An meinen Liebhaber | Roman

Text
Autor:
Aus der Reihe: Erotik Romane
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
An meinen Liebhaber | Roman
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Impressum:

An meinen Liebhaber | Erotischer Roman

von Lily Hunt

Lily Hunt ist das Pseudonym einer deutschen Schriftstellerin. Geboren und aufgewachsen in der Eifel, zog es die aufgeschlossene und experimentierfreudige Frau vor einigen Jahren in die weite Welt hinaus. Dabei begleitete sie stets die Lust, neue Menschen kennenzulernen und ihre Geschichten zu hören. Nach langer Zeit des Reisens bringt sie nun ihre zwischenmenschlichen Erfahrungen zu Papier und begeistert damit ihre Leser. Vieles davon hat sie selbst erlebt oder hat man ihr in dunklen Nächten bei einem Glas Wein erzählt.

Lektorat: Sabine Wagner

Originalausgabe

© 2018 by blue panther books, Hamburg

All rights reserved

Cover: © deagreez @ bigstockphoto.com

Umschlaggestaltung: MT Design

ISBN 9783862777440

www.blue-panther-books.de

1. Kapitel

Gegenwart

Mein Geliebter,

ich bin in Schwierigkeiten. Realen, aber vor allem emotionalen. Ausgelöst durch eine einfache Einladung zu dem Geburtstag deiner Frau. Allein der Gedanke daran lässt mich fast vor Panik erstarren.

Schon wenige Minuten, nachdem ich den Parkplatz vor meinem Büro verlassen habe, lenke ich mein Auto an den Straßenrand. Ich schalte den Motor aus und lehne meine Stirn auf das Lenkrad. Mit tiefen Atemzügen versuche ich, die aufkommende Panik zu verhindern. Unwillkürlich wandern meine Gedanken zum heutigen Morgen zurück, als Mathias, mein Ehemann, mir freudig erzählt hat, dass wir von seiner Kollegin Ines eingeladen worden waren. Es soll eine Geburtstagsparty im großen Stil werden. Nicht nur Ines’ Geburtstag würde gefeiert, auch der von ein paar Bekannten. Viele Leute würden kommen. Und es gab keine Chance, mich da rauszureden. Innerlich schockgefroren, konnte ich nur nicken und hoffen, dass mein Mann mir nichts anmerkte. Im Büro fuhr mein Körper den ganzen Tag auf Autopilot. Ich arbeitete mechanisch, vermied bewusst jeden Gedanken an dich.

Ich bin verzweifelt. Was soll ich nur tun?

Erschrocken zucke ich zusammen, als es an die Scheibe der Beifahrerseite klopft. Eine Frau schaut ins Auto. Genervt öffne ich das Fenster.

»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragt sie mich besorgt. Ich nicke.

»Danke. Mir geht es gut«, behaupte ich, lasse den Motor wieder an und winke ihr zu. Als ich mich in den Straßenverkehr einfädele, fasse ich einen Entschluss. Ich würde zu dieser Party gehen! Mit hocherhobenem Haupt. Auf keinen Fall würde ich mich von deiner Anwesenheit verrückt machen lassen.

Geschehen ist geschehen. Ich kann die Vergangenheit nicht mehr ändern. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, will ich das auch gar nicht. Die Zeit mit dir war wunderschön, auch wenn ich mir in den letzten Jahren jeden Gedanken daran verboten habe.

Das süße Ziehen in meinem Unterleib verrät mir, dass mein Körper sich sehr gut erinnert. Fünf Jahre war es her, seit ...

Schluss damit, ermahne ich mich.

Und doch kann ich die Erinnerungen nicht abschütteln. Die Bilder ziehen ungefragt an meinem inneren Auge vorbei. Deine Küsse im Wald. Deine Hände auf meinen Brüsten. Dein verzerrtes Gesicht, wenn du laut schreiend in mir kommst.

Du – Ehemann von Ines, mein ehemaliger Liebhaber und bekennender Casanova.

***

Hitze breitet sich in mir aus. Ich öffne das Fenster ein Stück, doch es hilft nicht viel. Unruhig rutsche ich auf dem Sitz hin und her, während sich die Feuchtigkeit zwischen meinen Schenkeln ausbreitet. An der roten Ampel drücke ich mit der Hand auf meinen Schritt und reibe darüber. Doch die Erregung bleibt. Ich muss mir dringend noch heute Erleichterung verschaffen und dich dabei aus meinen Gedanken heraushalten. Also gibt es nur eine Möglichkeit für mich. Ich greife nach meinem Handy und wähle die Nummer meines Mannes.

»Mathias! Bist du schon zu Hause?«

Mein Mann antwortet, dass er mit den Kindern noch unterwegs ist.

»Pass auf, bring sie doch lieber zu deinen Eltern«, schlage ich ihm vor. Ich habe ein etwas angespanntes Verhältnis zu meinen Schwiegereltern. Für meinen Geschmack mischen sie sich zu sehr in unsere Belange ein. Allerdings muss ich ihnen zugutehalten, dass sie zu unseren Kindern ein äußerst liebevolles Verhältnis haben.

Kurz herrscht Stille am Telefon.

»Was hast du denn vor?«, fragt Mathias mich. Im Hintergrund höre ich die Geräusche spielender Kinder. Ich lächele und spreche mit tiefer, leiser Stimme.

»Den Großeltern sagst du, dass wir ins Kino wollen. Und dann machen wir zwei es uns zu Hause gemütlich.«

»Gemütlich?«

»Ja, gemütlich«, hauche ich mit verführerischer Stimme ins Handy. »Nur wir zwei. Erst essen wir schön zu Abend und dann lassen wir mal die Hüllen fallen.«

»Alles klar! Wir sehen uns um sieben.« Mathias’ Stimme klingt nun aufgeregt.

In meinem Bauch kribbelt es vor lauter Vorfreude. Im Grunde genommen nehmen wir uns viel zu wenig Zeit für uns, sind immer gestresst. Sex gibt es nur zwischendurch. Schnell und heimlich, damit die Kinder auch ja nichts mitbekommen. Ich freue mich auf den Abend und du bist in die hinterste Ecke meines Kopfes verbannt.

5 Jahre zuvor

Schon früher war mir der Mann von Ines aufgefallen. Er war groß, sportlich und trat mit sehr viel Selbstbewusstsein auf. Die Kolleginnen von Mathias sprachen oft von ihm. Natürlich nur, wenn Ines nicht dabei war. Sie flüsterten hinter vorgehaltener Hand, dass er eine Affäre nach der anderen hatte. Okay, wenn ich fragte, mit wem er diese angeblichen Affären gehabt haben sollte, wurde meist mit den Schultern gezuckt. Namen wurden nie genannt.

Ich kannte jemanden, der fremdging! Das faszinierte mich. Oft trafen wir ja nicht aufeinander – vielleicht einmal im Jahr, höchstens zweimal –, doch wenn, dann beobachtete ich ihn neugierig. Er sah gut aus. Tolle Figur. Äußerst charmant. Und mehr als fünfzehn Jahre älter als ich. Meist sahen wir uns bei irgendwelchen Feiern oder Unternehmungen der Firma, in der Mathias arbeitet.

Wir begrüßten uns immer nur kurz, sprachen kaum miteinander. Er wusste meinen Namen, doch das war es wahrscheinlich auch schon wieder.

Bei dieser einen Weihnachtsfeier fühlte sich irgendetwas anders an. Ich war von Anfang an kribbelig. Etwas Unbekanntes lag in der Luft. Die Atmosphäre schien vor Spannung wie aufgeladen. Ging das nur mir so? Unauffällig blickte ich mich um. Alle anderen amüsierten sich, während ich auf etwas wartete und dabei dem Wein etwas mehr zusprach als gewöhnlich. Ich schrak leicht zusammen, als mir und meinem Mann jemand auf die Schulter tippte.

»Darf ich deine Frau zum Tanz entführen?«, fragte er Mathias. Mein Mann nickte. »Klar, warum nicht.«

Ich fühlte mich wie elektrisiert. Alles kribbelte an mir. Wortlos stand ich auf und folgte ihm auf die Tanzfläche.

Dort blieb ich unbeholfen stehen.

»Tanzen wir zusammen oder getrennt?«

Er lachte und griff nach meiner Hand.

»Mit dir am liebsten zusammen.«

Souverän führte er mich über die Tanzfläche. Seine rechte Hand auf meiner Hüfte. In seiner Linken meine Hand. Ich war nervös, traute mich kaum, ihn anzusehen.

»Wie gefällt dir die Feier?«, fragte er mich. Ich antwortete durch meine Befangenheit nur einsilbig.

Normalerweise mag ich den Trubel solch großer Partys nicht. Doch in diesem Moment, mit ihm auf der Tanzfläche, war alles anders. Ein ganzer Schwarm Schmetterlinge tanzte in meinem Bauch. Stimmten die Gerüchte? Schlief er mit anderen Frauen? Wieso tat er das? Genügte ihm seine Frau nicht? Meine Gedanken überschlugen sich.

»Du siehst in dem Kleid sehr hübsch aus. Ich mag es, wenn Frauen Schwarz tragen. Das ist sexy.«

Überrascht blickte ich in seine Augen, die schelmisch funkelten. Meinte er das ernst?

»Danke«, stotterte ich leicht verlegen. Was sollte das heißen? Fand er mich in dem Kleid etwa sexy? Absurd. Ich war gewiss nicht hässlich, hielt mich eher für Durchschnitt. Ich trug am liebsten Jeans, T-Shirts oder Hemdblusen. Für Kleider hatte ich wenig übrig und trug sie nur zu besonderen Anlässen.

Natürlich, mein Mann fand mich sexy. Auch von anderen Männern hatte ich dann und wann mal ein Kompliment bekommen. Und doch ... Dieses fühlte sich anders an.

Ich war dankbar für das schummrige Licht. So bemerkte hoffentlich niemand meine Verlegenheit. Das Lied, zu dem wir tanzten, verklang. Ich wollte mich von ihm lösen und verspürte leises Bedauern dabei. Doch er hielt mich fest, tanzte einfach weiter mit mir zum nächsten Song.

»Das Büro, in dem du arbeitest, liegt doch in der Wilhelmstraße in eurer Stadt, richtig?«

Er wohnte mit Ines in einer Kleinstadt, unweit unserer.

Mein Kopf flog hoch, sprachlos starrte ich ihn an, bevor ich mich zu einem Nicken durchrang. Wo führte dieses Gespräch nur hin? Meine Nervosität nahm zu. Ich klammerte mich an seine Hand, bemerkte dies und versuchte, mich zu entspannen. Es kribbelte immer mehr in meinem Bauch und fühlte sich verboten an. Verboten gut.

»Ich könnte dich dort doch mal besuchen. In der Mittagspause oder so. Hast du Lust dazu?«

Mir schoss das Blut in den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich schauen sollte. Er zog mich näher an sich. Sein Mund flüsterte verführerisch an meinem Ohr:

»Es muss ja keiner etwas davon wissen. Willst du?«

Meine Knie wurden weich. Ich wollte dieses Treffen. Wollte es unbedingt. Doch das war falsch. Alle Alarmglocken in meinem Kopf schrillten.

Entgegen aller moralischen Bedenken, nickte ich. Er strahlte mich an.

 

»Gut.«

Ich senkte meinen Kopf, hätte ihn am liebsten an seine Schulter gelegt. Wir tanzten schweigend, bis der Song vorbei war und er mich an den Tisch zu Mathias brachte.

2. Kapitel

Gegenwart

Mein Geliebter,

heute, am Abend der Party, dann der Super-GAU. Mathias fiebert. Seine Wangen sind knallrot und ein ständiger Hustenreiz quält ihn. Er gehört ins Bett und auf keine Party. Ich bin erleichtert und gleichzeitig fast etwas traurig. Zu groß die Angst, aber auch die Neugier, dich wiederzusehen. Ich rufe bei euch an, hoffe fast, dass du an das Telefon gehst. Ines meldet sich. Ihre Stimme klingt hektisch, gestresst. Wahrscheinlich ist das aber kein Wunder, bei den vielen Vorbereitungen für die Feier. Ich hole tief Luft, um abzusagen.

»Ines, es tut mir leid. Wir können heute nicht kommen. Mathias ist krank.«

Ines protestiert sofort. Wortreich erklärt sie mir, dass ich ja auch allein kommen kann.

»Hör mal«, versuche ich, sie zu überzeugen. »Ich will Mathias so nicht allein lassen ...«

»Papperlapapp«, unterbricht sie mich. »Er ist ein erwachsener Mann mit einer Erkältung. Er wird die ganze Nacht über schlafen. Die Kinder sind nicht da.«

Sie unterbricht sich und schnappt hörbar nach Luft. Ich sehe sie vor meinem inneren Auge, wie sie nach weiteren Gründen sucht.

»Du musst einfach kommen!«, bestimmt sie. »Du übernachtest wie geplant bei uns und kannst morgen deinen Mann wieder umsorgen.«

»Ja, geh bitte«, drängelt Mathias jetzt auch noch aus dem Hintergrund. »Ich werde schlafen und du gehst dich mal amüsieren.«

Amüsieren!

Wie ein Hohn wiederholt sich dieses Wort in meinem Kopf.

Amüsieren!

Ich gebe nach; packe meine Tasche.

Amüsieren!

In die Angst vor unserem Wiedersehen mischt sich jetzt auch eine leise Erregung. Etwas zieht mich unwiderstehlich zu dir hin. So war es auch schon vor fünf Jahren gewesen. Ich war dir vollkommen ausgeliefert.

Wie wird es sein, dir gegenüberzustehen?

Ich halte inne beim Packen und setze mich. Meine Knie sind weich wie Pudding. Wenn mich allein der Gedanke an dich schon so schwachmacht, was passiert, wenn ich mich im selben Raum mit dir aufhalte? Bei einer Sache bin ich mir ganz sicher. Du wirst charmant sein. Jovial. Und falls wir miteinander sprechen sollten, wird – wahrscheinlich im Gegensatz zu mir - dir niemand ansehen, was du mit mir vor langer Zeit getrieben hast.

Du hattest mich ins Visier genommen und verführt. Mich umworben und als ich dir verfallen war, hast du mir die Seele aus dem Leib gevögelt. Unsere gemeinsame Zeit habe ich wie im Rausch verbracht. Süchtig nach dir und deinen Berührungen.

Wird diese alte Leidenschaft wieder aufflammen? Ich seufze. Von meiner Seite aus gibt es da gar keinen Zweifel. Seit ich von der Einladung weiß, ist mein Höschen dauerfeucht.

Bei dir bin ich mir nicht sicher. Du hattest vor mir viele Frauen und nach mir sicherlich auch. Daran habe ich keinen Zweifel. Nur, welchen Stellenwert nehme ich unter all deinen ehemaligen Geliebten ein? Für mich war unser Beisammensein etwas ganz Besonderes. Vielleicht bin ich für dich ja nur eine von vielen. Kaum wert, noch einmal daran zu denken. Das wäre schlimm für mich. Oder wäre es ein Segen?

***

Fürs Erste habe ich mir umsonst Sorgen gemacht. Als ich bei eurem Haus ankomme, bist du schon unterwegs, die letzten Partyvorbereitungen treffen. Ich richte mich in dem kleinen Gästezimmer ein. Die Zeit ist etwas knapp, aber Ines ist auch noch nicht fertig. Eilig schlüpfe ich in mein neues Kleid. Es ist raffiniert ausgeschnitten und bringt meine Brüste gut zur Geltung. Dazu trage ich schwarze Strumpfhosen und elegante Pumps. Als ich mich prüfend im Spiegel betrachte, schiebe ich den Gedanken, dass dir dieses Outfit wohl äußerst gut gefallen wird, weit zurück. Ich will jetzt nicht an dich denken. Sonst kommt die Angst zurück. Oder ich werde wieder feucht. Beides behagt mir im Moment nicht.

Ines läuft hektisch durch das Haus und lässt dadurch meine Aufregung noch weiter steigen. Meine Hände fühlen sich feucht an. Sie plappert unaufhörlich irgendwelches Zeug und ist keine Sekunde ruhig. Eigentlich passt mir das ganz gut, da ihr so hoffentlich nicht auffällt, dass ich so still bin. Erst als wir im Auto sitzen, schweigt sie.

Als wir in dem Gasthaus ankommen, ist die Party schon in vollem Gange. Es sind zahlreiche Leute gekommen. Ich schaue mich um, und entdecke viele Kollegen meines Mannes. Den meisten nicke ich aus der Ferne zu. Andere begrüßen mich persönlich, fragen nach dem Befinden von Mathias und bedauern, dass er nicht da ist. Irgendwer drückt mir ein Glas Wein in die Hand. Meine innere Unruhe legt sich ein wenig. Irgendwie habe ich das Gefühl, neben mir zu stehen und zuzusehen. Alles ist so entrückt.

Ich plaudere mit den Leuten, kenne viele von ihnen seit Jahren. Bald stelle ich überrascht fest, dass ich tatsächlich Spaß habe. Du bist in meinem Kopf ganz an den Rand gewichen. Es tut gut, einmal aus dem Alltagstrott auszubrechen. Die Musik dröhnt.

»Hey! Das ist aber schön, dass du auch da bist!«

Ein schlaksiger Mann mit Brille drängelt sich durch die Menge direkt auf mich zu. Er arbeitet ebenfalls in Mathias’ Firma und ich habe mich schon ein paarmal mit ihm unterhalten. Angestrengt suche ich in meinem Kopf nach seinem Namen. Er beugt sich vor und drückt mich mit einem Arm kurz an sich. Unbeholfen tätschele ich ihm die Schulter. Wie hieß er denn nur?

Das Einzige, was mir zu ihm einfällt, ist, dass er unglaublich langweilig ist. Seine Monologe sind endlos und ichbezogen. Und dann legt er auch schon los.

»Ich hatte ja gar nicht damit gerechnet, dich hier heute zu treffen, als ich erfuhr, dass Mathias krank ist. Was hat er denn? Die Grippe?«

Ich öffne den Mund, um ihm zu sagen, dass es wohl nur ein Infekt sei, doch schon spricht er weiter.

»So eine Grippe ist wirklich furchtbar. Ich hatte letzten Winter ...«

Ich klinke mich gedanklich an dieser Stelle aus. Lächele und nicke ab und zu und hoffe, dass ich die richtigen Stellen treffe. Unauffällig blicke ich mich um. Ich habe dich noch nicht gefunden. Kein Wunder, bei all den Leuten. Der Mann, dessen Name mir immer noch nicht einfällt, lacht laut. Verunsichert stimme ich mit ein. Höchstwahrscheinlich war es nicht witzig, aber es fällt mir schwer, andere vor den Kopf zu stoßen. Selbst wenn diese dumm und langweilig waren.

»Kaum ist dein Mann nicht da, schon fängst du an, mit anderen zu flirten.«

Beim Klang deiner so vertrauten Stimme fahre ich erschrocken herum. Ein Rauschen beginnt in meinen Ohren; alles um mich herum verschwindet. Ich sehe dich wie im Tunnelblick, alles andere ist ausgeblendet. Du lächelst unverbindlich, reichst mir die Hand und gibst mir einen Kuss auf die Wange. Ich rieche dein mir bekanntes Rasierwasser und tausend Erinnerungen ziehen durch meinen Geist. Das Blut schießt mir in den Kopf, wahrscheinlich verfärbt sich mein Gesicht burgunderrot. Ich hoffe, dass das niemandem bei dem schummrigen Licht auffällt. Du wendest dich an meinen Gesprächspartner und schüttelst ihm zur Begrüßung die Hand.

»Peter! Wie immer bei den schönen Frauen zu finden.«

Peter! Da hätte ich doch eigentlich selbst draufkommen können. Wenn irgendjemand wie ein Peter aussieht, dann er, fährt es mir durch den Kopf. Aber eigentlich ist mir sein Name recht gleichgültig. Nichts anderes zählt mehr als deine Anwesenheit. Ich habe das Gefühl, mit dir in einer kleinen Blase zu stehen. Nichts dringt von außen zu uns. Ich sehe nur noch dich.

Dein Auftreten ist wie immer selbstbewusst und unverbindlich.

»Wie geht es dir?«, fragst du mich und ich lächele dich an. Ich habe etwas Mühe, dich zu verstehen und beuge mich zu dir hin. Ich spüre deine Nähe mit jeder Zelle meines vibrierenden Körpers.

»Wir haben uns lange nicht gesehen. Schade, dass Mathias krank ist. Er verpasst heute etwas.«

Ich nicke. Mein Kopf ist wie leer gefegt. Mir fällt nicht ein, was ich erwidern könnte. Doch das ist auch gar nicht nötig, denn Peter versucht, dich in ein Gespräch zu verwickeln. Dein Blick wendet sich von mir ab und ich habe Zeit, dich aus dem Augenwinkel zu mustern.

Du hast dich kaum verändert. Nur deine Haare sind vielleicht etwas grauer geworden, was ich aber sexy finde. Du hebst die Hand und Peter verstummt.

»Tut mir leid. Ich muss noch ein paar Gäste begrüßen. Wir sehen uns später.«

Du musterst mich anerkennend mit einem kurzen, anzüglichen Blick. Hitze und Verlangen breiten sich in meinem Schoß aus. Dann verschwindest du in der Menschenmenge. Wenn ich deinen Blick richtig deute, gefällt dir mein Aufzug.

Mit meinen Ellbogen kämpfe ich mich zur Bar durch und lasse Peter einfach stehen. Keine Minute länger ertrage ich sein tumbes Geschwätz mehr. Ich brauche jetzt dringend etwas zu trinken. Es ist zu laut, zu voll hier.

Seit du in der Menschenmenge untergetaucht bist, fühle ich mich allein. Der Kellner schiebt mir über die Theke ein volles Glas Wein zu, welches ich schnell hinunterstürze. Dann schnappe ich mir ein weiteres Glas und beschließe, an die frische Luft zu gehen. Ich brauche ein wenig Ruhe und Zeit für mich, um mich wieder zu beruhigen. Mein Herz schlägt wie verrückt und im meinem Schoß pocht es verlangend.

Kurz vor der Tür hängt Ines sich an meinen Arm. Ausgerechnet! Ich habe Mühe, sie nicht von mir wegzustoßen. Sie seufzt neidisch, als sie mein gefülltes Weinglas sieht.

»Leider muss ich mich heute zurückhalten. Ich habe morgen Frühschicht und muss pünktlich aus dem Haus.«

Versteinert bleibe ich stehen. Ich breche unter ihren Worten fast zusammen. Ob sie weiß, was sie mir da gerade offenbart hat?

So viele Möglichkeiten für uns. Das konnte doch kein Zufall sein! Offenbar spielte Fortuna wieder mit ihrem Glücksrad. Doch war das wirklich Glück für mich? Oder eher eine Katastrophe?

5 Jahre zuvor

Glücklicherweise war an diesem Tag im Büro wenig zu tun. So konnte ich in Ruhe meinen Gedanken nachhängen. Was hatte ich nur getan? Ich könnte natürlich dem Alkohol die Schuld geben, aber wenn ich ehrlich zu mir war, war das nur die halbe Wahrheit.

Ich stützte meine Ellbogen auf die Tischplatte und legte mein Gesicht in beide Hände. Was hatte mich da nur geritten? Meine Haut fühlte sich heiß an, wie im Fieber. Was sollte ich nur tun, wenn er heute Mittag plötzlich hier im Büro auftauchte? Wie sollte ich das meinen Kollegen erklären? Vielleicht konnte ich ihn ja als entfernten Verwandten vorstellen?

Reiß dich zusammen, schimpfte ich mich selbst aus. Wahrscheinlich hat er die ganze Sache inzwischen wieder vergessen.

Das Telefon klingelte und riss mich aus meinen Überlegungen. Ich hob den Hörer ab, meldete mich und lauschte.

»Hallo! Erschreck dich nicht. Ich bin es.«

Ich erkannte seine dunkle Stimme sofort. Stocksteif saß ich auf meinem Bürostuhl.

»Hallo!« Meine Stimme glich einem Flüstern. Ich räusperte mich.

»Erinnerst du dich an unser Gespräch bei der Weihnachtsfeier?«

Was für eine Frage!

»Ja, natürlich.«

Er lachte. »Ich würde dich immer noch gern einmal besuchen. Wann hast du Zeit?«

In meinem Kopf herrschte Chaos. Was tat ich da nur? Sollte ich mich wirklich mit ihm verabreden? Andererseits, warum nicht? Vielleicht wollte er ja wirklich nur einen Kaffee mit mir trinken und ich brach hier grundlos in Panik aus. Irgendwie glaubte ich aber selbst nicht daran.

»Ich ... ich weiß nicht.« Ich ärgerte mich immens über meine Stotterei. »Jetzt vor den Feiertagen ist das schlecht.«

Wieder dieses sexy, dunkle Lachen, welches ein Kribbeln in meine Magengegend sendete.

»Du willst dich doch aber noch mit mir treffen, oder?«

Ich schwieg. Es fühlte sich an wie ein Scheideweg, an dem ich stehe. Wie sollte ich mich nur entscheiden? Moralisch gesehen war die Antwort glasklar. Sofort abwiegeln. Dann könnte ich mein Leben wie bisher weiterleben. Insgeheim sehnte ich mich aber nach mehr Aufregung. Und ehe ich michs versah, flüsterte ich:

»Ja, ich möchte mich mit dir treffen.«

Mein Herz schlug bei diesen Worten wie verrückt. Sein dunkles Lachen tönte aus dem Hörer.

»Gut. Du weißt aber, dass ich nicht der Typ fürs Händchenhalten bin, oder?«

Bei diesem Satz brannte alles in mir. Ich umklammerte den Telefonhörer so fest, dass er knackte.

»Ich möchte dich dann küssen und anfassen.«

Feuchtigkeit sammelte sich zwischen meinen Beinen. Oh mein Gott, was tat ich da nur?

 

»Okay«, wisperte ich in den Hörer und ahnte in diesem Augenblick schon, dass ich mich ihm damit auslieferte.

»Wir treffen uns und reden darüber.«

Tief in mir wusste ich, dass ich mir mit diesem Satz nur ein Alibi für meinen Seelenfrieden verschaffte. So konnte ich mir bis zu diesem Treffen immer wieder sagen, dass ich ja nur reden wollte. Gleichzeitig wusste ich aber, dass wir nicht darüber sprechen würden. Wenn ich zu diesem Treffen gehen sollte, und das würde ich, wäre das der Beginn meiner ersten Affäre.

»Gib mir deine Telefonnummer. Wir machen den Rest dann per SMS aus.«