Buch lesen: «Machtspiel», Seite 4

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7.

Vor dem Tor blickte er zur Villa hinauf. Im Erdgeschoss brannte noch Licht. Er vermutete, dass der überhebliche Staatsanwalt sich in diesem Raum befand. Ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er an heute Morgen dachte, wie Finn Winter niedergeschlagen an der Tür stand. Geschieht ihm recht. Auch er soll erfahren, was es heisst, wenn einem geliebten Menschen zu Unrecht etwas widerfährt, dachte er sich.

Sein Grinsen wurde von einer Sekunde auf die Andere zu einer starren Grimasse, als er an die Vergangenheit dachte. Nach jahrelanger Planung musste er jetzt vorsichtig sein, dass alles so funktionierte, wie er es wollte. Er rieb sich dabei die Hände. Endlich war der Zeitpunkt da, um sein Vorhaben auszuführen. Winter musste für das büssen, was er ihm und seiner Familie angetan hatte. Doch für heute hatte er genug angerichtet. Sollen sie doch im Dunkeln tappen.

Finn sass in seinem Arbeitszimmer. Vor ihm lagen etliche Akten, die er durchsehen musste. Leider konnte er keinen richtigen Gedanken fassen. Dauernd sah er seine schöne Frau vor sich. Ihr Gesicht war vor Wut versteinert, als sie schrie. Warum hast du das getan? Dann lief sie die Treppe hinauf und schloss sich im Schlafzimmer ein. Das war das letzte Mal, als er Dana gesehen hatte. War es seine Schuld, dass sie nicht nach Hause gekommen war und jetzt in Gefahr schwebte? Sein schlechtes Gewissen liess ihn nicht mehr in Ruhe. Er musste sie unbedingt finden. Sie war alles für ihn.

Unglücklicherweise war es mitten in der Nacht. Sonst hätte er sich sofort auf den Weg gemacht, um seine Nachbarn zu befragen. Bedauerlicherweise musste er sich bis morgen gedulden. Finn fühlte sich völlig erschöpft, allerdings war an Schlaf nicht zu denken. Also beugte er sich abermals über die Akten und musste sich konzentrieren, damit er nichts übersah. Denn ihn beschlich ein beunruhigendes Gefühl, dass diese ganze Geschichte im Zusammenhang mit seiner Arbeit stand.

Sie muss eingeschlafen sein. Denn als sie die Augen öffnete, färbte die Sonne den Himmel in ein zartes orange. Einen Blick auf den Wecker zeigte ihr kurz nach sechs Uhr morgens an. Neben sich spürte Chloe eine kleine Bewegung, die Bilder des vergangenen Abends vor ihrem inneren Auge aufblitzen liess. War das wirklich geschehen? Hatte sie mit Raul Lunardi geschlafen? Sie konnte es kaum glauben, dass sie zu so was fähig war. Sie kannte ihn ja kaum.

Um Raul nicht zu wecken, erhob sie sich leise aus dem Bett. Sie brauchte eine Dusche, um wieder klar denken zu können. Nach einer ausgiebigen Regendusche und in den Morgenmantel gehüllt, fühlte sie sich für den kommenden Tag gewappnet. Als sie auf den Flur trat, stieg ihr sofort der Duft nach frischen Brötchen und Kaffee entgegen. Verwirrt schaute sie in ihr Schlafzimmer. Raul musste in der Zwischenzeit ebenfalls aufgestanden sein. Hatte er etwa irgendwas zum Frühstück gemacht? Sie zog sich rasch an und ging hinunter in die Küche. Da stand er. Er sah hinreissend aus, mit seinen zerzausten Haaren und nur in Boxershorts gekleidet. Über seinen nackten Oberkörper hatte er die Kochschürze um sich gebunden und bereitete soeben Rührei zu. Auf der Theke stand schon ein üppiges Frühstück bereit. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie hungrig sie war und ihr Magen zu protestieren begann. Es war lange her, seit sie etwas Richtiges zu sich genommen hatte.

Raul registrierte, dass er beobachtet wurde. Er drehte sich Richtung Treppe und sah Chloe in ihrem weissen Sommerkleid und nassen Haaren vor sich stehen. Ihm raubte es fast den Atem, als er sie so sah. Als er seine Stimme wieder gefunden hatte, bat er Chloe sich zu setzten.

„Hast du gut geschlafen?“

Chloe spürte, wie sich ihre Wangen rot verfärbten. „Erstaunlich gut.

„Ich ebenfalls.“ er lächelte sie verheissungsvoll an. „Es gibt warme Brötchen, Eier und Käse.“ Raul deutete zur Theke.

„Das riecht köstlich.“

„Danke. Mal schauen, ob es auch so schmeckt.“

Nachdem sie beide alles verschlungen hatten, räumte Raul den Tisch ab und Chloe machte die Küche sauber. Als alles an seinem Ort und Stelle war, stellte er sich zu Chloe und nahm ihre Hände in die seine. Bis jetzt hatten sie jeglichen körperlichen Kontakt vermieden.

„So sehr ich mir auch wünsche, hierbleiben zu können, muss ich jetzt dringend los. Denn es wartet viel Arbeitet auf mich und mein Team.“

„Ich will dich nicht aufhalten.“

„Darf ich dich heute Abend besuchen kommen?“

Chloe versuchte ihm auszuweichen. So sehr sie letzte Nacht auch genossen hatte, durfte es jedoch nicht mehr geschehen. Die Trennung, die sie bei ihrer letzten Beziehung durchmachen musste, war zu schmerzhaft, als dass sie es nochmals erleben möchte.

„Wir sehen uns sicherlich bald wieder. Es geht ja schliesslich um meine Schwester, die wir suchen.“ antwortete sie ausweichend.

„Ich möchte dich heute Abend wieder sehen.“ gab er hartnäckig zurück.

Raul verstand sich selbst nicht, warum er sich so benahm. Er wusste nur eins, dass er sie erneut sehen musste und sie versuchte sich ihm zu entziehen, was er nicht zulassen wollte.

Mit seinen Händen hielt er ihr Gesicht fest und sah ihr lange und tief in die Augen, bevor er sie zu küssen begann.

Chloe konnte seinen Küssen nicht widerstehen und schmiegte sich in seine Arme. Die Anspannung die ihren Körper beherrschte, verging allmählich. Nach viel zu kurzer Zeit, so erschien es ihr jedenfalls, löste sich Raul von ihr. Ohne ein weiteres Wort verliess Raul Chloes Wohnung. Doch bevor er die Tür zuzog, schenkte er ihr noch ein kurzes Lächeln.

Im Besprechungszimmer warteten schon Eileen und Otto von der Spurensicherung sowie Mike Linner und Pepe Müller von der Kriminalpolizei auf Raul.

„Bereits alle da. Dann können wir ja beginnen.“ begrüsste Raul die Beamten.

„Noch nicht ganz.“ äusserte Mike.

„Warum? Wer fehlt?“

„Der Chief. Anscheinend möchte er bei der Sitzung dabei sein.“

„Ich dachte er sei übers Wochenende verreist?“

„Als er das mit Dana Winter vernahm, kehrte er auf der Stelle nach Hause zurück.“

„Sprecht ihr von mir?“ Karl Deger stand in der Tür. Ein Mann mit kurzen, dunkelbraunen Haaren und einen Muskelbepackten Körper. Karl nutzte jede freie Minute, um im Fitnessstudio zu trainieren. Er gehörte zu den hochgewachsenen Menschen, mit seinen ein Meter neunzig.

„Was machst du hier?“ fragte Raul seinen Boss.

„Der Fall Dana Winter muss schnell aufgeklärt werden. Schliesslich handelt es sich um die Frau einer unserer Staatsanwälte und ich möchte über alles informiert werden, was am besten gelingt, wenn ich in der Nähe bin.“

Alle setzten sich an den grossen Tisch. Raul erzählte, was sich in der Nacht von Freitag auf Samstag zugetragen hatte.

Lunardi wandte sich an Eileen. „Habt ihr schon weitere Ergebnisse?“

„Derzeit haben wir erst Spuren am Briefumschlag nachweisen können. Die Fingerabdrücke stammen eindeutig von Dana Winter, sowie das Blut. Auf dem Rasen fanden wir nur Fussspuren, die zu Herr und Frau Winter und ihrem Gärtner gehören. Bei den Überwachungskameras befanden sich Abdrücke von einem Ex-Mitarbeiter der Firma Oppis Sicherheitstechnik.

„Hast du den Namen?“ wollte Raul wissen.

„Steht alles hier.“ Eileen zeigte auf eine Mappe vor sich.

„Den knöpfen wir uns gleich als erstes vor.“

„Was noch?“

Die Kabel der Kameras wurden mit einem feinen Schnitt durchtrennt. Zurzeit liegen noch der Finger und die Strickjacke im Labor, die wir nach Spuren untersuchen müssen.“

„Finn hat die Namen der Ex-Sträflinge notiert, die er in den letzten Jahren verklagt hatte. Pepe und Mike ihr werdet diese Namen und den Mann von Oppis Sicherheitstechnik überprüfen. Winter selbst wird noch heute seine Nachbarschaft befragen. Ich unterstütze ihn dabei.“

Somit verliessen die Polizisten das Besprechungszimmer und machten sich an ihre Aufgaben.

Karl hielt Raul zurück. „Ich möchte über alle Einzelheiten informiert sein.“

„Sobald wir weitere Informationen besitzen, melde ich mich bei dir. Ich fahre nun zu Finn nach Hause, um mit ihm seine Nachbarschaft zu befragen.“

Winter erwachte in den frühen Morgenstunden in seinem Büro, den Kopf auf den Akten liegend. Er hatte letzte Nacht kaum ein Auge zugetan. Immer wieder las er die Namen durch, die auf der Liste standen, die er auch Raul gegeben hatte. War jemand von denen der Entführer? Er konnte es sich schwerlich vorstellen. Doch wie schnell kann man sich in einem Menschen täuschen?

Finn beschloss sich frisch zu machen, um danach seine Nachbarschaft zu befragen. Zwar war heute Sonntag und noch früh am Morgen, hingegen ging es um seine Frau. Da konnte es ihm ziemlich gleichgültig sein, wenn er seine Nachbarn aus den Federn holte.

Kaum hatte er sich zurecht gemacht, läutete es. Raul stand am Gartentor.

„Was ist passiert, dass du um diese Uhrzeit hier erscheinst?“ begrüsste Finn seinen Freund knapp.

„Konntest du etwas schlafen?“ gab Raul unbeeindruckt zurück.

An Finns Erscheinen nach zu beurteilen, war das wahrscheinlich eher nicht der Fall, dachte Raul für sich. „Ich werde bei der Befragung deiner Nachbarschaft dabei sein. Deshalb bin ich hier. Zwei Personen hören und sehen mehr als Eine.“

„Worauf warten wir dann noch?“

Die beiden marschierten die Strasse entlang zum ersten Nachbarhaus. Raul las auf dem Briefkasten Fam. Niederer. Sie gingen über die Steinplatten, die einen Weg durch den Garten bildeten, bis hin zur Haustür und betätigten die Klingel. Kurze Zeit später kam ein Junge mit blonden Haaren an die Tür. Verwirrt schaute er die zwei Männer an und rief laut nach seiner Mutter, die gleich darauf erschien.

„Guten Morgen Frau Niederer. Das hier ist Herr Lunardi mein Freund von der Kriminalpolizei.“ Finn begrüsste seine Nachbarin, die ahnungslos von Einem zum Anderen blickte.

„Guten Morgen Herr Winter, Herr Lunardi.“

„Entschuldigen Sie uns bitte diese frühe Störung. Wir hätten ein paar Fragen an Sie. Dürfen wir einen Moment hereinkommen?“

„Bitte kommen Sie.“ Frau Niederer trat auf die Seite um den Herren Platz zu machen.

Finn zögerte nicht lange und kam gleich auf den Punkt. „Waren Sie in der Nacht vom Freitag den 28. auf den 29. Juli zuhause?

„Lassen Sie mich kurz überlegen. Nein. Am Freitag hatten mein Mann und ich eine geschäftliche Verabredung. Wir brachen am frühen Abend auf und kamen erst gegen Mitternacht wieder nach Hause? Warum wollen Sie das wissen?“

„Meine Frau ging am Freitagabend mit ein paar Freundinnen weg. Seit jenem Zeitpunkt, habe ich sie nicht mehr gesehen. Wir möchten wissen, ob Sie in jener Nacht etwas beobachtet haben.“

„Oh nein, Dana!“ Vor Schreck hielt sich die Nachbarin die Hand vor den Mund. „Ich würde Ihnen gerne weiterhelfen, aber leider habe ich nichts gesehen. Mein Mann und ich waren ziemlich erschöpft, als wir zu Hause ankamen und legten uns gleich ins Bett.“

„Ist ihrer Familie in den letzten Tagen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“ lenkte Raul ein.

„Ich denke nicht. Niemand hat irgendwas angedeutet. Es tut mir wahnsinnig Leid, dass ich Ihnen nicht behilflich sein kann.“

„Ist sonst noch jemand zu Hause, der jemanden beobachtet haben könnte?“

„Mein Mann ist geschäftlich unterwegs. Er wird Morgen wieder hier sein. Und Bettina, meine Tochter, ist bei einer Schulfreundin.“

Raul schaute den Knaben an, der die ganze Zeit stillschweigend an Mutters Seite stand. „Wie heisst du mein Junge?“

„Jaden.“

„Jaden. Ist dir vielleicht eine Frau oder ein Mann aufgefallen, der nicht in dieser Gegend wohnt, aber sich immer wieder hier blicken liess oder sich merkwürdig Aufführte?“

Der kleine Junge schüttelte seinen Kopf hin und her. Dabei verkroch er sich noch mehr im Rock seiner Mutter.

„Wenn Ihnen irgendetwas in Erinnerung kommen sollte, rufen Sie uns bitte umgehend an.“ Raul übergab der Frau seine Visitenkarte.

„Ich danke Ihnen vielmals, dass Sie sich Zeit genommen haben.“ verabschiedete sich Finn von seiner Nachbarin.

„Ich wünsche Ihnen viel Glück, dass Sie Ihre Frau wohlbehalten finden werden.“

Nach zwei Stunden waren Raul und Finn mit den Befragungen der Anwohner durch. Niemand aus der Nachbarschaft wollte irgendwas gesehen oder gehört haben. Finn konnte seine Enttäuschung und Verzweiflung nicht weiter verbergen. Eine kleine Hoffnung bestand jedoch noch. Herr Walter, ein Mann im Alter von fünfundsiebzig Jahren, der links neben den Winters wohnte, war nicht anzutreffen. Der Staatsanwalt wollte es später erneut versuchen.

Zurück in der Kripo ging Raul auf direktem Weg ins Labor. Dort traf er auf Eileen.

„Zu dir wollte ich soeben.“ begrüsste sie ihn. „Wir konnten den Finger identifizieren.

„Und?“

„Es ist keiner von Dana Winter.“

„Von wem dann?“

„Ihr Name war Maisie Haige.“

„Maisie Haige? Jene, die wir vor wenigen Wochen in der Mülldeponie gefunden haben?“

„Ja, genau die.“

Raul legte seine Stirn in Falten, als er über die soeben erfahren Neuigkeit nachgrübelte.

„Das ergibt keinen Sinn für mich.“

„Genau so habe ich auch reagiert.“

„Hast du vielleicht noch etwas herausgefunden?“

„Sorry, nein. Der Finger weist keinerlei Abdrücke auf. Er wurde anscheinend fein säuberlich gereinigt.“

Raul holte die Akte von Maisie Haige hervor. Der Fall konnte leider bis heute nicht aufgeklärt werden, was hiess, dass der Mörder nach wie vor frei herumlief. Raul betrachtete das Foto von Maisie. Äusserlich besassen Dana Winter und Maisie Haige keinerlei Ähnlichkeiten. Er las sich von einer Seite zur nächsten durch, bis er an die Stelle kam, wo der Zustand der Leiche beschrieben wurde: Rechter Zeigefinger fehlt. Wahrscheinlich mit einem Messer abgetrennt.

Kurz darauf, stiess er auf die Angaben über den mutmasslichen Täter: Auf freiem Fuss. Verdächtiger Switch Tanner wurde wieder entlassen. Hatte für Tatzeit Alibi.

Raul wollte mehr über diesen Switch Tanner erfahren und suchte seine Akte hervor. Er war so in das Dossier vertieft, dass er gar nicht wahrgenommen hatte, dass sein Boss in seinem Büro erschienen war. Erst ein Räuspern riss ihn aus seinen Überlegungen.

„Hattet ihr Erfolg?“ fragte Karl auf Lunardi hinunterblickend.

„Nein, leider nicht. Niemand will irgendwas gesehen oder gehört haben.“ Raul erzählte Karl, was die Spurensicherung entdeckt hatte. „Ich sehe mir gerade die Akte von Maisie Haige und Switch Tanner durch.“

„Was haben Mike und Pepe herausgefunden?“

Raul rieb über seine Augen. „Ich habe noch nichts von ihnen gehört, aber ich werde mich gleich darum kümmern.“

Langsam stieg sie aus ihrem Range Rover. Sie bekam ganz weiche Knie, wenn sie an das dachte, was ihr gleich bevorstand. Ihre Füsse trugen sie Richtung Haupteingang, ohne dass sie den Weg wirklich wahrnahm. Im Lift drückte sie die Taste für den siebten Stock. Für gewöhnlich nahm sie die Treppe, aber heute hatte sie das Gefühl, dass ihre Beine sie nicht weiter tragen würden, als dass sie mussten.

Ihr Herz fing immer schneller an zu schlagen, als sie sich der Zimmertür ihrer Mutter näherte. Chloe klopfte kurz an und trat ein.

Mara lag wie gehabt in ihrem Krankenbett. Chloe nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben das Bett, von wo sie ihre Mutter beobachten konnte, die friedlich zu schlafen schien. Durch die Chemotherapie verlor Mara all ihre geliebten, langen Haare. Sie sah blass und sehr schwach aus. Die Leukämie bestimmte nun seit zweieinhalb Jahren ihr Leben. Eine kleine Erkältung konnte für sie erheblich sein. Aus diesem Grund verbrachte Mara momentan ihre Zeit im Krankenhaus.

Chloe hielt die Hände von ihrer Mutter und mit ihrer Stirn stütze sie sich auf dem Bettrand ab. Sie musste sich zwingen, nicht in Tränen auszubrechen. Nicht jetzt ermahnte sie sich. Sie musste stark bleiben.

Eine heisere, kaum hörbare Stimme holte sie aus ihren bedrückten Gedanken heraus. „Hallo meine Liebe.“

Chloe sah auf. „Hallo Mam. Wie geht es dir?“

„Es war schon schlimmer.“

„Soll ich dir das glauben?“

Mara schmunzelte. Ihrer jüngeren Tochter konnte sie nicht so einfach etwas vorspielen. „Wo bleibt Dana? Ich habe sie seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen.“

Musste sie unbedingt jetzt nach ihrer Schwester fragen? Wie sollte sie ihrer Mutter erklären, was Dana zugestossen war? Wie schon so oft in den vergangenen zweiunddreissig Stunden spürte Chloe, wie ihr die Tränen in den Augen brannten, Sichtlich nicht in der Lage, ihre Mutter anzusehen, senkte sie ihren Kopf.

„Wo soll ich beginnen?“ flüsterte Chloe. Sie wünschte sich weit weg, nur um ihrer Mutter nicht mitteilen zu müssen, was sich zugetragen hatte.

„Was ist los meine Liebe?“

„Mam … . Dana … ist seit Freitagnacht … verschwunden. Wir waren an jenem Abend mit Freundinnen unterwegs und kurz nach Mitternacht fuhr ich sie nach Hause. Da sie noch ein wenig spazieren gehen wollte, setzte ich sie am See, ein kleines Stück von zu Hause entfernt, ab. Seit da hat sie niemand mehr gesehen.“ Chloe drückte fest die Hand ihrer Mutter. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und liess ihnen freien Lauf.

Chloe erzählte ihrer Mam, was in den letzten eineinhalb Tagen alles vorgefallen war. Mara lag wie versteinert in ihrem Bett, den Blick starr geradeaus gerichtet und hörte voller Schrecken zu, was ihr, ihre jüngere Tochter zu berichten hatte. Ihr Gesicht wurde noch bleicher, wenn dies überhaupt möglich war, als Chloe zu Ende erzählt hatte. Sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, allerdings brachte sie kein Wort über ihre Lippen. Mara konnte nicht mehr klar denken. Ihre Gefühle und Gedanken überschlugen sich.

Nach einigen Minuten des Schweigens, brach die Frau im Krankenbett plötzlich die Stille. „Warum hast du sie nicht nach Hause gebracht? Warum musstest du sie gehen lassen, mitten in der Nacht? schrie Mara ihre Tochter voller Vorwürfe an.

Erschrocken und zutiefst verletzt stierte Chloe ihre Mutter an. Wie oft machte sie sich bereits selbst grosse Vorwürfe, dass sie ihre Schwester nicht vor der Haustüre abgeladen hatte. Dass nun ihre allesgeliebte Mutter ihr das ins Gesicht schleudern musste, war überflüssig. Machte Finn ihr ebenfalls Anschuldigungen, dass Dana verschollen war?

Chloe nahm ihre Tasche und verliess, ohne ein weiteres Wort oder einen Blick zurück zu ihrer Mutter, das Krankenzimmer.

Raul wollte mit Mike Linner und Pepe Müller über ihre Fortschritte sprechen, aber traf niemanden in ihrem Büro an. Er wollte ihnen schon eine Nachricht hinterlassen, da kam Linner soeben um die Ecke.

„Seid ihr mit der Liste durch?“ wollte Raul wissen.

„So gut wie.“

„Was habt ihr herausgefunden?“

„Es kommen vier Personen in Frage. Einer verstarb letztes Jahr. Hatte einen Herzinfarkt. Alle anderen sind entweder weit weggezogen, wieder im Knast oder haben ein Alibi.“

„Überprüft die vier Ex-Sträflinge.

„Wird gemacht.“

„Was habt ihr über den Ex-Mitarbeiter der Firma Oppis Sicherheitstechnik erfahren?“

„Der kommt nicht in Frage. Er hat sich ein Bein gebrochen.“

„Na und? Das heisst noch lange nichts.“

„Er war in einen Unfall verwickelt und wurde mit der Ambulanz ins Spital gebracht. In der Nacht, in der Dana verschwand.“

„Ok. Ruft mich an, wenn ihr was habt.“

Raul begab sich nach Horw, um nach Finn zu sehen und ihm seine neusten Entdeckungen mitzuteilen. Er klingelte. Gleich darauf wurde ihm das Tor geöffnet. Die Tür wurde ihm von einer ihm unbekannten Frau geöffnet. Später stellte sich heraus, dass sie Winters neue Haushälterin war.

Raul traf Finn in der Bibliothek an, der kaum registrierte, dass jemand in den Raum getreten kam.

„Hallo Finn.“

„Hi.“ brachte der Staatsanwalt müde heraus.

Raul setzte sich in einen freien Sessel. Erst jetzt stellte er fest, dass sein Freund ungepflegt aussah und um diese Zeit bereits ein Glas Cognac in der Hand hielt.

„Pepe und Mike haben die Namen auf deiner Liste überprüft. Vier werden sie genauer evaluieren. Ausserdem hat das Labor den Zeigefinger identifiziert. Er ist nicht von deiner Frau.“ betonte er gezielt langsam.

Endlich blickte Finn zum ersten Mal auf, seit Raul aufgetaucht war. „Gott sei Dank.“ und atmete einmal tief durch. „Aber von wem ist er dann?“

„Die Frau hiess Maisie Haige.“

„Hiess?“

„Wir haben ihre Leiche vor ein paar Wochen auf der Mülldeponie gefunden.“

„Ach ja, genau. Davon habe ich gehört. Der Täter ist noch nicht gefasst oder?“

„Wir hatten einen Hauptverdächtigen. Mussten ihn jedoch wieder laufen lassen, da er anscheinend ein stichfestes Alibi besitzt.“

„Denkst du, dass der Mörder von Maisie Haige die gleiche Person ist, wie die, die Dana entführt hat?“

„Es muss eine Verbindung geben. Aber welche, weiss ich noch nicht.“

„Wie heisst der Verdächtigte im Fall Haige?“

„Switch Tanner. Kennst du ihn?“

Finn sprach den Namen mehrmals in seinen Gedanken aus. Er konnte sich täuschen, glaubte jedoch, dass er bereits mit diesem Mann zu tun hatte. „Hast du seine Akte durchgesehen?“

„Ja. Ich bin mir fast sicher, dass du dich bereits mit ihm befassen musstest. Switch wurde wegen mehreren Straftaten verurteilt. Er sass schon zweimal für kurze Zeit im Gefängnis. Ich habe ihm eine Vorladung zukommen lassen.“

„Wann ist er verpflichtet, in der Kripo zu sein?“

„Morgen um neun.“

„Ich werde anwesend sein.“ entgegnete Finn kurz und knapp.

Raul hatte ein eigenartiges Gefühl dabei. Vielleicht aber konnte Finn die passenden Fragen stellen oder bewirken, dass Switch Tanner gewisse Emotionen zeigte, die sie weiterbrachte.

Chloe hatte nicht mal mehr die Kraft eine Runde zu joggen, obwohl ihr der Sport immer als gute Ablenkung diente. Seit mehreren Stunden sass oder besser gesagt, lag sie fast regungslos in ihrem Wohnzimmer herum, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Irgendwann hielt sie diese leere nicht mehr aus und rief ihre Freundin an. Sie brauchte jetzt jemanden zum Reden. Zum Glück befand sich Sina zu Hause und hatte erst später eine Verabredung. Sie versprach Chloe in den nächsten Minuten bei ihr zu sein.

Sina hielt ihr Versprechen und tauchte schon nach kürzester Zeit bei Chloe auf.

„Ich bin so schnell gekommen wie ich konnte, meine Liebe.“ Sina drückte Chloe fest an sich. „Gibt es eine Spur von Dana?“

„Danke Sina, dass du hier bist. Meine Schwester ist wie verschollen. Niemand will wissen, wo sie sich befindet.“

„Ihr geht es bestimmt gut.“ versuchte Sina ihre Freundin zu beruhigen.

„Heute Morgen besuchte ich meine Mutter im Krankenhaus. Natürlich konnte ich das wegen Dana nicht vor ihr verheimlichen. Sie machte mir Vorwürfe, dass ich meine Schwester nicht vor die Haustür gebracht habe. Hätte ich es getan, wäre das alles nicht passiert. Das ist die Meinung meiner Mam. Ich kann nicht glauben, dass sie mir so was an den Kopf wirft.“

„Das tut mir leid. Ich denke sie steht unter ziemlichen Schock, dass sie so etwas zu dir gesagt hat.“

„Sie müsste wissen, dass Dana einen extrem sturen Kopf besitzt. Ich habe wirklich versucht, sie davon abzuhalten, nach draussen zu gehen. Sie wollte es jedoch unbedingt. Was also hätte ich anders machen sollen?“

„Beruhige dich. Morgen sieht alles wieder anders aus. Du wirst sehen. Geh am nächsten Tag zu Mara und versuch mit ihr zu reden.“

„Ich habe keine Lust mir weitere Vorwürfe anzuhören. Sie kann sich ausnahmsweise bei mir entschuldigen.“

„Das ist doch nicht dein Ernst. Deiner Mutter geht es momentan gar nicht gut und liegt im Krankenhaus. Da solltest du vielleicht ein wenig Rücksicht auf sie nehmen.“ gab Sina zurück.

„Immer sollte man Nachsicht mit Mara haben. Doch was ist mit mir, mit meinen Gefühlen? All die Jahre versuche ich Mams Wünsche zu erfüllen. Als das mit Patrick passiert ist, hatte sie kein einziges aufmunterndes Wort für mich übrig. Meine ganze Zukunft war mit einem Mal zerstört. Alles was ich liebte und geplant hatte, war einfach zertrümmert. Ich habe mir gewünscht, dass sie sich mir ein wenig annimmt. Doch war dies nicht der Fall. Dauernd steht ihre Krankheit im Vordergrund. Ich liebe meine Mam. Doch würde ich mich freuen, wenn sie ihre Erkrankung für ein einziges Mal wegstecken könnte und sich um die Probleme ihrer Töchter kümmern würde.“

Sina wusste nicht was sie darauf erwidern sollte. Stattdessen nahm sie ihre Freundin in die Arme, die leise vor sich hin weinte. Nach einigen Minuten, hatte sich Chloe wieder beruhigt.

Sina wollte wissen, wie die Fahndung verlief und so kamen sie auf den Polizisten Raul zu sprechen. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. War das wirklich Chloe, die sich seit langer Zeit wieder einmal einem Mann hingab? Sina wollte jede Einzelheit erfahren, die ihre Freundin letzte Nacht erlebt hatte.

„Es war sehr befreiend und ich habe mich beschützt gefühlt. Für ein paar Stunden hatte es sich richtig angefühlt. Jedoch darf das, was passiert ist, nicht mehr geschehen.“ Chloe sagte das mit sehr bestimmter Stimme, dass Sina nichts mehr zu diesem Thema erwähnen wollte.

Gerade als sich Chloe und Sina, an der offenen Tür, voneinander verabschiedeten, kam ihnen Raul entgegen. Sina hörte ihre Freundin neben sich leise aufstöhnen.

„Ist das dein angeblicher Polizist?“ lächelnd blickte sie zu Chloe. „Den würde ich nicht so schnell von der Bettkante stossen.“ flüsterte sie ihr zu.

Chloe gab Sina einen leichten Seitenhieb. „Gut dass du jetzt gehen musst.“ schmunzelte sie ihre Freundin an. Gleich darauf begrüsste Raul die beiden Frauen.

„Hallo. Ich bin Raul.“ und streckte Sina die Hand entgegen.

„Sina.“

Raul wandte seinen Blick Chloe zu und musterte sie von oben bis unten. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Den ganzen Tag musste er an diese bezaubernde Frau denken. Er machte einen Schritt auf sie zu, um ihr einen Kuss zu geben, aber Chloe wich von ihm zurück. Fassungslos starrte er sie an.

„Ich muss los. Hat mich gefreut Sie kennenzulernen Raul.“ ohne ein weiteres Wort lief Sina die Treppe hinunter.

Nach wie vor stand Raul verwirrt vor Chloe im Flur. „Darf ich hereinkommen?“

„Ich weiss nicht, ob das so eine gute Idee ist.“

„Was ist los Chloe? Ist etwas geschehen?“

„Ich hatte einen ziemlich strengen Tag.“ sie wollte sich schon abwenden und die Tür hinter sich schliessen. Doch Raul hielt sie auf.

„Habe ich irgendwas falsch gemacht?“

Raul drängte sie in die Wohnung. Er wollte in aller Ruhe mit ihr reden. „Ich dachte uns verbindet etwas oder habe ich mir das nur eingebildet?“

„Ja uns verbindet was. Die Suche nach meiner Schwester!“ entgegnete sie schroff. Raul blieb wie angewurzelt stehen. Was war hier los? Warum benahm sich Chloe so seltsam? War sie nur auf einen One Night Stand aus? Wenn er ehrlich zu sich war, war es bei ihm bis anhin nicht anders. Jedoch fühlte er sich auf unerklärliche Art und Weise sehr zu Chloe hingezogen. Erneut versuchte er auf sie zuzugehen. Abermals trat sie zurück, bis sie an eine Wand stiess und nicht mehr weiter konnte.

„Bitte nicht.“ hörte sich Chloe leise sagen.

„Was soll ich nicht?“ Raul drückte sich an sie. Er beugte sich vor und küsste sie auf ihre weichen Lippen.

Chloes Widerstand schmolz mit jeder Sekunde weiter dahin. Wie sie diesen zarten Mund vermisste und seine starken Arme, die sie fest an ihn drückten.

„Ich habe dich vermisst.“ raunte Raul ihr ins Ohr, als er anfing an ihrem Ohr zu knabbern.

Langsam löste sich die Starre, die Chloes Körper beherrscht hatte. „Und ich dich erst.“ erwiderte sie mit heiserer Stimme.

Ohne jegliche Mühe hob Raul Chloe hoch, trug sie zum nächsten Sofa und legte sie hin. Langsam löste er sich von ihr, um ihr die Träger des weissen Sommerkleides von den Schultern zu streifen. Sein Mund glitt über die Schulter, langsam den Hals hinunter und Richtung Busen. Er liebkoste ihre Brustwarzen, die sogleich auf seine Berührungen reagierten.

Chloe konnte es kaum erwarten, seinen Körper auf dem ihren und seine Männlichkeit in ihr zu spüren. Doch zuerst wollte sie sich für letzte Nacht revanchieren. Sie schob Raul behutsam von sich und richtete sich auf. Er setzte sich neben Chloe aufs Sofa und beobachtete sie mit einem fragenden Blick.

„Nun bin ich an der Reihe.“ Erstaunt über sich selbst, öffnete Chloe mit etwas zittrigen Händen Rauls Hose und zog sie langsam nach unten. Darunter sah sie wie sich seine Manneskraft in seiner Boxershorts deutlich abzeichnete. Sie lächelte Raul schüchtern an und streifte nun auch diese ab. Behutsam nahm sie ihn in seinen Mund. Zuerst zögernd dann immer stürmischer saugte und leckte sie an seinem Penis.

Raul hielt seine Augen geschlossen und genoss die Liebkosungen, die ihm Chloe schenkte. Er konnte sich kaum noch beherrschen, jedoch wollte er es nicht so schnell beendet haben.

Plötzlich hob er Chloe auf. Raul legte sie aufs Sofa und schob ihr Kleid über die Hüften. Er kniete zwischen ihre Schenkel und strich mit seiner Hand zuerst das rechte, dann das linke Bein hinauf. Langsam fanden seine Finger den Weg zu ihrer goldenen Mitte und massierten mit einem leichten Druck und feiner Kreisbewegung ihre Vagina. Chloe hob ihm ihr Becken einladend entgegen. Sie fühlte sich erregt und ziemlich feucht an. Der Zeitpunkt war da, wo er nicht mehr länger warten wollte und konnte und drang sorgsam in sie ein. Ihre Bewegungen wurden fordernder, schneller und härter. Ihre Körper klatschten hart gegeneinander, als sie ihre Hüften einander entgegen schoben, um sich so nah wie möglich zu sein.

„Kehr dich auf den Bauch und streck mir dein Hinterteil entgegen.“ befahl Raul mit erregter Stimme.

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