Buch lesen: «Die Gesandte des Christus Gottes, Seine Prophetin der Jetztzeit, Gabriele», Seite 2

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Kapitel 1 Jahre der Vorbereitung

Wie verläuft die Kindheit und Jugend einer Gottesprophetin? War sie eine Art Wunderkind? Ließ sie frühzeitig übersinnliche Fähigkeiten erkennen? Stammte sie aus einer bekannten Familie, die ihre Talente frühzeitig zu fördern wusste? Wer hier Sensationen erwartet, der lässt außer acht, dass Gott, der Ewige, unser aller Vater, es nicht nötig hat, die Erwartungen dieser Welt zu bedienen, um die Herzen Seiner Kinder zu erreichen. Im Gegenteil: Das wäre, wie wir noch sehen werden, diesem Ziel eher abträglich.

Bis etwa zu ihrem 35. Lebensjahr verlief das Leben Gabrieles weitgehend unspektakulär. Und sie selbst wäre die Letzte, die sich mit ausführlichen Erzählungen oder Anekdoten aus ihrem Leben hervortun würde. Was im Folgenden zusammengefasst wird, stammt im Wesentlichen aus Antworten, die sie gab, nachdem sie ausdrücklich danach gefragt wurde. Gabriele spricht oder schreibt über sich selbst und über ihr Leben grundsätzlich nur, wenn sie spürt, dass ihre persönlichen Erfahrungen anderen Menschen dabei helfen können, ihr eigenes Leben besser einzuordnen und sich neue, auf die Zehn Gebote Gottes und auf die Bergpredigt des Jesus, des Christus, ausgerichtete Ziele zu setzen.

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“

Gibt es im Leben Zufälle? Darüber mag man geteilter Meinung sein. Doch wenn es keine Zufälle gibt – und davon gehen Nachfolger des Jesus von Nazareth aus –, dann gilt das umso mehr, wenn Gott, der Ewige, ein Geistwesen aus den Himmeln zur Erde sendet, damit es als Mensch, als größter Lehrprophet seit Jesus von Nazareth, das Wort Gottes erneut verkündet.

Jedes Geistwesen, das seinen Auftrag aus den Himmeln auf der Erde erfüllt, geht freiwillig zur Menschwerdung. Sehr anschaulich ist dies in dem Prophetenbuch des Jesaja im Alten Testament aufgezeichnet:

„Danach hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich antwortete: Hier bin ich, sende mich!“ ...

Durch die Sendung der Gottespropheten wird das Licht in die Finsternis gesandt. So war es auch bei Gabriele.

Im Januar 1933 wurde im Deutschen Reich ein verhängnisvoller Machtwechsel angestrebt. Mit Intrigen und Geheimgesprächen wurde die Machtergreifung eines Mannes vorbereitet, der sich zuvor bereits zum „Führer“ des deutschen Volkes hatte hochstilisieren lassen und der mit diabolischer Rhetorik die Massen in seinen Bann zog. Der jugendliche Idealismus einer ganzen Generation wurde fehlgeleitet und endete schließlich in der Zerstörung eines ganzen Kontinents und darüber hinaus.

Doch in genau derselben Zeit wurde in aller Stille von der göttlich-geistigen Welt etwas ganz anderes vorbereitet. Im Herbst 1933, gerade einmal acht Monate nach der „Machtergreifung“ in Berlin, kam in einer Kleinstadt im bayerischen Schwaben die Tochter eines Schneidermeisters zur Welt und wurde auf den Namen „Gabriele“ getauft. Niemand ahnte damals auch nur entfernt, dass uns Menschen durch diese Schneiderstochter später einmal dem Mitregenten der Himmel der Weg bereitet werden würde: Christus, dem Sohn Gottes, der in jedem Menschen wohnt.

Man könnte auch mit Friedrich Hölderlin sagen: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ – und zwar nicht nur auf die spezielle Geschichte Deutschlands bezogen, sondern auch insgesamt auf die katastrophale Situation der Welt, in der wir uns heute befinden.

Herkunft aus einfachen Verhältnissen

Nun mag der Leser fragen: Weshalb werden keine genauen Namen und Daten genannt? Warum diese Diskretion? – Zum einen deshalb, weil der Mensch Gabriele mit seiner genauen Herkunft zurücksteht gegenüber dem geistigen Wesen, das sich auf der Erde einverleibt hat, um einen außerordentlich bedeutsamen geistigen Auftrag zu erfüllen. Zum anderen aber haben, wie wir später noch sehen werden, die Inquisitoren unserer Tage – man könnte sie auch Verleumdungsbeauftragte der Kirchen nennen – mit ihren Anwürfen bis hin zum Rufmord, mit ihren Schnüffeleien und mit ihrer Spionage- und Verleumdungssucht dafür „gesorgt“, dass Gabriele ihre Verwandten seit langer Zeit nicht mehr besuchen kann. Sie wollen nicht weiter von dem journalistischen Kesseltreiben behelligt werden. Und diesen Wunsch sollte man respektieren.

Dabei gab und gibt es in der Herkunft wie im Lebenslauf Gabrieles bis auf den heutigen Tag rein gar nichts auszukundschaften, was in irgendeiner Weise gegen sie ins Feld geführt werden könnte. Eine einfache Handwerker-Familie war ihr Elternhaus. Und das war bei großen Gottespropheten häufig so: Amos etwa, Sohn eines Hirten, war selbst Hirte und züchtete Maulbeerfeigen. Oder nehmen wir Jesus von Nazareth, den Sohn eines Zimmermanns, der selbst in diesem Beruf tätig war. Und jetzt: eine Schneiderstochter.

„Handwerk hat goldenen Boden“, sagt man zwar. Doch Gabrieles Familie lebte in schlichten, einfachen Verhältnissen. Was die Eltern jedoch für ihre Kinder tun konnten, das taten sie.

Schon bald wurde allerdings auch Gabrieles Kindheit vom Krieg überschattet. Der Vater musste Soldat werden wie andere Väter auch – und als er Jahre später zurückkam, fand er das Haus, das er sich durch harte Arbeit erworben hatte, teilweise zerstört vor. Mit zähem Fleiß wurde es wieder aufgebaut.

Es ist bekannt, dass in den Kriegsjahren der Schulunterricht sowohl von der Anzahl der Unterrichtsstunden als auch von der Qualität der Lehrer her sehr einfach war. Häufig gab es Fliegeralarm, und der Unterricht fiel aus. Viele gute Lehrer mussten als Soldat an die Front. Auch nach dem Krieg fand der Schulbetrieb zunächst nur mit Einschränkungen statt – und als die Schulzeit dann zu Ende war, war es Gabrieles Eltern nicht möglich, ihre Tochter auf eine höhere Schule zu schicken. Sie suchten daher für sie eine Lehrstelle.

Heute weiß Gabriele, dass es keine Zufälle gibt. Der Ewige hat sie von jeglichem weltlichen Tand hinweggeführt. Gott wollte, dass ihre Gehirnzellen nicht mit kompliziertem intellektuellen Wissen vollgestopft wurden. Gott brauchte einen Menschen, dessen Wesen schlicht, aber gottnah war, so dass nach und nach die göttliche Intelligenz durch ihn wirken konnte.

Wer Gabriele heute erlebt und Zeuge wird, wie sie zum Beispiel in komplizierten Theorien verschiedenster Fachgebiete in Sekundenschnelle den wunden Punkt findet und mit köstlichem Humor und sehr direkten Worten den Finger in die Wunde legt ... wer dies einmal miterlebt, der kann nur erahnen, wie haushoch die göttliche Intelligenz – zu der sie heute uneingeschränkten Zugang hat – den intellektuellen Kartenhäusern dieser Welt, die sich in „es könnte sein“, „es müsste sein“, „eventuell ist es so“ usw. erschöpfen, überlegen ist.

Vor einiger Zeit fragte sie einige von uns: „Warum hat der liebe Gott keinen Doktortitel?“ Wir schauten sie mit großen Augen an in der Frage: „Warum?“ „Weil der liebe Gott von niemandem abschreibt! Er ist die Allweisheit und das Sein. Er ist der Schöpfer, das Leben. Intelligenz bedarf nicht des Intellekts. Nur der Intellekt glaubt, er wäre intelligent.“

Dynamik und Lebensfreude

Gabriele war als Kind und Jugendliche nach eigenem Bekunden „ein sehr spontaner, lustiger, freudiger und sportlicher Typ“. In der Schrift „Der Jugendliche und der Prophet“ berichtet sie, dass ihr kein Baum zu hoch war – sie musste ihn erklettern. Kein Fluss oder Weiher war zu tief oder zu breit – sie musste hineinspringen und ihn durchschwimmen. Sie verfügte über für ein Mädchen außergewöhnliche Körperkräfte und trieb fast jeden Sport, der sich damals anbot: Handball, Laufen, Turnen, Schwimmen, Radfahren ... Die unbändige Lebensfreude und Dynamik, die Lebendigkeit und das Temperament, die hier zum Vorschein kamen, waren bereits, das erkannte sie später im Rückblick, ein Hinweis auf eine starke Seele, die sich kraftvoll durch den Körper äußerte.

Andererseits war das Mädchen Gabriele eher schüchtern und zurückhaltend, wenn sie unter Menschen kam. Sie war oftmals kaum in der Lage, vor mehreren Menschen etwas zu erzählen. Was spielte sich damals in ihrem Seelenleben ab? In der Schrift „Der Gabriele-Brief für Freiheitsdenker“ 1) gibt sie uns einige aufschlussreiche Einblicke in diese Zeit:

„Wie ich als junger Mensch an den Fesseln
kirchlicher Bindung rüttelte“

Schon als sehr junger Mensch, als Schulmädchen, dachte ich – meist nach dem Religionsunterricht – über Gut und Böse nach. Der sehr junge Mensch, der von der Welt noch nicht geprägt ist, stellt so manches in Frage, was dem Erwachsenen selbstverständlich erscheint. Auch ich, das Schulmädchen Gabriele, dachte und dachte und hatte viele Fragen, wie z.B.: „Warum geben sich die Priester in der Kirche und im Religionsunterricht so fromm und außerhalb ihrer Kirche und des religiösen Unterrichts wie alle anderen Sünder, hin und wieder noch um vieles schlimmer?“ Und: „Was Kain tat, war böse. Was all die tun, die im Krieg ihre Mitmenschen töten – ist das nicht böse? Ist das etwa gut?“

Ein Onkel von mir war Landwirt. Vieles musste ich mit ansehen und hören, das mir im Herzen weh tat. Vieles, was ich sah und hörte, regte mich, den sehr jungen Menschen, zum Denken an, wie z.B.: „Warum quälen die Bauern ihre Tiere? Warum werden die Kühe in den Ställen angebunden? Warum werden Schweine in so schrecklich engen Ställen gehalten? Und warum werden sie und viele andere Tiere geschlachtet? Das ist doch nicht gut, sondern böse! Ich“, so dachte ich, „will kein Tier quälen, kein Tier töten, auch nicht, dass es geschlachtet wird – ich will ihr Fleisch nicht mehr essen.“

Als ich das Fleischessen ablehnte, wurde mir von meinem Vater erklärt: „Fleisch ist gesund. Im Verhältnis zu anderen Familien essen wir wenig Fleisch, weil es sehr teuer ist. Du“, so hieß es, „hast zu essen, was auf den Tisch kommt.“ Also musste ich essen, was Mutter zubereitet hatte. Kam Fleisch auf den Tisch, so schaute mich meine Mutter vielsagend an; sie teilte mir nur eine kleine Portion Fleisch zu, dafür aber viel Sauce. Dabei lächelte sie, sagte jedoch kein Wort. Meine Augen strahlten sie an, was „danke!“ hieß.

Es ging weiter mit dem Denken, wie z.B.: „Warum trinken viele Menschen so viel Alkohol, bis sie betrunken herumtorkeln? Warum sind die Menschen so vorlaut? Warum schreien sie im Gasthaus so halsstark, um sich hervorzutun?“ Das „Warum“ konnte ich mir nicht beantworten. Meine Selbstantwort hieß: „So will ich nicht werden – das ist unschön.“

Mit meinem Schulmädchenverstand wägte und maß ich und dachte: „Ich will lernen, gut zu sein, aber nicht so fromm tun wie die Priester im Religionsunterricht.“ Gerade im Religionsunterricht sprach der Priester immer mal wieder vom Gewissen, und ich dachte: „Ich will mein Gewissen finden, das mir hilft, alles, was ich sehe und höre und das ich als unschön, herzlos, gleichgültig, grausam oder brutal erkenne, nicht zu tun. Ich will“, so meinte das Schulmädchen, „einfach gut sein“ – obwohl ich damals nur eine unklare Vorstellung von dem hatte, was „gut“ in allen Details des Lebens bedeutet.

Meine Eltern waren katholisch, und ich wurde katholisch getauft. Als junger Mensch nimmt man als selbstverständlich an, dass das, was aus der Kirche kommt, wahr und gut sein muss und dass Menschen, die Gottes Wort studiert haben, Gott näher sein müssten als die Kirchgänger.

Leider erlebte ich, dass Priester Unterschiede machten, dass z.B. eine Schülerin dem Priester um vieles näher stand als wir anderen. Ich schaute und sah vieles, das mich wieder zum Nachdenken anregte. Solche und ähnliche priesterlichen Verhaltensweisen halfen mir, das, was Pfarrer oder Priester sagten und wie sie sich außerhalb ihrer Kirche gaben, aufmerksam wahrzunehmen. Alles in allem, suchte ich mich selbst. Ich suchte für mich einen Standort, den ich damals als „gut sein“ bezeichnete. Heute ist mir klar: Ich suchte meine Basis; ich suchte für mich ethisch-moralische Werte, um darauf mein Erdenleben aufzubauen.

Je mehr ich mich um meinen Standort,
meine Basis, bemühte, desto weniger verstand ich. „Da stimmt doch etwas nicht, wenn Gott dieses ganze kirchliche Brimborium nötig hat ...“

Wie viele katholisch geprägte Eltern schickten auch meine Eltern mich in den „Gottesdienst“. Mein Schauen und Hören, mein Wunsch, gut zu sein, kam sicher aus einem wachen Verstand, denn immer wieder sagte ich zu meiner Mutter: „Ich will lernen, gut zu sein.“ Rückblickend kann ich erkennen, dass meine Mutter mich nicht so ganz verstand, denn sie erwiderte z.B.: „Das Resultat deiner Schulnoten zeigt nicht gerade deine große Lernwilligkeit.“

In der Kirche lauschte ich den Predigten, von denen ich sehr wenig verstand. Ich dachte: „Warum sind Sakramente und Kulthandlungen notwendig, warum das Brauchtum, die Rituale im Gottesdienst? Warum das Hinknien und Wiederaufstehen? Warum die Klingelzeichen und das Messbuch, das vom Ministranten von einer zur anderen Seite getragen werden muss?“ Auch die diversen Messgewänder, die Mitra, die Hostie im Tabernakel, die Monstranz, die zu Fronleichnam von einem kirchlichen Würdenträger unter einem Baldachin herumgetragen wurde, den man „Himmel“ nennt, beschäftigten mich und vieles mehr.

Ich hatte eine Schulfreundin, die evangelisch war und die mich des öfteren auslachte, wenn ich in den Gottesdienst musste, während sie das tun konnte, was ihr beliebte. Eines Tages ging sie mit mir in die „Heilige Messe“. Nach der Kirche kicherte und lachte sie so laut über das vielfältige Geschehen im Gottesdienst, dass Kirchgänger uns ansahen und den Kopf schüttelten.

„Was willst du nach all dem jetzt von mir hören?“, fragte sie. „Theater, nichts als Theater! So viel Überflüssiges gibt es bei uns, bei den Evangelischen, nicht. Bei uns geht alles ganz normal zu, ohne solches Drumherum, das auf das Beten störend einwirkt.“ Meine Freundin bezog das auf ihr persönliches Beten. Auch ich hatte Ähnliches selbst schon oft gefühlt und gedacht.

Ich fragte sie, ob sie an einen anderen Gott oder an einen anderen Jesus glaube. Wieder lachte sie und antwortete: „Das wohl nicht. Ich glaube nicht, dass wir an einen anderen Gott oder Jesus glauben. Wir Evangelischen haben nur nicht so viel Drumherum“, womit sie das Brimborium meinte. Als ich sie fragte, ob sie es nicht als feierlich empfunden habe, antwortete sie: „Genau das Gegenteil! Für mich war das nur eine Veranstaltung.“

Immer mal wieder sprachen wir über die Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten. Eines Tages nahm sie mich mit in ihren Gottesdienst. Ich sah, hörte, dachte und dachte. Die Fragen „Warum“ nahmen kein Ende: Warum bei uns, bei den Katholiken, so und bei den Protestanten ganz anders? Warum ist der evangelische Pfarrer anders gekleidet als der katholische Priester? Warum wird der evangelische Gottesdienst anders abgehalten als der katholische?

Immer öfter verglich ich die katholische Prozedur mit der evangelischen. „Bei uns“ kam es mir oft überzogen „feierlich“ vor, mit so viel Rankenwerk – ich nannte es Zierrat –, Zierrat hier und Zierrat da, Gesten, Handlungen, die Art des Singens, das Klingeln, Glockengeläute und vieles mehr, dessen Sinn mehr oder weniger unverständlich blieb und, zumindest mir, nicht half, den Weg zu Gott zu finden. Bei den Evangelischen hingegen fand ich es geradezu unterkühlt, so sachlich und nüchtern, dass ich mich auch dort Gott nicht nahe fühlte, von Begeisterung ganz zu schweigen.

Mich konnte weder der eine noch der andere Kirchgang für Gott erwärmen. Ich verstand nicht, dass die rituellen Gepflogenheiten hier und dort so sehr voneinander abwichen. Ich dachte: „Wenn es doch nur einen Gott geben soll, warum die Unterschiede in den Gottesdiensten?“ Bald dachte ich in der katholischen Kirche auch über das Orgelspiel und die Chorgesänge nach.

Trotz des vielen Nachdenkens und Vergleichens passte sich das Mädchen Gabriele den katholischen Gepflogenheiten an. Ich dachte: „Ich darf nicht ausscheren, nicht anders sein als die anderen. Es muss doch eine Lebensgemeinschaft sein, der sie und ich angehören.“ Alle kirchlichen Regeln machte ich mit, doch ich dachte, sah und hörte. Ich wollte lernen, wie man gut ist.

Schon als Schulmädchen hatte ich einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Mit diesem unbestechlichen Wahrheitsbewusstsein machte ich es meiner Mutter nicht immer leicht, auf mich, ihr Kind, einzugehen. Wenn ich merkte, dass jemand anders redete, als er dann handelte, war ich so bestürzt, dass ich immer wieder darüber sprach, dass das nicht richtig, nicht rechtens sei.

Ein Jahr reichte dem anderen die Hand. Ich wurde älter und reifer. Die Eigenständigkeit im Denken und Leben erwachte immer mehr. Sie ist bis heute geblieben.

Wo ist Gott?

Wir lesen hier über ein junges Mädchen, das sich sehr ernsthaft und mit großer Wahrheitsliebe mit der Welt um sie herum auseinandersetzt, das bereits den Wunsch nach Gerechtigkeit, Vollkommenheit und Frieden in sich trägt und nicht locker lässt, bis sie diesbezüglich alles so weit wie möglich ergründet hat.

Gabriele hatte schon im Alter von acht oder neun Jahren eine tiefe Beziehung zum Vater im Himmel. Sie betete viel und versuchte, in den Himmel hineinzusprechen, wo ja der „Vater im Himmel“ thronen sollte. Sie wollte Antwort von Ihm – doch sie erhielt keine. Das war eine Enttäuschung für sie, denn sie verspürte große Sehnsucht, Gott näherzukommen. Es war ein kindliches Flehen, oftmals mit Trauer verbunden, weil Gott scheinbar so weit entfernt war und man nicht mit Ihm sprechen konnte – vor allem über die schlimme Situation, die vie-le Familien während des Krieges erleiden mussten –, und sie stellte immer wieder die Frage nach Gott. Doch niemand konnte ihr sagen, wo Gott ist, wie Er ist und ob Er überhaupt existiert!

In der Kirche, in den Gottesdiensten, das zeigte sich bereits in ihrer Schilderung, wurden ihr diese Fragen nicht wirklich beantwortet. Sie ging zwar zum Gottesdienst, doch echte Andacht konnte sie dort nicht erleben. Als Gabriele etwa 18 Jahre alt war, sagte sie sinngemäß zu ihrer Mutter: „In die Kirche gehe ich nicht mehr. Was dort gepredigt wird, verstehe ich nicht. Aber wenn ich auf den Friedhof gehe und für die Verstorbenen bete, dann finde ich innere Ruhe.“ Ihre Mutter konnte das nicht begreifen, da sie den Vorschriften der Kirche glaubte, wonach der Katholik mindestens einmal in der Woche eine Messe zu besuchen hat, und vieles mehr.

Es sollte noch eine geraume Zeit dauern, bis Gabriele erfuhr, dass Gott im Inneren des Menschen zu finden ist, dass Er in und um uns ist, und dass jeder Mensch selbst der Tempel des heiligen Geistes ist.

Folgen wir der Schilderung Gabrieles noch ein weiteres Stück: 2)

Wie kann ich „gut sein“?

Im Alltag erlebte ich Priester, die sich ganz offensichtlich den Maßstab ihrer Predigten selbst nicht zu eigen machten, die im Wirtshaus und bei Festgelagen die Speisen gierig in großen Mengen verschlangen, große Worte machten und ihr „priesterliches“ Ich in mancherlei selbstherrlichen Reden und überheblichen Wertungen gegenüber Mitmenschen darstellten. Im Alltag erlebte ich den Organisten und jene Mitmenschen, die im Kirchenchor die heiligsten Lieder sangen, wie sie in ihrem Privatleben genau das Gegenteil von dem taten, was sie im Kirchenchor einstudierten und als heiligsten Lobpreis den Gläubigen zusangen.

Das Schulmädchen, das so gern gut sein wollte und immer nach der Gerechtigkeit verlangte, konnte das alles nicht einordnen. Es arbeitete in mir, ich musste mir mit Worten Luft machen. Wer musste es über sich ergehen lassen? Natürlich meine Mutter! Sie antwortete: „Wir alle sind Menschen. Jeder von uns sündigt und hat mehr oder weniger seine Schwächen.“ Aufmüpfig, wie ich nun mal war, fiel ich ihr ins Wort: „Aber Gott ist doch kein Mensch!“ Ohne mich um ihren leicht zurechtweisenden Blick zu kümmern, fuhr ich fort:

„Gott müsste doch eigentlich über dem stehen, was die Gläubigen, die alle Sünder sind, ‚zu Seiner Ehre’ tun. Müssen die Sünder denn Gott mit so viel Drumherum, mit Kniefällen, mit heruntergeleierten Gebeten und anderem dienstbeflissenem Getue gnädig stimmen? Oder will Gott etwa von uns Sündern mit dieser ganzen Schau und Darstellung, mit so vielen Gebeten, die nur heruntergeplappert werden, mit Schellenklingen und, und, und gelobt und gepriesen werden? Heißt das gar, Ihm Ehre und Dank zu erweisen? Ist Gott denn ein Tyrann, der die unterdrückt, die Ihm nicht huldigen? Ist Gott ein Rächer, der alle, die das alles nicht mitmachen wollen, auf ewig verdammt?“ Damals dachte ich so und sprach ganz unverblümt aus, was ich dachte, ganz im kindlichen Jargon. Das Gesicht meiner Mutter rötete sich. Sie wusste keine andere Antwort als die, dass sie mich an die Hand nahm und mich zur Gartenarbeit aufforderte.

Um meine abwegigen Gedanken wissend, beschlich mich plötzlich die Angst, dieser „Gott“ könnte mich nun bestrafen und in die Hölle werfen. Das Schulmädchen Gabriele dachte z.B.: „O weh! Wenn ich nur nicht bald sterben müsste! Wenn ich nur bei meinen Eltern bleiben könnte! Und wenn nur meine Eltern nicht sterben müssten, denn ich habe sie und sie haben mich lieb.“

Ich erinnerte mich an meine Kinderstreiche, die mein Vater immer wieder ansprach. Er ermahnte mich, dies und jenes zu unterlassen, und warnte mich vor den Folgen, indem er sinngemäß sagte: „Wenn du nicht hörst, wirst du es eines Tages fühlen müssen.“ Und er hatte mir ein Beispiel gegeben: „Wenn die Herdplatte sehr heiß ist und du trotzdem unbedingt deine Hand auf sie legen willst, so kannst du das zwar tun, aber dann wirst du’s eben schmerzhaft zu spüren bekommen. Ähnliches gilt für die vielen Dinge, die du trotz unserer Ermahnungen nicht unterlässt.“

Seine Worte waren aus der Sorge um mich gesprochen, doch ungeachtet dessen war seine Liebe zu mir, seinem Kind, geblieben. Ich dachte: „O, mein Vater ist gut im Vergleich zu Gott, der mich bestraft, wenn ich nicht tue, was Er will.“

Ich nahm mir immer wieder mal vor, aufzuhören zu denken, aufzuhören, Vergleiche zu ziehen und mit meiner Schulfreundin, die evangelisch war, über Gott zu sprechen. Ich merkte, dass sie mir, wenn ich es tat, unwillig Antwort gab. Plötzlich brach es heftig aus ihr heraus, sie schrie mich an: „Was hast du denn bloß immer mit deinem Gott? Bei uns zu Hause ist von Ihm sehr selten die Rede. Meine Eltern gehen nicht oft in die Kirche und ich auch nicht. Sie zwingen mich nicht, zu beten oder einen Gottesdienst zu besuchen. Sie sind nicht so ‚heilig’ und fromm wie deine Eltern und du.“

Ich erwiderte: „Ich bin nicht fromm. Ich will nur wissen, ob ihr“ – ich meinte die Evangelischen – „einen anderen Gott habt, weil ihr anders betet, weil eure Gottesdienste ganz anders ablaufen und auch eure Gebetsstunden. Ihr betet nicht den Rosenkranz, und die Mutter Maria ist euch offenbar ganz einerlei. Anscheinend müsst ihr euren Gott mit nicht so viel ‚Drumherum’ gnädig stimmen, oder ihr seid nicht so große Sünder wie die Katholiken, die auch noch Heilige haben, die man ebenfalls gnädig stimmen muss.“ Meine Freundin antwortete: „Das weiß ich nicht. Lass mir doch meine Ruhe mit dem allem! Komm – wir gehen spielen!“

Natürlich ging ich mit zum Spielen, zum Radfahren, zum Baumklettern, zum Wettlauf, in das Freibad zum Schwimmen, zum Rollschuhfahren, im Winter zum Schlittschuhlaufen und vielem mehr. Doch es ließ mir keine Ruhe – ich dachte und dachte und überlegte und überlegte. Immer wieder kreisten meine Gedanken um Gott und die Kirche, vor allem dann, wenn ich in der heiligen Messe die Rituale mitmachen musste. „Da stimmt doch etwas nicht! Dieses ganze Schauspiel, das in der Kirche veranstaltet wird, die Verkleidung der Geistlichen zu den verschiedenen Anlässen. Immer müssen sie sich unbedingt aus dem Volk herausheben; dann das störende Geklingle während der Messe, wenn man beten möchte, und so fort, und das alles, wie sie sagen, zur Ehre Gottes!“ Einmal stutzte ich ganz plötzlich, und mir kam die Frage: „Ist Gott überhaupt gut?“ – wobei ich, wie gesagt, nicht so recht wusste, was „gut“, als Ganzes und in Bezug auf Gott gesehen, bedeutet.

„Liebe“, so dachte ich, „ist gut. Doch wie groß kann Gottes Liebe schon sein, wenn Er die ewige Verdammnis und Höllenpein für uns, Seine Kinder, bereithält!? Und wie sieht es mit Seiner Erhabenheit und Größe aus, wenn Seinetwegen so viel Aufwand und Pomp erforderlich sind und so viel Katzbuckelei und Unterwürfigkeitsbezeugungen Ihm entgegengebracht werden müssen, um Ihn in Seiner Größe und in Seiner Allmacht zu bestätigen!“ „Und warum“, dachte ich, „muss so viel Geld ausgegeben werden Seinetwegen, wo doch viele, viele Kinder in ärmeren Ländern hungern, krank sind und keine Schule besuchen können, weil die finanziellen Mittel nicht ausreichen?“

Solche Gedankengänge liefen immer wieder in mir ab. Ich dachte und dachte und fragte mich z.B.: „Verlangt Gott auch, dass die Kirchenbauten mit Gold und Edelsteinen verbrämt sein müssen? Und dabei wohnen doch so viele Menschen in ärmlichsten Verhältnissen und haben oftmals kaum Nahrung.“

Plötzlich erinnerte ich mich an meine Kleinkindertage, als Mutter am Abend an meinem Bett gesessen und mit mir zum Vater im Himmel gebetet hatte. Ja, sie hatte zu „Gott im Himmel“ gebetet. Das warf nun für mich, das Schulmädchen, das allmählich in das Jugendalter hineinreifte, die Frage auf: „Wo wohnt Gott denn nun eigentlich? Wohnt Er gar nicht im Tabernakel, wie immer gesagt wird, sondern im Himmel?“ Die Erinnerung an die damaligen Gebete mit meiner Mutter regten mich erneut zum Denken an:

„Wenn Gott im Himmel wohnt, wozu dann die Prunkbauten, die Kirchen? Und wozu dann der Tabernakel? Ist dies alles nicht total überflüssig?“ Diese und weitere Ungereimtheiten gingen mir nicht mehr aus dem Sinn. Ich dachte und dachte.

Obwohl ich in der Schule und im Elternhaus nur den einfachen Kirchenglauben gelehrt bekommen hatte, stellte ich mir weiterhin solche und ähnliche Fragen bezüglich des Geschehens in der Kirche. Antworten fand ich nicht. Letztlich blieb es für mich vorerst bei Selbstgesprächen, die immer wieder mit Kopfschütteln und Achselzucken endeten.