El Sendador II. Der Schatz der Inkas

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»Das ist wohl Fabel!«

»Nach dem, was man sonst von ihm hört, ist es ihm zuzutrauen. Wenn Sie über die Anden wollen, so rate ich Ihnen, ihn zu engagieren und keinen andern.«

»Das beabsichtige ich auch.«

»Wirklich? So bekomme ich zehnfach Lust, Sie bis zum Salzsee zu begleiten. Denken Sie nach, ob mir dieser Wunsch erfüllt werden kann.«

»Schwerlich! Sie sind ein Anhänger von Lopez, also ein Gegner von mir.«

»Pah! Was geht mich Lopez Jordan an! Es litt mich nicht länger auf dem ruhigen Rancho. Ich wollte wieder in die Berge, um den Mörder vielleicht doch noch zu ertappen. Darum ergriff ich die erste Gelegenheit, den Rancho zu verkaufen. Das Geld, welches ich erhielt, trug ich nach der Hauptstadt von Entre Rios Concepcion del Uruguay, um es dort sicher anzulegen. Dann wollte ich nach den Anden. Unterwegs hielten mich Jordans Leute an, um mich als Führer nach Corrientes zu engagieren. Da mir ein gutes Geld geboten wurde, nahm ich den Vorschlag an und erhielt den Titel eines Offiziers. Das ist alles.«

»Sie gebärdeten sich aber wie ein eingefleischter Jordanianer!«

»Zum Scheine, denn mit den Wölfen muß man heulen.«

»Hm! Wer kann trauen!«

»Sennor, ich belüge Sie nicht!«

»Gut, ich habe Lust, Ihnen das zu glauben.«

»Ich werde Ihnen sogar einen ganz eklatanten Beweis geben, daß Sie mir jetzt mehr gelten als Lopez Jordan.«

»So? Wie wollen Sie das anfangen?«

»Ich gebe Ihnen Ihre Gegner, welche Sie verderben wollen, in die Hände.«

»In welcher Weise wäre das möglich?«

»Dadurch, daß wir sie in die Sümpfe des Espinilla locken, des Grenzflusses zwischen Entre Rios und Corrientes.«

»Hm! Daß sie uns verfolgen, ist freilich sicher. Aber wir haben einen bedeutenden Vorsprung.«

»Glauben Sie das ja nicht, Sennor! Sie sind nahe hinter uns her.«

»Des Nachts, wo sie keine Spur von uns sehen können?«

»Sie brauchen keine Spur. Sie wissen, daß Sie über die Grenze wollen und reiten in diese Richtung. Wenn sie sich dann am Anbruch des Tages nach beiden Seiten ausstreuen, müssen sie auf unsere Bahn kommen.«

»Sie haben recht. Und darum sind wir gezwungen, so bald wie möglich wieder aufzubrechen.«

»Ja. Dann reiten wir gerade gegen die Sümpfe, und die Jordanisten werden uns gewiß dorthin folgen.«

»Um uns da drinnen fest zu nehmen!«

»O nein! Ich kenne die Wege und die Schliche zu genau, als daß wir uns verirren und da stecken bleiben könnten. Ich führe Sie wieder heraus.«

»Hm! Sehen Sie denn nicht ein, daß ich Ihnen ein solches Vertrauen unmöglich schenken darf!«

»Sie dürfen es, und ich bitte Sie darum, es zu tun!«

»Das ist viel verlangt! Wie nun, wenn Sie uns da in eine Falle locken? Noch haben Sie mir nicht im geringsten bewiesen, daß Sie wirklich nicht mit dem Herzen zu Jordan gehören.«

»Ich sagte ja daß nur der Zufall und die Rücksicht auf meinen Vorteil mich bewog, mich diesen Leuten anzuschließen!«

»Und nun wollen Sie wieder weg von ihnen? Sehen Sie nicht ein, daß Sie da eigentlich an Ihren bisherigen Kameraden einen Verrat auszuüben beabsichtigen? Und kann man einem Verräter Vertrauen schenken?«

Er antwortete erst nach längerer Zeit:

»Sie haben recht, Sennor, obgleich Ihre Worte keineswegs schmeichelhaft für mich sind. Aber Sie nehmen die Sache wohl zu scharf. Jordan ist, streng genommen, selbst ein Verräter und darf sich nicht wundern, wenn er erntet, was er gesäet hat. Ich habe seiner Sache treu gedient, so lange ich bei ihm war. Jetzt bin ich von ihm fort und fühle mich aller Verpflichtungen gegen ihn ledig. Die Pietät für meinen Bruder steht mir höher, als die Rücksicht gegen einen Empörer, dessen Offizier ich nur dem Namen nach war und bei dem ich, streng genommen, nur im Tagelohne stand. Ich denke, Sie können mir schon deshalb vertrauen, weil ich mich in Ihrer Gewalt befinde. Ich bin ja an Händen und Füßen gefesselt, und Sie können mich augenblicklich töten, sobald Sie bemerken, daß ich es nicht ehrlich mit Ihnen meine.«

»Es fragt sich, ob wir Zeit und Macht hätten, Sie zu bestrafen, wenn wir uns einmal in der Falle befänden.«

»Ich versichere es Ihnen mit allen möglichen Eiden, daß ich aufrichtig bin! Bedenken Sie doch, daß ich Sie nach dem Salzsee führen will! Sie wagen wirklich gar nichts, wenn Sie mir Glauben schenken. Wollen Sie, Sennor?«

»Nun, ich will Ihnen gestehen, daß ich jetzt anders sprach, als ich dachte. Ich wollte nur hören, was Sie antworten würden. Hier haben Sie nun auch meinen Bescheid auf Ihre letztere Frage.«

Ich bog mich zu ihm nieder und knüpfte ihm die Riemen auf. Als das geschehen war, sprang er empor, dehnte und reckte sich und fragte:

»Sie lösen mir die Fesseln? Soll das heißen, daß ich frei bin, Sennor?«

»Was denn anders?«

»Aber, wenn ich nun fliehe?«

»Das wäre keine Flucht, denn nur ein Gefangener kann fliehen; Sie aber sind nun kein solcher mehr. Übrigens bin ich sehr überzeugt, daß Sie bei mir bleiben werden, Sennor Gomarra.«

»Ja, ja, deß können Sie überzeugt sein. Ich weiche und wanke nicht von Ihrer Seite. Ich danke Ihnen, danke Ihnen herzlich für das Vertrauen, welches Sie mir schenken, Sennor!«

Er drückte mir voller Freude die Hände und fügte hinzu:

»Was werden diese Schläfer sagen, wenn sie aufwachen und sehen, daß Sie mich frei gelassen haben!«

Er sollte sogleich hören, was wenigstens einer von ihnen sagen werde. Der Oberst hatte an seiner andern Seite gelegen und war durch seine Bewegungen aufgeweckt worden. Das schadete nichts, denn die Reihe, zu wachen, kam nach mir an ihn, und meine Zeit war schon vorüber. Er stand auf, trat zu uns und sagte erstaunt:

»Was ist denn das? Der Gefangene frei? Sind Sie des Teufels, Sennor!«

»Sehr bei Verstand bin ich,« antwortete ich. »Man darf einen Freund nicht mißhandeln, und dieser Mann ist zu uns übergetreten und will seine bisherigen Kameraden in unsere Hände liefern.«

»Diabolo! Und Sie vertrauen ihm?«

»Vollständig.«

»Nun, ich kenne Sie als einen Mann, welcher gar wohl weiß, was er will und warum er etwas tut. Ich kann also nichts dagegen haben, wenn Sie diesem Manne die Freiheit geben. Aber wie will er sein Wort halten?«

»Ich halte es, wenn es auch schwierig sein sollte,« antwortete Gomarra. »Leicht aber, sogar kinderleicht würde es sein, wenn wir die doppelte Anzahl wären, indem wir dann die Gegner von zwei Seiten nehmen könnten.«

»Hm! Wo denn?«

»Wissen Sie, daß der Grenzfluß stellenweise von gefährlichen Sümpfen umgeben ist?«

»Das weiß ich freilich. Die Sümpfe sind auf unsern Karten sehr genau verzeichnet; aber ich mag mich nicht zwischen sie wagen. Um das zu tun, müßte man sie sehr genau kennen.«

»Das ist bei mir der Fall. Wie ich bereits sagte, werden die Jordanisten uns verfolgen. Wenn wir zwischen die Sümpfe reiten, kommen sie hinterher. Ich führe Sie an eine Stelle, an welcher höchstens zwei Reiter neben einander passieren können. Sind wir da vorüber, so brauchen wir nur zu halten und umzukehren. Einige Mann von uns halten den ganzen Zug der Feinde in Schach, da diese sich nicht in die Breite entwickeln können.«

»Da werden sie wenden und sich zurückziehen.«

»Das ist ja eben der Grund, weshalb ich wünsche, daß wir zahlreicher sein möchten.«

»Nun,« antwortete ich, »ich denke, einer von uns nimmt es recht gut mit einigen von ihnen auf.«

»Das glaube ich gern, Sennor, denn Sie haben es bewiesen. Aber das reicht nicht aus. Sie werden zwar nicht alle kommen können, da wir ihnen eine ganze Anzahl Pferde entführt haben, aber sie sind doch mehrere Hundert gegen uns wenige. Bedenken Sie, daß der größte Held der Kugel des größten Feiglings gegenüber wehrlos ist!«

»Richtig! Ihr Plan wäre sehr gut. Welch ein Streich wäre es, diese bedeutende Truppe zu fangen, nachdem es ihr nicht gelungen ist, uns wenige zu halten! Aber wir werden leider verzichten müssen, da wir nicht zahlreich genug sind.«

»Hm!« brummte der Oberst nachdenklich. »Wenn es so steht, so könnte uns geholfen werden. Ich weiß nur nicht, ob ich aufrichtig sprechen darf.«

»Warum nicht?«

»Weil dieser unternehmende Sennor Gomarra bis vor wenigen Augenblicken unser Feind war. Man kann es wohl schwerlich verantworten, ihm Vertrauen zu schenken.«

»Ich verantworte es!«

»Nun, so kommen, wenn Sie sich irren, alle Folgen über Sie!«

»Ich nehme sie getrost auf mich. Sie hatten soeben einen Plan, irgend eine Idee?«

»Ja. Ich gehe nach der Provinz Corrientes, um von da aus den Angriff gegen Lopez Jordan zu organisieren. Ich werde da erwartet. Ich habe Offiziere vorausgesandt, welche bereits tätig gewesen sind. Sie bewachen vorläufig die Grenze, an welcher in gewissen Intervallen Kommandos stehen. Leider sind das einstweilen nur Fußtruppen, da uns die Pferde fehlen. Jordan ist so schlau gewesen, vor Beginn seines Aufruhrs alle Pferde aufzukaufen oder auch stehlen zu lassen. Darum freute ich mich so herzlich darüber, daß es uns gelungen ist, uns einer Anzahl dieser höchst notwendigen Tiere zu bemächtigen.«

»Was das betrifft,« meinte Gomarra, »so würden wir bald einige hundert Pferde haben, wenn wir nur die dazu nötigen Reiter hätten.«

»Für diese könnte ich sorgen durch Zusammenziehen und Herbeirufen einiger der erwähnten Kommandos.«

»Wird sich das tun lassen?«

»Jedenfalls, wenn ich einen sichern Boten hätte, oder noch lieber selbst hin könnte, was aber nicht möglich ist, da ich den Weg nicht kenne.«

»Sennor, ich führe Sie!«

»Sie mich? Und wer führt die andern?«

 

»Ich auch. Sie reiten mit uns, bis wir die Region der Moräste erreichen. Dort geleite ich Sie über die Stelle, an welcher der feste Weg eine nur zwei Ellen breite Brücke durch das tiefe, lebensgefährliche Moor bildet. Haben Sie diesen Pfad hinter sich, so erreichen Sie das feste Ufer des Flusses, wo Sie sich aufstellen können, um den Feind zu empfangen, der gegen Sie nichts vermag, weil er nur zu zweien vordrängen kann. Ist das geschehen, so setzen wir beide schleunigst über die Grenze, um die Soldaten herbei zu holen, mit denen wir dem Feinde in den Rücken kommen. Dann muß er sich ohne alle Bedingungen ergeben, wenn er nicht vernichtet sein will.«

»Der Plan ist ausgezeichnet!« meinte der Oberst, von dem Vorschlage Gomarras ganz begeistert, »wenn – wenn er nämlich gelingt.«

»Er muß gelingen, wenn wir Ihre Soldaten rechtzeitig zur Stelle bringen.«

»Ich hoffe, daß uns das gelingt.«

»Aber wohl nur dann, wenn wir keine Zeit versäumen und jetzt sofort aufbrechen. Wir dürfen uns die Verfolger nicht zu nahe kommen lassen, da wir Zeit brauchen, um die Kommandos herbeizuholen.«

»Ganz recht. Aber können Sie denn den Weg auch in der Dunkelheit finden?«

»So gut wie am hellen Tage. Übrigens scheint ja der Mond ein wenig.«

»Und – – dürfen wir uns auf Sie verlassen?«

»Sennor, Sie können mich wieder fesseln. Auch bin ich ohne Waffen. Sie können mich ja jeden Augenblick niederschießen, ohne daß ich mich zu wehren vermag.«

»Richtig! Und das würde ich aber auch tun, sobald Sie mir Veranlassung gäben, den geringsten Verdacht zu hegen. Was sagen Sie dazu, Sennor?«

Da diese Frage an mich gerichtet war, so antwortete ich:

»Ich bin vollständig einverstanden und hege keinen Zweifel, daß Gomarra es ehrlich mit uns meint.«

»Nun, so müssen wir die Schläfer wecken. Wir können ihnen nicht helfen. Sie mögen später weiter schlafen.«

Die Leute waren zunächst darüber unwirsch, daß sie geweckt wurden. Als sie aber hörten, welchem Unternehmen es galt, zeigten sie sich sofort einverstanden. Dem Feinde eine solche Nase zu drehen, dazu waren sie alle gern bereit. Es wurde aufgesessen; jeder nahm seine Pferde am Leitzügel, und dann ging es im Galopp wieder weiter, über den Camp, zuweilen zwischen Büschen und oft auch unter Bäumen dahin.

Ich ritt mit Gomarra voran. Obgleich ich volles Vertrauen zu ihm hatte, hielt ich es doch für keinen Fehler, die vollste Vorsicht anzuwenden. Darum hielt ich den Revolver locker, um dem Führer sofort eine Kugel zu geben, falls er uns etwa täuschen sollte. Doch das fiel ihm gar nicht ein; es zeigte sich vielmehr, daß er uns ganz ergeben sei.

Gegen Morgen erreichten wir Wald. Doch war derselbe licht. Die Bäume standen so weit aus einander, daß sie uns gar nicht störten, unsern Galopp beizubehalten. Wir gaben uns nicht etwa Mühe, unsere Spur zu verbergen, sondern wir machten unsere Fährte ganz im Gegenteile so sichtbar wie nur möglich, damit die Feinde uns recht leicht zu folgen vermöchten.

Nach einiger Zeit kamen wir an kleinen Bächen vorüber, deren Wasser ein nur ganz unbedeutendes Gefälle hatte. Gomarra sagt uns, daß wir uns dem Espinilla, dem Grenzflusse näherten, in welchen diese Bäche ihr träges Wasser sendeten, nachdem sie größere oder kleinere Sümpfe gebildet hätten.

»Nun kommt die Zeit, in welcher sich Ihre Aufrichtigkeit zu bewähren hat,« sagte ich zu ihm. »Bedenken Sie das!«

»Keine Sorge, Sennor,« antwortete er. »Sie sollen sich nicht in mir getäuscht haben.«

»Wenn das der Fall ist, so werde ich Ihnen auf eine Weise dankbar sein, welche Sie nicht für möglich halten.«

»Darf ich schon etwas davon erfahren?«

»Sie werden den Mörder Ihres Bruders sehen.«

»Wie? Was? Sagen Sie die Wahrheit? Sie müssen also doch wohl eine Ahnung haben, wer er ist?«

»Ich ahne es allerdings.«

»Sennor, ich bitte Sie, sagen Sie mir seinen Namen!«

»Sie haben ihn mir selbst genannt, als Sie mir von dem Morde erzählten.«

»Daß ich nicht wüßte. Ich habe da keinen Namen genannt.«

»Besinnen Sie sich!«

»Ja, da fällt es mir ein: Den alten Gambusino habe ich erwähnt, den Sie sterben sahen. Aber seinen Namen nannte ich nicht, da ich denselben überhaupt nicht kenne.«

»Sie sprachen ja auch noch von einem anderen, welcher da oben am Salzsee bekannt sein muß, da Sie von ihm behaupten, daß er die ganzen Anden besser kenne als jeder andere.«

»Meinen Sie etwa Geronimo Sabuco? Den Sendador? Unmöglich!«

»Warum unmöglich?«

»Sennor, da täuschen Sie sich. Der Sendador ein Mörder! Er, der sein Leben unzählige Male gewagt hat, um Reisende, welche sich ihm anvertraut hatten, glücklich an das Reiseziel zu bringen!«

»Das ändert meine Ansicht nicht im geringsten. Er ist gar mancher äußerlich ein Ehrenmann, im stillen aber ein Schelm. Sie kennen ihn nicht; Sie haben ihn weder gesehen, noch gesprochen und verteidigen ihn doch in dieser Weise!«

»Weil ich genau weiß, welchen Rufes er sich erfreut und welch ein Vertrauen er genießt. Haben Sie denn Grund, so Schlimmes von ihm zu denken?«

»Lassen wir das einstweilen.«

»Nein. Sie können sich doch denken, daß ich vor Begierde brenne, ihn kennen zu lernen.«

»Später, später! Ich habe Ihnen jetzt nur zeigen wollen, daß ich Sie zu belohnen vermag, falls ich mit Ihnen zufrieden bin.«

»Aber ich sterbe vor Ungeduld, Sennor!«

»So beeilen Sie sich, uns noch vor Ihrem Tode die Jordaner in die Hände zu bringen, so wird es noch Zeit sein, Sie zu retten!«

»Wissen auch andere davon?«

»Nein. Nur der Frater ist eingeweiht, daß der Sendador ein Mörder ist. Mit ihm allein dürfen Sie darüber sprechen. Die andern und ganz besonders die Yerbateros dürfen keine Ahnung haben; sie müssen Geronimo Sabuco nach wie vor für einen Ehrenmann halten.«

»Es wird auch mir schwer, wenn nicht gar unmöglich, ihn für etwas anderes zu halten. Ich bin fast überzeugt, daß Sie sich irren.«

»Ich irre mich nicht und will Sie nur eins fragen: Sie haben mir von dem alten Gambusino erzählt. Halten Sie ihn für einen Lügner?«

»Den? Alle andern Menschen viel eher als ihn. Er sprach wenig, und was er sagte, das war sicherlich die Wahrheit.«

»Nun, so will ich Ihnen sagen, daß er mir kurz vor seinem Tode erklärt hat, der Sendador sei ein Mörder.«

»Sennor! Sollte man das für möglich halten?«

»Es ist wahr. Der Sendador hat einen Pater ermordet, einen geistlichen Herrn. Denken Sie!«

»Das wäre eine Sünde, welche gar nicht vergeben werden kann. Woher aber wußte es denn der Gambusino?«

»Er hat es gesehen.«

»Hat ihn denn der Gambusino nicht an der Mordtat gehindert?«

»Er konnte nicht, denn er befand sich auf einem Felsen hoch über dem Orte, an welchem die Tat geschah. Er rief ihm erschrocken und entsetzt zu, doch vergebens.«

»So mußte der Sendador ihn als Zeugen der Bluttat fürchten und also darnach trachten, ihn bei Seite zu schaffen!«

»Wenigstens ihn unschädlich zu machen, ja; das tat er denn auch. Sie waren Freunde; darum tötete er ihn nicht; aber er zwang ihm einen Eid ab, niemals etwas davon zu erzählen.«

»Schrecklich, entsetzlich! Und der Gambusino hat es Ihnen doch erzählt und also seinen Eid gebrochen?«

»Erzählt nicht, denn ich hatte schon vorher einiges gehört und setzte mir das Fehlende hinzu. Als ich ihm die Sache dann genau so erzählte, wie sie geschehen war, konnte er mir nicht widersprechen.«

»Also wirklich ein Mörder, wirklich! Sennor ich erschrecke. Sollte sich nicht auch der Gambusino geirrt haben?«

»Nein, das ist ganz unmöglich. Übrigens stimmt alles sehr genau. Die beiden Mordtaten haben kurze Zeit, ganz kurze Zeit nach einander stattgefunden. Die Flasche, von welcher Sie sprechen, enthielt die Quipus, welche der Sendador dem Padre abgenommen hatte.«

»Das wissen Sie genau?«

»Ja. Er hat den Padre nicht nur der Quipus wegen, sondern noch wegen anderer Umstände getötet. Doch davon später. Ich weihe Sie in dieses Geheimnis ein und schenke Ihnen ein Vertrauen, welches nicht einmal der Yerbatero besitzt, welcher doch mein erster Freund hier wurde. Ich hoffe, daß Sie es nicht mißbrauchen!«

»Ich werde kein Wort davon sprechen.«

»Nur mit dem Frater Hilario dürfen Sie darüber reden, aber nur so, daß es kein anderer hört. Auch dem Sendador selbst dürfen Sie nichts merken lassen.«

»Aber wie kann ich mich denn da an ihm rächen?«

»Sie sollen sich rächen; aber das kommt später und ganz von selbst. Er würde leugnen, wenn Sie es ihm vorwürfen. Er muß überrascht, überrumpelt werden. Wir bringen ihn an den Ort, an welchem sich die Flasche befindet, ohne daß er es ahnt, daß wir es wissen.«

»Auf diese Weise! Sie meinen, der Schrecken werde ihm das Geständnis erpressen?«

»Ja, der Schrecken. Die Gewalt der Tatsache muß ihn niederschmettern, so daß er sich gar nicht zu erheben vermag. Doch, nun habe ich Ihnen wirklich alles gesagt, was ich noch verschweigen wollte. Ich bin schwach gegen Sie gewesen. Hoffentlich sehen Sie ein, wie gut ich es mit Ihnen meine.«

»Ja, das sehe ich ein, und ich werde Ihnen dankbar sein, Sennor. Wie gern würde ich noch weiter über diesen Gegenstand mit Ihnen sprechen, aber Sie werden nicht darauf eingehen, und ich sehe soeben, daß wir da angekommen sind, wo ich mich mit dem Oberst von Ihnen trennen muß.«

»Von mir nicht. Ich bin entschlossen, mitzureiten. Ich mag den Oberst nicht so allein reiten lassen.«

»Ich bin doch bei ihm!«

»Drei sind besser als zwei, und hier an der Grenze muß man vorsichtig sein.«

Als der Oberst hörte, daß man ihn begleiten wollte, freute er sich darüber, denn er traute dem Führer nicht so recht.

Wir befanden uns auf einem ebenen, grünen Plan. Die Hufe unserer Pferde standen auf Camposgras, welches nicht eine so gesättigte, fast braungrüne Farbe hatte wie die vor uns liegende Fläche. Ein schärferer Blick auf diese letztere zeigte, daß die darauf befindliche Vegetation aus Sumpfpflanzen bestand, und als ich einige Schritte weit zur Seite ritt und vom Pferde stieg, um das Terrain zu untersuchen, rief mir Gomarra schnell zu:

»Nehmen Sie sich in acht, Sennor! Nur noch einen Schritt weiter, und Sie geraten in Sumpf.«

»Nur hier links?«

»Auch rechts. Wir befinden uns an der Stelle, von welcher ich Ihnen erzählt habe.«

Er hatte recht. Ich überzeugte mich, daß es zu beiden Seiten tiefes, weiches Moor gab, in welchem ein Mann leicht versinken konnte. Unserer früherer Führer, der Indianer Gomez, welcher sich mit seiner jetzt ganz gesund gewordenen Mutter noch bei uns befand, wollte es uns beweisen, daß das Moor im höchsten Grade gefährlich sei. Er zog sich aus, ließ sich einen Lasso unter die Arme befestigen und trat auf die trügerische Decke. Er sank bis an die Knie, zwei Schritte weiter aber schon bis über die Hüfte ein, und der Sumpf schloß so fest um ihn, daß man ziemliche Kraft anwenden mußte, ihn heraus zuziehen. Diese Probe machte er auf beiden Seiten. Daß er dabei schmutzig wurde, war ihm sehr gleichgültig. Der Fluß, in welchem er sich waschen konnte, war ja nahe.

So hatten wir also den Beweis erhalten, daß man hier nach keiner der beiden Seiten ausweichen könne. Griffen uns die Gegner hier wirklich an, so konnten sie, ganz wie Gomarra gesagt hatte, nur zu zweien neben einander reiten, während wir drüben auf festem Boden hinter Schilf und Sträuchern lagen und die ganze Fläche mit unsern Kugeln zu bestreichen vermochten. Auf diese Weise konnten wir sie ganz leicht paarweise wegputzen. Und wendeten sie sich zur Flucht um, und es standen dann unsere Soldaten plötzlich hinter ihnen auf festem Boden, ungefähr da, wo wir uns in diesem Augenblicke befanden, so waren sie gezwungen, sich zu ergeben. Es fragte sich überhaupt, ob es ihnen gelingen werde, ihre Pferde auf der schmalen Bahn zwischen den beiden Sümpfen zu wenden. Brachten sie das nicht fertig, so war ihre Lage doppelt schlimm.

Jetzt mußten wir eine lange Reihe bilden. Gomarra ritt voran. Wir andern folgten einzeln, und je zwei von uns hatten einige ledige Pferde zwischen sich. In dieser Weise ging es nun zwischen den Mooren hin. Durchschnittlich war der Weg zwei Ellen breit, oft schmaler, zuweilen etwas breiter. Er dehnte sich viel, viel länger aus, als ich vorher gedacht hatte, und führte auch nicht gerade, sondern in sehr unregelmäßigen Windungen nach dem Fluße. Seine Länge war so bedeutend, daß unsere Feinde völlig Platz darauf hatten. Wenn der letzte von ihnen den gefährlichen Pfad betreten hatte, war der erste noch nicht drüben angekommen. Und das will etwas heißen bei gegen vierhundert Reitern. Übrigens war der Weg nicht etwa hart, sondern ziemlich weich und schlüpfrig. Unsere Pferde versanken stellenweise bis über die Hufe in dem dicken, schwarzen Schlamm. Aber wir kamen drüben ganz glücklich an. Da gab es einen sehr hübschen, von Büschen eingefaßten und von Baumwipfeln überragten Platz, auf welchem die Gefährten lagern und in aller Gemächlichkeit unsere Rückkehr erwarten konnten. Sie wollten absteigen, aber Gomarra, welcher mehr und mehr bewies, daß er ein kluger und außerordentlich umsichtiger Mensch sei, sagte ihnen:

 

»Bleiben Sie noch im Sattel, Sennores! Sie müssen noch eine kleine Strecke reiten, um dann zu Fuße zurückzukehren.«

»Warum zu Fuße?«

»Sagten Sie nicht, Sennor, daß Ihre Soldaten keine Pferde hätten?«

»Ja, allerdings.«

»Nun, da müssen wir ihnen helfen, schnell fortzukommen. Wir nehmen die sämtlichen Pferde mit, um den Truppentransport zu beschleunigen.«

»Der Gedanke ist freilich nicht übel.«

»Nicht wahr? Wir haben weit über dreißig Pferde. Setzen sich je zwei Mann auf eins, so kommen siebzig Soldaten schnell herbei. Und das ist notwendig, da wir nicht wissen, wie lange wir auf die Ankunft der Feinde zu warten haben.«

»Gibt es denn einen guten Weg von hier fort?«

»Auch so einen verborgenen wie den bisherigen. Wir gehen über den Fluß, so daß diesseits gar keine Spur zu finden ist. Haben wir wieder festes Land, so bringen wir drei die Pferde leicht fort; bis dahin aber müssen uns die andern Sennores begleiten.«

So geschah es. Wir schwenkten rechts ab, am Ufer aufwärts. Dort gab es wieder tiefen Sumpf, durch welchen wir uns nur auf sehr schmalem Pfade einzeln bewegen konnten. Die Pferde folgten langsam und vorsichtig, und keins von ihnen machte eine übermütige Bewegung, denn der Instinkt sagte ihnen, daß sie sich hier in Gefahr befanden. So erreichten wir eine härtere Stelle und sahen, daß sich am jenseitigen Ufer eine feste Sandbank befand.

»Hier setzen wir über,« sagte Gomarra.

»Drüben gibt es sichere Erde bis hinaus auf den Campo. Nun brauchen wir die anderen Sennores nicht mehr. Sie können umkehren, nachdem sie vorher uns geholfen haben, die Pferde in das Wasser zu treiben.«

Wir drei, der Oberst, Gomarra und ich, ritten in den Fluß. Die andern stiegen ab und trieben die Pferde in das Wasser, nachdem sie ihnen Zügel und Bügel kurz gebunden hatten. Das ging ganz vortrefflich, denn der Fluß war weder breit noch reißend. Drüben angekommen, bildeten wir aus den Pferden eine Tropa, welche uns aus Angst vor den fleißig geschwungenen Lassos willig folgte. Unsere Gefährten kehrten an den Platz zurück, an welchem sie vorhin hatten absteigen wollen. Wir verließen den Fluß im rechten Winkel, erst langsam, da das Terrain doch kein ganz sicheres war. Als wir aber den Campo erreichten, fielen wir in Galopp und fegten nach rechts ab, in östlicher Richtung hin, weil der Oberst dort Soldaten zu finden erwartete.

Wir waren kaum eine Viertelstunde geritten und hatten uns dabei fleißig nach Spuren umgesehen, so bemerkten wir zwei Reiter, welche am nördlichen Horizonte auftauchten und schnell auf uns zukamen. Natürlich hatten sie auch uns gesehen und wollten nun wissen, wer wir seien. Der Oberst blickte ihnen gespannt entgegen und rief erfreut, als sie näher gekommen waren:

»Rittmeister Manrico! Ihn habe ich vorausgesandt. Der Sennor bei ihm ist ein Lieutenant. Welch ein Glück, sie zu treffen!«

Der Rittmeister erkannte seinen Chef und grüßte ihn bereits von weitem. Nahe herangekommen, konnte er seinem Erstaunen, den Oberst hier so unerwartet zu treffen, gar nicht genug Ausdruck geben.

»Davon nachher, mein Lieber,« unterbrach ihn der Oberst. »Jetzt vor allen Dingen, was tun Sie hier?«

»Wir ritten zu einer Grenzdienstübung.« Er deutete nach Ost. »Dort stehen unsere Truppen.«

»Wie viele?«

»Zweihundert Mann mit etwa siebzig Pferden. Es waren trotz aller Mühe nicht mehr Pferde zusammen zu bringen. Jordan hat sie alle weggekapert und über die Grenze geschafft.«

»Weiß schon. Siebzig, und wir haben dreißig. Zwei Mann auf ein Pferd, so bringen wir zweihundert Mann fort. Getrauen Sie sich, mit zweihundert Mann vierhundert Leute von Jordan gefangen zu nehmen?«

»Wenn das Terrain halbwegs günstig ist, ganz gewiß.«

»Wie sind Ihre Leute bewaffnet?«

»Alle mit Remington-Gewehren.«

»Das ist vortrefflich. Das Terrain ist ausgezeichnet. Kommen Sie schnell! Führen Sie uns zu den Truppen; wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Jetzt ging es wieder vorwärts, und zwar mit möglichster Schnelligkeit. Unterwegs erzählte der Oberst den beiden Offizieren sein Abenteuer in kurzen Zügen. Sie beglückwünschten ihn ob seiner Rettung und waren ganz Feuer und Flamme, ihn zu rächen.

Bald erreichten wir den Camp, wo die Truppen standen. Sie hatten heute längs dem Flusse verteilt werden sollen, um da zur Probe zu manövrieren. Nun bekamen sie im Ernste zu tun. Es waren zwar zusammengewürfelte Leute, doch machten sie nach hiesigen Verhältnissen keinen üblen Eindruck. Ihre Uniform glich dem Anzug der Basken; ihre Gewehre waren neu und gut. Nur die kleine Hälfte war beritten; das tat aber nichts, denn unsere dreißig Pferde machten die Zahl der notwendigen Tiere voll, wenn jedes zwei Reiter tragen sollte.

Die vorhandenen Offiziere traten zusammen, und es wurde Kriegsrat gehalten, nach dessen Beendigung die Leute aufstiegen. Je einer setzte sich in den Sattel und nahm den andern hinter sich. Dann ging es im Galoppe wieder zurück, aber nicht ganz bis dahin, wo wir über den Fluß gesetzt waren. Dies geschah aus dem Grunde, weil es möglich war, daß die Feinde bereits angekommen waren. In diesem Falle mußte man sich beeilen, sie schnell in den Rücken zu nehmen.

Gomarra wußte außer der ersteren Stelle eine zweite oberhalb derselben. Dort war das Uferland auch hart und wir setzten über. Dann ritten wir die betreffende Strecke abwärts, bis wir so nahe waren, daß wir uns vor dem Sumpfe in acht nehmen mußten. Dieser wurde umritten und dann ritt ich mit Gomarra allein vor, um zu erkunden, ob unsere Verfolger bereits da seien. Sie waren glücklicher Weise noch nicht angekommen.

Späher durften nicht ausgesandt werden, da dieselben dem weichen Boden ihre Spuren eingedrückt hätten. Darum blieben die Soldaten halten, hinter Sträuchern verborgen, und ich entfernte mich mit Gomarra, um unsere Gefährten wieder aufzusuchen. Vorher wurde verabredet, daß der Oberst, welcher bei den Truppen blieb, sobald er einen Schuß höre, hervorbrechen, einen Bogen reiten und den Feind im Rücken nehmen solle.

Gomarra wußte einen Weg, welcher uns auch von hier aus nach unserm Ziele brachte. Die Gefährten freuten sich königlich, daß unsere Sendung einen so ausgezeichneten Erfolg gehabt hatte. Sie hatten es sich bequem gemacht, und wir setzten uns zu ihnen, um der Dinge zu harren, die da kommen sollten.

Von da aus, wo wir saßen, konnten wir weit in den Camp hinaus blicken. Wir mußten die Erwarteten schon aus bedeutender Entfernung sehen. An eine Überraschung war nicht zu denken, und so machte ich den Vorschlag, den versäumten Schlaf nachzuholen. Die Wache konnte die Schlafenden ja rechtzeitig wecken. Das wurde sehr gern akzeptiert. Bald lagen sie alle in Schlummer außer mir und dem Frater, welcher die Wache an erster Stelle übernommen hatte.

Ich nahm diese Gelegenheit war, ihm alles zu erzählen, was ich von Gomarra gehört hatte, und er erstaunte nicht wenig, als er vernahm, daß nun schon die Quipus entdeckt seien, welche der Sendador dem Yerbatero als nicht mehr vorhanden bezeichnet hatte.

»Da sieht man wieder, es gibt keinen Zufall. Oder sollte es ein so ganz zufälliges Zusammentreffen der Umstände sein, daß Sie erst dem Yerbatero begegnen, welcher von den Zeichnungen des Sendador weiß, dann dem sterbenden Gambusino, welcher die Mordtat kennt und die Quipus entdeckt hat? Wenn das keine Fügung des Himmels ist, so gibt es überhaupt weder Himmel noch Gott. Wollen Sie mit hinauf nach dem Salzsee?«