Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Komödie

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Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Komödie
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Luise Adelgunde Victorie Gottsched

Die Pietisterey im Fischbein-Rocke

Komödie

Herausgegeben von Wolfgang Martens

Reclam

2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2020

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961690-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014007-9

www.reclam.de

Inhalt

  Vorrede des Herausgebers.

  Spielende Personen

  Die Pietisterey im Fischbein-Rocke

  Erste Handlung.

  Andere Handlung.

  Dritte Handlung.

  Vierte Handlung.

  Fünfte Handlung.

  Zu dieser Ausgabe

  Anmerkungen

  Literaturhinweise

  Zeittafel

  Nachwort


[7]Vorrede des Herausgebers.

Weil es doch eine hergebrachte Gewohnheit ist, daß ein Buch eine Vorrede haben muß; Ich aber dem Geneigten oder Ungeneigten Leser nichts anders zu sagen weiß, als was in folgenden beyden Briefen enthalten ist: So will ich dieselbe ohne fernere Weitläuftigkeit mittheilen.

Der Brief des Herausgebers an den Verfaßer dieses Lust-Spiels.

Hoch-Ehrwürdiger,

Hochgelahrter Herr!

Ich habe die gröste Ursache von der Welt, E. H. für das neulich übersandte Manuscript verbunden zu seyn. Es ist nicht nöthig, daß ich mit vielen Worten bezeuge, wie unvergleichlich es Denenselben gerathen; da dieses ohnedem das gewöhnliche Urtheil ist, welches die Welt von Dero Schrifften zu fällen pflegt. Wenn ich davor nur die ungemeine Freude beschreiben könnte, welche dadurch in einer grossen und aufgeweckten Gesellschafft neulich entstanden, wo ich dasselbe von Anfang bis zum Ende vorzulesen mir die Freyheit genommen. Dieses aber mit Worten zu beschreiben wird mir gantz unmöglich fallen. Und ich will nur so viel sagen, daß auch die allerernsthafftesten Leute mehr als hundert mahl überlaut zu lachen genöthiget worden, und daß ich vor dem unzähligen Händeklatschen der übrigen wohl mehr als hundert mahl im Lesen inne halten müssen. Das ist aber noch nicht alles. Die gescheidesten Köpffe in dieser Gesellschafft traten alsobald zusammen, [8]und beschlossen mit einhelligen Stimmen, daß man der Welt dieses vortreffliche Lust-Spiel nicht mißgönnen müste. Wieder diesen Entschluß hatte die gantze Gesellschafft nichts einzuwenden, als dieses: Wo man denn einen Verleger darzu hernehmen würde. Weil sich so leicht kein Buchdrucker entschliessen würde eine Schrifft zu drucken, die allem Ansehen nach gewissen Leuten sehr mißfallen, und sie zu der empfindlichsten Rache gegen denselben anflammen würde. Doch kaum war dieser Einwurff vorgebracht; so war er auch schon gehoben. Eben diejenigen, so auf den Anschlag gekommen waren, dieses Werck drucken zu lassen, erbothen sich auch die Kosten darzu herzugeben. Ich versetzte hierauf, daß sie die Rechnung ohne den Wirth gemacht hätten, und versicherte, daß E. H. es niemahls zugeben würden, daß diese Schrifft, die sie niemahls zum Drucke bestimmt hätten, ans Licht treten dürffte. Ja ich selbst drohete, mich mit aller Macht darwider zu setzen; weil dasjenige, was mir im Vertrauen überschickt worden, auch nur in meinen Händen bleiben müste: wofern ich nicht bey dem Verfasser den Vorwurff einer Treulosigkeit verdienen wollte. Doch alles vergebens! Man hatte sich einmahl Dero Manuscripts bemächtiger, und es war mir nicht möglich, dasselbe wiederum in meine Hand zu bekommen. Alles was man mir dabey einräumte, war dieses, daß man mir den ersten Abdruck der Bogen zusenden, und mir die Bemühung überlassen würde, für die Ehre meines Freundes dabey zu sorgen; damit nemlich seine Schrifft, so viel als möglich, ohne Fehler ans Licht kähme. Was sollte ich thun? Gewalt gieng vor Recht, und ich muste mir endlich gefallen lassen, was ich nicht hindern kunte. Nunmehro ist Dero Werck würcklich unter der Presse, und [9]ich habe die Ehre, als eine getreue Heb-Amme, dieses so wohl gerathene Kind E. H. ans Tages-Licht zu bringen. Hiermit übersende die ersten Bogen desselben, und bitte über dem ersten Anblick derselben nicht gar zu sehr zu erschrecken, vielweniger einen unverdienten Haß auf mich zu werffen. Ich kan aufs theuerste versichern, daß ich alles gethan habe, was nur in meinen Kräfften gestanden, den Abdruck dieser Schrifft zu verhindern. Ich ergriff auch sogleich die Feder, E. H. Nachricht davon zu geben: Aber ehe der Post-Tag kahm; so hatte ich schon die zwey Bogen zur Ausbesserung der Druckfehler erhalten. So eilfertig sind diese Herren in der Ausführung ihres Vorhabens gewesen. Weil ich also selbst zu geschehenen Dingen das beste zu reden genöthiget bin; so schlage ich mich selbst zu der Parthey, meiner ehemahligen Wiedersacher, und versichere E. H., daß Sie von der Bekanntmachung dieses Meister-Stückes nichts zu besorgen haben. Denn was wollen die Gegner davon sagen? Ist es etwan eine Sünde, lächerliche Leute auszulachen? Warum haben sie in unzehlichen Schrifften sich selbst der klugen Welt zum Gelächter gemacht? Man hat lange genug ernsthafft mit diesen Leuten gestritten: Aber was hats geholffen? Sie sind selber dadurch in dem Wahne bestärcket worden, als ob ihre Neuerungen und Mystische Fantasien was recht wichtiges seyn müssten: Indem sich auch die grössten GOttes-Gelehrten, ja wohl gar gantze Theologische Facultäten die Mühe gegeben, wider sie zu Felde zu ziehen. In diesem Kriege aber ist es gegangen, wie dort bey dem Drachen in der Fabel, dem an statt eines abgehauenen Kopffs allemahl drey andere wieder wuchsen. Daher haben schon längst verständige Männer geurtheilet, man müsse solchen Schwärmern die [10]Ehre nicht mehr anthun, ernstlich wider sie zu streiten; und würde besser thun, wenn man sie mit Satyrischen Waffen zu erlegen bemühet seyn würde. Dieses haben nun E. H. mit so glücklichem Erfolg ins Werck gerichtet, daß dadurch nothwendig einer unzehlbahren Menge verführter Seelen die Augen geöffnet werden können. Wollte man sagen: Daß gleichwohl die Heil. Schrifft und viele Glaubens-Artickel mit dabey etwas leiden, und zum Gelächter werden würden; so wird doch ein Unpartheyischer leicht sehen, daß nicht die Schrifft selbst, auch nicht die Glaubens-Lehren, sondern nur die einfältigste Art, selbige zu mißbrauchen, gemeinet sey. Wäre dieses nicht; so müsste man auch behaupten, der theure Lutherus hätte sich an den Geheimnissen der Religion vergriffen, weil er den Mißbrauch der Papisten in seinen Schrifften lächerlich und verächtlich zu machen gesucht, ja wohl gar die Mönche und Pfaffen vor Ochsen und Esel gescholten, und die Bullen der Päbste Drecketen geheissen. Wem ist es also zu verargen, wenn er nach Nothdurfft dieser Zeiten in die gesegneten Spuren dieses theuren Rüst-Zeugs GOTTES tritt? Mehr darf ich E. H. vermuthlich nicht vorstellen, meine Kühnheit zu entschuldigen; und verharre also mit aller gewöhnlichen Hochachtung

Deroselben

verbundenster Diener,

Der Herausgeber.

[11]Antwort des Verfaßers an den Herausgeber.

Hoch-Edler Herr,

Hochgelahrter Herr!

Nichts hat mich jemahls in solche Bestürtzung gesetzt, als Dero letztes Schreiben. Sie können leicht dencken, wie mir zu Muthe gewesen seyn müße, da ich vernommen, daß sie eine Schrifft, die bloß zu meiner eigenen Vergnügung, und höchstens zur Lust einiger vertrauten Freunde bey müßigen Stunden aufgesetzet worden, einer grossen Gesellschafft vorgelesen hätten. Ich bereuete es bey dieser Nachricht schon, daß ich dieselbe Eurer Hochedlen so guthertzig zugesendt. Aber was vor Empfindungen von allerley Arten bemeisterten sich nicht meines Gemüths? als ich aus der fortgesetzten Erzehlung vernahm, was vor ein seltsames Schicksal über mich verhängst sey. Um GOttes Willen! was fangen Sie mit mir an? Ist denn dasjenige Vertrauen, so ich zu Dero auffrichtigen Freundschafft gehabt, einer solchen Straffe wehrt gewesen? was wird die Welt von mir gedencken? von mir, dessen Amt und Lebens-Art am allerwenigsten zu einer solchen Schreib-Art Anlaß geben sollte? Wollen Sie mir noch mehr Verdruß und Streitigkeiten über den Hals laden, als ich schon wegen einiger weit unschuldiger Schrifften wieder dieses Fanatische Geschmeisse bekommen habe? haben Sie nicht bedacht, an was vor einem Orte ich lebe? und wie leicht man auf die Muthmassung fallen wird, daß ich der Urheber dieser Schrifft nothwendig seyn müsse? gleichwol, wenn ich die Wahrheit gestehen soll; so bin ich nicht einmahl dafür anzusehen. Ein gewisser ungenannter Frantzose hat mehr Theil daran, als ich. Und ich bin eher vor einen unschuldigen Übersetzer, als für [12]den Urheber dieses Lust-Spiels anzusehen. Ich sehe mich genöthiget Ihnen dieses zu bekennen: weil ich gemercket, daß Sie mir dieselbe einzig und allein zuschreiben, welche Ehre mir doch gar nicht gebühret. Sie wissens, daß vor etlichen Jahren in den Jansenistischen Händeln zu Paris allerhand Comödien gedruckt worden, diese Secte dadurch lächerlich zu machen. Die allererste und beste darunter hieß: La Femme Docteur ou la Theologie Janseniste tombèe en Quenouïlle. So bald ich diese zu lesen bekam, vergnügte ich mich über die sinnreiche Art, welcher sich der Verfasser bedienet hatte, die Frömmlinge und Scheinheiligen seines Orts zum Gelächter zu machen; Und ich wünschte von Hertzen, daß sich auch in unserer Kirche eine scharffsinnige Feder finden und dem Unheile der Scheinheiligkeit auf gleiche Art steuren möchte. Ich habe etliche Jahre vergebens darauf gewartet, und also endlich selbst den Entschluß gefasset, doch nur zu meinem eigenen Vergnügen, einen Versuch zu thun, in wie weit sich die Erfindungen des Frantzösischen Scribenten auf unsern Zustand schicken würden. Ich kan auch nicht läugnen, daß ich viele Personen und gantze Auftritte seines Schau-Spiels gantz und gar ausgelassen, und hingegen manches von den meinem habe hinzu setzen müssen. Doch wird derjenige, der das Original gelesen, nicht ohne Verwunderung wahrnehmen, daß diese Art von Sonderlingen sich in Paris und Deutschland so sehr ähnlich sehen. Bey dem allen aber ist mirs niemahls in den Sinn gekommen, diesen Versuch einer Comischen Schreib-Art, darinnen ich mich sonst niemahls geübt, und dazu ich mich für gantz ungeschickt halte, weder unter meinem Nahmen, noch ohne demselben ans Licht zu stellen. Doch was wird mir dieses alles helffen? nachdem [13]es mit der Sache einmahl so weit gekommen ist, daß es nicht mehr bey mir stehet, den Druck derselben zu hindern. Soll ich auf Eure Hoch-Edlen losziehen, oder mich selbst anklagen, daß ich ihnen diese Schrifft so treuhertzig anvertrauet? beydes wird umsonst seyn. Und ich sehe also wohl, daß ich mein Schicksal werde erwarten müssen. Wenn es Ihnen aber immer möglich ist; so thun sie mir nur dieses zu Lieb, und verhindern es, daß die Comödie nicht gar zu häuffig abgedrucket, und sonderlich kein Exemplar davon hieher geschicket werde. Dieses ists alles, was ich vor jetzo thun kan, um nicht verrathen zu werden. Übrigens werden Sie meinen Nahmen auf das sorgfältigste zu verschweigen, und in der Vorrede die Welt zu überzeugen wissen, daß ich an dem Drucke dieser Schrifft keinen Theil gehabt, auch meinen Beyfall darzu nicht gegeben habe. Noch eins fällt mir ein: Könnte man nicht, wenn die Herren, auf deren Kosten die Schrifft gedruckt wird, mit einigen Exemplaren versorgt sind, alle übrigen auf meine Kosten erhandeln, und mir selbst zusenden, das Geld soll mich nicht reuen, so ich darauf wenden müste. Doch was wird es helffen; Wenn auch nur ein eintziges Exemplar an einen Gewinnsüchtigen Buchhändler kähme: er würde es doch ohne Zweifel wieder auflegen lassen.

 

Hiermit verharre ich etc.

[14]Spielende Personen

Herr Glaubeleicht.

Frau Glaubeleicht, seine Frau.

Jungfer Dorchen, älteste Tochter des Herrn Glaubeleichts.

Jungfer Luischen, ihre Schwester, und Verlobte des Herrn Liebmanns.

Herr Wackermann, ein Obrister, und Bruder des Herrn Glaubeleichts.

Herr Liebmann, Bräutigam der Jfr. Luischen.

Herr Magister Scheinfromm.

Der junge Herr von Muckersdorff, Scheinfromms Vetter.

der Frau Glaubeleichtin ihre Beth-Schwestern.

Frau Zanckenheimin,

Frau Seuffzerin,

Frau Ehrlichin, eine gemeine Bürgers-Frau.

Cathrine, der Frau Glaubeleichtin ihre Magd.

Frau Bettelsackin, die Allmosen-Sammlerin der Pietisten.

Jacob, ein Pietistischer Bücher-Krämer.

Der Advocat.

Der Schau-Platz ist in Königsberg, in der Frau Glaubeleichtin Hause.

[15]Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Oder: Die Doctormäßige Frau.

[17]Erste Handlung.
Erster Auftritt.

Jungfer Luischen, Cathrine.

JUNGFER LUISCHEN. Cathrine!

CATHRINE. Jungfer Luischen!

JUNGFER LUISCHEN. Was ist das wieder vor ein Pack Bücher, was du da versteckst?

CATHRINE. Ach! frage sie nur nicht; sie wirds schon zeitig genug erfahren.

JUNGFER LUISCHEN. Wie? ists schon wieder eine solche verzweifelte Scarteque, die die Mama mir immer zu lesen giebt?

CATHRINE. Ja, ja! das wäre mir eine rechte Scarteque! Nein, meine liebe Jungfer Luischen! es ist ein schönes grosses Werck in Octav, wenn sie es wissen will: Und dancke sie noch dem Autor, daß er, wie es scheint, des Lügens müde geworden ist; sonst wäre wahrhaftig ein guter Foliante daraus geworden. Lese sie nur den Titul: Fußstapfen der Wunder GOttes im Hällischen Wäysen-Hause. Ist das nicht lustig?

JUNGFER LUISCHEN. Ach Cathrine! ich ärgere mich fast zu Tode.

CATHRINE. Ja, ja! ich glaube es wohl, daß sie lieber einen Roman oder eine Comedie läse; aber ihre Mama versteht das Ding besser: Hübsche Hertzens-Catechismi; ein Heiliger oder ein Vieh; Hoburgs unbekannter Christus; Freylingshausens Grundlegung; das, das gehört zur [18]Erziehung eines Mädgens, welches in der Welt sein Glücke machen soll!

JUNGFER LUISCHEN. Schweige doch nur!

CATHRINE. Ich weiß wohl, daß sie schon seit zwey Jahren an den Herrn Liebmann versprochen ist; und daß die Vollziehung der Heyrath nur auf die Mama ankömmt: Allein, meynt sie, daß die Frau Glaubeleichten sie einem Manne geben werde, ehe sie recht Doctormäßig, und in der Lehre vom wahren innern Christenthume des Hertzens recht befestigt ist? Nicht so, nicht so! Ich wette, daß sie noch nicht einmahl weiß, was Christus in uns, und die Salbung sammt dem Durchbruche sey?

JUNGFER LUISCHEN. Zum Hencker! Wozu soll ichs denn wissen?

CATHRINE. Wie? und sie will heyrathen? Pfuy Jungfer Luischen!

JUNGFER LUISCHEN. Ach! ich bitte dich, stehe doch nur der Mama nicht bey. Ist wohl ein unglücklichers und närrischer erzogenes Mädgen in der Welt, als ich? Meine Mutter, welche selbst nicht mehr weiß, was sie in der Welt für eine Figur machen soll, hat sich die närrischen Grillen der Pietisterey in dem Kopf gesetzt. Was hat sie nicht für einen Character! wie hartnäckigt und eigensinnig ist sie nicht, bey aller ihrer scheinbaren Gelindigkeit!

CATHRINE. Gelindigkeit? Ja! man verlasse sich nur darauf!

JUNGFER LUISCHEN. Zwey Jahre bin ich schon dem Herrn Liebmann verlobt; gleichwohl habe ich kaum die Erlaubniß ihn zu sprechen. Ich sehe niemanden, als allerley Arten von Heuchlern, Canditaten, Magisters, und lächerliche Beth-Schwestern. Zu Hause schwatzt man von [19]lauter Orthodoxen und Ketzermachern; gehe ich aus, so muß ich eben wieder solch Zeug anhören. Du weist, daß ich der Mama zu gefallen Speners Predigten von der Wiedergeburt, und so viel anderes Zeug, gantz auswendig gelernet habe. Ich habe mich bisher gestellt, als wenn ich mit ihr einer Meinung wäre; damit ich sie nur gewinnen möchte: Aber nun bin ichs auch überdrüßig. Ich kanns nicht länger aushalten! Und wo mein Vater nach seiner langen Abwesenheit nicht bald wieder kömmt, und allen diesen Verwirrungen ein Ende macht; so – – –

CATHRINE. O ja doch! Sie ist gewiß von den Leuten, die was rechts unternehmen. Sie hat ja nicht das Hertze der Mama ein Wort zu sagen.

JUNGFER LUISCHEN. Es ist wahr! Aber nun habe ich mir es vorgesetzt: Ich will nicht länger heucheln! Ich will ihr meine Meinung sagen, und wanns noch heute wäre.

CATHRINE. Ich muß gestehen, daß ihr Herr Vater sehr unbillig handelt, daß er uns so lange Zeit dem Eigensinne seiner närrischen Frauen überlässt. Er hat sie verlobet: Sie soll die Hochzeit vollziehen, indessen reiset er seiner Geschäffte wegen nach Engelland. Der liebe GOtt sey mit ihm! Mich dünckt aber er wird bey seiner Wiederkunft sehr erschrecken, wenn er sie noch ledig, und sein Haus in diesem schönen Zustande finden wird. Sein Keller ist zur Buchdruckerey; seine Böden sind zu pietistischen Buchläden; und seine Zimmer zu Winckel-Kirchen geworden. Wie wird er nicht erstaunen, wenn er einen Hauffen begeisterter Böhmisten und Quäcker finden, und seine Frau als eine Päbstin unter ihnen sitzen sehen wird. Die Laquaien selbst zancken sich schon über die dunckeln Schrifft-Stellen; und ich hörte nur noch [20]neulich, daß der Kutscher seine Pferde vor Orthodoxen schalte; weil er kein ärger Schimpf-Wort wuste.

JUNGFER LUISCHEN. Aber du selbst schmeichelst der Mama am allermeisten in dieser Thorheit.

CATHRINE. O! davon habe ich meinen guten Nutzen. Die Mama traut mir. Es wirfft allerley ab; und ich kriege selbst ein Ansehn im Spiele. Glaubt sie wohl, daß Herr Magister Hängekopf mit mir schöne thut? und daß die Schuld nicht an ihm liegt; wenn ich keine handgreiffliche Ketzerey begehe. Aber GOtt sey Danck! Ich bin sehr Orthodox auf meine Ehre!

JUNGFER LUISCHEN. Du bist nicht klug! was meinst du aber von meiner Schwester? mich dünckt sie sucht der Mama meine Heyrath aus dem Sinne zu reden.

CATHRINE. Sollte nicht etwas Neid mit unterlauffen? Vielleicht wohl gar einige Neigung gegen den Herrn Liebmann.

JUNGFER LUISCHEN. Was sagst du? Meine Schwester ist so tugendhafft! Sie ist mit lauter Religions-Zänckereyen beschäfftiget. Es scheint, daß sie die Welt recht ernstlich hasset. Sie kan sich ja kaum entschliessen einen Fischbein-Rock zu tragen.

CATHRINE. Das ist wahr! Aber die strengste Tugend hat ihre schwache Seite.

JUNGFER LUISCHEN. Mich tröstet die Hoffnung, daß mein Vater bald wieder kommen wird.

CATHRINE. Er wird ja freylich bald kommen müssen: Und es heist auch in dem letzten Briefe: Er würde mit ehesten eintreffen.

JUNGFER LUISCHEN. Wenn er aber nicht käme? Könnte nicht auch mein Vetter die Mama bewegen, daß sie [21]meine Heyrath vollzöge? Er hat mir versprochen, noch heute mit ihr davon zu sprechen. Was meinst du?

CATHRINE. Wer? der Herr Vetter Wackermann? Nein, Jungfer Luischen! Herr Wackermann ist ein Officier, ein redlicher, vernünfftiger, verständiger Mann, der mit ihrer Mama – – – nur klug und vernünfftig redet: Aber damit nimmt sie kein Mensch ein! Doch ich muß gehen.

JUNGFER LUISCHEN. Höre doch! Es fällt mir ein, ob wir nicht den Herrn Scheinfromm gewinnen könnten? Er gilt viel bey der Mama.

CATHRINE. Ja! das weiß ich! aber trau sie ihm nicht. Die Mama thut nichts, als was dieser heilige Mann ihr einbläset: Es ist also sehr wahrscheinlich, daß er wohl gar selbst die Ursache ihrer verzögerten Hochzeit ist. Wer weis, was er für einen Nutzen darunter sucht? Er hat einen Vetter.

JUNGFER LUISCHEN. Nun? Er hat einen Vetter?

CATHRINE. Geb sie acht! Er hat sich wohl gar in den Kopf gesetzt, daß sein Vetter ihr Mann werden soll: Und wenn er es erst beschlossen hat; an der Mama wird es nicht fehlen. Denn es ist erschrecklich, der Mensch hat keine Verdienste, er hat keinen Verstand, es ist gar nichts an ihm: Und er hat mit seinen heuchlerischen Mienen und Reden die Frau so eingenommen. Dem sey wie ihm wolle; Ich mercke daß er seit einiger Zeit gegen mich sehr höfflich thut. Vielleicht hat er mir etwas zu entdecken. Ich wills abwarten. Aber stille! Da kömmt ihre Mama mit der Jungfer Schwester.