Was Mörder nicht wissen ...

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Beide Frauen sind freizügig bekleidet. Oben ohne und mit einem Badehöschen, das eher nach Tanga aussieht, so lassen sie sich von der Sonne verwöhnen. Beide wollen nahtlos braun werden. Ben und Yann müssten eigentlich die Frauen mit Sonnencreme einreiben. So feinfühlig eincremen, dass die Mädels einen feuchten Tanga kriegen, der Rest ist Liebe pur. Die beiden sexy Girls wissen genau, was sie wollen. Vielleicht haben sie sich vorher abgesprochen, ohne den Jungs etwas zu sagen. Auf jeden Fall sind sie listig und spielen gekonnt mit ihren Reizen! Können die beiden bei diesen Aussichten noch fischen? Haben die Burschen die Frauen mitgenommen für „fuck on deck?“ Oder sind es einfach nur brave Jungs?

Seit über einer Stunde dümpeln sie bei Windstille im Wasser, kein Fisch hat angebissen. Die Mädels „sind sicher heiß“ vom Sonnenbaden. Yann ruft nach vorne zu Ben: „Wir sollten was trinken?“ „Gute Idee, kommst du mit einem Bier rüber.“

Normalerweise trinkt Ben ein kleines Flens (Flensburger Brauerei), aber heute probiert er eine andere Biersorte. Yann gibt jedem ein Bier aus der Männer-Handtasche XXL.

„Petri Heil“, prosten sie sich zu. Die traditionelle Grußformel der Fischer und Angler besteht aus dem lateinischen Namen Petrus und dem Wunsch „Heil!“. Die beiden Freunde wünschen sich den großen Fangerfolg – aber in Gedanken einen Erfolg bei den Freundinnen. Die Sonne brennt, der Alkohol baut Hemmungen ab. „Ann, soll ich von dir mit diesem schönen Hintergrund ein paar Fotos knipsen? Das gibt tolle Bilder für die Model-Agentur.“ „Ja, gute Idee.“

Yann steht in engen Badehöschen da, Ann im Tanga, oben ohne. Da explodieren die Gedanken und die Fantasie für schönen Sex auf dem Deck. Er dirigiert Ann zu verschiedenen Foto-Stellungen. Sie sieht, wie sein bestes Stück größer und grösser wird, als würden die Shorts platzen. Das erregt sie, sie kann sich nicht gut konzentrieren. Von vorne sieht Ben, wie Ann verschiedene Positionen einnimmt und Yann mit dem Handy Fotos macht. Das motiviert auch Ben, er ruft: „Gute Idee, das gibt tolle Schnappschüsse.“ „Ich mache Bilder für eine Agentur“, ruft Yann.

Es geht nicht lange, da knipst auch Ben Fotos von Elfi. Auf einem Schiffsdeck, blauer Himmel, Sonne, Ostsee, das gibt zauberhafte Erinnerungsbilder.

Seit ein paar Stunden brennt die Sonne auf ihre Köpfe. Sie müssen unbedingt genügend Flüssigkeit trinken und in den Schatten gehen. „Elfi, möchtest du einen Kaffee in der Kombüse?“ „Oh ja.“ Die Sitzecke dort ist sehr gemütlich, sie ist mit Sitzpolster ausgestattet. So ganz nebenbei fummelt er an seiner Freundin rum, seine Finger gleiten in ihren Tai Slip und massieren zart die weiche Scheide, welche langsam feucht wird. Und wie, es wird richtig schön flutschig. Sie erregt zu ihm: „Uhhh, deine Finger sind kalt.“

Für Ben heißt das, dass tut gut. Zeigt sich jetzt so der eiskalte Verführer? Ist er mit ihr auf See gefahren, damit er ihr Tattoo und Intimpiercing sehen und riechen kann? Oder will er einfach eine schnelle Nummer abziehen? In seinem Kopf drehen sich heftige Gedanken. Elfi spürt seine sexuelle Erregung. Der aufgerichtete Penis in der Hose wird immer größer, steifer wie eine richtige Holzlatte. Dass dieses Stück im erigierten Zustand auch schmerzen kann, vergisst er vor lauter Lust. Seine Schöpferkraft dreht sich jetzt um Oralsex. Der Blow Job steht bei ihm zuoberst auf der Liste für seine sexuelle Vorliebe. Er erinnert sich an seine frühere Freundin. Die wusste dekadent gesagt, wie eine gute Fellatio ihn weich machen konnte. Einen ‚blasen‘ klingt vulgär, ist es aber nicht. Am Blow Job liebt er das Saugen, Streicheln und Lecken. Und wenn sie seinen Penis oral stimuliert, mit der Zunge seine Eichel umspielt, dann explodiert er. Seine Gedanken holen ihn zurück. Er hat mit Elfi nie darüber geredet. Er kann darüber nicht weiterdenken. Ben nimmt sie zärtlich an der Hand, sie gehen von der Kombüse in ihre Achterkajüte, schließen die Türe und legen sich auf das weiche Doppelbett.

Elfie öffnet seine Hose, greift mit der Hand seinen erigierten Penis und führt ihn ein in ihren intimsten Bereich. Ben wird zum feurigen Liebhaber. Er jagt sein Ding in sie rein, fein und kräftig. Vielleicht gelingt es ihm, den sehr kleinen Teil der Klitoris zu reizen. Dort laufen ungefähr 8.000 sensorische Nervenenden zusammen wie in der Eichel des Penis. In der Anatomie der weiblichen Geschlechtsteile kennt Ben sich nicht aus. Woher sollte er wissen, dass die Dichte der Rezeptoren bei einer Frau 50-mal höher ist, sodass ihre Klitoris extrem empfindsam ist. Das Organ der Frau reicht tief in den Unterleib hinein. Bei Erregung werden die Schwellkörper und Klitorisschenkel hart. Eine durchschnittliche Penislänge misst etwa 9 Zentimeter, eine Durchschnittsklitoris misst auf beiden Seiten etwa 11 Zentimeter. Selbst Mediziner kennen die wahre Größe der Klitoris nicht.

Trotz seiner glühenden Lust ist er ein zarter Liebhaber. Vor lauter Begierde schreit Elfi, dazu macht sie laute stöhnende Geräusche. Sicher will sie mit ihrem Stöhnen das männliche Ego streicheln. Es soll Ben suggerieren, dass er ein guter Liebhaber ist. Bei geöffneter Luke hätten das sicher die Badegäste am Strand hören können. Beide haben vergessen, dass sie auf dem Boot nicht alleine sind.

„Ann, hast du den Schrei gehört?“, fragt Yann. „Du, da muss was sein, schauen wir nach“, sagt Ann fürsorglich. Leise gehen sie ins untere Deck und schauen nach. Die Geräusche sind eindeutig. Ben und Elfi treiben es kunterbunt. Yann zieht Ann in die ihnen zugewiesene vordere Kajüte. Sie setzen sich auf das große Doppelbett.

„Ich rauche noch einen“, flüstert er zu Ann und zündet sich genüsslich einen Joint an. „Kiffen ist für die Gesundheit“, sagt er ganz lässig, dabei verdreht er die Augen, zieht drei kräftige Züge rein und reicht die selbstgedrehte ‚Gesunde‘ Ann. Aus reiner Neugier nimmt sie auch ein paar Züge davon, dann lehnen sie sich zurück. Yann ist als kleiner Drogendealer bekannt. Damit finanziert er sein Hobby als Autoposer. Er kennt die Wirkung von Cannabis und kann sie gut einschätzen, Ann dagegen nicht. Das beste Vorspiel beginnt mit Küssen. Verträumt liegen sie da, dann plötzlich ziehen sie ihre Kleider aus und ein Kuss-Marathon beginnt. In diesem leicht bekifften Zustand vergessen sie die Zeit und knutschen richtig intensiv. Das ist der Weg zu heißem Sex. Sie treiben es feurig, bumsen auf See. Yann bevorzugt den Coitus a Tergo – den Geschlechtsverkehr von hinten, auch Hündchenstellung genannt. Das deutet auf einen wilden Charakter hin. Er packt sie von hinten. Vermutlich hat er ein Problem mit Nähe und Romantik in einer Beziehung oder das Gras macht ihn high und er schwebt auf einer anderen Ebene.

Den Gestank der Haschischzigarette wird Ben noch länger riechen, das könnte mächtig Ärger geben mit seinen Eltern. Es ist ein verräterischer und bekannter Geruch, so mild-süßlich. Aktivkohlemattenbeutel helfen gegen diesen Geruch. Selbst ein Gramm Hanf riecht so stark, dass man dies ohne Problem aus einer Tasche riechen kann. Wird Marihuana in einem Aktivkohlebeutel verpackt, riecht man das nur noch, wenn man seine Nase direkt an den Beutel hält. Nach längerer Zeit stehen sie auf und gehen auf Deck. Dort sind Ben und Elfi. Alle tun so, als ob nichts gewesen wäre, jeder hat ein Lächeln im Gesicht. „Bier, habt Ihr Lust auf eine Runde?“, ruft Ben. „Jaaaa.“ Ben lichtet den Anker und fährt langsam in den Yachthafen ein. In der Nähe beim Hafenmeister kann er anlegen.

Tag des Schreckens

Im Yachthafen-Bistro trinken sie Kaffee und essen Fischbrötchen mit einer ordentlichen Portion Zwiebeln. „Wir sollten langsam an die Rückfahrt denken“, sagt Ben.

Er zieht den Anker hoch und schon geht es wieder zurück nach Kiel. Wie ein Ölgötze steht Ben da, steif und stumm, er beobachtet das Wasser. Etwas bewegt sich, es glänzt, schaukelt leicht hin und her. „Elfi, sieh mal, da ist was.“ „Wo? Ich sehe nichts.“

„Richtung Steuerbord, da, ziemlich weit weg.“

„Das glänzt. Was kann das sein?“

Ben ruft: „Yann, Ann, schaut mal, kommt her. Was ist?“

„Da vorne, leicht Steuerbord, dort schwimmt etwas, es bewegt sich und glänzt.“

„Ja, ich sehe das auch.“

Ann: „Was könnte das sein?“

„Keine Ahnung, fahren wir hin, dann sehen wir es.“

Langsam tuckert der Cruiser zu dem glänzenden Etwas, es glänzt, blendet in der Sonne. Yann: „Das ist doch ein toter Fisch.“

Ben: „Dafür ist es zu groß, schaut aus wie ein Rechteck.“ Sie kommen dem Gegenstand näher: „Das könnte eine Blechkiste oder ein Koffer sein.“ „Sieht nach Koffer aus. Was kann da drin sein?“

Elfi spontan: „Da sind Kleider drin. Der Koffer könnte von einem Fährschiff runtergefallen sein, das in Kiel anlegte.“ Sie kommen dem glänzenden Gegenstand näher. Sie sehen, dass es ein Alukoffer ist, der wie ein Paket mit einem Seil verschnürt ist. Die Reling ist hoch und mit bloßen Händen schaffen sie es nicht, den mit Seetang behangenen Koffer zu bergen. Ben holt zwei mehrstufige arretierbare Teleskop-Bootshaken, die er bis 2 Meter ausziehen kann. Zusammen heben sie den schweren Alukoffer hoch und legen ihn auf den Boden.

„Wollen wir den öffnen?“ Ben erinnert sich an seine Ausbildung, sagt ganz ehrfürchtig: „Eigentlich müssten wir diesen Fund der Polizei melden!“

„Die fahren doch nicht wegen eines gefundenen Koffers los“, sagt Yann. „Glaube ich auch nicht. Ich hole mein Anglermesser, öffne den Koffer, dann wissen wir Bescheid.“

Die Spannung steigt. Durch das langsame Dahintuckern waren alle verträumt, sind jetzt aber hellwach. Sie wollen wissen, was in diesem Koffer ist.

„Ich schneide die Seile durch, du kannst den Koffer öffnen.“ Yann will es wissen, er will den beiden Frauen imponieren. Er weiß nicht, was ihn erwartet: „Hm, du machst mich neugierig, schneid endlich durch.“

 

Ben beginnt seitlich mit dem Schneiden, wo die Schlösser sind. Es ist Hochspannung, was ist da drin? Ungeschickt werkelt er am Kofferschloss herum, als wolle er es extra in die Länge ziehen. Wie vorhin beim Sex den Höhepunkt hinauszögern. „Mach endlich.“

„Es geht nicht mit dem Messer. In der Kombüse haben wir ein Multi-Tool von Leatherman, das hole ich.“

Während Ben das Superwerkzeug holt, versucht Yann es mit dem Anglermesser, muss aber einsehen, dass es damit wirklich nicht geht. Mit dem Tool in der Hand kommt Ben zurück, spricht ein Zitat aus Schillers Gedicht „Das Lied von der Glocke“, dabei grinst er: „Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann kein Knopf die Hose halten. Wenn du lieber Koffer nicht willig bist, so brauche ich Gewalt.“

„Mach keine Sprüche, mach das verdammte Ding endlich auf“, sagt Yann ungeduldig. Die beiden Frauen sind ruhig, sie trauen der Sache nicht. Aber das Kofferschloss lässt sich nur mit starker Gewalteinwirkung knacken. Ein starkes „Peng“ ertönt, wie wenn man ein Flens öffnet, das Bier mit dem Bügelverschluss. Seit 1888 gehört das ‚Plop‘ zum guten Ton. Es bietet eine einzigartige Frische, die den legendären Flens Genuss auch mit den Ohren erlebbar macht.

Endlich kann Ben den Koffer öffnen. Was jetzt folgt, ist nichts für schwache Nerven. Alle vier schauen wie hypnotisiert auf das Irgendetwas, das in einer grünen Plane eingepackt ist. Die Gedanken kreisen, was ist da drin?

Yann, der Ungeduldige, hebt mit der linken Hand eine Ecke der Plane hoch, mit der anderen Hand greift er hinein. Er zieht etwas Nasses, Fleischiges heraus. Seine Augen vergrößern sich vor Schreck. Völlig entsetzt sieht er, was er da eben rausgezogen hat. Diesen gruseligen, widerlich stinkenden Fund lässt er blitzschnell fallen. Er und die zwei Frauen springen hoch. Yann schreit: „Neeein.“

Ben zeigt wahre Größe, er ist der ruhigere Typ und meint trocken: „Du hast eine Hand mit Unterarm herausgezogen.“ Cool bückt er sich, drückt die menschlichen Extremitäten wieder in Plane zurück und macht den Kofferdeckel zu. Alle vier gucken verängstigt, als wollen sie sagen: Was soll das? Sie sind perplex, stehen schockiert da, bringen keinen Ton heraus. Nach ein paar Minuten sagt Ben zu den Girls: „Beruhigt Euch, wir haben nichts getan, nur etwas gefunden. Ich rufe die Wasserschutzpolizei.“

Er geht ins Steuerhaus, greift das Funkgerät, gibt einen Funkruf ab. Alle vier sind innerlich aufgewühlt. Sie müssen sich bewegen, zur Ablenkung packen sie ihre Utensilien wieder ein, räumen das Schiff auf. Den Bleichgesichtern sieht man an, der heutige Tag war kein guter Tag für ‚Petri Heil‘. Schnell ist die Wasserschutzpolizei zur Stelle, sie legen an der Backbordseite an. Es sind erfahrene Beamte, die ein geschultes Auge haben und sofort erkennen, dass die jungen Leute nichts mit der Kofferleiche zu tun haben.

Ein Polizist sagt mit beruhigender Stimme: „Wer ist der Schiffsführer?“ Ben zeigt dem Beamten seine Ausweise und erklärt, wie sie den Koffer gefunden und geöffnet haben. „Kann ich die Ausweise der anderen auch sehen?“ Er schaut die Papiere an, notiert die Namen und gibt diese per Funk durch. Reine Routine, wie er höflich sagt. „Wie, ja, bitte den Namen nochmals, ok.“ Dann wendet er sich an Ben und Yann.

„Ich möchte die Kajüten sehen“, sagt er und sie gehen nach unten, kontrollieren die Räume. Der zweite Polizist macht Fotos vom Koffer und vom Schiffsdeck. Im Zimmer von Ben findet er nichts Verdächtiges, aber in der Kajüte von Yann: „Das riecht hier so komisch. Haben Sie was geraucht?“ Er schaut dabei Yann an, dieser spricht leise: „Ja, ich habe einen Joint geraucht, wirklich nur einen.“ Ben guckt Yann wie vom Blitz getroffen fassungslos an. Der Beamte von der Wasserschutzpolizei sagt: „Wir nehmen Sie mit aufs Revier. Wir haben ein paar Fragen an Sie.“

Der Beamte legt Yann Handschellen an und hilft ihm beim Umsteigen auf das Schnellboot der Polizei. Dann heben sie den Koffer auf das Polizeiboot. Bevor sie losfahren und sich verabschieden, sagt der eine: „Melden Sie sich bei uns auf dem Polizeirevier, damit wir diesen Vorfall protokollieren können.“

„Ja, machen wir, ich rufe meinen Vater an, dann legen wir los Richtung Olympiahafen Schilksee.“

Jetzt sind sie nur noch zu dritt und müssen diesen schrecklichen Vorfall mit der Kofferleiche und mit ihrem Freund Yann erst mal verdauen.

Ben bricht nach einigen Minuten das Schweigen:

„Habt Ihr gesehen, dass die Hand mit dem Arm komplett vom Körper abgetrennt war?“

„Ja, als Yann die Plane öffnete, habe ich einen Teil des Kopfes gesehen, der mit Klebeband umwickelt war“, lispelt Elfi. Sie friert und zittert. Man muss nicht Arzt sein, um zu sehen, dass alle einen Schock erlitten haben. Sie sind traumatisiert, seelisch verletzt, sie sind jung und nicht so abgebrüht, dass sie das einfach mal so wegstecken. Und dann kommt noch die Geschichte mit dem ‚Joint on Bord‘. Das muss Ben irgendwie seinen Eltern erklären. Er steuert die Yacht an ihren Anlegeplatz und sichert das Boot. Sie verschließen die Kabine und gehen mit ihren Taschen zum Parkplatz.

Dort wartet Bens Vater. Ohne viele Worte zu verlieren, fahren sie aufs Polizeirevier. Die drei werden durch die Polizei befragt und müssen das Aussageprotokoll unterschreiben.

„Wo ist Yann?“, fragt Ann den Beamten. „Der wird von uns noch vernommen.“

Eine Beamtin der Polizei kümmert sich um die jungen Leute, speziell die beiden Frauen. Dieses kaltblütige Verbrechen wird die Freunde noch viele Jahre begleiten. Sie werden ihr Leben lang in Erinnerung haben, dass Yann von der Polizei mitgenommen wurde. Es ist sicher mehr als nur wegen des einen Joints. Wissenschaftler der kanadischen Universität Montreal haben herausgefunden, dass Leute, die regelmäßig Cannabis rauchen, fast dreimal häufiger in eine gewalttätige Straftat verwickelt sind. Es ist nicht so, wie viele glauben, dass Kiffer träge und verträumt rumhängen.

Altenholz, Strande und Dänischenhagen, wie der Kieler Speckgürtel genannt wird, ist den Drogenfahndern bestens bekannt. Ben und Yann wohnen in Altenholz. Bei Verkehrskontrollen werden inzwischen mehr Fahrten unter Betäubungsmitteln als unter Alkohol festgestellt. Die Zahl der Rauschgiftdelikte ist angestiegen. Eigentlich wollten die Freunde an diesem herrlichen Feiertag nur eine Bootstour unternehmen und einen „intimen“ Tag mit ihren Freundinnen erleben.

Tatort

Die Polizei der Küstenwache fährt mit ihrem Schnellboot bis zur Anlegestelle, dort können sie gut anlegen und sind von neugierigen Blicken der Fußgänger geschützt. Forensiker der Kriminaltechnik übernehmen den Koffer mit der Leiche. Rund um den Koffer wird der Platz mit Sichtschutz und Flatterband der Polizei abgesperrt. Die Küstenwache fährt retour an ihren Anlegeplatz, welcher in der Nähe ist.

Linda Medi, die Rechtsmedizinerin, ist auf Wasser- und Kofferleichen spezialisiert. Linda war gerade im Institut für Rechtsmedizin. Sie wurde aufgeboten und war schnell vor Ort. Sofort beginnt sie mit der Untersuchung. Es geht darum, wichtige Beweismittel sicherzustellen und zu dokumentieren. Die Leiche wurde sicher mit dem Ziel der Beseitigung und der Vertuschung einer Straftat in dem Koffer ins Wasser geworfen. Ab sofort ist dieser Ort am Uferrand ein Tatort, es werden Fotos vom Koffer gemacht. Medi sagt zu den Beamten der Wasserschutzpolizei: „Gibt es irgendwelche Sachen, die noch gefunden wurden?“

„Nein, es wurde nur dieser Koffer aus dem Wasser gefischt.“

Nicht selten werden Kleidungsstücke oder Taschen angeschwommen und gefunden, die einen Bezug zur Kofferleiche haben könnten. Linda spricht in ihr Diktiergerät: „Es ist ein voluminöser Hartschalenkoffer, Farbe Silber, mit Handgriff und beschädigtem Zahlenschloss. An den Seilen wurden zwei Gewichte befestigt, um den Koffer zu beschweren, Ende.“

„Ich bin mit der Außenansicht fertig. Der Koffer darf nicht wieder geöffnet werden, denn jeder Kontakt mit der Luft würde den Zustand der Leiche verschlechtern. Sie können den Koffer in die Rechtsmedizin bringen“, befiehlt sie ihren Kollegen.

Kofferleiche

Nach dem Fund der Leiche eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Freiheitsberaubung und Mord. Das Polizeirevier Schwanbüll erhält den Auftrag zur Eröffnung der Mordkommission. Damit beginnen die Ermittlungen zum Mordfall offiziell. Polizeihauptkommissar Norwin Moon ist deren Leiter. Er berichtet und kommuniziert mit der Staatsanwaltschaft, diese leitetet die Mordermittlungen. Norwin und Nils sind auf die Sach- und Tatort-Beweismittel-Erhebung, d. h. auf die Spurensicherung, spezialisiert.

Die Kriminalpolizei in Deutschland ist grundsätzlich mit der Verfolgung von Straftaten und deren Verhütung beschäftigt. Meistens ist sie in Zivilkleidung im Einsatz. Norwin legt los: „Wir fahren in die Gerichtsmedizin. Nils, du fährst mit mir.“ Zusammen fahren sie los und treffen dort Linda und den zweiten Arzt, da in Deutschland zwei Ärzte bei einer Obduktion dabei sein müssen.

Linda öffnet den Koffer. Vorsichtig faltet sie die grüne Plastikplane auseinander, dann sehen sie die Kofferleiche. Der Tote liegt in Embryonalhaltung, der Kopf und die Gliedmaßen des Leichnams sind mit Klebeband umwickelt. Man erkennt, dass der Körper regelrecht in den Koffer hineingepresst und so entsorgt wurde. Das gesamte Gesicht wurde mit Malerkreppband eingewickelt, vom Halsansatz bis zum oberen Ende des Kopfes. Auf den ersten Blick sieht es aus wie die Bandagen einer Mumie. Zu dritt heben sie den Leichnam aus dem Koffer, legen ihn ohne Plane auf den aus Edelstahl bestehenden Wasch- und Seziertisch. Es ist nicht zu übersehen, dass dem Toten der linke Arm abgetrennt wurde. Der Schnitt wurde mit einem scharfen Gegenstand ausgeführt. So eine Armdurchtrennung ist nur mit einem Schlachtermesser, einem scharfen Beil, einem Schwert oder einer Säge möglich. Die Arm- und Knochendurchtrennung verlief gerade, ohne Splitter, so perfekt, als wäre dies in gefrorenem Zustand passiert. Es ist ein aalglatter Schnitt, sieht aus, wie wenn man beim Metzger Knochen kauft, um damit eine feine Bratensauce zu kochen.

Norwin sagt: „Da war ein Fachmann am Werk. Im Schulterbereich sieht man mehrere Einstiche.“ Dies ist gut sichtbar, da der Tote ein T-Shirt trägt. Der Assistenzarzt zieht dem Toten alle Kleider aus, damit dieser umfassend untersucht werden kann.

Linda Medi, die Rechtsmedizinerin, beginnt mit der äußeren Leichenschau, sie spricht in ihr Aufnahmegerät:

„Es handelt sich um „nicht-natürliche“ Einflüsse von außen, die den Körper beschädigt haben. Die Schadensart von außen, die zum Todeseintritt führte, kann nicht festgestellt werden. Alter geschätzt 32 bis 36 Jahre, Gewicht 67 Kilo, Größe 169, Person südländischer Herkunft, schwarze Haare, kurz und lockig, keine auffälligen Narben oder Tätowierungen sichtbar. Im rechten oberen Schulterbereich befinden sich fünf Einstiche, vermutlich mit einem spitzen Gegenstand herbeigeführt. Weiter auffällig ist, dass der Tote einen epilierten Oberkörper, gezupfte Augenbrauen und weiße gepflegte Zähne hat.“

Moon und Light sehen anhand der modischen Kleidung, dass der Tote kein Außenseiter der Gesellschaft war. Norwin sagt zu Nils: „Lass uns den Koffer untersuchen, ob sich nicht noch irgendwas darin befindet, das zur Identifizierung beitragen könnte.“

Der Koffer ist absolut leer, nichts ist in den Seitentaschen. „Da haben wir ein großes Problem, nichts ist da, womit wir die Leiche identifizieren können. Kein Ausweis, keine Bankkarte, kein Mobiltelefon, kein Schmuck mit Initialen.“

Nils durchsucht die Jackeninnentasche des Toten: „Da ist was, ich habe einen Schlüssel gefunden.“ „Da gar nichts aufzufinden ist, denke ich, das könnte Absicht gewesen sein, um die Identität des Mannes zu verschleiern. Was meinst du?“ „Sieht danach aus.“

Ziel und Zweck jeder Leichenschau ist, anhand der Feststellungen Antworten auf offene Fragen zu erhalten. Die Rechtsmedizinerin untersucht den Leichnam weiter auf äußere Verletzungen. Sie sucht nach Hinweisen, Merkmalen, die eine Identifizierung ermöglichen.

Wertvolle Indizien sind verschwunden, weil die Leiche zu lange dem Wasser ausgesetzt war, dies betrifft auch die Stichwunden im Schulterbereich.

Linda stoppt ihr Diktiergerät: „Das Erste, was hier mit dieser Leiche geschieht, nachdem sie eine längere Zeit im Wasser gelegen hat, ist der Verlust der Epidermis, der äußeren Zellschicht der Oberhaut. Die Epidermis löst sich ab, als würde man einen Handschuh abstreifen. Leider gehen damit die Kapillarleisten verloren, es gibt keine Fingerabdrücke mehr. Siehst du das?“

 

Die Kommissare gehen näher zum Toten hin: „Ja, richtig. Wenn ich den Leichnam so anschaue, fällt mir auf, dass der Tote inklusive Schambereich und Achsel komplett enthaart ist.“

Die Gerichtsmedizinerin sagt: „Und er ist beschnitten.“

Linda schaut kurz auf, erblickt bei Norwin ein verkniffenes Lächeln: „Was lachst du?“

„Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen soll!“

„Bin vieles gewohnt, erzähl.“

„Ich habe mich schon immer gefragt, ob die Aussage stimmt, dass beschnittene Männer im Bett wirklich die besseren Liebhaber sind?“

„Haha“, muss Linda schallend lachen: „Und habt Ihr was herausgefunden?“ „Ja. In Dänemark wurde zu diesem Thema eine Studie durchgeführt. Die Umfrage ergab, dass beschnittene Männer dreimal so häufig unter Orgasmus Schwierigkeiten litten wie nicht beschnittene Männer.“ „Wurde auch herausgefunden weshalb?“

„Ja. Durch die Beschneidung nimmt die Sensibilität der Eichel ab, dies hat zur Folge, dass beschnittene Männer schwerer erregbar sind.“

„Gibt es auch Resonanz von Frauen?“, will Linda wissen. „Einige Frauen, die mit beschnittenen und unbeschnittenen Männer sexuelle Erfahrung hatten, haben sich dahingehend geäußert, dass Männer ohne Vorhaut länger Sex haben können, weil sie angeblich unempfindlicher sind für die Stimulation. Dies konnte aber nicht nachgewiesen werden.“ „Sehr speziell diese Studie!“

Norwin meint: „Trotzdem liegen beschnittene Männer in der Beliebtheitsskale vorne. Wurde bei der Beschneidung sehr viel (Vor-)Haut entfernt, kann die Penetration beim Sex für beide unangenehm sein.“

„Weshalb?“, will Linda wissen.

„Normalerweise mindert das Gleiten des Penis in seiner Schafthaut die Reibung, das fällt beim beschnittenen Mann weg. Die Befeuchtung der Scheide kann das nicht immer ausgleichen, somit sind bei vielen beschnittenen Männern Gleitmittel nötig.“

Jetzt hat Norwin wieder das Lächeln aufgesetzt, weil er etwas Medizinisches berichten konnte, was Linda nicht genau wusste. Vielleicht wusste sie es aber doch!

Linda sucht weiter nach Verletzungen, sie beginnt damit im Gesicht, spricht in ihr Gerät: „Ich entferne jetzt das Klebeband vom Gesicht. Was auffällt, ist der Blutandrang, das Gesicht ist zyanotisch, komplett blau angelaufen. Diese Zyanose ist ein klares Anzeichen für exogenes Ersticken. Hier hat eine deliktische Begehungsweise stattgefunden.“

Nils: „Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat das Opfer noch gelebt, als das Gesicht mit Klebeband umwickelt wurde.“

Sie nickt ihm zu: „Hier am Körper sind Stichverletzungen sichtbar, im rechten oberen Schulterbereich. Was auffallend ist, ist, dass sich alle Stichverletzungen dicht beieinander befinden.“

„Was können wir daraus schließen?“

„Das Opfer muss bewusstlos gewesen sein, es lag am Boden. Es konnte sich nicht wehren. Hätte es die Stiche mit einem spitzen Gegenstand abwehren können, so wären diese Verletzungen nicht so nahe zusammen. Die Verletzungen wären großflächiger gewesen. Es hat somit keinen Kampf gegeben.“

Norwin erwidert: „Was bedeuten die Hämatome auf den Armen und auf dem Rücken?“

„Diese Verletzungen sind dem Opfer vor seinem Tode zugefügt worden. An Toten bilden sich keine solche Hämatome aus. Die blauen Flecken sind unterschiedlich groß und tief. Der eiskalte, bestialische Mord wurde vermutlich mit einem Schlachtermesser durchgeführt und mittels Bandage wurde ein schrecklicher Erstickungstod herbeigeführt.“ Schlachtermesser werden für den professionellen Einsatz in Metzgereien gebraucht, sie sind enorm scharf und belastbar. Das Merkmal ist ein großer ergonomischer Griff, damit liegt das Messer fest und sicher in der Hand.

Kommissar Moon stellt mit dieser Erkenntnis die Hypothese auf, welche keine endgültige Aussage zulässt: „Ob die Stichverletzungen oder das Klebeband zum Tode geführt haben, muss untersucht werden. Vermutlich wurde auf verschiedene Arten zugeschlagen oder von mehreren Personen und mit verschiedenen Gegenständen. Die Verletzungen waren sehr unterschiedlich, dies lässt diese Vermutung zu.“

Norwin und Nils verabschieden sich von Linda: „Danke, gib uns Bescheid über die Resultate.“ Sie fahren zurück ins Polizeirevier.

CT- und MRT-Diagnostik

Die Kofferleiche wird zur CT gebracht. Computertomographiearbeitet im Gegensatz zur MRT-Diagnostik mit Röntgenstrahlen. Die Magnetresonanztomographie oder auch Kernspintomographie funktioniert über ein Magnetfeld. Dabei werden aus verschiedenen Richtungen Schnittbilder gemacht. Die Bilder zeigen keine Einschusslöcher, keine Projektile, sichtbar sind fünf Verletzungen einer Stichwaffe. Um die genaue Todesursache festzustellen, geht es weiter mit der inneren Obduktion.

Linda beginnt: „Die Zersetzung des Gehirns ist so weit fortgeschritten, dass neurologische Verletzungen wie Gehirnerschütterungen oder Ödeme (Einlagerungen von Flüssigkeit im Gewebe) nicht mehr feststellbar sind. Was aber nicht heißen muss, dass es keine Gehirnerschütterung gegeben hat. Ich betrachte jetzt die Lunge genauer. Ihr Zustand bestätigt die Erstickungstheorie. Es lässt sich kein Anzeichen von Ertrinken feststellen, keine traumatischen Verletzungen.“

Die Rechtsmedizinerin ruft Norwin an. Sie informiert ihn über den aktuellen Stand der Untersuchung: „Die innere Autopsie, die CT- und MRT-Untersuchungen haben das Resultat ergeben, dass der Tod durch Ersticken eingetreten ist, verursacht durch die Verdeckung der Atemwege mit dem Klebeband, welches um das ganze Gesicht gewickelt war.“

„Was ist mit den Stichverletzungen? Die Wundmerkmale zeigen die Einwirkung eines scharf schneidenden Instruments?“ „Die Stichverletzungen haben kein lebenswichtiges Organ getroffen.“

„Weißt du schon etwas über den Todeszeitpunkt?“ „Aufgrund der fortgeschrittenen Verwesung können wir keinen genauen Todeszeitpunkt festlegen. Wahrscheinlich ist der Tod drei bis vier Wochen vor dem Fund der Leiche eingetreten. Die toxikologischen Gutachten zeigen keine Giftstoffe im Blut des Opfers an.“ „Danke für die Mitteilung.“

DNA-Datenbank der Polizei

Die erste Aufgabe ist immer die Identifizierung der Leiche. Die Ermittler hoffen, dass der unbekannte Mann im Koffer eine Strafakte hat, dann wäre seine DNA in der LKA-Datenbank hinterlegt. Forensiker der Gerichtsmedizin entnehmen der Leiche eine DNA-Probe. Im Labor wird diese mit Millionen von Profilen verglichen. Leider ohne Erfolg, es gibt keine Übereinstimmung. Durch die Zeit im Wasser sind die Fingerabdrücke unkenntlich geworden.

Kommissar Moon bespricht dies mit dem Ermittlungsrichter: „Was sollen wir weiter tun?“ „Es gibt eine Möglichkeit.“ „Die wäre?“ „Ich ordne ein außergewöhnliches Verfahren an. Wir lassen die Hände des Opfers rekonstruieren.“ Der Ermittlungsrichter sieht diese Möglichkeit.

Als Strafrichter des Gerichts nach der deutschen Strafprozessordnung/StPO kann er das veranlassen.

Norwin meint: „Gut, ich kontaktiere den Spezialisten der Forensischen Molekularbiologie und hoffe, dass er ein verwertbares DNA-Profil herstellen kann.“

Es dauert Tage und verlangt sorgfältige Arbeit. Die Forensiker können endlich ein belastbares Ergebnis vorweisen. Es gelang den Technikern, die Fingerabdrücke des Opfers zu rekonstruieren und in der DNA-Datenbank abzugleichen.

Das Telefon klingelt: „Schwanbüll, Moon.“ Ein Forensiker von der Kriminaltechnik: „Es gibt leider keinen Treffer. Die Fingerabdrücke des Toten sind nicht registriert. Ermittlungstechnisch heißt das, der Unbekannte aus dem Koffer ist strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten und ist somit kein Verbrecher.“ „Ist das ganz sicher?“ „Ja.“

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