El Sendador II. Der Schatz der Inkas

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El Sendador II. Der Schatz der Inkas
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Inhaltsverzeichnis





Viertes Kapitel. Nuestro Sennor Jesu Christo de la floresta virgen.







Fünftes Kapitel. Ein Cascarillero.







Sechstes Kapitel. Schluß.







Fußnoten






Viertes Kapitel. Nuestro Sennor Jesu Christo de la floresta virgen.



Wer den ersten Teil meiner neuen Reiseabenteuer gelesen hat, weiß, welche seltsamen Fahrten und Gefahren ich zu bestehen hatte. Für die wenigen, welche die vorhergegangenen Ereignisse noch nicht kennen, füge ich folgende kleine Einleitung hinzu.



Durch eine überraschende Verwicklung der Umstände war ich in Argentinien in die Hände des aufrührerischen Generals Lopez Jordan gefallen, dem es indessen nicht gelungen war, mich festzuhalten. Ich hatte ihm sogar den Major Cadera entführt und denselben unterwegs auf einer schwimmenden Insel abgesetzt. Von meinen Begleitern hatten der Estanziero und sein Sohn, sowie der von Jordan desertierte Offizier uns verlassen. Dann ging ich mit meinen Gefährten, dem Frater Hilario, auch Bruder Jaguar genannt, dem Yerbatero (Teesammler) Monteso und seinen Leuten, dem Kapitän Frick Turnerstick und dem Steuermann Larsen auf einem Floß den Paranastrom hinunter, um nach Buenos Ayres zu fahren. Von dort wollten wir uns durch die weite Waldlandschaft, den Gran Chaco schlagen. Ich wollte nach Tucuman, um einen alten Bekannten wieder zu sehen. Gleichzeitig aber wollten wir einen abgefeimten Schurken, den Sendador, suchen, welcher im Besitz wichtiger auf einen vergrabenen Schatz bezüglicher Dokumente war. Diese Dokumente bestanden in Quipus, das sind altperuanische Geheimnisse, welche in Schnuren geknüpft sind, die ich zu enträtseln hoffte. Der Sendador hatte sie einem Mönche, der dieselben seinem Kloster überbringen wollte, abgenommen, und ihn in der Pampa de Salinas in den brasilianischen Anden ermordet. Die Yerbateros wußten, daß der Sendador im Besitz der Quipus war, nicht aber, daß er den Mönch ermordet hatte. Letzteres hatte ich aus den Aussagen eines sterbenden Mannes erraten, der unbemerkt Zeuge der Tat gewesen und später vom Sendador gezwungen worden war, Stillschweigen zu schwören.



Jetzt fuhr ich denn Parana herauf und seltsame Gedanken bewegten mich. Ich dachte an das Wort eines Kirchenvaters: »Gehet hin in alle Welt, und öffnet allen Völkern die Pforten der Seligkeit!« So umschreibt er die Worte, durch welche der göttliche Erlöser die Mission einsetzte und heiligte. Und sie sind hingegangen, die Apostel des Herrn, in Not und Tod, um seinen Befehl auszuführen, und nach ihnen Hunderte und Tausende in demselben Glaubenseifer und Todesmut. Wo gibt es ein Land, in welchem, und ein Volk, an welches nicht der Ruf erklungen wäre: »Kommet her zu mir alle, die ihr elend und verschmachtet seid; ich will euch erlösen und erquicken!«?



Und sie sind gekommen, die Armen und Elenden, die Mühseligen und Beladenen, die Kranken und Trostbedürftigen, um Frieden zu finden, Frieden mit Gott, mit sich selbst und den Menschen. Aber noch Abertausende, noch Millionen befinden sich draußen vor dem Tore, innerhalb dessen die Gnade und Versöhnung waltet. Sie hören die Rufe, aber sie folgen denselben nicht. Der Herr winkt ihnen; sie aber stehen stumm oder schütteln die Köpfe und gehen ihre bisherigen Wege. Warum?



Warum!



»Närrische, sonderbare Frage!« sagte einst ein viel und weit gereister Herr zu mir, welcher alle Nationen und Völker gesehen hatte, vom weißen Kaukasier bis zum zwitschernden Papua. »Gehen Sie nur hin, und sehen sie drei oder vier Missionen, welche so nahe bei einander liegen, daß ein Fußgänger innerhalb eines Tages einen Kreis um sie beschreiben kann! Einer dieser geistlichen Herren ist ein Lutheraner, der zweite ein Mennonit, der dritte ein Hochkirchlicher und der vierte gar ein Quäker. Jeder von ihnen räsonniert auf den Glauben des andern. Welcher von ihnen hat nun recht? So fragen sich mit gutem Grunde die armen Heiden. Keiner, ist ihre schließliche Antwort. Hier haben Sie mein Darum auf Ihr Warum.«



Hatte dieser Herr recht oder unrecht? »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen,« lautet ein Bibelwort. Darum schaue man hinaus nach den Früchten, welche der ausgestreute Samen trägt. Man kann nicht Trauben ernten von den Dornen und Feigen von den Disteln! Nur die katholische Kirche hat auf dem so unendlich wichtigen Gebiete des Missionswesens Erfolge aufzuweisen.



Ein Weltreisender, welcher nicht der katholischen Kirche angehört, schreibt in einem seiner Werke über Südamerika Folgendes:



»Der König von Spanien sandte Missionäre, um die Indianer zum christlichen Glauben zu bekehren. Die geistlichen Väter ließen sich an den Fällen des oberen Parana nieder und versammelten bald eine große Anzahl Indianer um sich. Sie wurden aber von den brasilianischen Sklavenjägern bedrängt und zogen mit 12,000 Bekehrten nach Süden. Dort bildeten sie ihre Zöglinge nach Kräften militärisch aus und wiesen alle weiteren Angriffe der Sklavenjäger mit Waffengewalt zurück. Die Missionen dehnten sich immer weiter aus, so daß sie fast 200,000 Bekehrte und eine bewaffnete Macht von 15,000 Mann besaßen. Die Indianer wurden von allen schädlichen Einflüssen fern gehalten und durch väterliche Behandlung und Frohsinn zur Arbeit erzogen. Sie gediehen dabei sowohl körperlich wie geistig und geistlich auf das Vortrefflichste, und nichts fiel ihnen weniger ein, als in ihren früheren Zustand zurückzukehren.«



So sagt und schreibt ein Protestant. Diese und andere Fragen und Gedanken gingen mir durch den Sinn, als wir in der breiten Flut des Parana aufwärts dampften. Wir näherten uns der Gegend, in welcher die katholische Mission so großartige Erfolge zu verzeichnen hatte, daß das ganze, weite Gebiet noch heute mit dem Namen »Missiones« bezeichnet wird.



Zu unserer rechten Hand bespülte der Fluß die Provinz Entre Rios, jenseits welcher der Uruguay unsere Flucht gesehen hatte. Wir waren glücklich entkommen, obgleich das ganze rechte Ufer wegen uns alarmiert worden war. Wir hatten uns aber gehütet, dort anzulegen.



Das Floß ging bis Siqueritas, wo wir Gelegenheit fanden, unsere Pferde zu verkaufen, die wir jetzt nicht brauchten. Das heißt, meinen Braunen behielt ich, denn ich durfte nicht hoffen, sogleich wieder ein so gutes Tier zu finden. Dann gingen wir per Schiff nach Buenos Ayres.



Dort hielten wir uns nur so lange auf, als der Kapitän brauchte, seine Weisungen zu erteilen. Er hatte so lange auf uns eingesprochen, bis er die Erlaubnis erhielt, uns zu begleiten. Und Larsen, der Steuermann, ging auch mit.



Buenos Ayres wird an anderer Stelle erwähnt und beschrieben werden. Wir nahmen da Fahrkarten für einen Dampfer, welcher bis hinauf nach Corrientes ging. Einige Schwierigkeiten wurden mir wegen des Pferdes gemacht; doch ließ der Kapitän endlich mit sich sprechen. Der Braune kam zwischen Ballen, Kisten und Fässern zu stehen, welche auf dem Vorderdecke untergebracht waren. Er befand sich wie in einem kleinen Stalle, nur daß er kein Dach über sich hatte.



Der La Plata bildet nach dem Amazonas das größte Stromsystem Südamerikas. Er wird durch den Zusammenfluß des Uruguay mit dem Parana gebildet und muß als die breiteste Flußmündung der Erde bezeichnet werden. Sie ist unmittelbar nach der Vereinigung der beiden Flüsse 40 Kilometer breit. Bei Montevideo erreicht sie eine Breite von 105 und an der Öffnung sogar von 220 Kilometer. Diese 320 Kilometer lange Mündung hat ein schlammig gelbes Wasser, welches noch 130 Kilometer weit in der See draußen sich vom Meerwasser unterscheiden läßt.



Die Tiefe des Parana beträgt da, wo er den La Plata bilden hilft, dreißig Meter. Entsprechend ist seine Breite. Er ist unbedingt der größte südamerikanische Fluß, bildet aber nicht einen geschlossenen Stromlauf, sondern teilt sich oft in mehrere Arme und bildet Inseln, welche zuweilen von bedeutender Größe sind. Er ist äußerst fischreich, obgleich man seines schmutzigen Wassers wegen nur selten sich eine Flosse bewegen sieht.



Wir hatten außer in Rosaria noch einige Male angelegt, doch hatte ich das Schiff nicht verlassen, da ich an Bord bleiben wollte, solange wir an der Provinz Entre Rios vorüber kamen. Wir hätten leicht einem begegnen können, welcher uns bei Jordan gesehen hatte, und dann waren wir unsers Lebens wohl kaum sicher. Sogar Santa Fé und Parana hatte ich mir nicht angesehen, denn gerade an diesen beiden Orten war eine solche Begegnung am meisten zu erwarten. Erst als wir diese beiden Städte hinter uns hatten, fühlten wir uns leidlich sicher. Wir kamen weiter an Puerto Antonio und La Paz vorüber und steuerten auf den Einfluß des Rio Guayquiaro zu, welcher von Osten in den Parana mündet.



Es war ein außerordentlich reges Leben an Bord. Leute aus allen Provinzen befanden sich da, sogar Indianer mit ihren Frauen, welche aber keineswegs den Eindruck machten, welchen ich von den Sioux, Apatschen und Comantschen mitgenommen hatte. Sie sahen verkommen, unselbständig und gedrückt aus.



Die Weißen hatten alle ein sehr kriegerisches Aussehen. Sie wußten, daß die Provinz Entre Rios den Aufstand plane, und unter solchen Verhältnissen konnte man sich selber auf dem Schiff nicht sicher heißen. Darum hatte ein jeder so viele Waffen, als er besaß, an sich gehängt.



Unter den Indianern fiel mir ein junger Mann auf, der sehr vorteilhaft von den andern abstach. Er war keineswegs schöner als die übrigen Roten, auch nicht besser gekleidet, aber er hatte eine, wie mir schien, kranke Begleiterin bei sich, für welche er eine außerordentliche Sorgfalt an den Tag legte. Sie war alt und schien seine Mutter zu sein; aber Liebe zur Mutter ist bei diesen Leuten eine Seltenheit. Das Weib ist für die Arbeit da; sie wird weder als Frau, noch als Mutter geachtet. Beide waren sehr ärmlich gekleidet. Der Indianer hatte nichts als ein Hemd, eine kurze Hose, ein Paar alte Schuhe und ein Messer, welches in dem Stricke steckte, den er um den Leib gebunden hatte. Sein Auge zeigte mehr Intelligenz, als man bei diesen Leuten zu finden gewohnt ist. Vielleicht aber war es sein liebevoller, besorgter Blick, welcher mich zu dieser Annahme verführte.

 



Und noch ein anderer war es, welcher meine Aufmerksamkeit erregte, kein Indianer, sondern ein Weißer, welcher in allem das gerade Gegenteil von dem ersteren war.



Er saß auf dem Hinterdecke in der Nähe des Steuermannes und hatte seinen Platz so gewählt, daß er das ganze Deck überblicken konnte, ohne selbst viel bemerkt oder gar belästigt zu werden. Es war, als ob er sich Mühe gebe, so wenig wie möglich Aufmerksamkeit zu erregen. Gekleidet war er sehr fein und nach französischem Schnitte. Den Bart trug er nach der hiesigen Mode. Seine Züge, sein dunkles, scharf blickendes Auge ließen auf ungewöhnliche Intelligenz und Willenskraft schließen. Die sonnverbrannte Farbe seines Gesichtes gab nicht zu, ihn für einen Salonhelden zu halten. Seine sitzende, zusammengebeugte Haltung erlaubte nicht, seine Gestalt zu beurteilen, doch war es mir, als ob ich in ihm einen Militär, einen Offizier, und zwar nicht einen subalternen erkennen müsse. Nicht weit von ihm saß ein Neger, welcher wohl sein Diener war, denn er hielt das Auge fast unausgesetzt mit einer zugleich liebe- und respektvollen Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet, um jeden Wunsch oder Befehl des Herrn sogleich zu erraten. Beide waren in Rosario an Bord gekommen und hatten sich gleich von da an abseits der andern Passagiere gehalten.



Kapitän Frick Turnerstick hatte schon in der ersten Viertelstunde unserer Fahrt die Bekanntschaft des Schiffsführers gemacht und war fast stets an der Seite desselben zu sehen. Er hielt immer Vortrag, und der andere hörte ihm schweigend und oft lächelnd zu. Hans Larsen, unser ruhiger Steuermann, hatte mit niemandem auch nur ein einziges, überflüssiges Wort gesprochen. Er saß schweigsam zwischen den Kisten und andern Gepäckstücken und betrachtete die Szenerie, welche ihm das Deck und der Fluß mit seinen Ufern bot.



Bruder Hilario hielt sich zu mir. Die Yerbateros aber schwärmten überall herum und machten mit aller Welt Bekanntschaft, wie das die Art und Weise dieser Leute ist.



Eine Fahrt auf dem Parana ist allerdings sehr verschieden von einer solchen auf dem Rheine, der Donau oder Elbe. Die menschliche Staffage auch abgerechnet, bietet der Strom mit seinen Ufern und Inseln ein stets wechselndes Panorama, besonders interessant durch einen Pflanzenwuchs, welcher desto tropischer wird je weiter man nach Norden kommt. Die Ufer steigen zu beiden Seiten ziemlich steil empor, eine Bildung, welche man hierzulande »Barranca« nennt. Sie sind von grauer Farbe und fast immer mehr als zwanzig bis dreißig Ellen hoch und bestehen aus zwei durch eine fortlaufende Linie von versteinerten Muscheln getrennten Lagerungen von Kalkstein und Tosca, unter welch letzterem Namen man einen harten, aber doch zu verarbeitenden Lehm versteht.



Diese Barrancas sind teils kahl, teils mit dichtem Strauchwerk besetzt, zwischen welchem je nördlicher desto öfter die hier auftretenden Palmenarten zu bemerken sind. Zuweilen werden diese Ufersteilungen durch einen Einschnitt unterbrochen, welchen ein Bach oder ein kleines Flüßchen sich ausgewaschen hat.



Man darf aber nicht meinen, daß die Ufer stets zu sehen seien. Die Breite des Stromes und der Reichtum der zwischen seinen Armen liegenden Inseln verhindert das. Das Schiff fährt stets auf einem dieser Arme, welche lang gestreckte Kanäle bilden, die ihr Fahrwasser während der Zeit der Regen und Überschwemmungen so verändern, daß die Schiffahrt den Kurs sehr oft zu wechseln hat.



Wir waren überein gekommen, nur bis Goya zu fahren, und von dort aus in den Gran Chaco einzudringen. Für diese über siebenhundert Seemeilen lange Strecke hatte ich in erster Kajüte nach deutschem Gelde nicht ganz hundert Mark bezahlt, welcher Preis sich einschließlich sehr guter Beköstigung und sogar des Weines versteht. Die Yerbateros fuhren als Passagiere niederer Klasse wohl halb so billig. Überhaupt schien man es in diesem Punkte nicht allzu genau zu nehmen. Ich sah Indianerinnen an Bord kommen, welche trotz ihrer Erklärung, daß sie arm seien und kein Geld hatten, doch einen Platz erhielten und mitgenommen wurden.



Gegessen wurde gewöhnlich auf dem Deck. Dann versammelten sich um die Tafel die Indianer und Indianerinnen und erhielten so viel Speisereste zugereicht, daß auch sie satt wurden. Des Nachts lagen die Leute oben, wie und wo es ihnen beliebte. Wenn man da einen Gang unternahm, mußte man sehr aufpassen, nicht über den einen oder andern Schlafenden hinweg zu stürzen.



Da alle Welt mit Waffen versehen war und es keine Jagdeinschränkung gab, so hörte man vom Morgen bis zum Abend die Gewehre knallen. Es wurde auf alles mögliche geschossen, und Tiere, auf welche man zielen konnte, gab es mehr als genug. Da ist zuerst das Wassergeflügel zu nennen, welches in großer Menge vorhanden war. Am häufigsten ließ sich der Cuervo sehen, eine schwarz gefärbte Scharbenart. Er ist wegen seiner eigentümlichen Manieren für den Reisenden sehr interessant. Er sitzt in Trupps beisammen, auf kleinen Inseln, schwimmenden Gegenständen oder Baumstümpfen und Ästen, welche an seichten Stellen aus dem Wasser ragen. Wird er aufgeschreckt, so stürzt er sich in urkomischer Weise in das Wasser und schwimmt davon; der Körper ist dabei untergetaucht, so daß nur der Kopf und ein Teil des Halses zu sehen sind. Das eifrige Nicken und ängstliche Verdrehen dieser Köpfe muß selbst den Ernstesten zum Lachen reizen.



Scheuer als der Cuervo sind die Enten, welche man oft zu Hunderten beisammen sieht, ohne aber leicht zum sichern Schusse zu kommen. Die schönste unter ihnen ist der Pato real mit seinem grün metallisch schimmernden Gefieder. Neben der Bandurria, einer Schnepfenart, sieht man Möwen und Seeschwalben, auch den weißen und schwarzhalsigen Schwan. An den Lagunen oder auf niedrigen Inseln steht der Storch, hier Tujuju genannt, und im Schilfe der Sümpfe sucht sowohl der weiße als auch der Löffelreiher fleißig nach Beute.



Auch Wasserschweine und Nutrias sahen wir oft. Dieser letztere Name bedeutet eigentlich Fischotter, doch wird hier eine große Rattenart so genannt, während man den eigentlichen Fischotter mit dem Worte Lobo bezeichnet, welches richtiger »Wolf« bedeutet.



Zuweilen, besonders am frühen Morgen, sieht man einen Jaguar am Ufer schleichen, um sich ein Wasserschwein zu holen, dessen Fleisch er demjenigen anderer Tiere vorzuziehen scheint.



Am eifrigsten schoß man auf Alligatoren, hier Jacaré genannt. Sie liegen an sandigen Stellen, welche nicht steil, sondern flach zum Ufer gehen, und sind nicht leicht aus ihrem Gleichmute zu bringen. Schlägt auch ein halbes Dutzend Kugeln in der Nähe einer solchen häßlichen Reptilie ein, so rührt sie sich darum doch nicht im mindesten. Erst wenn eine oder mehrere Kugeln direkt auf den harten Panzer prallen, bequemt sich das Tier, seinen Platz zu verlassen und in das Wasser zu gehen, aus welchem es im Schwimmen gewöhnlich die Hälfte des Kopfes streckt. Die Schüsse waren alle verloren, denn nur diejenige Kugel, welche die Weichteile trifft, die aber durch den Panzer geschützt liegen, kann das Tier verletzen.



Durch eines dieser Tiere knüpfte sich eine Art schweigender Bekanntschaft zwischen mir und dem vorhin erwähnten Passagier an. Er hatte sich nicht an der Jagd beteiligt, doch wenn auf Krokodile geschossen wurde, so stand er auf, um den Erfolg zu beobachten. Er kehrte dann immer mit einem verächtlichen Kopfschütteln an seinen Platz zurück.



Wir näherten uns einer niedrigen Stelle des Ufers, auf welcher zahlreiche Jacarés lagen. Das schien endlich seine Jagdlust zu erwecken. Ich stand zufällig ganz in seiner Nähe und hörte, daß er von dem Neger sein Gewehr verlangte. Vielleicht hatte er die Absicht, zu beweisen, daß es ihm ein leichtes sei, einen Alligator zu erlegen. Er trat mit dem Gewehre an die Brüstung des Deckes und gab auf eins der Tiere die zwei Schüsse ab. Die erste Kugel ging fehl; man sah, daß sie sich in den Sand wühlte; die zweite Kugel traf die Bestie gerade auf den Rücken. Das Tier hob den Kopf ein wenig empor, ließ ihn wieder sinken und – blieb ruhig liegen, als ob nur eine Erbse auf seinen Körper gefallen sei.



War die Miene des Schützen erst ziemlich siegesgewiß gewesen, so legte sie sich jetzt in den Ausdruck zorniger Enttäuschung. Er warf mir einen kurzen Blick zu, als ob er sich schäme, und gab dem Diener das Gewehr zurück.



»Soll ich laden?« fragte der Schwarze.



»Nein. Die Alligatoren sind unverwundbar«, antwortete er, indem er sich wieder niedersetzte.



»In dieser Stellung, wenn sie auf dem Bauche liegen, kann man sie freilich wohl kaum erlegen,« sagte der Frater, welcher die Worte auch gehört hatte, zu mir.



»Warum nicht?« fragte ich.



»Wo sollte man die Kugel anbringen?«



»Im Auge.«



»Unmöglich! Ich schieße doch auch gut.«



»Man braucht nicht genau das Auge zu treffen. Es gibt über den Augen eine Stelle, an welcher der Knochen nur dünn ist, so daß eine Kugel durchdringt.«



»Und diese Stelle glauben Sie zu treffen?«



»Gewiß. Ich hoffe sogar, die Kugel genau ins Auge zu bringen.«



»Das möchte ich sehen! Bitte, wollen Sie?«



»Wenn Sie wünschen gern, lieber Bruder. Bestimmen Sie mir das Tier, auf welches ich schießen soll!«



Bei diesen Worten nahm ich mein Gewehr zur Hand, auf welches ich mich verlassen konnte. Ich hatte mit derselben schon andere Schüsse tun müssen, als so einen Bestienschuß, Schüsse, bei denen es sich um das Leben handelte. Die erwähnte Stelle lag bereits hinter uns. Wir mußten warten, bis wir wieder ein Jacaré sahen. Der Passagier betrachtete mich mit neugierigem Blicke; ich zeigte das gleichgültigste Gesicht. Nach einiger Zeit sahen wir zwei der Tiere am flachen Ufer liegen. Sie waren vielleicht zwanzig Schritte von einander entfernt, beide aber kaum halb so weit vom Wasser.



»Nun jetzt?« fragte der Bruder.



»Ja,« antwortete ich. »Passen Sie genau auf!«



Ich trat an den Bord und nahm das Gewehr halb auf. Der Fremde folgte mir, mit dem Ausdrucke großer Spannung im Gesichte, was eigentlich gar nicht begründet war, denn ein Krokodil zu schießen ist für einen Westmann kein Meisterstück.



Die beiden Tiere lagen halb im Profil zu dem Schiffe, die beste Stellung für einen sichern Schuß. Es gab noch einige andere, welche auch auf sie schießen wollten; aber der entfernt stehende Yerbatero sah, daß ich das Gewehr in der Hand hatte, und rief ihnen zu:



»Schießen Sie nicht, Sennores! Dort steht einer, der Ihnen zeigen wird, wie man treffen muß.«



Aller Blicke richteten sich auf mich, was mir gar nicht lieb war, denn wenn die beiden Patronen, die ich geladen hatte, nicht ganz fehlerfrei gearbeitet waren, so schoß ich fehl und war blamiert.



Jetzt war das Schiff so weit heran, daß der gegenwärtige Augenblick der geeignetste war. Ich warf nach Westmannsart das Gewehr an die Wange und drückte zweimal ab, scheinbar ohne genau gezielt zu haben, aber eben nur scheinbar. Der Präriejäger drückt noch, bevor er das Gewehr aufnimmt, das linke Auge zu, um das Ziel zu visieren. Durch lange Übung hat er die Geschicklichkeit erlangt, den Lauf sofort in die Sehachse zu bringen, ohne lange probieren zu müssen. In demselben Augenblicke, an welchem das Gewehr seine Wange berührt, liegt auch schon das Korn in der Kimme, und der Schuß kann abgegeben werden. Die ganze Kunst liegt eben nur darin, den Lauf sofort in die Sehachse zu werfen. Das erspart das lange Suchen und Visieren, durch welches der linke Arm ermüdet und wohl gar ins Zittern kommt. Der angehende Westmann steht stundenlang, um sich mit dem ungeladenen Gewehre einzuüben. Er wirft, indem er das linke Auge geschlossen und das rechte scharf auf das Ziel gerichtet hält, das Gewehr mit schnellem Rucke auf und nieder, bis er die Fertigkeit erlangt, den Lauf sofort auf das Ziel und das Korn in die Kimme zu bringen.



Viele bringen es nie zu dieser Gewandtheit und sind dann schlechte Jäger, da oft das Leben davon abhängt, der erste am Schusse zu sein.



Für andere freilich erscheint es unbegreiflich, daß jemand, ohne langsam anzulegen und scheinbar ohne sorgfältig zu zielen, das Gewehr geradezu emporwirft, augenblicklich abdrückt und – einen Nagel durch das Schwarze treibt. Die Schnelligkeit, mit welcher das geschieht, ist verblüffend, aber eben weiter nichts als das erklärliche Resultat einer langen und unermüdeten Übung.

 



So war es auch jetzt. Das Gewehr aufnehmen, zweimal abdrücken und es wieder sinken lassen, das war in einer Sekunde geschehen. Der erste Kaiman fuhr empor, tat mit dem Schwanze einen Schlag und sank dann wieder nieder. Der zweite schoß vier oder fünf Schritte vorwärts, blieb dann halten, richtete den Kopf auf, sank auf die Seite, dann auf den Rücken und blieb so bewegungslos liegen. Beide waren tot. Lauter Beifall erscholl.



»Zwei außerordentliche und meisterhafte Schüsse!« rief der Fremde. »Oder waren sie Zufall?«



»Nein, Sennor. Sie waren kinderleicht,« antwortete ich.



Er warf mir unter den hoch empor gezogenen Brauen hervor einen erstaunten Blick zu, zog den Hut, machte mir eine tiefe, höfliche Verbeugung und kehrte auf seinen Sitz zurück. Von da an bemerkte ich, daß er mir und allem, was ich tat, eine nicht ganz zu verbergende Aufmerksamkeit schenkte. Ich gab dem Yerbatero den Auftrag, sich unter der Hand zu erkundigen, wer er sei. Dieser gab sich alle mögliche Mühe und brachte mir endlich den Bescheid, daß niemand außer dem Kapitän ihn kenne; dieser aber habe seinen Namen nicht nennen wollen und nur angedeutet, daß der Sennor ein Oficialo nombrado

 sei, der ihm Schweigen anbefohlen habe. Natürlich war diese Auskunft nur geeignet, meine Neugierde zu vergrößern.



So waren wir also bis in die Nähe des Rio Guayquiaro gekommen. Das Wetter hatte uns bisher begünstigt, jetzt aber schien es dessen müde zu sein. Der südliche Horizont nahm eine schmutzig gelbe Färbung an, und die hohen Halme des Schilfes, die Zweige der Büsche begannen sich zu bewegen. Der Kapitän wendete den Blick wiederholt nach Mittag. Sein Gesicht verfinsterte sich. Dann kam Frick Turnerstick zu mir und sagte:



»Sir, der Kapt'n glaubt, daß ein Pampero im Anzuge sei. Er macht dabei ein Gesicht wie ein Taifun. Ist denn so ein Pampalüftchen so gefährlich? Wir befinden uns doch nicht auf hoher See!«



»Eben darum ist Grund zur Sorge vorhanden. Auf hoher See ist, wenn weder Land noch Riffe in der Nähe sind, ein Sturm nicht sehr zu fürchten. Hier aber kann er uns ans Ufer oder auf eine der Inseln werfen.«



»So mag der Kapt'n doch vor Anker gehen und warten, bis die Prise wieder eingeschlafen ist!«



»Das ist leicht gesagt, Sir. Zum Ankern gehört ein geeigneter Platz, und selbst wenn dieser gefunden ist, reitet das Schiff vor dem Sturm leicht so lange auf der Kette, bis es sich losreißt und zu Lande geht.«



»Das kann ich mir nicht denken.«



»Weil Ihr noch keinen Pampero erlebt habt.«



»Na, er mag kommen, dieser Master Pampero. Man wird ja sehen, ob er Zähne hat.«



»Wollen nicht hoffen, daß wir zwischen sie geraten!«



So wenig Zeit dieses kurze Gespräch in Anspruch genommen, hatte sich doch der Himmel während desselben stark verändert. Es war, als ob es schnell Nacht werden wolle, und ein starker aber unhörbarer Luftstrom bog die Pflanzen tief zum Boden nieder.



Ich ging nach dem Vorderdeck, um nach meinem Pferde zu sehen und es fester anzubinden. Eben rief der Kapitän mit lauter Stimme:



»Der Pampero kommt. Er wird nicht ein trockener, sondern ein nasser sein. Eilen Sie unter das Deck, Sennores!«



Die Schiffsbediensteten rannten hin und her, um alles gehörig zu befestigen. Ich zog mein Pferd zwischen den Kisten und Ballen, durch deren etwaigen Zusammensturz es scheu gemacht werden konnte, hervor und führte es, ohne zu fragen, ob dies erlaubt sei, nach der Mitte des Schiffes unter die dort ausgespannte Sonnenleinwand, wo ich es an einen im Boden angebrachten eisernen Ring band.



Als ich unter diesem Zeltdach hervortrat, war der Himmel rundum schwarz geworden, und der heranheulende Sturm überschüttete mich mit einer sehr großen Menge von Staub, Sand und Schmutz. Der bisher glatte Spiegel des Flusses wurde tief aufgewühlt und schickte seine schäumenden Wogenkämme hoch an dem Bug des Dampfers empor. Der Kapitän klammerte sich mit aller Gewalt an das eiserne Geländer der Kommandobrücke. Vier Männer standen am Steuer, dessen Rad sie kaum halten konnten. Ich wurde fast zu Boden geworfen. Ein Ruck – die Zeltleinwand wurde losgerissen und fortgefegt. Mein Pferd wollte sich losreißen und schlug hinten aus. Ich rollte den Lasso auf, warf ihn dem Tiere um die Hinterfüße und zog ihn dort zusammen, so daß es niederstürzte; dann band ich das andere Ende um die Vorderbeine; der Braune konnte also nicht auf und keinen Schaden anrichten. Und nun war es auch schon vollständig Nacht um uns. Haselnußgroße Regentropfen