der Präsident tatsächlich für die Legalisierung von harten Drogen entscheiden, wird es nicht unerhebliche Gesetzesänderungen geben müssen. Ganz zu schweigen von den Folgen für die Amerikaner, die Wirtschaft …“

„Und die Drogenkartelle“, ergänzte Philipp. „Ihr macht euch damit mächtige Feinde.“

„Du meintest, wir machen uns damit mächtige Feinde“, korrigierte Robert ernst.

Philipp zuckte mit den Schultern. „Klar, wir, deswegen bin ich ja hier. Aber unter uns: Du bist der Angsthase von uns beiden, nicht ich. Wer versichert uns, dass nicht irgendein Heckenschütze dir oder mir die Birne wegpustet?“

 

„Wird schon nicht …“

„Sicher, Robert?“, unterbrach Philipp. „Wenn die, wer auch immer die sind, mitbekommen, dass wir eine Steilvorlage für den Präsidenten ausarbeiten, Drogen zu legalisieren …“ Philipp machte eine kurze Pause und pfiff durch die Zähne. „Jeder Kleindealer, dem du dadurch seinen Markt wegnimmst, jeder Drogenbaron, oder wie sich die Bosse nennen, wird uns und alle daran Beteiligten aus dem Weg schaffen wollen. Mit der Legalisierung trocknest du den illegalen Drogenmarkt aus. Genauso war es zu Zeiten der Prohibition – nur dass der Drogenmarkt größer und weltumspannend ist. Je mehr ich versuche, es dir zu erklären, desto heftiger drückt meine Blase. Ich piss mir bei dem Gedanken fast in die Hose.“

„Das haben wir intern alles bereits diskutiert. Wir schreiben Geschichte, Bruderherz.“ Jetzt grinste Robert breit, während Philipp nur mit dem Kopf schütteln konnte.

„Wann geht’s los?“, wollte Philipp wissen.

„Heute um 14:00 Uhr ist ein Treffen bei Bob Thompson angesetzt.“

Philipp nickte und betrachtete stumm durch die getönten Scheiben der Limousine die beleuchteten Straßen Washingtons. Ein erstes Treffen mit dem mächtigsten Mann der Welt, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, hätte er sich unter anderen Vorzeichen gewünscht. Niemand im Wagen achtete auf den hellblauen Toyota, der der Limousine in sicherem Abstand folgte.

Peng, peng, peng

„Woher haben Sie Ihre Information?“

Statt eine Antwort auf die Frage zu geben, folgte auf dem Fuße eine Gegenfrage: „Wie ist Ihr Plan? Haben Sie überhaupt einen?“

Die Person am anderen Ende der Leitung atmete tief ein, bevor sie eine Antwort gab: „Mister Eagle, der Präsident ist ein mächtiger Mann mit umfangreichen Befugnissen, zweifellos. Doch ohne Zustimmung des Senats und der Kongressmitglieder wird er, außer heißer Luft, nichts bewirken.“

„Dessen bin ich mir nicht so sicher“, antwortete jener Mann, der auf den Namen Eagle hörte, mit sonorer Stimme.

„Sitzen Sie im Senat oder ich?“ Die Frage des Senators klang genervt.

Mr. Eagle umschloss den Hörer noch fester, sodass das Weiße seiner Knöchel hervortrat. „Vergessen Sie nie, was Sie uns zu verdanken haben, Senator Coleman. Lassen Sie Ihre Beziehungen spielen. Sie verdienen Unsummen durch uns. Wie geht es im Übrigen Ihrer Tochter auf der Privatschule?“

Am anderen Ende wurde es ruhig. Die Drohung war angekommen. „Lassen Sie meine Familie aus dem Spiel!“

„Sie müssen handeln, Senator, und zwar schnell. Das Team um Bob Thompson rüstet sich bereits für die Legalisierung. Sollte es so weit kommen, verlieren wir über Nacht unsere Einnahmequellen. Das wird aber nicht passieren. Und Sie, Senator, sorgen dafür! Wenn nicht, regeln wir es auf unsere Weise.“

„Was wollen Sie damit andeuten?“

Es wurde still in der Leitung. Nach unendlichen zwanzig Sekunden erhielt Senator Coleman eine Antwort: „Peng, peng, peng“, flüsterte Mr. Eagle und legte auf.

Müde, doch konzentriert zog Verteidigungsminister Ashton Brown den Gürtel des weißen Bademantels enger, während er sich in seinem Lederstuhl aufrichtete. Auf dem Arbeitstisch vor ihm lagen diverse Hängeakten sowie etliche Fotos, die er wiederholt eingehend betrachtete. Die Farbfotos zeigten Schnappschüsse von drei Personen. Zwei davon waren ihm bestens bekannt. William Baker und dessen Sohn Robert. Das Gesicht des dritten Individuums war ihm neu. Es zeigte einen blonden Mann, Mitte/Ende zwanzig, der direkt neben Robert Baker vor dem Washington Dulles International Airport stand und diesem zum Verwechseln ähnlich sah. Dann griff Ashton Brown zu einer der Hängemappen und legte das Foto hinein. Auf der Mappe war ein Name notiert: Philipp Baker.

Habe ich Ihr Wort?

Zwar hatte er über die Jahre schon zigfach darüber berichtet, ganze Rubriken über Entscheidungen, die in diesem Raum getroffen wurden, gefüllt, doch betreten hatte er jenes Heiligtum noch nie. Als er die Einladung auf seinem Schreibtisch liegen sah, traf ihn diese wie ein Vorschlaghammer. Der Präsident selbst hatte sie unterzeichnet und ihn, Oliver Konecki, um ein Treffen gebeten. Er müsste lügen, würde er behaupten, an diesem Morgen nicht ein Grundrauschen an Nervosität zu verspüren.

Frisch geduscht und glatt rasiert durchwühlte er seinen Kleiderschrank nach einem ungetragenen weißen Hemd. Das erste, was ihm in die Finger fiel, bestand nicht den Geruchstest. Ebenso das zweite, das er aus dem Schrank zog. Beide Kleidungsstücke landeten auf einem Berg Schmutzwäsche neben seinem Bett. Das dritte Hemd musste – etwas aufgebügelt – als tragbar eingestuft werden, denn ihm gingen die Alternativen aus. Eine grauschwarz gestreifte Krawatte rundete das Bild mit seinem schwarzen Jackett, das er lässig über der Bluejeans trug, farblich perfekt ab.

Am Weißen Haus angekommen entging Oliver nicht die aufgebrachte Menschenmenge, die mit Plakaten und Megaphonen gegen die derzeitige Drogenpolitik demonstrierte. Bestens durch Sicherheitskräfte abgeschirmt, ließ man sie nun schon seit Monaten gewähren. Ihn freute und faszinierte zugleich das Durchhaltevermögen dieser Menschen.

Dann, Punkt 11:30 Uhr, durchschritt er den Körperscanner des Weißen Hauses und wurde von einem Sicherheitsbeamten abgetastet, bevor eine nette, etwas mollige Dunkelhaarige ihn direkt ins Oval Office geleitete.

„Zum ersten Mal hier?“, erkundigte sich der weibliche Scout, schnellen Schrittes vorangehend.

„Yep“, antwortete Oliver knapp.

Die Dunkelhaarige überflog die Einladung, die Oliver ihr zuvor gereicht hatte, auf ihrem vor die massige Brust gepressten Klemmbrett, ohne deswegen an Geschwindigkeit einzubüßen. „Oliver Konecki. Richtig?“, rief sie im Laufschritt nach hinten.

„Der bin ich“, lächelte Oliver und hastete der Dame hinterher.

Abrupt blieb sie stehen. „Etwa der Oliver Konecki von der Washington Post?“

„Ganz recht“, bestätigte Oliver und wäre fast auf seine Begleitung aufgelaufen.

„Na, da haben Sie ja für mächtigen Wirbel gesorgt. Scharf auf den Pulitzer, was?“

„Zufall, Ms.?“

„Smith“, lächelte die Mollige.

Olivers Blick fiel auf das Namensschild, das neben der Tür hing, vor der sie zum Stehen gekommen waren. Darauf las er „Vice President of the United States“ und noch immer stand darunter der Name „Logan Winston“.

„Ja, tragisch, nicht?“, seufzte die mollige Ms. Smith, als sie bemerkte, wie Oliver das Schild betrachtete. „Ganz unter uns, Mr. Konecki: Hätten Sie nicht aufgedeckt, dass unser Vice an diesen vergifteten Drogen gestorben ist – früher oder später hätte sein Herz sowieso nicht mehr mitgespielt. Logan Winston hat Tag und Nacht geackert, müssen Sie wissen. Er war ein guter Mann, aber auf seine Gesundheit hat er nicht geachtet. Ich zum Beispiel esse jeden Morgen ein gesundes Müsli, viel Obst und bevor ich hier meinen Job antrete, ist Morgengymnastik angesagt. Das hält jung, wenn Sie verstehen.“

„Sicher“, bestätigte Oliver, während er beim Betrachten ihrer ausladenden Figur insgeheim grübelte, wie viele Hamburger sie ihm verschwieg.

Ms. Smith stampfte wieder los. „Wir sind gleich da, Mr. Konecki. Zweimal links ums Eck und schon sind wir am Oval.“

Angekommen klopfte sie an der Tür neben dem Oval Office, die mit President’s Secy beschriftet war, und trat, ohne auf eine Antwort zu warten, ein.

„Ich bring dir den Besuch, Jenny. Mr. Konecki von der Washington Post.“

Eine schlanke Rothaarige mit elegantem, eng anliegendem Kostüm stand auf und trat lächelnd mit ausgestreckter Hand auf Oliver zu. „Herzlich willkommen, Mr. Konecki. Der Präsident wartet bereits auf Sie.“ Während sie sich zur Begrüßung die Hände schüttelten, fuhr die Vorzimmerdame fort: „Ich bin Jenny und sollten Sie irgendetwas brauchen, geben Sie mir einfach Bescheid. Wenn Sie hier bitte kurz warten würden. Ich gebe dem Präsidenten Bescheid, dass Sie da sind.“

„Ich mach mich dann mal aus dem Staub“, tönte sogleich Ms. Smith aus dem Hintergrund. „Machen Sie’s gut, Mr. Konecki.“ Dann schloss sich die Tür des Sekretariats.

In dem Moment, da Jenny den Knopf der Sprechanlage drücken wollte, öffnete sich die Tür zum Oval Office. Heraus trat Bob Thompson. „Ach, Jenny, dieser Konecki von der Washington …“ Jennys Augen weiteten sich und schweiften zur gegenüberliegenden Seite des Zimmers. Sofort setzte Bob Thompson ein einnehmendes Lächeln auf. „Mr. Konecki?“

„Mr. President. Es ist mir eine Ehre …“

„Lassen wir die Formalitäten“, schmunzelte Bob Thompson. „Kommen Sie, wir haben einiges zu bereden.“

Es ist kleiner, als ich es mir vorgestellt habe, befand Oliver, als er das Oval betrat.

„Setzen Sie sich, Mr. Konecki.“ Der Präsident wies ihn zur hellen Couch. Fast gleichzeitig nahm auch Bob Thompson gegenüber von Oliver Platz und schlug die Beine übereinander. „Irgendetwas zu trinken?“

„Im Moment nicht, vielen Dank.“

„Auch gut. Kommen wir gleich zur Sache. Sie können sich denken, warum ich Sie um das Treffen gebeten habe?“

Oliver zuckte etwas verlegen mit den Schultern, bevor er antwortete: „Ich nehme an, es geht um die Enthüllungen rund um den Tod von Logan Winston.“

„Exakt.“ Bob Thompson fixierte ihn mit seinen dunkelbraunen Augen. Argusaugen, dachte Oliver. Augen wie die eines Adlers.

„Mr. President, sicher hätte ich die Option besessen, vor der Veröffentlichung des Artikels …“

„Ich erwarte keine Entschuldigung“, beschwichtigte Bob Thompson. „Natürlich haben Sie mich und meinen Stab mit Ihrer Enthüllung in Schwierigkeiten gebracht. Massive Schwierigkeiten – und das ist noch die Untertreibung des Jahres. Aber wir leben in einer Demokratie, was die Pressefreiheit – die ich schätze – mit einbezieht. Es besteht also kein Grund, Sie zu tadeln oder gar einzuschüchtern – falls Sie das in Erwägung gezogen haben. Ganz im Gegenteil, Mr. Konecki. Ich möchte Sie um Ihre Hilfe bitten.“

„Um meine Hilfe?“, fragte Oliver erstaunt, ohne eine Idee zu haben, wie diese Hilfe aussehen sollte.

„So ist es. Doch bevor ich ins Detail gehe, brauche ich Ihr Versprechen.“

„Ich höre“, erwiderte Oliver, während er es dem Präsidenten gleichtat und die Beine übereinanderschlug.

Bob Thompson beugte sich zu Oliver. „Ich will Ihr Ehrenwort, Mr. Konecki, dass das, was Sie in den kommenden Stunden erfahren, hier im Raum bleibt, bis ich Ihnen den Startschuss gebe. Haben Sie mich verstanden?“

„Natürlich“, bestätigte Oliver knapp mit einem unwohlen Gefühl in der Magengrube. Eine kurze Pause trat ein. Dann setzte Oliver nach: „Entschuldigen Sie, wenn ich frage: Was, wenn nicht?“

Bob Thompson lächelte: „Ich habe mit Ihrer Gegenfrage gerechnet. Sie sind Journalist, und ich habe lange nachgedacht, was ich Ihnen hierauf zur Antwort gebe. Fühlen Sie sich geschmeichelt, wenn ich Ihnen sage: Sollten Sie Ihr Wort brechen, ich an Ihrer Loyalität zu irgendeiner Zeit zweifeln, werden Sie den Tag verfluchen, an dem Sie mich persönlich kennengelernt haben. Ja, ganz recht, ich drohe Ihnen.“ Dabei hob Bob Thompson abwehrend seine Hand. Sogleich flüsterte er, als würden sie einen geheimen Pakt fürs Leben schließen: „Wenn es nicht um die Sicherheit der ganzen Nation gehen würde, um das Leben Tausender Menschen, die durch diese Gift-Epidemie tagtäglich verenden, glauben Sie mir, ich würde mich zu keiner Zeit derart herablassen, das Amt des Präsidenten niemals derart beflecken und eine Drohung aussprechen. Doch in diesem Fall habe ich keine andere Wahl.“ Die dunkelbraunen, jetzt fast schwarzen Augen Thompsons bohrten sich in die Olivers. „Habe ich Ihr Wort?“, fragte Bob Thompson streng.

Oliver überdachte kurz die Alternativen. Doch es fielen ihm keine ein. „Sie haben mein Wort, Mr. President.“

„Gut. Ich glaube, jetzt brauchen wir beide einen kräftigen Schluck zum Hinunterspülen – auch wenn erst Lunchtime ist.“