ins Nahetal und hielt ganz allein am Fuß der Felsen,
und es dämmerte schon, oben aber sprang eine
schwarze Gestalt von Fels zu Felsen, einer Gemse
gleich, und mit einem Male stand der Fremde auch
unten im Tale. Was machtest du da droben? fragte der
Ritter. Ich nahm einstweilen die Maße, antwortete
jener und fragte: Nun, soll ich? Fast hätte der Rheingraf
gesagt: In Gottes Namen – da wäre es gleich aus
gewesen – er besann sich und sagte bloß: Ja – aber
bis morgen früh fertig, und daß nichts fehle, Bergfried,
Mushaus, Palas, Luginsland, Mauern, Brücken,
alles, was zu einer stattlichen Burg gehört. – Am andern
Morgen glänzte die Burg flammenrot ins Nahetal
herab, alle Welt war erstaunt, solch Wunder- und
Zauberwerk war noch nicht da gewesen. Der Rheingraf
ritt nun hinauf, und der Architekt der Nacht führte
ihn in dem neuen herrlichen Eigentum umher, zeigte
ihm Hallen und Säle, Brücken und Gänge und öffnete
im Palas ein hohes Bogenfenster, die herrliche
Aussicht bewundern zu lassen. Aber der Ritter sah
nicht hinaus, er sagte spöttisch: Machet zu, hier
zieht's, wir sind warm vom Steigen. Morgen wollen
wir die Kauzenburg verlassen und hier heraufziehen.
Ihr räumt wohl den Platz und nehmt ein Zimmer im
Wächterturme? Nicht? – Der Teufel zog ein schiefes
Maul, er hatte sich schon unendlich darauf gefreut,
dem Rheingrafen einen Stoß aus dem Fenster in die
schwindelnde Tiefe zu geben und mit dessen Seele davonzufahren.
Am andern Morgen kamen der Rheingraf und die
Gräfin, und der Burgkaplan, und das Hofgesinde, die
Leibdiener, die Jäger, die Knappen, die Stallleute, die
Wächter, die Hundejungen, die Hühnerwärter, die
Schloßmägde, die Käsemutter, die Zwergin und die
Pferde, die Kühe, die Esel, die Rüden, der Meeraffe,
die Katzen. Es war ein Zug, schier gleich dem des
Erzvaters Noah, da er in den Kasten einging, zu Roß,
zu Esel, zu Wagen – alles auf das neue Schloß.
Die junge Gräfin scherzte freundlich mit dem Burgkaplan,
da droben werde es sehr zugig sein, sie wolle
ihm ein wärmeres Käpplein nähen, er möge ihr das
alte zum Muster einmal leihen – und als sie oben angelangt
war, ließ sie durch die Knappen auch ein Eselfüllen
hinauf in den Palas führen, und hieß es halten,
und band ihm das Pfaffenkäpplein auf den Kopf,
und ließ das Fenster öffnen und das Füllen daranstellen,
das schaute gar fromm und bedächtiglich zum
Fenster hinaus und spitzte die Ohren und witterte die
frische Morgenluft. Der Teufel hatte lange schon still
lauernd seitwärts gegenüber auf der Turmzinne gesessen,
jetzt sah er das Fenster sich öffnen, sah des Pfaffen
ihm wohlbekanntes Käppchen zum Vorschein
kommen, und fuhr im Nu hin, und krallte seiner Meinung
nach den Pfaffen heraus, und schmetterte ihn ins
Tal, und fing die Seele auf. Herrgott, was der Teufel
für einen Zorn hatte, als er von einer Tochter Evas
sich überlistet sah und statt einer Pfaffenseele eine
Eselsfüllenseele in den Klauen hielt! –
80. Der Stiefel voll Wein
Auf dem Steine, wo nun fortan dieser Rheingraf fröhlich
hauste, ging es zum öftern gar hoch her. Da saßen
eines Abends die Wild- und Rheingrafen und eine
große Schar Ritter von den Nachbarburgen im Saale
beisammen und zechten baß, und die Humpen kreisten.
Da saßen Ritter von Sponheim, von Dhaun, von
der Ebernburg, von Flörsheim, von Stromberg und
tranken scharf und fest. Jetzt hob der Rheingraf einen
mächtigen Reiterstiefel auf den Tisch und goß den
voll Weines und rief: Wer diesen Humpen leert auf
einen Zug, dem soll Hüffelsheim zu eigen sein mit
Wonne und Weide und aller Zubehör! – Des verwunderten
sich die Mannen und mocht sich's keiner vermessen,
schien ihnen allen der Schluck doch zu groß,
und selbst der Burgpfaff, der etwas zu leisten vermochte
in guten Trünken, und mancher andere Wakkere
wagten sich nicht daran. Da saß auch ein alter
Zecher im Kreise, Ritter Boos von Waldeck, der sah
die andern alle der Reihe nach an und wartete, ob
einer den Stiefel leeren wolle, und da es keiner tat, da
faßte er ihn in die Hand, und ließ den Wein rinnen in
seinen Schlund, und trank ihn leer bis auf die Nagelprobe,
und dann sagte er: Lieber Rheingraf, dein Hüffelsheim
schmeckte gut, wie wär' es nun mit Waldbö-
kelheim? Der Mensch kann doch nicht in einem Stiefel
gehen? – Aber der Rheingraf wollte nicht noch
einen Ort an eine Rittergurgel verlieren und schwieg
stille. Darnach ist das Sprüchwort aufgekommen: Der
verträgt einen guten Stiefel.
81. Der wilde Jäger
Der Wild- und Rheingrafen einer war ein gewaltiger
Jäger, aber nicht wie Nimrod vor dem Herrn, sondern
so recht vor dem Teufel. Einen Tag und alle Tage
ging es hinaus in die Forste, mit wildem, wüstem Gefolge.
Werktag und Feiertag, das war dem Grafen
alles gleich, in die Kirche ging er nicht, und die Pfaffen
achtete er nicht, nur Jagen war seine Freude. Da
geschah es eines Sonntagmorgens, daß der Wild- und
Rheingraf abermals vom hohen Stein mit dem Gefolge
seiner Jagdknechte und Rüden herab zu Tale zog,
mit Horrido und Hussassa, wie der Dichter singt,
durch Felder und Saaten, nichts achtend, niederstampfend
in den Boden junge Saat und reife Ähren. Es
währte nicht lange, so brachten die Hunde einen großen
weißen Hirsch auf, dessen Spur sie nun mit lautem
Kliffen und Klaffen folgten, und die Hifthörner
klangen, die Hetzpeitschen knallten, daß es nur so
sauste und brauste, immer dem Hirsch nach. In allen
Tälern riefen die Kirchenglocken zu Gebet und Amt,
der Wildgraf hörte es gar nicht. Ein Bäuerlein, in dessen
Feld der fliehende Hirsch sich zu bergen suchte,
sah den Troß auf sein Feld losjagen und fiel auf die
Knie und flehte, seines Ackers, des einzigen, welchen
es besitze, doch gnädiglich zu schonen – der Wild-
und Rheingraf überritt den Bauer und stürmte mit
dem ganzen Jagdtroß über den Acker hin. Der fliehende
Hirsch mischte sich unter eine weidende Herde, da
Sicherheit zu suchen – der Hirte sah die wilde Jagd
annahen und flehte um Barmherzigkeit für das ihm
anvertraute Vieh – der Wild- und Rheingraf knallte
ihm mit der Peitsche um die Ohren und schrie: Hui
hatz! hui hatz! – da fiel die blutgierige Meute mit wütenden
Bissen den Hirten an, und rissen ihn nieder,
und bissen die Rinder tot, und jagten den Hirsch weiter.
Dieser gewann einen Wald, dessen friedliche
Sonntagsstille jetzt gellend laut der Zug des wilden
Jägers durchtobte.
Im Walde stand eine Einsiedlerklause, und in diese
floh jetzt der auf den Tod gehetzte Hirsch. Der Wildund
Rheingraf stürmte mit seinem Troß gegen die
Klause an – der Klausner, ein Greis mit schneeweißem
Bart, trat heraus und hob warnend die Hand.
Nicht weiter! rief er mit starker Stimme. Hier ist das
Asyl der Kreatur! – In der Hölle ist dein Asyl, du alter
Hund und Narr! schnaubte der Wild- und Rheingraf
den Klausner an und hob die Peitsche hoch gegen ihn
auf. Aber die aufgehobene Rechte fiel nicht mehr zum
Schlage nieder. – Nacht ward es plötzlich – der
Klausner und die Hütte, der Hirsch und die Hunde,
die Jäger und die Knechte – alles schwand, und des
Wild- und Rheingrafen keuchendes Roß brach zusam-
men. Und da zuckte ein Blitz, und da fuhr des Teufels
Faust riesengroß aus der Erde und drehte dem wilden
Jäger den Hals um, und eine Stimme donnerte: Jage
so fort, bis an der Welt Ende! – Und also geschieht
es, wie viele viele Sagen melden, daß von Zeit zu Zeit
die wilde Jagd durch die Lüfte und über Felder und
Wälder fährt mit gräßlichem Geschrei, mit dem Kliffen
und Klaffen der Hunde, mit gespenstischem Wild,
und der wilde Jäger selbst als Wild gehetzt vom wilden
Heere der Hölle.
82. Spanheims Gründung
Es war vordessen ein Graf von Vianden und Ravenzierburg,
der liebte eine Gräfin des Nahegaues, welche
eine Witwe war, und auch sie war ihm als dem
zweiten Bewerber um ihre Hand nicht abhold – aber
der Graf hatte in einer Fehde einen nahen Verwandten
der Gräfin erschlagen, und so konnte und mochte sie
ihm, schon der Verwandtschaft wegen, die Hand zum
Ehebunde nicht so bald reichen, sondern band die Erfüllung
seines Wunsches an eine Bedingung, welche
Zeit vergönnte, jenen Fehdehandel mehr in Vergessenheit
kommen zu lassen. Sie sprach zum Grafen
von Vianden, er möge zur Sühne des Erschlagenen
eine Pilgrimfahrt in das Heilige Land antreten und
von dort ihr ein Zeichen von den heiligen Orten mitbringen,
das geweiht und beglaubigt sei, daran werde
sie seine aufrichtige Liebe und den Willen des Himmels
zugleich erkennen. – Der Graf schied vom Heimatlande,
und es währte wohl über Jahr und Tag,
bevor er an die Rückkehr denken konnte. Er kämpfte
gegen die Ungläubigen, betete an allen heiligen Orten
und erwarb, sein Gelübde zu lösen, auch einen Span
vom Kreuze des Herrn, dessen Echtheit der Patriarch
von Jerusalem durch einen Pergamentbrief mit bleiernem
Siegel beglaubigte. Der Graf von Vianden war
sehr glücklich, einen so werten Schatz zu besitzen,
und ließ eine kleine goldene Truhe anfertigen, besetzt
mit Edelgesteinen und sehr kunstvoll, und in getriebenem
Golde den Namen der Herrin, der er diente, auf
dem Deckel der Truhe anbringen. Darauf schickte
sich der Graf zur Heimreise an, voll Hoffnung auf
endliches Glück. Aber das Geschick zeigte sich ungünstig.
Auf der weiten Meerfahrt von Palästina nach
den Küsten Italiens erhob sich ein furchtbarer Sturm,
welcher das Schiff zu scheitern brachte, kaum daß die
Mannschaft das nackte Leben davonbrachte. Alle
Habe des Grafen und auch jenes wertvolle Kästchen
verschlangen die Wogen des Adriatischen Meeres. –
Arm und gebeugten Geistes, bekümmerten Herzens,
ein bettelnder Pilgrim, durchreiste der Graf die Gauen
Welschlands und Deutschlands, und so kam er auf
seinen Heimatburgen wieder an, wo er zwar des Gutes
und Geldes genug fand, allein nichts, was seinen Verlust
hätte ersetzen können. Betrübt suchte er die Gräfin
auf, sie hieß ihn freudig willkommen, er fand sie
schöner und liebenswürdiger als je vorher, das
schmerzte ihn um so tiefer, und er sprach: Frau Gräfin,
Ihr seht mich mit leerer Hand Euch wieder nahen.
Ich hatte ein kostbares Reliquienstück, einen echten
Span vom Kreuze unsers Herrn, wohlbewahrt in köstlichem
Schrein, für Euch vom Heiligen Lande mitgebracht.
Ein Sturm, der unser Schiff scheitern ließ,
raubte mir alle meine fahrende Habe und auch jenes
Kleinod, das für Euch bestimmt war, das mein Glück
an Eurer Hand begründen sollte. –
Armer Graf, sprach die Gräfin, und ihre Augen
strahlten ihn liebereich und minniglich an, so bringt
Ihr vom Kreuze des Herrn keinen Span heim? War
denn vielleicht auf dem Kästchen, das Euch der Meersturm
raubte, mein Name zu lesen?
Der Graf hörte ganz erstaunt diese Worte, er glaubte
zu träumen und rief: Beim Kreuze des Heilands,
Frau Gräfin, wie könnt Ihr wissen? –
Gottes Hand, der Heiligen Fügung! antwortete
ernst und liebreich die Gräfin, erschloß einen Schrein,
nahm aus diesem des Grafen goldne Truhe und hielt
sie dem Staunenden unter die Augen. Heute in der
Morgenstunde hat es an mein Burgtor geklopft, wie
der Pförtner öffnet, steht ein Jüngling draus, hell gekleidet,
mit einem Antlitz schön wie die Morgenröte.
Der spricht: Für deine Herrin – und gibt dem Pförtner
dieses Kleinod in die Hand. Wie der es betrachtet und
wieder zu dem Jüngling aufblickt, ist derselbe schon
hinweggeschwunden. Brauchen wir weiter Zeugnis?
Wir haben gehofft, jetzt laß uns glauben und lieben! –
Mit diesen Worten fiel die junge Witwe dem Grafen
um den Hals und küßte ihm den Verlobungskuß unter
Freudentränen. Und als beide miteinander vermählt
waren, erbauten sie eine neue Burg und ein Kloster,
und gründeten einen Ort, und nannten den Spanheim,
und stifteten den heiligen Span in ihr Kloster, und das
Kloster begabte mit kleinen Partikeln von dem Span,
reich in Gold gefaßt, auch das nachbarliche Kloster
Kreuznach, ja dessen alter Name Crucinaha, dem
Kreuze nahe, soll sogar davon abstammen. Und das
Geschlecht der beiden Vermählten blieb gesegnet
vom Herrn, viele fromme und berühmte Männer und
Frauen gingen aus ihm hervor, stifteten Klöster, bauten
Kirchen, kämpften im Heiligen Lande oder wandelten
selbst als heilige Personen durch das Leben.
83. Vom Ursprung des Moselweins
Es ist eine alte Sage, daß der herrliche Moselwein aus
dem deutschen Franken stamme. Merowig, der Westfranken
König, habe zwölftausend Bewohner des Mosellandes
in das morgenländische Franken geführt und
aus letzterem zwölftausend Einwohner in das Moselland
versetzt. Diese östlichen Franken waren gute
Wingersleute, entnahmen aus ihrem heimatlichen
Boden edle Reben und pflanzten diese im neuen Vaterlande
an, wo sie herrlich gediehen und liebliche
Weine lieferten bis auf diesen Tag.
Die Mosel entspringt im Vogesengebirge im deutschen
Sundgau aus zwei Hauptquellen, deren Flüsse
sich bei Remiremont vereinigen, und durchfließt in
den mannigfaltigsten Krümmungen das welsche Lothringen,
dann begrüßt sie deutsche Gaue und rauscht
altberühmten Städten vorüber.
Wie vom Frankenwein bis auf den heutigen Tag
der Spruch geht und gilt: Frankenwein, Krankenwein,
also daß selbst Kranken derselbe heilsam sei, so von
seinem Sohne, dem Moselwein, dem Erben seines
Ruhmes und seiner Tugenden, geht und gilt der lateinische
Reim: Vinum Mosellanum fuit omni tempore
sanum, das ist zu deutsch: Moselwein soll allzeit gesund
gewesen sein.
84. Der Heiligen Gräber
Im Mosellande beim Dorfe Chau steht eine dem heiligen
Eucharius geweihte Kapelle. Sankt Eucharius war
ein Sohn des Königs Baccius von Catalonien und der
Lientrudis, dessen Gemahlin. Dieses fromme Paar
gab aber nicht nur dem heiligen Eucharius das Leben,
sondern auch dem heiligen Eligius, der heiligen Liberia,
der heiligen Susanna, der heiligen Memia, der
heiligen Oda und der heiligen Gertrudis. Alle diese
Heiligen wurden mit vielen Edlen dieses Gaues durch
die wilden Vandalenhorden, welche Julianus Apostata
in das Land führte, umgebracht, an der Zahl zweitausendzweihundert,
und das geschah im Jahre 362 nach
Christi Geburt, am 10. Mai. So wurde jene Gegend
ein großer Totenhof, und die alte Kapelle an der
Mosel, Chau gegenüber, wurde zum Grabstein der
frommen Märtyrer und bewahrt auf Gedenktafeln das
Gedächtnis derselben der Nachwelt auf.
85. Metz versagt den Tanz
Das alte Metz, welches Frankreich, gleich den früher
deutschen Städten Toul, Verdun und Straßburg,
Deutschland abgedrungen hat, leitet schon von den
Römerzeiten seinen Ursprung und Aufbau her. Ein
Feldherr Julius Cäsars, Marius Metius, habe die
Stadt, welche Cäsar hartnäckig widerstanden, einnehmen
müssen, und habe sie verheert, dann aber herrlich
wieder aufgebaut, nach seinem Namen Metia genannt,
auch neunzehn Jahre daselbst regiert, auch einen Rat
aus dreizehn Stadtältesten eingesetzt, der lange bestanden
habe.
Zur Zeit Kaiser Karls V. sandte König Heinrich II.
von Frankreich den Connetable Annas Montmorency
vor diese deutsche Reichsstadt, der versprach ihr völligen
Schutz, wenn sie nur ein einziges Fähnlein französisches
Kriegsvolk, darunter man einen kleinen
Heerhaufen, etwa was heute eine Kompagnie besagt,
verstand, einnehmen wollte. Dies bewilligte der Rat
der Stadt Metz, und es zogen nicht minder denn dreitausend
Franzosen, allerdings nur mit einem einzigen
Fähnlein, in die Stadt und nahmen sie ohne Schwertschlag
für ihren König in Besitz, befestigten die Stadt
auf das beste und versahen sie mit Mundvorräten aller
Art. Als nun im darauffolgenden Jahre Kaiser Karl V.
mit einem Kriegsheere kam, Metz den Franzosen wieder
abzunehmen, glückte ihm das nicht, obschon er
mit siebenzigtausend Mann davorlag und vierzig
Tage und Nächte lang die Stadt so heftig beschießen
ließ, daß es gleichsam Kugeln regnete und die ganze
Gegend von dem Pulverdampfe fort und fort wie in
einen starken Nebel gehüllt blieb. Bis nach Straßburg
hin ward der Donner des Geschützes gehört. Der tapfere
Verteidiger von Metz war der Herzog von Guise,
welcher dem Kaiser viel Volk zuschanden machte.
Dazu halfen noch Hunger, Seuchen und Kälte gegen
Karl V. streiten, und es sind damals vor Metz dreißigtausend
Mann geblieben. Endlich brachte noch eine
Kriegslist den Kaiser zum Abzug. Der Herzog, welcher
fürchtete, die Stadt auf die Länge dennoch nicht
halten zu können, zumal sie an ihrer schwächsten
Seite angegriffen war, schrieb einen Brief an seinen
König des Inhaltes, daß die Belagerung ganz fruchtlos
und gefahrlos sei, zumal Karl sie an der
stärkstbefestigten Seite am meisten angegriffen habe.
Diesen Brief mußte ein scheinbar ungeschickter Bote
durch das feindliche Lager tragen, sich fangen lassen,
und nun gelangte der Brief vor Karls Augen. Dieser
ließ sich wirklich betören, hielt den Brief für wahr,
zog die Streitkräfte von der schwachen Seite zurück,
griff an anderen sehr gut befestigten Stellen an, verlor
die bereits errungenen Vorteile und mußte endlich
nach dem Verlust von fast der Hälfte seines Heeres
die Belagerung aufgeben. Da fehlte es nicht an Hohn
und Spott, der sich reichlich über Karl in allen deutschen
Landen ergoß, und da es ihm vor Magdeburg
auch fast in gleicher Weise ergangen war, so lief gar
bald der Spottreim von Munde zu Munde:
Eine Metze und eine Magd
Haben Karln den Tanz versagt.
Dieses und noch anderes Leid soll sich der Kaiser
so zu Gemüte genommen haben, daß er drei Jahre
später der Regierung ganz entsagte und 1586 als
Mönch in das Kloster St. Just in Spanien trat, wo er
Uhren baute. In diesem selben Jahre geschah es, daß
Metz, Toul und Verdun – Virdung zu deutsch – durch
den Vertrag und Friedensschluß zu Cambray von
Deutschland völlig abgetreten und unter den Schutz
der Krone Frankreichs gestellt wurden.
86. Der Teufelsbündner in Virdung
Als die Stadt Virdung noch eine deutsche war, und
zwar schon zu Kaiser Rudolf von Habsburg Zeiten,
saß ein Bürger dortselbst, der verfiel in Armut und
durch sie in Versuchung und Stricke, nach dem
Sprüchwort: An armer Leute Hoffart wischet der Teufel
seinen Hintern, denn jener Bürger mochte gar gern
prangen und prassen. Damit er nun neue Schätze gewinne,
verlobte er sich mit eines alten Weibes Beistand
dem Teufel, schwur Gott und seinen Heiligen
ab und empfing einen Heckebeutel mit Brutpfennigen;
sooft er in den Beutel griff, so oft konnte er die Hand
voll Goldes oder Silbers herausziehen. Da mehrte er
seinen Reichtum von Tage zu Tage, kaufte Gärten
und Häuser, Äcker und Wiesen und lebte alle Tage
herrlich und in Freuden. Eines Tages aber geschah es,
daß er vor seinem Hause im Schatten saß und mit
Freunden zechte, da kamen zwei unbekannte ernste
Männer auf schwarzen Rossen geritten, die führten
mit sich ein drittes aufgezäumtes schwarzes Roß und
trugen dunkle Tracht. Die Männer hielten an des Bürgers
Haus und forderten, daß er das ledige Roß besteige.
Der Bürger sahe mit Kummer, wo das hinauswolle,
nahm traurig von seinen Angehörigen, zwei
Söhnen und Freunden Abschied und bestieg das
dunkle Roß, auf welchem er mit den beiden Reitern
rasch von dannen ritt. Die Söhne hätten gern erfahren,
wohin doch ihr Vater geritten auf Nimmerwiederkehr.
Da fielen sie auf den Gedanken, die alte Hexe zu fragen
und ihr Geld zu geben, daß sie ihnen ihren Vater
zeige und den Ort, da er weile. Das alte Hexenweib
ging mit den Jünglingen in einen Wald, wo sie ihre
Zauberkunst übte und die Hölle beschwur. Da tat sich
der Erdboden auf, und die Zwei steigen herauf, welche
den Bürger hinweggeführt hatten, und waren
schrecklich anzusehen. Da fragte die Alte die Jünglinge:
Wollt ihr euern Vater auch sehen? – Den Ältesten
ergriff ein Grauen, und er verneinte die Frage, der
Jüngere aber besaß mehr Herzhaftigkeit und verlangte
nach des Vaters Anblick. Da winkte das Weib den
dunkeln Männern, und diese hießen den Jüngling
ihnen folgen. Nach einer Weile kamen sie an ein
schönes Haus, und in einem Gemach desselben sah
der Jüngling seinen Vater, ganz so gekleidet, wie er
von Hause hinweggeritten war, auch fast von solchem
Aussehen, nur lag auf seinem Gesicht der Ausdruck
eines namenlosen Leidens. Wie geht es Euch, Vater?
fragte der Jüngling. Ist Euch wohl oder wehe? – Der
Vater seufzte und sprach: Sohn, ich habe um irdisches
Gut Gott entsagt und seinem Anteil an mir und habe
dem Teufel Leib und Seele zu eigen gegeben. Tut
euch beide ab eures ererbten Gutes, denn es würde
dessen Nutzung euch schaden und euch der gleichen
Pein überliefern, die ich dulde. – Leidet Ihr Pein,
Vater? fragte der Sohn. Ich sehe doch nichts von einer
Flamme! – Rühre an mich mit der Spitze deines kleinen
Fingers, Sohn! antwortete der Vater, zucke aber
schnell wieder hinweg. Da tat das der Jüngling und
rührte seinen Vater nur so lange an, als ein Blitz
zuckt, und verbrannte sich alsbald den Finger und die
Hand und den Arm bis zum Ellenbogen und empfand
den allerglühendsten Schmerz. Voll Entsetzen rief er
nun: O armer, armer Vater! Können wir nichts für
Euch tun, das Euch fromme und helfe? – In Ewigkeit
nichts, sagte der Vater, als daß ihr euch des Höllengutes
abtut. – Da nahm der Jüngling trauernd Urlaub
von seinem Vater, und die Männer brachten ihn zurück
zu dem Hexenweibe, dem zeigte er den verbrannten
Arm, und wer ihn sonst sehen wollte, und
gab alles vom Vater ererbte Gut nebst seinem Bruder
an ein Kloster, das nahm es willig an, und schadete
ihm mitnichten etwas, die Brüder aber sind Mönche
geworden und haben ihr ganzes Leben hingebracht,
für ihres Vaters Erlösung aus der Flammenpein zu
beten.
87. Die getreue Frau Florentina
Zu Metz lebte ein edler Rittersmann, der hieß Alexander,
der hatte eine gar tugendsame Ehewirtin, die hieß
Florentina. Der Ritter gelobte sich zu einer Bußfahrt
zum Heiligen Grabe, und sein Ehegemahl fertigte ihm
ein feines neues Hemde, das zeichnete sie mit einem
roten Kreuze und hieß es ihm stetig tragen. Es sei also
gefeit und geweiht, daß es immer rein bleibe, zum
Zeichen ihrer steten Reinheit und Treue, die sie ihm
bewahren wolle bis zu seiner Wiederkehr. Im Heiligen
Lande aber geriet Ritter Alexander aus Metz in
Gefangenschaft und mußte mit anderen als Knecht
den Pflug ziehen und Geißelhiebe und ein Joch auf
seinem Nacken dulden wie ein Stier. Das Hemd aber
blieb trotz harter Arbeit, trotz Staub und Schweiß und
Blut stets rein und weiß, wie Schnee. Das verwunderte
die Aufseher, und sie brachten es vor den Sultan.
Da erkundigte sich der Sultan, welche Bewandtnis es
mit des Sklaven Hemde habe, und Alexander erzählte
ihm von der Treue und Reinheit seiner Florentina.
Solches dünkte dem Sultan eine Lügenmäre zu sein,
und er ward sehr neugierig, ob dem in der Welt nur so
sein könnte, und ließ auf seine Kosten einen vertrauten
Eilboten ins Abendland reisen, der kam auch
glücklich nach Metz, erkundete die Frau, erzählte ihr
von ihres Herrn harter Gefangenschaft und warb, da
er sie zumal besonders schön fand, mit starker Versuchung
um ihre Minne. Allein da er ganz vergebens
sich um die Gunst der Frau bemühte, so zog er wieder
ab und brachte seinem Herrn die Nachricht von Florentinas
unwandelbarer Treue. Diese aber kleidete
sich in Pilgrimtracht, nahm eine Harfe mit, die sie
meisterlich zu spielen verstand, und reiste dem Heiden
nach, holte zu Venedig ihn ein und fuhr mit ihm,
ohne daß er sie wiedererkannt hätte, in das Heidenland.
Als sie nun an des Heidenkönigs Hofe ankamen,
meldete der Abgesandte, was er zu Metz ausgerichtet,
und rühmte seines Reisegefährten kunstreiches Harfenspiel.
Da wurde der Pilgrim an den Hof gefordert
und durfte sich hören lassen und wurden ihm große
Geschenke für sein Spiel dargeboten. Er weigerte
aber, solche anzunehmen, und bat nur um die Freilassung
eines der Sklaven, die im Pfluge gingen. Das
ward ihm zugestanden, und nun ging Florentina zu
den Sklaven und suchte unter ihnen ihren Mann, den
bat sie los, gab sich ihm aber nicht zu erkennen,
weder zu Lande, noch zur See, sondern blieb in ihrer
Verkleidung als Mann und fuhr mit ihrem Manne der
Heimat zu. Da sie noch zwei Tagereisen von Metz
waren, sprach Florentina: Mein lieber Wandergesell,
nunmehr gehen unsere Wege voneinander. Gib mir
dafür, daß ich dich befreit, doch auch etwas zum An-
denken. – Was soll ich dir geben, der ich so viel wie
nichts habe? fragte der befreite Ritter. – Du hast ein
sonderbares Hemde an, von dessen Wunder habe ich
im Heidenlande reden hören, schneide mir ein Stück
heraus, damit ich auf meiner Pilgerschaft auch andern
von dem Wunder singen und sagen kann. – Weil du
es bist und ich so großen Dank dir schuldig geworden,
sprach der Ritter, so will ich's tun, keinem anderen
auf der Welt gäbe ich vom Hemde, das mir meiner
Frauen Reine und tugendsame Zucht so wunderbar
verbrieft. – Schnitt ihm also ein Stücklein, nicht gar
groß, aus dem Hemde heraus und schied so dankend
von dem Pilgrim. Florentina eilte ihrem Gatten
schnell voraus nach Metz, legte ihre Frauenkleidung
wieder an, und als er nun, einen ganzen Tag später
wie sie, daheim ankam, empfing sie ihn mit herzlicher
Liebkosung und Freude, des ward er sehr glücklich.
Als aber nun der heimgekehrte Ritter allmählich seine
Freunde wieder sah, da merkte er an ihrem sondern
Wesen, daß sie etwas Heimliches gegen ihn auf den
Herzen hatten, und endlich sagte ihm einer: Mich
nimmt viel Wunders, daß du dein Weib wieder daheim
funden hast, sie muß deine Heimkunft gerochen
haben. Ein fremder Mann war oft und lange bei ihr,
und endlich ist sie ihm nachgefahren und zwölf Monate
außen blieben und nur kurz vor dir wiederkommen.
– Da ward der Ritter sehr zornig, lud seine
Freunde und Verwandten zu einem Mahl und fragte
dann dabei sein Weib öffentlich, warum sie so untümlich
lange Zeit ihr Haus verlassen, und wo sie denn in
der Welt herumgereist sei nach fahrender Fräulein
Art. – Da stund die getreue Florentina schweigend
vom Tische auf, ging in das Zimmer nebenan und
kam als Pilgrim mit der Harfe wieder und reichte ihm
das Stücklein Leinwand aus seinem Hemd. Da hob
der Ritter seine Hände auf und rief: Vergib, du
Himmlische, du Reine! Du befreitest mich aus Sklavenbanden,
aus dem Joche am Pfluge, und fiel ihr
weinend um den Hals und bat sie um Verzeihung, und
jede Anklage verstummte auf immerdar.
88. Triers Alter
Trier und Solothurn sollen die ältesten Städte in Europa
sein. Eintausendunddreihundert Jahre vor Christus
habe Trier schon gestanden, wie alte Reimverse aussagen,
ja Trier war lange die zweitgrößeste Stadt in
der alten Welt, Rom die erste, und die Alten nannten
es das reichste Trier, das beglückteste Trier, das
ruhmwürdigste, das ausgezeichnete Trier – und dies
schon zur Römerzeit, und zur Zeit des deutschen Mittelalters
war Trier des Christentums Wiege, das zweite,
das deutsche Rom. Triers frühe Kulturblüte brachen
zuerst die Gallier durch eine dreimalige Verheerung
und schufen aus der Stadt nur einen großen Totenhof.
Dennoch verlangten einige dem Verderben
entgangene Nobili noch blutige Zirkusspiele, wie sie
in Rom stattfanden zur Zeit des tiefsten Sittenverfalles
dieser Weltstadt. Die Astrologen nannten übrigens
das Triersche Gebiet die Planetengasse, weil es dort
so überaus häufig regnen soll. Man sagt auch von
einem See in diesem Gebiete, darin sich zuzeiten ein
wunderbarer Fisch soll sehen lassen, und wenn dies
geschehe, bedeute es voranzeigend den Todesfall des
jedesmaligen Landesherrn. Das schönste unter den
vielen Baudenkmalen uralter Zeit ist der Dom zu
Trier; lange zeigte man in ihm ein Horn, das die Ein-
wohner die Teufelskralle nannten, und erzählten, der
Erbauer des Doms habe allein nicht zustande kommen
können und den Teufel zu Hülfe genommen und diesen
überlistet, da habe der Teufel in seiner Wut die
Altäre umreißen wollen, es sei ihm aber nicht gelungen,
und habe er noch dazu eine Kralle lassen müssen.
Im Dom zu Trier wird auch der ungenähte heilige
Rock aufbewahrt, den Christus der Herr getragen
haben soll, und um den die Kriegsknechte gewürfelt,
weil er zu schön, als daß sie ihn hätten zerschneiden
mögen. Es ist ein Mannsrock mit langen Ärmeln, aus
zartem Linnenstoff, aus subtilen Fäden buntfarbig gewirkt.
Die heilige Helena war es, welche diesen Rock
mit einem Stücke des heiligen Kreuzes und einem
Nagel, mit welchem Christus an das Kreuz geheftet
war, nach Trier schenkte, wohin sie den frommen Bischof
Agritius von Antiochia sandte. Dieser Rock genießt
der andächtigsten Verehrung von vielen Millionen
Gläubigen, die an seiner Echtheit nicht zweifeln,
obschon an vielen Orten mehr derselbe Rock und
doch nicht derselbe für echt gezeigt wird.
89. Sankt Arnulfs Ring
Von besonders hohem Alter ist auch zu Trier die Moselbrücke,
ein dauerbares Gebäu von Steinen ungeheurer
und ungewöhnlicher Größe, auf jeden Fall ein
Bauwerk aus Römerzeiten; der Kaiser Nero soll
schon über diese Brücke gezogen sein, um alles Land
bis Köln zu erobern. Wo sich die Bogen der Brücke
miteinander schließen, stehen Säulen, welche über die
Brustwehr der Brücke emporragen, darauf sollen
heidnische Götterbilder gestanden haben. Einst fühlte
der heilige Arnulf sein Gewissen belastet, und da er
von ohngefähr über die Moselbrücke ging, sah er in
des Wassers Tiefe nieder, zog einen kostbaren Ring
vom Finger und warf ihn voll Vertrauen auf Gottes
Allmacht und Barmherzigkeit hinab in die Mosel,
indem er rief: Wenn ich hoffen darf, daß meine Sünden
mir verziehen werden, so werde ich diesen Ring
wiederbekommen. Es vergingen wenige Jahre und der
heilige Arnulf wurde unterdes Bischof zu Metz. Da
lieferte eines Tages ein Fischer in die bischöfliche
Küche einen großen Fisch, und da der Koch diesen
zubereitete für die Tafel seines Herrn, fand er voller
Verwunderung im Eingeweide des Fisches einen
schönen Ring und brachte den Ring zum Bischof. Da
sahe dieser, daß es sein Ring war, den der Fisch, ihn
wohl für eine Speise haltend, beim Fallen hinabgeschlungen
und einige Jahre bei sich behalten – und
pries Gott in Demut für dieses Gnadenzeichen und tat
sich aller sündigen Gedanken ab, um dieser Gnade
sich wert zu erzeigen.
90. Frevel wird bestraft
Als im Jahre 1673 die Franzosen Trier belagerten,
machten sie ringsum vor der Stadt alle Klöster der
Erde gleich. Dem Kommandanten wurde auf das beweglichste
zugeredet, nicht also zu verfahren, und ihm
zu verstehen gegeben, keinem gehe es gut aus, der
sich an Gotteshäusern und frommen Stiftungen mit
frevelnder Hand vergreife. Der Kommandant aber
sagte: Das ist nicht meine, sondern des Königs Sache,
der es also haben will und befiehlt; hole mich der